i. ENTSTEHUNG UND GESTALTWERDUNG. Im letzten Drittel des 19. Jh.s erstarkte das Gemeinschaftswesen in Deutschland und breitete sich rasch aus. a) Im Westen wirkten vor allem die —» Ev. Gesellschaft und Gemeinschaften Tersteegenschen Ursprungs, der reformiert geprägte —» Reisepredigt, Verein für im Siegerland (T. Siebei, J. G. Siebei) sowie der Ev. Brüderverein und die Neukir- chener Mission, die auf Allianzebene arbeiteten. In Württemberg waren vor allem die Altpietisten in ihrer stillen, offenen Gemeinschaftsarbeit rührig. Die —> Hahn'schen und Pregizerianer (—» Pregizer) lehnten, wie in Ostpreußen die aus dem litauischen Altpietismus stammenden Kuka- tianer (Ostpreußischer —» Gebetsverein), die neue Bewegung ab. In Berlin hat die Evangelisationstätigkeit von Schlümbachs die G. angefacht. Es entstanden die Michaelsgemeinschaft unter Graf E. v. —> Pückler und der —* CVJM unter E. v. —> Rothkirch. Im Osten fand sie ein starkes Echo durch Th. —> Jellinghaus, durch die von —» Chrischona (C.
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—> Rappard) entsandten Brüder und durch den —> »Reichsbrüderbund« (1878 von J. —» Seitz und M. Blaich gegründet). In Pommern gewann J. —> Paul besondere Bedeutung für die Bewegung, in Westpreußen die Pastoren
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—» Blazejewski und Th. —» Krawielitzki. In Schlesien setzte sich Major v. d. Oelsnitz für die G. ein, ferner P. J. —> Lepsius und Prediger E. Edel. In Schleswig-Holstein arbeitete der Verein für Innere Mission unter tatkräftiger Leitung J. v. —» Oertzens in guter Verbindung zur Kirche. In Hamburg wurde die Arbeit v. Oertzens im CVJM zum Mittelpunkt sowie die Gemeinschaft unter J. —> Röschmann. Erst später gewann die Bewegung auch Raum in Westfalen (W. —» Michaelis, E. —» Lohmann, Budde, Dammann), Hannover (Graf M. v. -> Korff, P. Oehlkers, Gräfin Waldersee, L. Thimme) und in Mitteldeutschland, wo Sachsen (anfangs unter —> Dietrichs Einfluß) zu einem Musterland der
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wurde und in Thüringen die —> Blanken- burger Allianz-Konferenz für die G. besondere Bedeutung erhielt. — Gleichzeitig entfaltete sich die Arbeit der —> Evangelisation.
Ihr Pionier in Deutschland war E. —> Schrenk. 1884 entstand in Bonn der Deutsche -» Evangelisationsverein (Th. Christlieb, J. v. Oertzen, E. Schrenk), der 1886 die Evangelistenschule —> Johanneum in Bonn gründete (ab 1893 in Barmen). Als freie Evangelisten arbeiteten u.a. E. Schrenk,
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H. Rappard und die Pastoren Dammann, J. Paul, E. Lohmann, S. -> Keller, W. Michaelis und E. —» Modersohn. Anfang dieses Jh.s gründete J. -> Vetter die Deutsche -> Zeltmission, die allerdings auf Allianzbasis arbeitete. - Bis in die frühen Jahre reicht der Beginn der Gemeinschaftsdiakonie zurück. Schon bald wurden Schwestern- und Brüderhäuser gegründet zur Ausbildung der Mitarbeiter in Gemeinschaftspflege, Evangelisation und —» Diakonie (vgl. Tabellen zu -» Gnadauer Verband), b) Das ausgeprägte Gemeinschaftsbewußtsein drängte auf Verbindung und Zusammenschluß. Schon früh bildeten sich provinziale Brüderräte, die zu Glaubenskonferenzen einluden. Die Gesamtbewegung fand ihren Sammelpunkt in der »Gnadauer Pfingstkonferenz«, die zum ersten Mal 1888 nach Gnadau bei Magdeburg einberufen wurde und von 142 Teilnehmern (68 Theologen und 74 Laien) besucht war. Aus ihr ging 1890 unter J. v. Oertzen das »Deutsche Komitee für ev. Gemeinschaftspflege« hervor. 1894 wurde unter Einbeziehung der Evangelisation in die Zielsetzung das »Deutsche Komitee für ev. Gemeinschaftspflege und Evangelisation« gegründet. Oktober 1897 fand dieser Zusammenschluß seine endgültige Form im »Deutschen Verband für ev. Gemeinschaftspflege und Evangelisation«. Die Satzung dieses Verbandes erkannte den angeschlossenen Verbänden Selbständigkeit und Eigenverantwortung zu. Der Verzicht auf ein verfassungsmäßiges Führungsrecht der Verbandsleitung ermöglichte es, daß die G. trotz ihrer geschichtlich, kirchlich und in der Lehrbildung unterschiedlichen Zusammensetzung auch in kritischer Zeit nicht auseinanderbrach. Die Verhandlungsführung geschieht nicht in systematisch-theologischer Durchdringung der Fragen, sondern in brüderlich-geistlicher Besprechung, in der Zeit für das —» Gebet bleibt und Minderheiten nicht majorisiert werden sollen. Vorsitzende des Verbandes waren: bis 1904 E. v. Pückler, 1906-1911 und 1919-1953 D. W. Michaelis, 1911-1919 D. Th. —> Haarbeck, 1953-1971 H. Haarbeck, ab 1971 K. Heimbucher, Nürnberg, c) Die im Gnadauer Verband zusammengeschlossene G. hat seit ihrer Gründung ihren Standort in der Kirche eingenommen bei Wahrung voller Selbständigkeit. Durch Einflüsse der interdenomina- tionellen —> Heiligungsbewegung, durch darbystisches Gedankengut (-» Darby, —» Versammlung) durch die auf Allianzebene arbeitenden Werke und vor allem durch die von Wales ausgehende Erweckungsbewegung (R. A. —»Torrey, E. Roberts) kam mancherlei Unsicherheit in die grundsätzlich innerkirchliche Stellung der Gnadauer G. Im Ganzen blieb die G. ihrer Haltung treu trotz praktischer Konflikte und theologischer sowie konfessioneller Gegensätze. Selten war die Abkehr einer Gemeinschaft von diesem Grundsatz; die bedeutendste war die Trennung der Gemeinschaft am Holstenwall, Hamburg, unter -» Heitmüller (1934), die sich den -» Freien ev. Gemeinden anschloß.
v Krisen der G. a) 1907 kam die -* Pfingstbe- wegung über Norwegen nach Deutschland und führte die G. in eine schwere Krise. Die radikalen Konsequenzen der —» Heiligungsbewegung (-» Perfektionisinus, -» Geistestaufe), die Erweckung von Wales und das vorangegangene Abdrängen der Herausforderung zu stärkerer theologischer Verantwortung (—> Lepsius, Eisenacher Bund) bahnten den Weg zur Aufnahme und raschen Ausbreitung der Pfingstbewegung besonders im Osten und in der jüngeren G. Dagegen stellten sich vor allem die altpietistischen Gruppen. Die Auseinandersetzung mit der Pfingstbewegung und ihre Abwehr erfolgte zögernd, weil man sich nur schwer von den Brüdern trennen konnte und noch eine »Gesundung« der Bewegung erhoffte. Eine starke neutrale Gruppe verhinderte die schnelle Abgrenzung. Erst im Juli 1909 wurde in einer durch Michaelis, v. —> Vie- bahn, Seitz, Wittekindt und —> Stockmayer einberufenen Sitzung verantwortlicher Gnadauer und maßgeblicher Brüder der —> Allianz mit der sog. -» »Berliner Erklärung« (I) (56 Unterschriften) die Ablehnung der Pfingstbewegung ausgesprochen. In Gnadau wurde 1910 die Trennung von der Pfingstbewegung beschlossen. Die »Neutralen« trennten sich nach weiteren Vermittlungsversuchen im Januar 1911 von der Pfingstbewegung. Dieser Schnitt brachte empfindliche Verluste, andererseits wirkte er sich klärend in der Gnadauer G. aus. - Seit der Trennung, zunehmend nach dem 2. Weltkrieg, wurde der Gnadauer Verband seitens der Pfingstbewegung zur Revision seiner Stellungnahme aufgefordert, ohne daß seine Haltung dadurch erweicht wurde. Eine Annäherung zwischen Gnadau und der gemäßigten »Mülheimer Richtung« scheiterte daran, daß Gnadau an der konsequenten Verwerfung der Weltpfingstbewegung festhielt, während der Mülheimer Verband es ablehnte, sich von dieser zu trennen. Seit der Aufnahme von Pfingstkirchen in den Oekumenischen Rat (-> ökumenische Bewegung) und durch den wachsenden Einfluß der Pfingstler im —> evangelikalen Raum gerät der Gnadauer-Verband in seiner Stellungnahme zur Pfingstbewegung mehr und mehr in eine Minderheit und unter wachsenden Druck. Er schreibt jedoch seinen in der Geschichte gewonnenen Erkenntnissen über die Pfingstbewegung bleibende Bedeutung für die Gegenwart zu. b) Eine weitere Krise kam über die G. durch die kirchenpolitischen Maßnahmen des Nationalsozialismus. Die Aufforderung zum Anschluß der G. an die Glaubensbewegung Deutscher Christen (—» Kirchenkampf) wurde bereits im Juni 1933 abgewiesen. Im Dezember 1933 konnte Michaelis den Gnadauer Vorstand nach grundsätzlich-theologischer Auseinandersetzung mit der Glaubensbewegung zur eindeutigen Stellungnahme gegen diese bewegen. Infolge des Vorstandsbeschlusses vom Nov. 1934, nach dem eine andere Haltung »mit der Mitgliedschaft im Gnadauer-Verband nicht vereinbar ist«, trennten sich ein großer und ein kleiner Gemeinschaftsverband von Gnadau. Viele Gemeinschaften bes. im Rheinland und die ostpreußischen Verbände arbeiteten eng mit der Bekennenden Kirche zusammen. Gnadau schloß sich im Nov. 1934 der »Arbeitsgemeinschaft der missionarischen und diakonischen Werke und Verbände in der DEK« an, die unter Fr. v. Bodel- schwingh d.J. in der Bekenntnisfront stand.
4.dieg. nach 1945. Der Zusammenbruch 1945 brachte der G. große Verluste im Osten. Andererseits bewirkte die Umschichtung der Bevölkerung durch Flucht und Evakuierung vielerorts Neubelebung und Gemeinschaftsneugründungen. Nach der Bedrük- kung im 3. Reich blühte die G. neu auf. - Die
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sieht sich in jüngster Zeit umgeben von einer wachsenden Zahl geistesverwandter neuer Erweckungsträger, die jedoch wenig oder gar keine Verbindung zur G. suchen. Der Deutschen Ev. Allianz gehören Verantwortungsträger der Gnadauer G. als Mitglieder an. Die G. arbeitet in deren evangeli- stischen Aktionen aktiv mit. Doch muß sie diesen gegenüber zunehmend ihr Selbstverständnis als imierkirchliche G. behaupten. Ihr Verhältnis zur Kirche wird erschwert durch die Entwicklung in Theologie und Verkündigung innerhalb der ev. Kirchen, durch den Weg der Oekumene und den Strukturwandel in der Mission. Infolge der hierdurch bedingten Auseinandersetzungen erwachsen der G. im Blick auf ihre innerkirchliche Stellung auch intern Probleme. Wegen ihrer intensiven betreuenden Arbeit in Verkündigung und -»Seelsorge (Gemeinschaftspflege) und ihres opferbereiten Einsatzes in missionarischen Aktivitäten (Evangelisation) bleibt die innerkirchliche
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ein wesentlicher Faktor in den ev. Landeskirchen.
Lit.: P. Fleisch, Die moderne G. in Deutschland, I,3 1912, II/13 1914 - A. Roth, 50 Jahre Gnadauer Gemeinschafts-Konferenz, 1938 - W. Michaelis, Erkenntnisse und Erfahrungen aus sojährigem Dienst am Evangelium, 1949 - P. Fleisch, Die Pfingstbewegung in Deutschland, 1957 - H. v. Sauberzweig, Er der Meister - wir die Brüder, Geschichte der Gnadauer G. 1959 (Lit.) - H. Haarbeck/A. Pagel, Eine offene Tür, 1963 - H. Haarbeck, Laß dir an meiner Gnade genügen, 1965 - E. Beyreuther, Kirche in Bewegung, Geschichte der Evangelisation und Volksmission, 1968 - E. G. Rüppel, DieG. im Dritten Reich, 1969 (Lit.)-J. Oh- lemacher, Die G. in Deutschland, Quellen zu ihrer Geschichte 1887-1914, 1977 -D. Lange, Eine Bewegung bricht sich Bahn, r979 Paschko
Gemeinschaftswerk der Ev. Publizistik
Gegründet 1973 von —» EKD, VELKD, —» EKU, 15 Landeskirchen, 5 kirchlichen Werken und Verbänden (»Väter«: Rudolf Wee- ber, Robert Geisendörfer, Eberhard Stammler) zur Wahrnehmung und Förderung publizistischer Aufgaben im Bereich der EKD Arbeitszentrum in Frankfurt (90 Mitarbeiter, Etat 1978: 9 Millionen DM, Direktor: Dr. Norbert Schneider) mit 7 Fachbereichen:
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—> Ev. Pressedienst/epd (Nachrichtenagentur, Informations- und Artikeldienste, Dokumentation), 2. Ausbildung und Personalplanung (Christliche Presse-Akademie),
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Hörfunk und Fernsehen (Kontakt zu Sendeanstalten), 4. Film, Bild, Ton (AV-Medien- arbeit), 5. Zeitschriften (kirchliche Presse),
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Buch (Verlags- und Büchereiwesen), 7. Werbung und Public Relations. Organe: Mitgliederversammlung, Vorstand (15 Mitglieder, Vorsitz: D. Hans Thimme), epd- Kuratorium, sechs Hauptausschüsse.
Schilling
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