Erkenntnis (-frage)
Unter E. verstehen wir einen der Prozesse, in denen der Mensch der ihn umgebenden Wirklichkeit begegnet. In der E. nimmt der menschliche Geist die Vielfalt des Wirklichen in sich auf, ordnet sie sich zu und macht sie sich in seinem Bewußtsein verfügbar. Gewonnene Erkenntnis (= Wissen) ist zudem durch die Sprache vermittelbar und darum auch für andere aneignungsfähig und nachvollziehbar. (Inwieweit in der E. tatsächlich die ganze Wirklichkeit aufgenommen wird, inwieweit sie also »wahr« ist, und was an methodischen Kriterien vorgeschaltet werden muß, damit sie »wahr« wird, ist eine in der philosophischen Gattung »Erkenntnistheorie« seit eh und je verhandelte und nie eindeutig entschiedene Frage). Deutlich ist jedenfalls: Im Prozeß der E. gibt es ein erkennendes Subjekt, das Ich des Erkennens, und zu erkennende Objekte, das Du, das Es oder das Sie dessen, was erkannt werden soll.
Diese allgemeine Definition des Erkenntnisvorgangs läßt sich auf das, was im biblischen Sinne »Erkennen« ist, kaum übertragen. Denn die Erkenntnis, um die es hier geht (Gotteserkenntnis, Erkenntnis des Willens Gottes, Sündenerkenntnis), ist nicht die des erkennenden Subjektes, sondern die des Glaubenden und darin Erkennenden. Das bedeutet aber, daß Erkennen im biblischen Glauben existenziell besonders qualifiziert ist: Es ist durch seinen »Gegenstand« (der das eigentliche Subjekt ist) betroffen, ergriffen, erkannt und in Dienst genommen. Dieses letztere aber vollzieht sich auf dem Weg der Offenbarung, in der Gott aus seiner Verborgenheit heraustritt und sich dem
Bräumer
Menschen erkennbar und in Entscheidung stellend begegnet. Von daher ist es sachlich angemessener, von -> Erfahrung Gottes zu sprechen. Dieser grundlegenden Erkenntnis Gottes sind die sogenannten »Erkenntnisfragen» nach- und unterzuordnen. Sie sind theologische Fragen, die um ein angemessenes Verstehen und um eine sachgemäße Anwendung der gegebenen Offenbarung Gottes kreisen.
Betz
Erlanger Theologie
Erlanger Theologie ist der Name für eine theologische Bewegung, die ab 1833 für ein halbes Jahrhundert die theologische Fakultät der Universität Erlangen bestimmte und von dort aus über die Grenzen Frankens, Deutschlands und Europas wirkte.
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Die Entstehung der Erlanger Theologie Die E.T. wurzelt in der —» Erweckungsbewegung, die in Franken vor allem durch den Erlanger reformierten Pfarrer und außerordentlichen Professor für reformierte Theologie Johann Christian Gottlob Ludwig Krafft (1784-1845), durch Johann Tobias -> Kießling und seinen Nürnberger Kreis der Erweckten und durch den Ansbacher Dekan Adam Theodor Albrecht Franz Lehmus (1777-1837) getragen wurde. Krafft gründete 1819 in Erlangen einen Missionsverein und 1824 einen Bibelverein, in dem eine Zeitlang der Philosoph Schelling den Vorsitz führte. Durch Kraffts Predigten kam Johannes von Hofmann (1810-1877), der der bedeutendste Theologe seit der Gründung der Erlanger Universität genannt wird, zum lebendigen Glauben an Jesus Christus. Nach einem ersten Besuch einer Vorlesung Kraffts über Dogmatik sagte er, er verdanke ihr das Beste der Erlanger Zeit: »Die Erkenntnis unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus«. An dem »Wiedererwachen des evangelischen Lebens in der lutherischen Kirche Bayerns« - so der Titel einer Schrift, die der Erlanger Theologe Gottfried Thomasius (1802-1875) 1867 veröffentlichte - waren besonders akademische Lehrer außerhalb der theologischen Fakultät Erlangens beteiligt, u.a. der Naturphilosoph Gotthilf Heinrich von Schubert (1773-1824), der Orientalist Johann Arnold Kanne - beide kamen 1816 im Nürnberger Kreis der Erweckten zum Glauben - und der Professor für Mineralogie Karl von Raumer (1783-1865).
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Die E.T. in der Zeit ihrer Entfaltung Gründer der E.T., einer sachlich und personell ziemlich einheitlichen theologischen Schule, war Adolf Harleß (1806-1879). Har- leß, der bei —* Tholuck in Halle seine Bekehrung erlebte, hat als erster die Grundgedanken der E.T. ausgesprochen: Das Leben des Christen ist begründet in -> Bekehrung und Wiedergeburt; allein vom Erlebnis der Wiedergeburt her kann der ganze Komplex der lutherischen Lehre angeeignet werden. Seit 1838 gibt Harleß als Organ der neuen Richtung die »Zeitschrift für Protestantismus und Kirche« heraus. Mit Harleß eng befreundet wirkte von 1833-1852 der praktische Theologe Johann Wilhelm Friedrich Höfling (1802-1853). Er wurde aufgrund einer Verteidigungsschrift der Erweckten, die er 1832 schrieb, nach Erlangen berufen. Er nennt in dieser Schrift die Bekehrten »die durch den Geist Gottes, welcher über die dürren Totengebeine auf dem Leichenacker der fast erstorbenen Kirche hinfuhr, wieder erweckten, lebendigen evangelischen Christen«.
Zug um Zug wurden in Erlangen die ordentlichen und außerordentlichen Lehrstühle sowie die Stellen der Privatdozenten mit bekehrten und wiedergeborenen Professoren und Lehrern besetzt. Der bedeutendste unter ihnen war der bereits erwähnte Johannes von Hofmann. Sein Einfluß ist noch spürbar in der Theologie Karl -» Barths und des Alt- testamentlers Gerhard von Rad (1901-1971). Durch seine Konzeption der -*• Heilsgeschichte gelingt ihm eine Verknüpfung von —» Biblizismus und Historismus. Die Einheit der Schrift liegt in der von ihr berichteten Heilsgeschichte. Der vielseitigste Theologe der Erlanger Schule war der weniger bekannte Franz -» Delitzsch.
IQ. Das Erbe der Erlanger Theologie Der Einfluß der Erlanger Theologie war mit dem Tode ihres letzten klassischen Repräsentanten Franz Hermann Reinhold von Frank (1827-1894), nicht zu Ende. Sie wirkte weiter in Theodor von Zahn (1838-1933), in Christoph Emst Luthardt (1823-1902), in Reinhold Seeberg (1859-1935) und Ludwig Ihmels (1858-1933).
Lit.: F. W. Kantzenbach, Die Erlanger Theologie, i960
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