Gericht bvwg entscheidungsdatum 04. 09. 2017 Geschäftszahl



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04.09.2017rislogo

Gericht

BVwG


Entscheidungsdatum

04.09.2017



Geschäftszahl

W189 2165911-1



Spruch

W189 2165914-1/5E


W189 2165911-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. RIEPL als Einzelrichterin über die Beschwerde 1.) von XXXX und 2.) von XXXX , alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2017, Zlen. 1.) 1024469900-14778761 und 2.) 102447008-14778788, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, § 8 Abs. 1

AsylG 2005, § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG sowie § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.


B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:


I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Das Vorbringen der Beschwerdeführer ist untrennbar miteinander verknüpft bzw. sind diese Mutter und minderjähriger Sohn, weshalb die Entscheidung unter einem abzuhandeln war. Die Beschwerdeführer werden in der Folge als BF1 und BF2 und beide zusammen als die BF bezeichnet.
2. Die BF, Staatsangehörige der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig und Muslime, reisten nach eigenen Angaben am 09.07.2014 illegal in das Bundesgebiet ein und stellten noch am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz, zu welchen BF1 am 10.07.2014 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde.
Dabei gab BF1 an, traditionell verheiratet zu sein. Sie habe die Grundschule und von 2003 oder 2004 bis 2010 die Universität in XXXX (Fernstudium) besucht. Im Herkunftsstaat würden sich ihr Vater, ein Bruder und eine Schwester aufhalten, ihre Mutter sei bereits verstorben. Ihr Bruder lebe in Österreich. Dieser habe den Flüchtlingsstatus.
Den Herkunftsstaat habe sie mit dem Zug verlassen. Sie sei nach Moskau und von dort zu einer Freundin nach Minsk gereist. Von dort sei sie schlepperunterstützt mit einem LKW bis nach Wien gereist.
Ihren Herkunftsstaat habe sie aufgrund ihres Mannes verlassen. Sie wisse nicht, was dieser gemacht habe. Sie habe diesen im Jahr 2010 traditionell geheiratet und sei dieser im Jahr 2011 verschwunden. Vor ca. sechs Monaten seien die Behörden zu ihr gekommen und hätten sie gefragt, wo ihr Mann sei. Dass habe sie nicht gewusst, weshalb sie von den Behörden unter Druck gesetzt worden sei. Sie habe deshalb die Heimat verlassen müssen. Über eine dritte Person habe ihr ein Freund ihres Mannes, der bei der Polizei tätig sei, mitgeteilt, dass sie das Land verlassen solle, da ihr Leben in Gefahr sei.
Sie gab an, den Verdacht zu hegen, dass ihr Sohn (BF2) an Hepatitis leide.
Für den Fall einer Rückkehr befürchte sie, dass ihr Leben und jenes ihres Sohnes in Gefahr seien.
BF1 brachte ihren Inlandspass in Vorlage.
3. BF1 wandte sich ob der Verfahrensdauer an die Volksanwaltschaft.
4. Am 03.07.2017 wurde BF1 vor dem BFA, RD Oberösterreich, niederschriftlich einvernommen, wo sie erklärte, dass es ihr gesundheitlich gut gehe und sie sich nicht in medizinischer Behandlung befinde.
Auch ihrem Sohn (BF2) gehe es gut. Dieser erhalte Ergotherapie, da er an einer Entwicklungsstörung leide. Ihr Sohn nehme keinerlei Medikamente und sie legte medizinische Unterlagen betreffend ihren Sohn vor.
Befragt, meinte sie, ihr Sohn habe in der Heimat keine Behandlung erhalten. Sie erklärte, dass ihr Sohn im Dezember 2013 in XXXX zwei Wochen untersucht worden sei. Es sei die Diagnose gestellt worden, dass ihr Sohn eine Viruserkrankung durchgemacht habe. Sie habe allerdings in der Heimat für ihren Sohn nichts erreicht.
Sie könne ein bisschen Deutsch und spreche im Übrigen Russisch und Tschetschenisch. Sie erklärte, ledig zu sein.
Ihr Bruder XXXX ., StA. Russische Föderation, Zl. 821339305/2135195, lebe mit seiner Frau und seinen drei Kindern als anerkannter Flüchtling in Österreich. Ihr Bruder sei arbeitslos und beziehe Sozialhilfe. Von ihrem Bruder werde sie nicht unterstützt bzw. versorgt. Dieser lebe sein eigenes Leben und gebe er ihr manchmal das Fahrtgeld, wenn sie diesen besuche.
Ihr Ehemann heiße XXXX geb. Sie habe diesen zuletzt in Tschetschenien im Dezember 2011 gesehen. Sie habe diesen am XXXX vor einem Imam in XXXX geheiratet. Sie habe in der Folge bis zu dessen Verschwinden mit ihrem Mann in der Eigentumswohnung ihres Mannes in XXXX gelebt. Sie habe dort bis Juni 2012 zusammen mit ihrem neugeborenen Sohn gelebt.
Sie sei die Vertreterin ihres Sohnes (BF2). Dieser habe keine Fluchtgründe und ersuchte sie um eine Entscheidung im Familienverfahren.
Ihre Eltern würden aus dem Bezirk XXXX stammen, wo sie geboren und aufgewachsen sei. Ihr Sohn sei in XXXX zur Welt gekommen.
Abgesehen von ihrem Inlandspass seien alle anderen Unterlagen in XXXX und im Elternhaus im Dorf ihrer Eltern im Bezirk XXXX , wo ihr Vater lebe und wo sie vor der Ausreise gelebt habe.
Sie habe von 1986 bis 1996 die Grundschule besucht. Im Anschluss daran habe sie in den Jahren 2004 bis 2010 die Universität in XXXX besucht und das Studium XXXX abgeschlossen. Sie habe jedoch nie in ihrem Beruf als Lehrerin gearbeitet. Sie habe während des Studiums für eine näher bezeichnete Bezirksverwaltung, eine Polizeikanzlei sowie auf einem Militärkommissariat gearbeitet. Sie sei gekündigt worden, nachdem es zu einem Personalabbau gekommen sei. Da ihre Mutter krank geworden sei, habe sie dann nicht mehr gearbeitet, sondern sich um ihre Mutter gekümmert. Am XXXX habe sie geheiratet.
Nach ihrem letzten Arbeitstag befragt, meinte sie, dass dieser unmittelbar vor der Ausreise gewesen sei. Nach der Kündigung sei sie ausgereist. Sie habe im Militärkommissariat im Bezirk XXXX gearbeitet.
Sie wurde ausführlich zu ihrer Familie im Herkunftsstaat befragt. Ihr Vater lebe in XXXX , sei Pensionist und lebe nebenbei von der Landwirtschaft sowie Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten. Sie habe drei Brüder und eine Schwester. Ihr Vater habe zwei Brüder und sechs Schwestern. Ihre Mutter habe vier Brüder und zwei Schwestern.
Weiters wurde die Beschwerdeführerin ausführlich zu den Lebensumständen der Verwandten befragt.
Befragt, wann sie zum ersten Mal daran gedacht habe, ihren Herkunftsstaat zu verlassen, meinte sie, dass es im März oder April 2014 gewesen sei, als ihr Sohn geboren worden sei. Sie habe sich auf die Ausreise vorbereitet. Verlassen habe sie den Herkunftsstaat am 04.07.2014. Sie sei legal nach XXXX und von dort nach XXXX gereist. Sie habe ihren eigenen Reisepass der Russischen Föderation mit sich geführt.
Die letzte Nacht vor der Ausreise sei sie an ihrer Heimatadresse im Elternhaus gewesen. Davor habe sie in der Wohnung ihres Ehemannes gelebt. Sie sei im Juni/Juli 2012 in ihr Elternhaus zurückgekehrt, da sie es nicht geschafft habe, ihr Kind alleine zu betreuen.
Nach Österreich sei sie gereist, da ihr Bruder hier lebe.
Sie sei nie vor Gericht gestanden und sei im Herkunftsstaat unbescholten.
Nach Problemen mit den Behörden in der Heimat befragt, erklärte sie, von den Behörden in ihrem Heimatland nach dem Verbleib ihres Ehemannes gefragt worden zu sein.
Nach ihr werde im Herkunftsstaat nicht gefahndet oder gesucht.
Sie sei unpolitisch und habe im Herkunftsstaat weder aufgrund ihres Religionsbekenntnisses noch aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit Probleme gehabt. Sie habe auch keine Probleme mit Privatpersonen gehabt.
Dazu aufgefordert, die Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates zu nennen, gab sie an, dass ihr Mann ein Geheimniskrämer gewesen sei und ihr gesagt habe, er wäre Vorarbeiter. Später habe sie erkannt, dass dieser mit Kadyrow zusammenarbeite und dort in einem Büro beschäftigt sei. Nach ihrem Mann werde gesucht, wobei sie nicht wisse, seit wann nach diesem gesucht werde. Es sei seit ca. Jänner 2012 gewesen. Warum ihr Mann gesucht werde, wisse sie nicht. Dies sei ihr von den Leuten, die ihren Mann gesucht hätten, nicht gesagt worden. Ihr Mann habe ihr im Dezember 2011 gesagt, für drei Wochen nach Moskau zu gehen, um dort zu arbeiten. Er sei aber nicht wieder gekommen.
Befragt, welche konkrete Behörde nach ihrem Mann suche, meinte sie, einmal im März 2013 zur Staatsanwaltschaft geladen worden zu sein. Sie sei dort nach dem Verbleib ihres Mannes gefragt worden. Davor seien mehrfach auch Privatpersonen zu ihr nachhause gekommen und hätten auch nach ihrem Mann gefragt.
Die Mutter und die Schwester ihres Mannes würden in XXXX leben, dessen Vater sei verstorben und dessen Bruder lebe in Deutschland.
Diese seien ebenso zum Verbleib ihres Mannes befragt worden. Seine Schwester habe gesagt, dass sie nicht wüsste, wo ihr Bruder geblieben sei. Diese habe gesagt, sie wolle in Ruhe gelassen werden, wobei dem auch entsprochen worden sei. Die Schwester ihres Mannes sei dann nicht mehr befragt worden. Ihre Schwägerin habe zumindest nichts mehr gesagt, dass sie weiter befragt worden wäre.
Sie selbst sei zuletzt im März 2013 nach dem Verbleib ihres Mannes befragt worden. Dann sei auch sie nicht mehr befragt worden. Dann habe sie der Leiter der Bezirkspolizei für Innere Angelegenheiten vorgeladen. Dies sei im Mai 2013 gewesen und sei sie lediglich inoffiziell befragt worden. Die Sache habe sich dann beruhigt und habe sie nichts mehr gehört.
Eine Person namens XXXX habe ihr dann gesagt, sie solle ausreisen. Dies sei im März/April 2014 gewesen. Sie habe dann ihre Ausreise nach Österreich geplant, da sie hier ihren Bruder habe. Befragt, warum ihr dies gesagt worden sei, meinte sie, dass XXXX früher einmal ihr Vorgesetzter gewesen sei.
Andere Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates gebe es nicht.
Für den Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat befürchte sie, wiederum befragt zu werden, wo ihr Mann verblieben sei. Ihr Mann sei noch nicht aufgetaucht. Sie sei geschieden und erklärte sie, im Islam gelte man als geschieden, wenn man drei Monate nicht zusammenlebe.
Sie erklärte, dass man wahrscheinlich annehme, dass ihr Mann in Syrien sei. In der Heimat nehme man an, dass auch sie in Syrien sei.
Zu ihrem Aufenthalt in Österreich befragt, erklärte sie, dass sie ihren Sohn hier habe und auch ihr Bruder in Österreich lebe. Sie beziehe mit ihrem Sohn eine Asylunterkunft.
Private Interessen in Österreich habe sie keine. Sie sei in keinen Vereinen tätig. Sie besuche Deutschkurse, arbeite nicht und lebe von der Grundversorgung und besuche alle zwei Wochen eine Mütterrunde (Mutter-Kind-Kaffee).
Sie sei in Österreich unbescholten und verfüge in Österreich über keine Vermögenswerte.
Zu ihren Zukunftsvorstellungen für Österreich befragt, meinte sie, hier weiter leben zu wollen. Sie wolle medizinische Betreuung für ihren Sohn.
BF1 wurden aktuelle Länderinformationen zum Herkunftsstaat vorgehalten und dessen Inhalt erörtert. Sie erklärte, auf eine schriftliche Stellungnahme hiezu zu verzichten und kein Interesse an diesen zu haben.
BF1 legte im Zuge der Einvernahme nachfolgende Unterlagen vor:
* Leistungsbescheid der XXXX über Allgemeine Förderung vom 29.03.2017 (BF2);
* Prüfungsbestätigung samt Zeugnis Deutsch Niveau A1 des XXXX vom 16.02.2017 (BF1);
* Teilnahmebestätigung Deutschkurs vom 06.03.2017 (BF1);
* Kurzarztbrief, Arztbrief, Laborbefund, Neuropathologischer Befund der XXXX über Untersuchungen im Mai 2015 (BF2);
* Ambulanzbefunde des XXXX vom 13.05.2015, 27.08.2015, 03.11.2015, 12.01.2016, 08.03.2016, 22.06.2016, 20.07.2016, 09.09.2016, 25.01.2017 und 28.04.2017 (BF2);
* Ambulante Krankengeschichtsblätter des XXXX vom 05.10.2016 und vom 16.11.2016 (BF2);
* Arztbrief des XXXX vom 15.12.2016 (BF2);
* Pathologiebefund der XXXX vom 10.06.2015 (BF2) sowie
* Arztbrief des Klinikums XXXX vom 24.11.2015 (BF2).
5. Mit den im Spruch angeführten Bescheiden des BFA vom 05.07.2017 wurden unter Spruchteil I. die Anträge auf internationalen Schutz der BF vom 09.07.2014 bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und unter Spruchteil II. gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 diese Anträge auch bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen.
Unter Spruchteil III. wurde den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der BF in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei.
In Spruchpunkt IV. wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Volksgruppe und Religionszugehörigkeit der BF wurden ebenso festgestellt wie deren Identität. Das Vorbringen von BF1 – welches auch für BF2 mangels eigener Verfolgungsgründe gelte – sei glaubhaft, jedoch nicht als Verfolgung zu werten.
Auch sonst hätten keine asylrelevanten Verfolgungsgründe iSd. GFK festgestellt werden können.
Schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen wurden nicht festgestellt. BF1 sei gesund und BF2 leide an einer Entwicklungsstörung, die jedoch keine schwere oder lebensbedrohliche Erkrankung darstelle. Entwicklungsstörungen seien auch in der Russischen Föderation behandelbar und dort werde auch die Ergotherapie angeboten.
Eine ihre Existenz bedrohende Notlage im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wurde für die BF nicht festgestellt.
Nach Wiedergabe von Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat wurde beweiswürdigend dargelegt, dass der von BF1 dargelegte Konventionsgrund mit keinem der in der GFK genannten Konventionsgründe in Zusammenhang stehe.
BF1 verfüge über eine fundierte Ausbildung und würden die BF im Herkunftsstaat über familiären Anschluss verfügen.
Aufgrund der Ausführungen von BF1 ergebe sich, dass diese an keinen behandlungsbedürftigen Erkrankungen leide. Aus den vorgelegten medizinischen Unterlagen betreffend ihren Sohn ergebe sich auch für diesen keine behandlungsbedürftige Erkrankung. Dieser benötige keine Medikamente und bedürfe lediglich der Ergotherapie, die in der Russischen Föderation verfügbar sei.
Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass im Vorbringen von BF1 nichts zu erkennen gewesen sei, was auf eine Verfolgungsgefahr hindeuten könnte. Auch die Feststellungen zu den Rückkehrfragen würden eindeutig zeigen, dass eine unmenschliche Behandlung aus Gründen der Asylantragstellung in Österreich nicht drohe.
Auch aus allfälligen Schwierigkeiten am Arbeitsmarkt im Herkunftsstaat seien keine Verfolgung oder unmenschliche Behandlung abzuleiten. Dies gelte auch für den minderjährigen BF2, für den BF1 keine eigenen Verfolgungsgründe vorgetragen habe.
Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, dass den BF im Herkunftsstaat – auch unter Berücksichtigung des Gesundheitszustandes von BF2 – keine Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung drohe.
So seien im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass die BF im Falle einer Rückkehr in die Heimat in eine lebensbedrohende Notlage geraten würden. Als soziales Auffangnetz würde die große Familie zur Verfügung stehen. Auch sei es ihr zumutbar, Unterstützung von Seiten humanitärer Organisationen in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass BF1 arbeitsfähig sei und somit ihren Unterhalt zumindest mit Gelegenheitsjobs finanzieren könnte.
Zumal BF1 für sich und BF2 keine Fluchtgründe vorgetragen habe, erkannte das BFA einer Beschwerde gegen seine Entscheidungen die aufschiebende Wirkung ab.
6. Gegen diese Bescheide wurde in einem gemeinsamen Schriftsatz fristgerecht am 20.07.2017 Beschwerde erhoben und diese in vollem Umfang angefochten, wobei der Verein Menschenrechte Österreich zur Vertretung im Verfahren bevollmächtigt wurde (Vollmacht vom 07.07.2017. Außerdem wurde ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG gestellt.
Begründend wurde ausgeführt, dass BF1 sowohl in der Erstbefragung als auch im Rahmen der Einvernahme vor dem BFA ausgeführt habe, Probleme wegen ihrem Ehemann bekommen zu haben. Der Ehemann sei gesucht worden und sei BF1 aus diesem Grund mehrmals von fremden Personen aufgesucht worden und habe diesbezüglich auch eine Vorladung von der Staatsanwaltschaft erhalten, zumal angenommen worden sei, dass sich der Ehemann und Kindesvater in Syrien aufhalten könnte. BF1 habe zunehmend Angst bekommen und sich unter Druck gesetzt gefühlt, weil nach ihrem Ehemann intensiv gesucht worden sei und sie diesbezüglich keine Auskunft geben habe können, da sie keinerlei Informationen gehabt habe. Sie habe vor dem BFA auch ausgeführt, dass ihr Mann ein Geheimniskrämer gewesen sei, der sie zunächst im Glauben gelassen habe, als Vorarbeiter zu arbeiten. Später habe sie vermutet, dass dieser mit Kadyrov zusammenarbeiten würde, was offensichtlich nicht stimmen könne, da die Vermutung im Raum gestanden sei, dass er sich in Syrien aufhalten könnte. Anzumerken sei, dass gegen IS Kämpfer, die aus den Krisengebieten in Syrien kommen würden, jedenfalls strafrechtlich vorgegangen werde. Hier wurde auf die Länderfeststellungen im angefochtenen Bescheid über die Legalisierung der Bestrafung von Familien von Terrorverdächtigen verwiesen.
BF1 sei erst drei Jahre nach der Erstbefragung ausführlich einvernommen worden und sie wäre beim Ausbleiben asylrelevanter Antworten gerne bereit gewesen, an der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Weitere Nachfragen seien jedoch nicht erfolgt und seien auch keine Ermittlungen geführt worden, obwohl BF1 Recherchen im Herkunftsstaat zugestimmt habe.
Hingewiesen wurde auf die überlange Verfahrensdauer erst nach Beschwerde bei der Volksanwaltschaft. Sie habe im Vertrauen darauf, dass ihr Asylverfahren aufgrund der übermäßig langen Verfahrensdauer in Österreich zu einem positiven Abschluss komme, in den letzten drei Jahren intensive Integrationsschritte gesetzt. Sie sei mit ihrem Sohn sehr gut in der Wohnsitzgemeinde integriert, nehme am öffentlichen Gemeindeleben aktiv teil, organisiere sich den Alltag eigenständig und habe bereits gute A2 Deutschkenntnisse. Sie besuche im Wohnort alle zwei Wochen ein XXXX , um sich mit anderen Müttern auszutauschen. Es würden zudem gemeinsame Ausflüge organisiert werden. Anzumerken sei, dass BF1 aufgrund des pflegebedürftigen Sohnes derzeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne. BF1 sei eine westlich orientierte Frau, identifiziere sich mit den westlichen Werten und Anschauungen und dem westlichen Frauenbild und trage demnach auch kein Kopftuch. Aufgrund der im Laufe der Jahre entwickelten persönlichen, kulturellen und sozialen Integration würde eine Abschiebung von BF1 in die Russische Föderation den Bestimmungen der EMRK widersprechen. Angemerkt wurde, dass die Behörden in Tschetschenien weiterhin verlangen würden, dass Frauen auf öffentlichen Plätzen Kopftücher tragen würden. Im Übrigen wurde auf die Länderinformationen im angefochtenen Bescheid über die schwierige Lage von alleinstehenden Frauen in Tschetschenien verwiesen.
Für alleinstehende Frauen mit Kindern sei das Leben in Tschetschenien massiv eingeschränkt. Hinzu komme, dass BF2 aufgrund der Erkrankung Muskeldystrophie Typ Duchenne zudem intensive Betreuung, Therapien und medizinische Versorgung benötige. Eine Abschiebung nach Tschetschenien würde jedenfalls eine massive Verletzung von Art. 3 und Art. 8 EMRK bedeuten.
Die belangte Behörde habe sich bezüglich der von BF1 gesetzten Integrationsschritte in keinerlei Hinsicht auseinandergesetzt und sei auch aus diesem Grund das Verfahren mit Mangelhaftigkeit belastet.
Es wurde die Erkrankung von BF2 – Muskeldystrophie Typ Duchenne – näher beschrieben. Der schwer erkrankte BF2 erhalte in Österreich derzeit die notwendige Therapie und medizinische Behandlung. Es sei bereits ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vorgelegt worden. Festzuhalten sei, dass gezielte Therapien aus medizinischer Sicht zur Erlernung und Erhaltung notwendiger Bewegungsabläufe, sowie als Korrektur der Muskelschwäche dringlich erforderlich seien. Festzuhalten sei, dass die Weiterführung der angesprochenen medizinischen Behandlung bei Abschiebung in den Herkunftsstaat keinesfalls gewährleistet sei.
Über den derzeitigen Gesundheitszustand von BF2 seien im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen getroffen worden. Auf die aktuellen aktenkundigen ärztlichen Befunde sei das BFA nicht eingegangen und habe bei ihm lediglich eine Entwicklungsstörung festgestellt und verneint, dass BF2 an einer schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankung leide. Die belangte Behörde habe sich demnach lediglich rudimentär mit dem Gesundheitszustand von BF2 auseinandergesetzt und sich dabei um die Möglichkeit gebracht, beurteilen zu können, ob eine Abschiebung von BF2 im Hinblick auf Art. 3 EMRK möglich sei. Aufgrund der bekannten gesundheitlichen Probleme wäre die Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens angezeigt gewesen. Die belangte Behörde habe sich auch nicht mit Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat auseinandergesetzt.
Im Übrigen habe die belangte Behörde ihre amtswegigen Ermittlungspflichten verletzt.
Auch habe sich die belangte Behörde in den Bescheiden auf allgemein formulierte standardisierte Textbausteine gestützt und wurde als Indiz dafür angeführt, dass an zwei Stellen im Bescheid offenbar Daten enthalten sind, die nicht die BF betreffen würden.
Im Übrigen sei die Verpflichtung zur Bescheidbegründung verletzt worden.
Es wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, da BF1, entgegen der Ansicht der Erstbehörde, sehr wohl Verfolgungsgründe vorgebracht habe und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen würde. Beantragt wurde auch die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, damit BF1 ihre Fluchtgründe noch einmal vor unabhängigen RichterInnen persönlich schildern und glaubhaft machen könne.
Mit der Beschwerde wurden – soweit nicht bereits in der Einvernahme vor dem BFA in Vorlage gebracht – vorgelegt:
* Deutschkursbesuchsbestätigung (BF1) sowie
* Kurzarztbrief des Kepler Universitätsklinikums vom 13.07.2017 (BF2).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der BF, beinhaltend die niederschriftlichen Einvernahmen vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und dem BFA, die vorgelegten medizinischen Unterlagen betreffend BF2, die Unterlagen zu integrativen Aspekten betreffend BF1, den Inlandspass von BF1, die Beschwerde vom 20.07.2017, durch Einsichtnahme in die die vom BFA vorgehaltenen Länderinformationen zum Herkunftsstaat, durch Einholung von Auszügen aus ZMR, GVS und IZR betreffend die BF sowie in einen Auszug aus dem IZR betreffend den Bruder von BF1.
1. Feststellungen:
Feststellungen zu den BF:
Die BF sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, der tschetschenischen Volksgruppe und dem moslemischen Glauben zugehörig.
Die Identität der BF steht aufgrund des vorgelegten Personaldokumentes in Zusammenhalt mit dem glaubwürdigen Vorbringen von BF1 fest.
BF1 stellte für sich und ihren minderjährigen Sohn (BF2) nach illegaler Einreise am 09.07.2014 Anträge auf internationalen Schutz.
Nicht festgestellt werden kann, dass den BF in der Russischen Föderation respektive in Tschetschenien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität – oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität – in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht.
Nicht festgestellt werden kann, dass die BF im Fall der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation respektive Tschetschenien in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würden oder von der Todesstrafe bedroht wären.

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