18.08.2016
Gericht
BVwG
Entscheidungsdatum
18.08.2016
Geschäftszahl
W182 2111732-1
Spruch
W 182 2111732-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dieter PFEILER über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2015, Zl. 1.015.092.402, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.03.2016 zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, §§ 46, 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) BGBl. I Nr. 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz
(B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der Volksgruppe der XXXX an, ist Muslim, war im Herkunftsstaat in der Stadt XXXX in der russischen Republik Dagestan wohnhaft, reiste im April 2014 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 12.04.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
In einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 14.04.2014 brachte der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen befragt vor, dass ein Onkel des BF an XXXX teilgenommen habe. Am 25.03.2014 sei der BF von "FSB-Mitarbeitern" mitgenommen und zu einem Polizeirevier gebracht worden, wo er zwei Tage lang festgehalten, geschlagen und beleidigt worden sei. Die Behörden hätten gewollt, dass der BF "in den Wald" gehe, sich den Kämpfern anschließe und diese ausspioniere. Sie hätten dem BF dazu ein Monat Zeit gegeben, wobei sie ihn mit einem Mobiltelefon ausgestattet hätten, dass er erst einschalten hätte sollen, sobald er bei den Kämpfern sei. Nachdem er von der Polizei freigelassen worden sei, habe er sich entschieden, sein Land zu verlassen, da er dies nicht machen habe wollen. Der BF habe am 05.04.2014 sein Herkunftsland verlassen. Das erhaltene Mobiltelefon habe er zerstört. Er sei auch bereits im Jahr 2011 von den Behörden mitgenommen worden. Bei einer Rückkehr ins Herkunftsland befürchte er, dass die Behörden ihn töten werden. Die Mutter des BF sei im Jahr 2000 verstorben, der Vater sei noch in der Heimatstadt wohnhaft. Der Aufenthaltsort seiner drei Brüder sei dem BF nicht bekannt. Der BF sei ledig und kinderlos. Er legte einen russischen Inlandspass vor.
In einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) am 26.02.2015 brachte der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass er am 25.03.2014 in der Früh auf dem Rückweg von der Moschee von FSB-Mitarbeitern angehalten worden sei, die ihn aufgefordert hätten, in ein schwarzes Auto mit getönten Scheiben einzusteigen. Sie hätten den BF auf ihre Dienststelle mitgenommen und ihn dort gefragt, warum in dem Mobiltelefon von XXXX seine Handynummer abgespeichert wäre. Der BF habe keine Ahnung gehabt und die genannte Person auch gar nicht gekannt. Als dem BF ein Foto einer Leiche eines jungen Mannes gezeigt worden sei, habe er die Person erkannt. Diese habe vor etwa eineinhalb Jahren in der Sporthalle trainiert, wo der BF als Hilfstrainer tätig gewesen sei. Der BF habe diese Person namentlich nicht und sonst "höchstens 2 Wochen lang" gekannt. Damals hätten an die 80 Leute in der Trainingshalle trainiert. Der BF habe u.a. für den Trainer Beiträge der Trainingsteilnehmer entgegengenommen. Sein Trainer habe den Teilnehmern dazu auch die Mobiltelefonnummer des BF weitergegeben. Weiters seien seine und die Telefonnummer des Trainers auf einem Schild in der Sporthalle zu lesen gewesen. Die FSB-Leute hätten dem BF nicht geglaubt, dass er mit der genannten Person nichts zu tun gehabt habe und hätten ihn zusammengeschlagen. Er sei zwei Tage lang festgehalten worden. Am 27.03.2014 sei ein Beamter zum BF gekommen und habe ihm gesagt, dass er das machen müsse, was sein Cousin XXXX für sie machen hätte sollen. Er habe den BF aufgefordert, für sie als Informant tätig zu sein und sich den Widerstandskämpfern anzuschließen, da er XXXX kenne und der Neffe von XXXX sei. Der BF hätte sich innerhalb eines Monats den jungen Männern im Wald anschließen sollen. Der BF habe "blaue Flecken im Gesicht" gehabt, weshalb er vermute, sie hätten ihm einfach Zeit gegeben, dass die Verletzungen im Gesicht nicht mehr sichtbar seien. Er hätte über die Widerstandskämpfer Information sammeln und nach ca. drei Monaten zurückzukehren sollen. Dem BF sei ein Mobiltelefon gegeben worden, dass er erst im Wald einschalten hätte sollen. Noch in dieser Nacht sei der BF freigelassen worden. Der BF habe keine andere Wahl als die Flucht gehabt. Wenn er in den Wald gegangen wäre, wäre er von den Widerstandskämpfern getötet worden, wenn er dies nicht getan hätte, wäre er von den Behörden getötet worden, die ihn dann als Widerstandskämpfer hingestellt hätten. Der BF habe das Herkunftsland am 05.04.2014 verlassen. Der BF sei bereits zuvor im Frühjahr 2011 vor der Polizei zum Polizeirevier gebracht worden, da diese seinen Cousin XXXX, der in dieser Zeit nach Österreich geflüchtet sei, gesucht hätten. Er sei nach dem Aufenthaltsort des Cousins befragt und dabei geschlagen worden. Da sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als ihnen zu sagen, dass sein Cousin nach Österreich gefahren sei. Am nächsten Tag in der Früh sei der BF freigelassen worden. Später habe er erfahren, dass sein Vater 200.000,- Rubel für seine Freilassung bezahlt habe. Danach sei ca. drei Jahre lang Ruhe gewesen. XXXX sei XXXX des BF gewesen. Dieser sei XXXX dabei gewesen und getötet worden. Dieser Vorfall habe die ganze Familie des BF betroffen. Nach diesem Vorfall seien 2003 oder 2004 seine (älteren) Brüder sowie andere Onkel verschwunden. Der BF habe von seinem Vater erfahren, dass sich seine Brüder in XXXX bzw. XXXX aufhalten würden. Diese seien zwischen 2003 und 2004 verschwunden. Im Herkunftsland würden sich der Vater, eine verheiratete Schwester sowie eine Tante des BF aufhalten. Der BF habe in der Heimatsstadt im Haus des Vaters gewohnt. Er stehe etwa alle zwei Wochen mit seinem Vater im telefonischen Kontakt. In Österreich würde sich der bereits genannte Cousin als Asylwerber sowie zwei Onkel (mütterlicherseits) und eine Tante aufhalten. Außer dem Cousin hätten alle Asylstatus. Der BF habe im Herkunftsland 11 Schulklassen absolviert. Danach habe er auf einem Marktstand zusammen mit seinem Vater mit Sportkleidung gehandelt. Der Marktstand sei angemietet gewesen. 2006 oder 2007 hätten er und sein Vater ihre Eigentumswohnung verkauft und von dem Geld ein Haus gebaut. Es sei ein Doppelhaus. In der einen Hälfte habe der BF gewohnt, in der anderen sein Vater. Der BF befürchte, dass er getötet werde, wenn er ins Herkunftsland zurückkehre. Bei seinem Vater sei es zu einer Hausdurchsuchung gekommen und würde ein schwarzes Auto mit getönten Scheiben zwei bis dreimal pro Woche an ihrem Haus vorbeifahren.
Der BF legte u.a. Protokolle über eine Hausdurchsuchung am 15.05.2014 vor, wonach im Haus des Vaters des BF in den Wohnräumen des BF vergeblich nach Schusswaffen und Munition gesucht worden wäre. Auffällig ist, dass im Hausdurchsuchungsprotokoll keine Adresse genannt ist, an der die Hausdurchsuchung durchgeführt wurde, sondern als Gegenstand der Hausdurchsuchung lediglich die Wohnräume des namentlich mit Geburtsdatum genannten BF aufscheinen. Der BF legte weiters an ihn gerichtete polizeiliche Ladung für den 15.05.2014 und 19.05.2014, sowie eine Heiratsurkunde seiner Eltern vor.
1.2. Mit dem nunmehr angefochtenen oben angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gem. § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idF BGBl I Nr. 100/2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Russische Föderation nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in den Herkunftsstaat zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde innerhalb Spruchpunkt III. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Dazu wurde festgestellt, dass die Person des BF aufgrund eines nationalen Identitätsdokumentes samt Lichtbild (russischer Inlandspass) festgestellt werden habe können. Die Echtheit des Dokumentes sei durch eine kriminaltechnische Untersuchung bestätigt worden. Hinsichtlich der vom BF vorgebrachten Fluchtgründe ging das Bundesamt von der Unglaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens aus. So habe der BF behauptet, dass seine Schwierigkeiten im Herkunftsstaat den Ursprung XXXX3, an welcher sein verstorbener Onkel beteiligt gewesen sei, hätten. Der BF sei seinem Vorbringen zufolge einmal im Jahr 2011 und später im Jahr 2014 von der Polizei angehalten worden, dazwischen habe er völlig unbehelligt von Behörden und dem FSB leben können. Es sei davon auszugehen, sofern die Polizeibehörden bzw. der FSB tatsächlich am BF Interesse gehabt hätten, diese nicht einen so langen Zeitraum von drei Jahren verstreichen hätten lassen. Wenn der BF behaupte, im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat zu befürchten, umgebracht zu werden, so sei schließlich entgegenzuhalten, dass der BF seinen Behauptungen zufolge bereits zwei Mal angehalten und wieder freigelassen worden sei. Unter Zugrundelegung der Länderberichte sei davon auszugehen, sofern der BF tatsächlich Gefahr laufen würde, umgebracht zu werden, so wäre er im Zuge der beiden Anhaltungen bereits umgebracht worden, wenn dies der Plan gewesen wäre. Weiters habe der BF im Rahmen der Einvernahme am 26.02.2015 angegeben, dass seine Brüder im Jahr 2003 oder 2004 plötzlich verschwunden wären. Später, dazu ausdrücklich näher befragt, habe der BF angegeben, dass er von seinem Vater, als er bereits in Österreich gewesen sei, erfahren hätte, dass seine Brüder in XXXX aufhältig seien. Der BF habe bis 2014 mit seinem Vater im gemeinsamen Familienverband zusammengelebt, daher sei es nicht glaubhaft, dass der BF und sein Vater über einen derart langen Zeitraum nicht gewusst hätten, wo sich die Brüder des BF aufhalten würden. Sofern sich die Brüder in XXXX aufhalten würden, sei davon auszugehen, dass diese wie der BF selbst telefonischen Kontakt mit seinem Vater aufgenommen hätten. Selbst der BF halte mit seinem Vater regelmäßigen telefonischen Kontakt. Sofern der BF vorbringe, dass er bei der Anhaltung im Jahr 2011 aufgefordert worden sei, den Aufenthaltsort seines Cousins bekanntzugeben und bei der zweiten Anhaltung im Jahr 2014 aufgefordert worden sei, die Arbeit zu erledigen, welche für seinen Cousin vorgesehen gewesen wäre, nämlich in den Wald zu gehen, um Informationen über Widerstandskämpfer zu sammeln, so sei dem entgegenzuhalten, dass dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.06.2015 (Zl. W162 1421639-1/15E) zu entnehmen sei, dass sein Cousin nicht aufgefordert worden wäre, in den Wald zu gehen, um Informationen über Widerstandskämpfer einzuholen, sondern um Informationen über den Onkel, der sich bereits in Österreich aufhalte und hier anerkannter Flüchtling sei, zu liefern. Die vom BF vorgelegten Beweismittel seien keineswegs mit seinem Vorbringen in Einklang zu bringen. Zu den von ihm vorgelegten Beweismittel, nämlich die zwei Ladungen für den 16.05. und 19.05.2014 sowie dem Durchsuchungsprotokoll der Wohnräume des BF am 15.05.2014 näher befragt, habe der BF weder angeben können, wann die Hausdurchsuchung in seinem Haus stattgefunden habe und wonach gesucht worden sei, noch habe er angeben können, wann er geladen worden sei, um bei der Polizei zu erscheinen, noch warum. Auf Vorhalt, warum er nicht wüsste, wann die Hausdurchsuchung in seinem Haus stattgefunden habe, habe er lapidar gemeint, dass er sich die Beweismittel nicht angeschaut habe. Nachgefragt, ob er nicht hinsichtlich der Hausdurchsuchung mit seinem Vater darüber gesprochen habe, habe der BF lapidar gemeint, dass sein Vater nicht gesprächig sei. Es erscheine verwunderlich, dass der BF ein derartiges Desinteresse an der Hausdurchsuchung sowie der Ladungen zur Polizeistelle zeige, selbst wenn er sich bereits in Österreich aufgehalten habe, da es nicht alltäglich sei, von einer Hausdurchsuchung betroffen zu sein und binnen drei Tagen auf eine Polizeidienststelle geladen zu werden. Es sei daher davon auszugehen, dass es sich bei den vom BF vorgelegten Beweismitteln um so genannte Gefälligkeitsschriftstücke, echte Dokumente ohne wahren Inhalt, handle.
1.3. Gegen den Bescheid des Bundesamtes erhob der BF innerhalb offener Frist Beschwerde. Darin wurde u.a. ausgeführt, dass in der Beweiswürdigung ausgeführt werde, dass dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.06.2015 zu entnehmen wäre, dass der Cousin des BF vom FSB nicht aufgefordert worden wäre, in den Wald zu gehen, um Informationen über Widerstandskämpfer einzuholen, sondern Informationen über dessen Onkel zu liefern, welcher sich bereits in Österreich aufhalte und seit 2011 anerkannter Flüchtling sei. Dieses einzelne, aus dem Erkenntnis vom 23.06.2015 herausgenommene Sachverhaltselement sei für sich genommen nicht geeignet, um damit die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des BF zu untermauern. Der BF habe sich in seiner Aussage lediglich darauf berufen, dass er das machen sollte, was sein Cousin machen hätte sollen. Er sei dabei naturgemäß nicht darauf eingegangen, was der Cousin konkret hätte machen sollen, sinngemäß sei es dabei jedenfalls darum gegangen, als Spitzel Informationen über die Tätigkeiten von Widerstandskämpfern zu erlangen. In welcher Form dies nun erfolgen sollte, sei nicht als vordergründig anzusehen. Auch die Tatsache, dass der Cousin Informationen über den in Österreich aufhältigen Onkel liefern hätte sollen, welcher seit 2011 in Österreich anerkannter Flüchtling sei, könne unter dem Unterpunkt Informationen über Kämpfer im Widerstand eingeordnet werden. Ziehe man im Zuge der Beweiswürdigung die Aussage des Cousins bzw. des Onkels heran, hätten diese als Zeugen im gegenständlichen Verfahren vernommen werden müssen bzw. allenfalls die konkreten Aussagen in deren jeweiligen Verfahren, welche man zur Beurteilung allfälliger Widersprüche heranziehe, wortwörtlich wiedergegeben und in die gegenständliche Entscheidung mit einbezogen werden müssen. Der BF habe sich in seiner Einvernahme darauf berufen, dass er die beiden Ladungen und das Durchsuchungsprotokoll vom Mai 2014 von seinem Vater erhalten hätte, zumal er sich zu diesem Zeitpunkt schon in Österreich aufgehalten habe. Es sei durchaus nachvollziehbar, dass sich der Vater des BF über die Hausdurchsuchung und die übermittelten Ladungen eher spärlich geäußert habe, da er Angst gehabt habe, dass das Telefongespräch abgehört werden würde und er hierdurch persönlich weitere Probleme in der Russischen Föderation bekommen würde. Es habe sich daher nicht um Desinteresse des BF, sondern Nichtwissen, da er die Schriftstücke bereits während seines Aufenthaltes in Österreich von seinem Vater übermittelt bekommen habe, gehandelt. Die Argumentation des Bundesamts sei daher als keine geeignete Grundlage anzusehen, um davon auszugehen, dass es sich bei den vorgelegten Beweismitteln um sogenannte Gefälligkeitsschriftstücke handle. Augenscheinlich gehe das Bundesamt davon aus, dass die vorgelegten Dokumente echt seien. Auch die vom Bundesamt herangezogene Argumentation, wonach unter Zugrundelegung der Länderberichte davon auszugehen sei, dass sofern der BF tatsächlich Gefahr liefe, umgebracht zu werden, er bereits im Zuge der beiden Anhaltungen umgebracht worden wäre, wenn dies der Plan gewesen wäre, habe nicht zu überzeugen vermocht, zumal nicht ersichtlich sei, aufgrund welcher konkreter Feststellungen in den Länderberichten die erste Instanz zu dieser Annahme gelange. Davon abgesehen habe der BF in seiner Einvernahme dargelegt, dass er zuvor jedenfalls als Spitzel unter den Widerstandskämpfern eingesetzt hätte werden sollen. Dies sei eine durchaus gängige Vorgehensweise des Geheimdienstes und hätten die Behörden im Gegensatz zur Ansicht des Bundesamtes keinen Vorteil daraus gezogen, den BF sofort umzubringen, da er ihnen zuvor noch wertvolle Informationen liefern hätte sollen und können. Unter Zugrundelegung der Länderberichte sei es nachvollziehbar, dass der FSB Interesse an der Person des BF zeige, da ein verstorbener Onkel XXXX beteiligt gewesen sei. Selbst wenn der BF XXXX, sei es durchaus nachvollziehbar, dass der Geheimdienst im Alter von ca. 20 Jahren auf ihn aufmerksam werde und ihn für seine Dienste als Spitzel heranziehen möchte. Aus den Angaben des BF an sich könnten keine Widersprüche inhaltlicher Weise abgeleitet werden und sei die Beweiswürdigung in der gegenständlichen Entscheidung objektiv nicht nachvollziehbar.
1.4. Mit Schreiben der rechtsfreundlichen Vertreterin des BF vom 09.02.2016 wurden in Kopie zwei Durchsuchungsprotokolle vom 02.09.2015 sowie vom 21.09.2015, wonach in der Wohnung des BF erneut vergeblich nach Schusswaffen und Munition gesucht worden sei, sowie eine polizeiliche Ladung des BF für den 29.09.2015 vorgelegt. Die Hausdurchsuchung am 21.09.2015 fand laut Protokoll von 07 Uhr 45 bis 08 Uhr 20 in der Wohnung des BF mit Adresse "XXXX"im Beisein des Vaters des BF sowie von zwei Zeugen, die ebenfalls an der gleichen Hausnummer XXXX Türnummer XXXX wohnen würden, statt. Die Hausdurchsuchung am 02.09.2015 fand laut Protokoll von 08 Uhr 05 bis 09 Uhr 07 in der Wohnung des BF mit Adresse "XXXX"im Beisein des Vaters des BF sowie der beiden selben Zeugen statt.
1.5. Anlässlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.03.2016, zu der ein Vertreter des Bundesamtes entschuldigt nicht erschienen ist, wurde Beweis aufgenommen durch Einvernahme des BF in Anwesenheit seiner rechtsfreundlichen Vertreterin sowie eines Dolmetschers der russischen und tschetschenischen Sprache, weiters durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes, wobei das Bundesamt lediglich schriftlich die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Die Verhandlung nahm hinsichtlich der Befragung zu den Fluchtgründen folgenden Verlauf:
[...]
RI: Schildern Sie bitte die Gründe, diese zu veranlasst haben, das Herkunftsland verlassen?
BF: Alle Probleme haben wegen XXXX begonnen. XXXX hat in Russland gelebt und im Jahr 2010 ist er nach Haus nach XXXX gekommen und er hat auf unsere Großmutter aufgepasst, er hat bei ihr gelebt und wir waren immer zusammen. Mein Vater hat gesagt, er hat mich gewarnt, dass ich nicht so oft mit ihm zusammen sein soll, weil er mit der Polizei Probleme hatte. Dann ist XXXX verschwunden und die Polizei wollte von mir wissen, wo er ist. Beim ersten Mal habe ich gesagt:
"Ich weiß es nicht." Beim nächsten Mal sind die gekommen, die Polizei, und haben mich zur Polizeistation mitgenommen. Beim zweiten Mal, in der Polizeistation, haben sie mich wieder über XXXX befragt. Die haben mir gesagt, dass ich immer mit ihm zusammen gewesen bin und ich müsste wissen, wo er sich aufhält. Nachdem ich zum ersten Mal von der Polizei gefragt worden bin, habe ich mit meinem Vater darüber gesprochen und dieser hat von meiner Tante erfahren, dass sich XXXX in Österreich aufhält. Bei der zweiten Befragung haben sie begonnen, mich zu schlagen und dann habe ich ihnen gesagt, dass XXXX nach Österreich gegangen ist. Sie haben mir gesagt, sie werden XXXX auch in Österreich finden. In der Zwischenzeit hat mein Vater Geld für meine Freilassung bezahlt und ich wurde daraufhin freigelassen. Dann, ca. 3 Jahre lang, war alles ruhig. Ich habe ganz normal gearbeitet in meinem Geschäft, trainiert und wollte bald heiraten. Am 25. März 2014 in der Früh, ich war gerade auf dem Weg ins Geschäft, nicht weit weg von meinem Haus, stand eine schwarzer Lada-Priora mit verdunkelten Scheiben und ohne Kennzeichen. Aus diesem Auto sind 2 Männer in Zivil ausgestiegen und die haben sich mit einem FSB-Ausweis ausgewiesen und 1 Mann hat mir seine Waffe gezeigt und hat mir gesagt, ich soll keine Probleme machen und ins Auto einsteigen. Die haben mich zur Polizeistation gebracht. Als wir auf den Weg ins Zimmer - in der Polizeistation - waren, hat einer vor meinem Gesicht ein Handy gehalten und gefragt, warum ich in Kontakt mit Idris AKAVOV bin. Am Anfang habe ich nicht verstanden, wen sie meinen, da ich nicht wusste, wer XXXX ist. Ich sagte ihnen, dass sie vielleicht den Falschen mitgenommen haben, da ich - wie gesagt - keine Ahnung von XXXX gehabt habe. Dann haben sie mir die Fotos gezeigt. Als sie mir die Fotos gezeigt haben, habe ich erkannt, dass ich mit diesem Mann trainiert habe. Ich habe zu ihnen gesagt, dass ich ihn seit über einem Jahr nicht mehr gesehen habe und sie können es überprüfen, ob er mit mir telefoniert hat oder nicht. Meine Nummer hat jeder in diesem Verein, weil ich älter war und die Mitgliedsgebühren eingesammelt und den Trainer weitergegeben habe. Ich hatte schon lange Jahre diese Telefonnummer und habe sie nie gewechselt. Ich habe ihnen gesagt, dass ich ihn kenne, aber ich bin kein Freund dieses Mannes und dass wir nur in einem Saal zusammen trainiert haben und er war auch nicht so oft beim Training. Aber diese Männer haben mir nicht geglaubt und haben begonnen, mich zu schlagen. Das alles hat 2 Tage lang gedauert, sie sind immer wieder gekommen und haben mich geschlagen. Die haben nicht geglaubt, dass ich diesen Mann nicht kenne. Am zweiten Tag, am Abend, am 27. März, sind diese 2 Männer wieder reingekommen und haben mir gesagt, dass ich das machen werde, was XXXX nicht gemacht hat. Sie wollten, dass ich als Bekannter von XXXX und als Neffe von meinem Onkel, welcher in XXXX getötet wurde, zu den Widerstandskämpfern gehe und haben mich bedroht, dass, wenn ich versuche, wegzulaufen, soll ich nicht vergessen, dass mein Vater zu Hause ist. Diese Männer haben mir ein Mobiltelefon gegeben und haben mir gesagt, dass ich innerhalb eines Monats mich zu den Widerstandskämpfern begeben soll.
Auf meine Frage: "Wie soll ich das machen, wie geht das?", sagten sie mir: "Das ist dein Problem und frage bei ähnlichen Bekannten wie XXXX". Ich hätte dieses Handy dann einschalten sollen, wenn ich bei den Widerstandskämpfern bin.
Wahrscheinlich würde dieses Handy abgehört werden, das ich erhalten habe, das ist meine Vermutung. Ich sollte Informationen sammeln, wer Widerstandskämpfer in XXXX unterstützt, mit Geld, allgemein oder in Kontakt mit ihnen ist. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht klar, ob XXXX [...] noch am Leben war. Nach 3 Monaten sollte ich zurückkommen unter der Begründung, dass ich 20 Paar Sportschuhe auf den Markt kaufen werde für meine Bekannten und ihnen die ganze Information weitergeben soll.
RI: Was hat XXXX mit dem Ausgeführten zu tun?
BF: Zu diesem Zeitpunkt war XXXX
RI: Aus den Ausführungen von Ihnen schließe ich, dass er inzwischen tot ist.
BF: Inzwischen sagen sie offiziell, dass er getötet wurde.
RI: Wie ist es dann weitergegangen?
BF: Die haben mich dann freigelassen und habe mir das alles befohlen, dass ich zu den Widerstandskämpfern gehen soll und ich bin nach Hause gekommen zu meinem Vater und habe ihm alles erzählt. Er hat zuerst nachgedacht und sagte, dass ich keine Chance habe, egal was ich mache. Entweder werden mich die Widerstandskämpfer töten, wenn sie erfahren, dass ich ein "Spitzel" bin, oder der FSB wird mich töten und sagen, dass sie einen Widerstandskämpfer getötet haben, wie sie es normaler Weise immer machen. Am 30. März habe ich Dagestan verlassen, das Handy, dass ich vom FSB bekommen habe, habe ich ins WC geworfen und absichtlich am Wochenende Dagestan verlassen, weil am Wochenende meistens gefeiert und getrunken wird und nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, ich meine damit, dass mein Vater mir das so empfohlen hat.
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