Donaueschingen



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Donaueschingen

Nur wenige Residenzen Süddeutschlands können auf eine so großartige musikhistorische Tradition zurückblicken wie Donaueschingen. Die verträumte Residenz der Fürsten von Fürstenberg ist mit den hohen musikalischen Leistungen der Hofkapelle in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – sowie seit 1921 als bevorzugte Pflegestätte zeitgenössischer Musik – als ein Musterbeispiel unkonventioneller und unbürokratischer Musikpflege nicht hoch genug zu loben. Während in der Renaissance und in der Barockzeit die Hofmusik keine überregionale Bedeutung genoss, begann mit der eigentlichen Gründung der Hofkapelle um 1762 durch den Fürsten Joseph Wenzel, der selber ein guter Klavier- und Cellospieler war, eine musikalische Blütezeit, die bis zum Tode des Fürsten Karl Egon II. im Jahre 1853 ihresgleichen sucht. Bei der wöchentlich dreimal im Schloss stattfindenden Kammermusik wirkten oft international bekannte Virtuosen mit, so auch 1766 Leopold Mozart mit seinen Kindern. Leider sind uns Mozarts Werke für Violoncello, welche er unter den Augen des Fürsten schreiben musste, verloren gegangen. Die Verbindung der Familie Mozart zum Hofe wurde lange Zeit aufrechterhalten. So sandte Mozart noch 1786 dem Fürsten eine Liste seiner »neuesten Geburten«, und bot sich ihm bei der Gelegenheit als Hauskomponist an. Das Repertoire der Hofkapelle bestand bis zu dieser Zeit hauptsächlich aus Meistern der Mannheimer und Wiener Schule, wobei vereinzelt auch böhmische Meister vertreten waren. An der Spitze der Hofmusik stand ab 1789 der aus München stammende Violinvirtuose und Quartettspieler Karl Joseph von Hampeln. Ihm ist die Berufung namhafter Virtuosen und Komponisten zu verdanken. So wirkte z. B. als Oboist, Cellist und Gambist seit 1792 als eine »zierde der Kapelle« der von Mozart außergewöhnlich geschätzte Bläser und Komponist Joseph Fiala in der Hofmusik mit. Mozart, welcher ihn 1777 in München bei einer Bläserserenade kennenlernte, gibt folgendes Urteil über ihn ab: »man kennt aber ganz gut, daß sie von Fiala abgerichtet worden, sie bliesen stück von ihm; und ich mus sagen, daß sie recht hübsch sind, er hat gute Gedanken«.

Fiala achtete seinerseits die Werke Mozarts sehr. Leopold traute allerdings dem Verehrer seines Sohnes nicht immer so ganz: »questo uomo non fa confidenza ai suoi amici, come gia sapete, é Boemo«.

Fiala starb hochgeachtet und geehrt 1816 in Donaueschingen. Das vorliegende Quartett für Oboe Solo und Streichtrio bestätigt voll und ganz Mozarts positives Urteil über seine Kompositionen. Während das Hoforchester um 1790 noch aus 18 Musikern bestand, erreichte die Kapelle mit der einsetzenden Romantik und der Berufung Konradin Kreutzers durch den Fürsten Egon II. als Hofkapellmeister einen zuvor nicht dagewesenen Höhepunkt. Am 20. September 1818 trat Kreutzer dort seinen Dienst an und blieb bis zum März 1822 Leiter des in der Zwischenzeit auf 28 Musiker angewachsenen Hoforchesters. Unter Kreutzers Leitung fanden nun wöchentlich anspruchsvolle Hofkonzerte statt. Er selber schreibt, daß er nun »recht in der Musica schwimme«, daß unter Förderung des Fürsten alle Orchestermitglieder »von großem Eifer und Freude an der Kunst beseelt« seien, und daß durchreisende sich »über die Präcision und den großen Effect dieses kleinen Orchesters ganz erstaunt« äußerten. Einige seiner wesentlichsten Werke entstanden in Donaueschingen, so u. a. die Faustszenen, sein Tedeum, das stark an Beethovens op. 20 orientierte Septett op. 62 und das Quarett für Klarinette und Streichtrio.

Die vorliegenden Erstveröffentlichungen aus Kreutzers umfangreichem Schaffen zeigen einen Meister, welcher unmittelbar der beginnenden deutschen Romantik verpflichtet ist und zweifellos eine persönliche Aussagekraft besitzt.

Im Dezember des Jahres 1822 tritt abermals eine bedeutende Persönlichkeit der europäischen Musikszene als Hofkapellmeister und Komponist in Donaueschingen seine Stelle an. Der Geigenvirtuose und komponierende Böhme Johannes Wenzeslaus Kalliwoda hatte sich bereits einen international wohlklingenden Ruf erworben. Die enge Freundschaft zu Carl Maria von Weber und die Achtung, welche ihm von vielen deutschen Romantikern gezollt wurde, ließen eine geniale Entwicklung vorausahnen. So lobt denn auch kein geringerer als Robert Schumann an Kalliwodas V. Sinfonie »die in allen Sätzen herrschende Zartheit und Lieblichkeit, die vielen feinen und kunstreichen Züge, sowie eine glänzende Instrumentation«. Seine bis zum Jahre 1850 währende Tätigkeit für die Musik in Donaueschingen, die große internationale Anerkennung als Komponist und die leider heute gänzlich vergessene Instrumentalmusik dieses »Kleinmeisters deutscher Romantik« machen eine eigene Schallplattenveröffentlichung notwendig. Es soll daher heute auf sein Schaffen nicht näher eingegangen werden. Vielmehr interessiert uns für unsere Edition ein Charakteristikum, welches stellvertretend für die Aufgeschlossenheit des Fürstenhofes zur »modernen Musik« des beginnenden 19. Jahrhunderts erstmalig vorgestellt wird. Der Name dieses zu Unrecht vergessenen Meisters deutscher Tonsprache ist Andreas Späth. Ein Komponist von hohen Graden, welcher heute nur wenigen Musikwissenschaftlern ein Begriff ist. Als Kapellmeister des Herzogs von Gotha und Coburg machte er mit diesem ausgedehnte Reisen durch Europa, u. a. auch nach Wien, »um sich dort in der höheren Composition auszubilden«. Seine Werke erschienen bei Schott (Mainz), André (Offenbach) und Paccini (Paris) und waren über ganz Europa verbreitet. Sein Nonett Instrumental, welches ebenfalls – wie alle anderen Kompositionen aus seiner Feder – bisher keine Schallplattenveröffentlichung erfahren hat, entstand um 1840 und ist Karl Egon III. von Fürstenberg gewidmet. Unserer Aufnahme liegt die autographe Handschrift des Werkes zugrunde, welche sich in der Hofbibliothek in Donaueschingen befindet.

Bliebe abschließend noch anzumerken, dass es nicht Aufgabe dieser Kassette sein will und kann, den ganzen Radius Donaueschinger Musikgeschichte vorzustellen. Vielmehr war uns daran gelegen, an Hand einiger musikalisch wertvoller Beispiele das Augenmerk der Musiköffentlichkeit auf eine Stadt und einen Fürstenhof zu lenken, welche durch mutige Aktivitäten in Vergangenheit und Gegenwart der »Musica« ein lebendiges Denkmal setzte.
DIETER KLÖCKER
Thurn und Taxis

Von unschätzbarem musikalischen Wert sind die zahlreichen Handschriften, die im 18. und 19. Jahrhundert im Besitz süddeutscher Fürstenhäuser waren und heute in Bibliotheken und Archiven der Wiedererweckung harren. Sie stammen aus einer kulturell überaus reichen Epoche, in der sich viele Fürsten eigene Hofopern und Orchester hielten und darin wetteiferten, die besten Komponisten und Musiker zu verpflichten: Danzi, Cannabich, Rosetti, Reicha, Fiala und Kalliwoda waren zu ihrer Zeit hochgeschätzte Kapellmeister, die zur Repräsentation und zum Amüsement derer von Gottes Gnaden komponierten.


Cover-Foto: Thurn und Taxis - Fürstliches Schloß - Ostfitigel © 1989 Stefan Hanke
Der Name „Thurn und Taxis“ ist untrennbar mit dem Begriff „Post“ verbunden. Mitglieder dieses Geschlechts, das seinen Ursprung in Oberitalien hat, errichteten seit dem Ende des 15. Jahrhunderts mit Umsicht und Tatkraft im damaligen „Heiligen Rom. Reich Deutscher Nation“ ständige Postverbindungen zwischen den größeren Orten. 1615 erlangt das Haus Thurn und Taxis Titel und Amt eines Erbgeneralpostmeisters im Reich. 1624 wird Lamoral von Taxis in den Grafenstand erhoben; 1695 erhält Eugen Alexander die Würde eines Reichsfürsten. Unter Fürst Alexander Ferdinand wird 1748 der Wohnsitz, den das Haus im 16. Jahrhundert in Brüssel und seit 1702 in Frankfurt a. M. hatte, nach Regensburg verlegt. Hier, am Sitz des immerwährenden Reichstages, war die Anwesenheit des Fürsten wegen der Ernennung zum Prinzipalkommissar notwendig geworden. Auf Grund dieses Amtes, das bis zum Ende des Reiches ! 806 beim Haus Thurn und Taxis bleiben sollte, hatte der Fürst den Kaiser beim Reichstag in Regensburg zu vertreten. Damit waren vor allem Repräsentationspflichten verbunden. So nahm der Fürst beim Regierungsantritt des Kaisers die Huldigung der Stadt entgegen. Bald nach dem Einzug in Regensburg ließ Alexander Ferdinand eine eigene Hofkapeile einrichten. Bereits 1755 werden in einem „Etat de la musique“ 14 Hofmusiker genannt. 1760 wird für den Fürsten ein französisches Theater eröffnet. Fürst Carl Anselm, der 1773 die Regierung übernahm, war noch mehr als sein Vater ein Freund des Theaters und der Musik. Großzügig ließ er die Hofkapelle erweitern und das Hoftheater ausbauen. 1774 erfolgte die Einrichtung einer italienischen Oper. Zum Leiter der Oper und der Hofmusik wurde Theodor Freiherr von Schacht ernannt. Dieser, seit 1771 in Thurn und Taxisschen Diensten, führte nun, getragen von der Gunst des Fürsten, das Musikleben am Hofe des Fürsten von Thurn und Taxis zur Hochblüte. Für die Hofkapelle wurden hervorragende Instrumentalisten gewonnen. Diese kamen aus verschiedenen Ländern. So wirkten in Regensburg unter anderem der Niederländer Croes, die Böhmen Kaffka und Pokorny, der Franzose Touchemolin und die italienischen Bläservirtuosen Agostinelli und Palestrini. Schacht konnte in einem Brief vom 30.1.1796 mit Recht schreiben: „Ab Anno 1773 siehe ich als Intendant dem Departement vor und schmeichle mir, das Hochfürstliche Orchester in den Ruf eines der Ersteren gesetzt zu haben.“ Er bemühte sich, dem musikliebenden Serenissimus stets Neues zu bieten und beschaffte Kompositionen aller Stilrichtungen seiner Zeit. Die fürstliche Musiksammlung in Regensburg enthält heute Werke von 378 Komponisten. Zur Erweiterung des Musikrepertoires trug auch eine Reihe von Thurn und Taxisschen Hofmusikern bei. Die Zusammensetzung der in der fürstlichen Musiksammlung verwahrten 3000 Musikhandschriften und Drucke zeigt, daß das Blasinstrument am Thurn und Taxisschen Hofe überaus beliebt war. Neben zahlreichen Flöten- und Oboenkonzerten sind auch Konzerte für Klarinette, Bassetthorn, Fagott und Horn vertreten. Für die hier vorliegende Aufnahme wurden aus dem reichhaltigen Bestand der Musiksammlung in Regensburg einige Bläserkonzerte ausgewählt.

Theodor von Schacht, der Komponist des Klarinettenkonzerts in B, wurde 1748 in Straßburg geboren. Nach Lehrjahren in Regensburg, wo er von den Hofmusikern Küffner und Riepel musikalisch ausgebildet wurde, ging er 1766 nach Stuttgart. Dort wurde er Schüler des Italieners Jommelii. Seit 1771 wieder in Regensburg, wurde er 1773 zum Leiter der Hofmusik ernannt. Diesen Posten nahm er bis zur Pensionierung 1805 ein. Gleichzeitig war Schacht von 1774 bis 1778 und von 1784 bis zur Auflösung des Hoftheaters 1786 Leiter der italienischen Oper. Im Sommer 1805 reiste Schacht nach Wien, um dort musikalische Anerkennung zu finden. Höhepunkte dieses Aufenthaltes waren die Begegnungen mit dem Beethovenfreund Erzherzog Rudolf und mit Kaiser Napoleon I. Letzterer beauftragte Schacht mit der Komposition von 6 Messen. Schacht kehrte 1812 nach Deutschland zurück. 1823 ist er in Regensburg, wo 1806 die fürstliche Hofmusik aufgelöst worden war, gestorben. Schacht hat in der fürstlichen Musiksammlung 155 Werke hinterlassen. Darunter sind 25 Sinfonien, 37 Konzerte, 21 kirchenmusikalische Werke und 5 Opern zu verzeichnen.


Franz Xaver Pokorny wurde 1728 in Böhmen geboren. 1753 ist er Hofmusiker beim Grafen Oettingen-Wallerstein. 1754 studiert er in Mannheim bei Stamitz, Holzbauer und Richter Komposition. Pokorny wird 1770 auf eigenen Wunsch in Oettingen entlassen und tritt in Thurn und Taxissche Dienste. Bis zu seinem Tod 1794 wirkte er als Violinist und Komponist am fürstlichen Hofe in Regensburg. Von ihm sind 198 Werke in Regensburg erhalten, die Pokorny meistens selbst in Partitur geschrieben hat. Neben 109 Sinfonien stehen 66 Konzerte, Divertimenti, Serenaden und kammermusikalische Werke.

Ivarl Friedrich Abel wurde 1723 in Köthen geboren. Von 1748-1758 ist er Gambist der Dresdner Hofkapelle. 1759 geht er nach London. Dort führt er zusammen mit Johann Christian Bach die berühmt gewordenen Bach-Abel-Konzerte ein. Abel ist 1787 in London gestorben. Er steht in seiner Kompositionsweise den Mannheimern nahe und dürfte deshalb in das Repertoire der Hofkapelle in Regensburg Eingang gefunden haben. Neben seinem Konzert für Oboe, Klarinette, Violine und Orchester sind in der fürstlichen Musiksammlung noch 2 Sinfonien vorhanden. Bei dem hier wiedergegebenen Konzert sind auf den Solostimmen von Schacht eigenhändig die Namen der Solisten, nämlich des Oboisten Hanisch, des Klarinettisten Schied und des Geigers Kaffka vermerkt. Diese waren jahrzehntelang Mitglieder der Thurn und Taxisschen Hofmusik.

Franz Anton Hoffmeister wurde 1754 in Rottenburg a. Neckar geboren. Er wandte sich bald der Musik zu und wurde einer der bekanntesten Musikverleger Wiens. Bei ihm erschienen die Werke namhafter Zeitgenossen (Mozart, Haydn, Beethoven). 1812 ist er in Wien gestorben. Der Verleger war auch als Komponist geschätzt. Hoffmeister, aus dessen Verlag Schacht eine Reihe von Musikdrucken für die Hofkapelle erwarb, ist in der fürstlichen Musiksammlung auch mit seinen Kompositionen vertreten. 8 Sinfonien, ein Flötenkonzert und das hier aufgenommene Klarinettenkonzert liegen in Stimmabschriften vor. 21 Streichquartette sind als Druck vorhanden.

Hugo Angerer

Oettingen Wallerstein

Zwischen Schwäbischer und Fränkischer Alb liegt das Ries, ein flaches, fruchtbares Becken vulkanischen Ursprungs. Hier, in der Nähe der jetzigen Kreisstadt Nördlingen, hatten seit der Mitte des 16. Jahrhunderts die Grafen von Oettingen-Wallerstein ihre Residenz. Und bemerkenswert: Früh schon begegnet man ihrem prachtvollen Schloss in den Annalen der Musikgeschichte. Ein wahrer Musikfrühling freilich zog in den Regierungsjahren des Grafen Kraft Ernst in Schloss Wallerstein ein. Schon 1773, im Jahr seiner Regierungsübernahme, hatte der wenige Monate später vom Kaiser in den Reichsfürstenstand erhobene Graf ein Kammerorchester gegründet, das mit hervorragenden, nicht zuletzt böhmischen Instrumentalisten besetzt war und das ein Jahrzehnt später aus 11 Violinisten, je zwei Oboisten, Flötisten, Hornisten und je einem Fagottisten, Violisten, Cellisten und Kontrabassisten bestand. Der Dichter Christian Friedrich Daniel Schubart, gleichzeitig ein gewissenhafter Chronist des Musiklebens seiner Zeit, rühmte die „feinsten und oft unmerklichsten Abstufungen des Tons „ im Spiel des Orchesters. Kein Geringerer als Joseph Haydn aber attestierte den Musikern der Wallersteinschen Hofkapelle, dass kein anderes ihm bekanntes Orchester seine Sinfonien mit solcher Präzision aufzuführen verstünde.

Nach Ausweis der Musikaliensammlung der Fürstlichen Bibliothek Harburg wurden in Wallerstein Kompositionen von Meistern der Mannheimer und Wiener Schule musiziert. Wie nicht zuletzt die Besuche Mozarts und Haydns in der Residenz Wallerstein bezeugen, pflegte man enge Kontakte zur auswärtigen Musikwelt. Ein Großteil des Repertoires wurde jedoch mit Werken der ebenfalls komponierenden Kapellmitglieder bestritten, an dessen Spitze zunächst Ignaz Franz von Beecke, ein Freund Glucks und hervorragender Kenner der neuesten Pariser und Mannheimer Musik stand.

Als Kontrabassist und als Dirigent der Oettingen-Wallersteinschen Hofkapelle wirkte Jahre hindurch Franz Anton Rößler, der seinen Namen nach der Sitte vieler seiner Landsleute italianisierte (Antonio Rosetti). 1750 in Nordböhmen (bei Leitmeritz) geboren, wurde Rößler gegen seine Neigung zum geistlichen Stand bestimmt. Erst nachdem er von seinen Ordensgelübden dispensiert worden war, konnte er sich ganz der Musik widmen. 1773 erscheint sein Name erstmals in Wallerstein auf einer Hofkassarechnung. Eine einträglichere Stellung als beim Fürsten von Oettingen- Wallerstein (in den letzten Jahren war er hier immer mehr in Schulden geraten) fand Rößler 1789 am Hof des Herzogs von Mecklenburg-Schwerin. Sein hier eingespieltes Hornkonzert in F-dur schrieb Rößler, den Schubart als einen der „beliebtestem Tonsetzer“ seiner Zeit rühmt, während seiner Wirkenszeit in Wallerstein.

Joseph Reicha, der Oheim des aus der Beethoven-Biographie bekannten Komponisten Antonin Reicha, stammt aus dem südwestlichen Böhmen, wo er 1746 in Klattau (Klatovy) geboren wurde. Elf Jahre lang, von 1774 bis 1785, wirkte er als vorzüglicher Cellist in der Hofkapelle des Fürsten Kraft Ernst von Wallerstein, bevor er in Kurkölnische Dienste trat. Seit 1789 dirigierte er im neuen Kurfürstlichen Nationaltheater in Bonn das Orchester, an dessen Bratschenpult zeitweilig kein Geringerer als der junge Beethoven saß.

Der 1731 in Geislingen (Württemberg) geborene Johann Georg Nisle war zunächst einige Jahre „Hautboist“ der Herzoglich Württembergischen Garde zu Ludwigsburg. 1773 trat er als Hornist in die Dienste des Fürsten Kraft Ernst zu Oettingen-Wallerstein; von 1777 bis zu seinem Tode im Jahre 1788 wirkte er in den Hofkapellen zu Neuwied, Hildburghausen und Meiningen. Auf zahlreichen Konzertreisen, bei denen ihn seine als Wunderkinder herausgestellten Söhne begleiteten, festigte sich sein Ruf als phänomenaler Hornvirtuose.


Kurze Zeit nach dem Tode des Fürsten Kraft Ernst fiel im Zug der Mediatisierung, der Unterwerfung reichsunmittelbarer Stände unter die Landeshoheit eines anderen Reichsstandes, das Fürstentum an das Königreich Bayern. 1807, ein Jahr später, musste das Personal der Hofkapelle („mit Ausnahme des in der Livree stehenden Personals“) entlassen werden. Erst 1812, nach dem Regierungsantritt des Fürsten Ludwig Kraft, konnte eine Reorganisation der Hofkapelle in Angriff genommen werden. Als ihr Leiter wurde ISIS ein so namhafter Musiker wie Johann Andreas Amon gewonnen. Noch einmal gelangte die Musikpflege in Wallerstein zu einer kurzen Blüte.

Der 1763 in Bamberg geborene Johann Andreas Amon war als Hornist ein Schüler des berühmten, mit Beethoven bekannten Johann Wenzel Stich (Giovanni Punto). Auf ausgedehnten Konzertreisen gelangte er auch nach Paris, wo er bei dem erfolgreichen Opernkomponisten Antonio Salieri kompositorische Studien absolvierte. Seit 1789 wirkte der mit Joseph Haydn und Mozart freundschaftlich verbundene Komponist als Städtischer Musikdirektor in Heilbronn; 1917 trat er, zunächst als Leiter der Singschule, in die Dienste des Fürsten Ludwig Kraft von Oettingen-Wallerstein. Johann Andreas Anions Werkkatalog nennt Kompositionen fast aller Gattungen. Ausdrücklich erwähnt sei hier eine Deutsche Messe nach einem Text des Fürsten Ludwig Kraft.

Hans-Christoph Worbs
Würzburg

Die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in verschwenderischem Reichtum erstandene und von ersten Künstlern der Zeit glanzvoll ausgestattete Würzburger Residenz wurde zum Wahrzeichen eines bedeutsamen Musenhofs, in welchem auch die Musik nicht fehlen durfte. Unter den Fürstbischöfen Friedrich Karl von Schönborn und Adam Friedrich von Seinsheim erlebte sie hier ihre höchste Blüte. Waren bis zur Mitte des Jahrhunderts Italiener die maßgebenden Kapellmeister und Komponisten gewesen, so traten später mehr und mehr einheimische Kräfte in den Vordergrund. Ohne Oper, Konzert und festliche Kirchenmusik war das höfische Leben undenkbar. Die Hofkapelle diente dem Hof zeremoniell wie auch der angenehmen Unterhaltung. Wie häufig in den kleineren Residenzen waren manche der Musiker gleichzeitig als Kammerdiener, Lakaien oder in anderen Stellungen eingesetzt.

Als das Hochstift Würzburg infolge der Säkularisation der geistlichen Fürstentümer im Jahr 1802 an Bayern fiel, hatte sich die Hofmusik schon seit längerem weitgehend auf den Kirchendienst allein beschränkt. Nach dem Ende des Großherzogtums Würzburg (1806-1814) wurde sie endgültig aufgelöst. Jahrzehnte zuvor schon war das Bürgertum, als Träger des Musiklebens, in der Stadt an die Stelle des Hofes getreten. Von 1770 an veranstalteten Liebhaberzirkel Kammermusikaufführungen, auch ein instrumentales Collegium musicum fand sich zusammen. Im Jahr 1803 folgte dann eine beispielgebende Initiative, über welche die Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung im Juni 1804 zu berichten wusste: „!n Würzburg hat auch die Tonkunst ihren Lehrer erhalten. Schon vor langer Zeit hatte sich mit höchster Begünstigung eine musikalische Gesellschaft von Akademikern gebildet, wovon der in theoretischer und praktischer Hinsicht geschickte Musikus, der Rechtskandidat Herr Fröhlich der Direktor war. Seine fruchtbaren Bemühungen verschaffen ihm nun die Stelle eines ... Lehrers und Direktor mit 400 Gulden Gehalt. Die Anstalt selbst ist für junge akademische Musiker gewiss einzig in ihrer Art und verdiente von mehreren Universitäten nachgeahmt zu werden. „ Hier hatte damals als „Königliche Musikschule“ das älteste staatliche Konservatorium in Deutschland seine Pforten geöffnet. Der gebürtige Würzburger Franz Joseph Fröhlich (1780 - 1856) leitete es nicht weniger als 54 Jahre lang und führte es als Lehr- und Konzertinstitut zu bedeutendem Ansehen. Fröhlichs kompositorischer Nachlass ist leider durch Kriegseinwirkung verlorengegangen. So ist die sein gediegenes Können zeigende Serenade D-dur für Flöte, Klarinette, Viola und Violoncello (Fagott), eines der ganz wenigen erhaltenen Werke aus seiner Feder geblieben.

Joseph Küffner (1777 - 1856), Sohn eines Würzburger Hofkapellmeisters, war selbst Musiker in der Würzburger Hofkapelle, daneben auch Militärmusikdirektor. Seit 1814 widmete er sich ganz dem kompositorischen Schaffen. Wie ein Zeitgenosse überliefert, glaubte sich Küffner „durch Huldigung des Zeitgeschmacks am besten empfehlen und einem größeren Publikum vorführen zu können und schrieb seine drei ersten Serenaden für Gitarre, Flöte und Alto. Mit dem rauschendsten Beifall wurden dieselben aufgenommen.“ Diese Werke, gefällige Unterhaltungsmusik des Biedermeier, vermögen auch heute noch nicht zuletzt der reizvollen Verwendung der drei Instrumente wegen anzusprechen. Die Gesamtzahl seiner Werke beläuft sich auf mehrere Hundert. Welches Ansehen Küffner zu seiner Zeit genoss, zeigt ein Zitat aus dem Musiklexikon von Gaßner (1849): „Küffner hat sich vielfach als ausgezeichneter Compositeur erwiesen und in allen Ländern die erfreulichste Anerkennung gefunden. Sein Leben ist einfach, sein Wohnhäuschen mit einem kleinen Gärtchen von der übrigen Welt abgeschlossen, nett, niedlich und reinlich, so daß man ihn fast darum beneiden möchte, und es zeigt schon von außen an, es müsse einen zufriedenen Mann beherbergen. „

War Küffner zweifellos ein beliebter Modekomponist, so muss Friedrich Witt (1770 - 1836) als der bedeutendste Würzburger Musiker nach der Jahrhundertwende bezeichnet werden. Der Name dieses letzten Hofkapellmeisters, der auch nach 1814 die Leitung der Würzburger Kirchen-, Theater- und Konzertmusik beibehielt, ist in den letzten Jahren wieder bekannt geworden: Witt ist der wirkliche Autor der zuvor dem jungen Beethoven zugeschriebenen „Jenaer Symphonie“. Vor seinem Wirken in Würzburg war er Violoncellist in der Kapelle des Fürsten von Oettingen-Wallerstein und Schüler des dortigen Kapellmeisters Antonio Rosetti gewesen. In Wallerstein hatten sich Solokonzerte für ein oder zwei Hörner großer Beliebtheit erfreut und so wurde auch Witt angeregt, Werke für diese Besetzung zu schreiben. Sein technisch recht anspruchsvolles Konzert für zwei Hörner in F-dur rechtfertigt durchaus das zeitgenössische Urteil von der „genialen Fülle, Kraft und Mannigfaltigkeit der Ideen“ des Komponisten. Es ist nicht ohne Reiz, sich zu vergegenwärtigen, dass noch Richard Wagner 1833/34 unter Friedrich Witt als Chordirektor am Würzburger Theater angestellt war und hier seine erste Oper „Die Feen“ komponiert hat.

Dr. Robert Münster


Nürnberg

Wie nur wenige andere Städte vergleichbaren Ranges spiegelt die ehemals Freie Reichsstadt Nürnberg deutsche Geschichte in all ihren Höhe- und Tiefpunkten wider. Mit den politischen und wirtschaftlichen, religiösen und künstlerischen Entwicklungszügen dieses Gemeinwesens ist auch die Musik in ihrer ganzen kulturellen Breite und Vielschichtigkeit lebensvoll verflochten. Im 14. und 15. Jahrhundert hatte hier hauptsächlich der Fernhandel die wirtschaftlichen Voraussetzungen für einen ungeahnten Aufschwung der Künste geschaffen. Noch vor 1450 erwuchs in den Mauern der Stadt der erste deutsche Großmeister der Musik, Konrad Paumann (um 1415 -1473), ein Bahnbrecher vor allem des Orgel- und Lautenspiels. In engster Verbindung mit der Orgelmusik entfaltete sich damals die deutsche Liedkunst, deren zentrale Quellen ebenfalls in Nürnberg entstanden: Das Lochamer-Liederbuch (1452 - 1460) und das Liederbuch des Hartmann Schedel (1460 - 1467).

Zur Zeit Albrecht Dürers (1471 -1528), als die Stadt ihren kulturellen und politischen Höhepunkt erreicht hatte, wurde der Grund für die Hochblüte des Musikinstrumentenbaues und des musikalischen Druck- und Verlagswesens gelegt. Das Eindringen des humanistischen Geistes führte auch hier zu einer Reform des Schulmusikunterrichts, deren treibende Kräfte Johannes Cochläus und Sebald Heyden waren. Conrad Rein, der Lehrer des Hans Sachs, und Wilhelm Breitengraser, traten als Komponisten hervor. Der ehemalige Hoflautenist Kaiser Maximilians L, Adolf Blindhamer, sein Schüler Hans Gerle und Hans Neusiedler zeichneten sich als Lautenspieler und Tonsetzer für ihr Instrument aus. Nachdem in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts erstmals ein Absinken der institutionellen Nürnberger Musikpflege bemerkbar wurde, konnte die Stadt von 1575 an durch Friedrich Lindner und namentlich Leonhard Lechner noch einmal Anschluss an die repräsentative Musikpraxis der süddeutschen Fürstenhöfe gewinnen. In der Verschmelzung deutscher und niederländischer Traditionen mit italienischen Neuerungen kam Lechner auch der wesentlichste Anteil an der Entwicklung eines neuen deutschen GesellschaftsIiedes zu. Es erlangte im Schaffen des gebürtigen Nürnbergers Hans Leo Häßler seine Gipfelhöhe.

Wohl am sinnfälligsten tritt uns die inzwischen ganz nach innen gerichtete Anspannung der kulturellen Kräfte Nürnbergs in der Musik des Barock- oder Generalbasszeitalters entgegen, um so mehr, als die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg und nach den Pestjahren des 17. Jahrhunderts bereits merklich abgenommen hatte. Abweichend von den deutschen Fürstenhöfen und den meisten Reichsstädten waren hier in jener Zeit nicht Kapellmeister oder Kantoren, sondern Organisten die Hauptträger des musikalischen Lebens. Das Wirken und Schaffen dieser Nürnberger Meister wurde seit Johann Staden auf das stärkste durch die Kontinuität einer in Deutschland einzigartigen, mit Pachelbels Sohn Wilhelm Hieronymus in fünfter Generation bis an die Schwelle der Klassik reichenden Lehrer-Schüler-Tradition bestimmt. Nicht zu Unrecht durfte man dabei von einer „Nürnberger Schule“ sprechen: Staden war der Lehrer Johann Erasmus Kindermanns, dessen Schüler Heinrich Schwemmer und Georg Kaspar Wecker dann Johann Krieger und Johann Pachelbel musikalisch unterwiesen. „Cantable Setzart“, formale Gestrafftheit, volkstümliche Liedhaftigkeit und Mangel an affekthaftem Pathos kennzeichnen den fränkisch-barocken Nürnberger Stil.

An der schöpferischen Kraft dieser Schultradition hat auch noch Johann Matthäus Leffloth wesenseigenen Anteil. Anfang Februar 1705 als Sohn eines Nürnberger Kaufmanns und Organisten geboren, erhielt Leffloth Musikunterricht durch Wilhelm Hieronymus Pachelbel und übernahm schon mit 18 Jahren in seiner Vaterstadt das Organistenamt bei St. Leonhard. Er starb bereits Ende Oktober 1731 im 27. Lebensjahr. In seinen Kompositionen für Tasteninstrumente ist an den Spielfiguren deutlich der Einfluss Italiens zu erkennen. Für die Gediegenheit seiner Werke spricht nichts stärker als der Umstand, dass die hier eingespielte Sonate für Viola da Gamba und Cembalo in C-Dur einst irrtümlich Georg Friedrich Händel zugeschrieben wurde.

Obwohl sich Nürnberg im 18. Jahrhundert, verglichen mit süddeutschen Musikzentren wie Wien, Mannheim oder auch München, schon in einer musikalischen Randzone befand, ist die Stadt auch jetzt noch bedeutsam in der Geschichte der Tonkunst hervorgetreten. Davon legt nicht zuletzt die Nachblüte des Notendrucks und Musikalienhandels ein sprechendes Zeugnis ab, hatte doch sogar Johann Sebastian Bach drei der wenigen zu seinen Lebzeiten gedruckten Werke den Nürnberger Notenstechern und Verlegern Christoph Weigel d. J. und Balthasar Schmid anvertraut. Einige der aufstrebenden jungen Talente mussten freilich anderwärts ihr Glück suchen. Zu ihnen gehört Johann Christoph Vogel, der 1756 als Spross einer alteingesessenen Nürnberger Lauten- und Geigenmacherfamilie geboren wurde und, frühvollendet wie Leffloth, 1788 in Paris starb, wo er seit 1777 gelebt hatte. Vogel betrachtete Christoph Willibald Gluck als seinen eigentlichen Lehrmeister in der Komposition und galt selbst als einer der bedeutendsten Opernkomponisten zwischen Gluck und Mozart. Während indessen eine Wiederbelebung der Opern Vogels in unserer Zeit fehlschlug, erfreuen sich einige seiner Instrumentalwerke, mit denen er ehedem die Kapellen der französischen Aristokratie versorgte, heute wegen ihrer musikantischen Frische zunehmend größerer Beliebtheit. In seiner Kammermusik spielt die Klarinette eine beherrschende Rolle, jenes Instrument, das einst hauptsächlich von Nürnberg aus seinen Siegeszug in die musikalische Welt angetreten hatte: Um 1700 entwickelte hier Johann Christoph Denner das erste Klappen-Chalumeau, den unmittelbaren Vorläufer der Klarinetteninstrumente.

Selbst ein virtuoser Klarinettist ist Johann Georg Heinrich Backofen gewesen. Er gehörte jener weitverzweigten Musikerfamilie an, die als einzige in der Endzeit der reichsstädtischen Herrlichkeit Nürnbergs stärker hervorragt. Backofen wurde 1768 in Durlach geboren, kam mit zwei Brüdern 1780 zu Kapellmeister Georg Wilhelm Gruber nach Nürnberg in die Lehre, blieb dort bis 1806 und starb 1830 als Mitglied der Hofkapelle in Darmstadt. Aus seiner Feder stammen unter anderem grundlegende Lehrwerke für Harfe und für Klarinette. Seine damals weitverbreiteten Konzerte und konzertanten Sinfonien für verschiedene Soloinstrumente und Orchester sind überwiegend in Nürnberg entstanden, zu einer Zeit, als bereits die Romantik, vornehmlich durch Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck, die Stadtkultur der einstigen fränkischen Metropole neu entdeckt hatte.

Franz Krautwurst



Augsburg

Augsburgs musikalische Glanzzeit war das 16. Jahrhundert, als sich die freie Reichsstadt als führende Handelsmetropole nicht zuletzt durch das Mäzenatentum der Familie Fugger zugleich auch zu einem der maßgeblichen Musikzentren in Europa entwickeln konnte. Der Dreißigjährige Krieg, wie auch politische Veränderungen, trafen das Kulturleben der Stadt schwer, doch bald nach 1648 begann sich das Musikleben wieder neu zu regen. Anders als zuvor war jetzt das Bürgertum neben den Kirchen zum Träger der Musikpflege geworden. „Es ist hier der Ort nicht, wo große Sänger und Sängerinnen, wie auch Virtuosen auf Instrumenten, wohl besoldet werden könnten. Demnach kommt es mehr auf Liebhaber an, welche selbst ans eigenen Triebe sich vollkommen zu machen suchen, und daran ist kein gänzlicher Mangel, sodaß sich verschiedene in Concerten mit Ehre zeigen können“. So zu lesen in einer zeitgenössischen Stadtchronik. Im Jahr 1712 gründete der Kantor und Schüler Johann Sebastian Bachs Philipp David Kräuter, ein bürgerliches Collegium Musicum, dem viele Musikliebhaber und Berufsmusiker der Stadt beitraten. Sicherlich hat der Augsburger Buchbindersohn Leopold Mozart (1719- 1787) in seinen Gymnasialjahren bis 1737 wesentliche Anregungen aus dem Wirken dieser Vereinigung erfahren. Auch nach seiner Übersiedlung nach Salzburg hielt er die enge Verbindung zu ihr aufrecht, die sich – seit 1752 neu organisiert – nunmehr als „Musikübende Gesellschaft zum Beckenhause“ bezeichnete. Wöchentlich einmal wurde im Zunfthaus der Augsburger Bäcker musiziert; vor einem größeren Publikum spielte man auch in den Räumen des Gasthofes „Zu den drei Königinnen“. Der nach Leopold Mozarts Worten „ruhmwürdigste und nimmer genug anzurühmende Herr Direktor“ dieses „ansehnlichen und preiswürdigsten Collegii musici“ war Anton Christoph Gignoux, ein Augsburger Kattunfabrikant und Malerdilettant, der mit der Familie Mozart freundschaftliche Beziehungen pflegte. Die Orchesterwerke Leopold Mozarts erfreuten sich bei dieser „Musikübenden Gesellschaft“ großer Beliebtheit. 1756, im Geburtsjahr Wolfgang Amadeus Mozarts, waren in deren Konzerten das Divertimento „Die Bauernhochzeit“ und „Die musikalische Schlittenfahrt“ mit großem Beifall erstmals aufgeführt worden. In der Folge wurde der in seiner Heimatstadt sehr geschätzte Wahlsalzburger mehrmals gebeten, weiteres von seiner „musique“ nach Augsburg zu senden. So dürfen wir annehmen, dass hier auch Werke wie das Konzert für zwei Hörner (1752), die Sinfonia di Camera mit Solovioline und Solohorn (1755), die Sinfonia da caccia oder Jagdsinfonie (1756), oder die durch das Fehlen der Violinen im Orchester bemerkenswerte Sinfonia burlesca (1760) erklungen sind. Die zuletzt genannten Werke standen in enger Beziehung zu den so beliebten Programmsinfonien „Bauernhochzeit“ und „Schlittenfahrt“: Für die Wiedergabe der Jagdsinfonie, die in ihrem ersten Satz deutlich an das Volkslied „Frisch auf zum fröhlichen Jagen“ anklingt, ist eine Anweisung erhalten. Man soll dazu, so heisst es hier u. a. „etliche Hunde haben die bellen, die übrigen aber schreyen zusamm ho ho etc., mir aber 6 Tact lang.“ Die Sinfonia burlesca weist durch die Überschriften ihrer Sätze Nr. 3 (II Signor Pantalone) und Nr. 4 (Harlequino) auf eine enge Verbindung mit der Comedia dell’ arte hin. Vielleicht war sie die Begleitmusik zu einer Pantomime.

Unter den in Augsburg wirkenden Komponisten genoss vor allem Friedrich Hartmann Graf (1727 - 1795) als Musikdirektor der evangelischen Kirchen weithin Ansehen. Er stammte aus Thüringen, hatte (eine Zeitlang) mit Georg Philipp Telemann die öffentlichen Konzerte in Hamburg geleitet und war nach längeren erfolgreichen Kunstreisen als Flötenvirtuose durch ganz Europa in die freie Reichsstadt berufen werden. Von seinen Werken für die Flöte sagt Paul von Stetten 1779: „Die Compositionen auf sein Lieblingsinstrument sind bey Kennern desselben in großen Ansehen, und besonders in England, Holland, und in der Schweiz, wie nicht weniger an vielen deutschen Höfen ausnehmend beliebt. „Graf- den W. A. Mozart nach dem Zusammentreffen in Augsburg 177 allzu kritisch beurteilt hat – richtete 1779 ein allgemeines städtisches Konzertunternehmen ein. Später war er als Nachfolger Johann Christian Bachs Leiter der Professional Concerts in Londen, erhielt den Dr. mus. der Universität Oxford und wurde Ehrenmitglied der Akademie zu Kopenhagen.


Eine Generation jünger als Graf war Franz Bühler (1760-1823), der seit 1801 als Domkapellmeister die wichtigste Position innerhalb der katholischen Kirchenmusik Augsburgs einnahm. Als P. Gregor war er zehn Jahre lang Benediktiner im Stift Hl. Kreuz zu Donauwörth gewesen. Vom Ordensleben 1794 dispensiert hatte er dann als Organist in Bozen gewirkt. Seine zahlreichen, mit leichter Hand geschriebenen, Kirchenwerke waren lange Zeit in ganz Süddeutschland und darüber hinaus verbreitet. Weniger bekannt wurden Bühlers Instrumentalkompositionen, unter welchen die 1804 veröffentlichte Grande Sonate für Klavier, Klarinette, 2 Hörner und Streicher vor allen anderen einer Wiedererweckung wert ist.

Dr. Robert Münster

Was man damals zur Tafel und zur abendlichen Erholung, zu Familienfesten, bei Besuchen und Trauerfeierlichkeiten musizierte, wird heute wieder Klang. Unsere Reihe stellt diese musikalischen Kleinode (Sinfonien, Konzerte, Kammermusiken, Sonaten u.a.) vor. Der Sammler wird sie als reizvolle Bereicherung des Repertoires ebenso dankbar begrüßen wie der an der Geschichte Süddeutschlands Interessierte: Sie bieten eine vorzügliche Gelegenheit, auch den musikalischen Hintergrund einer so traditionsbeladenen Landschaft kennenzulernen.

Ein anschauliches Bild des Münchener Musiklebens in den 70er Jahren des 18. Jahrhunderts hat uns ein unbekannter Zeitgenosse in seinen Aufzeichnungen hinterlassen: „Eine gut geordnete Kapelle mit ihrem Meister Bernasconi, der, wie seine zahlreichen Compositionen zeigen, seine Kraft ihr widmete, – eine während des Karnevals eröffnete italienische Oper, gewöhnlich von einem fremden bewährten Meister componirt und von berühmten Sängern, worunter zu ihrer Zeit die Kastraten Farinelli und Guadagni glänzten, dargestellt, mit freiem Eintritt für Gebildete und Kunstfreunde, welche aus Klöstern, Stiften und Landstädten herbeiströmten, um Gedanken für ihre Tonarbeiten des nächsten Jahres zu sammeln, – häufige Hofakademien – mit wenig Ausnahmen täglich Kammermusiken, worin der Churfürst, selbst erfahren im Spiele der Viola da pompa und geachteter Dilettant in der Tonsetzkunst, seine Abendmuse zubrachte. Dazu kamen in den größeren Tempeln der Stadt Musiken mancher Art, bei den Jesuiten mit allem Prunk der damals üblichen Instrumente, im hehren, imponirenden Tone der Trompete und Pauke; in mehr bescheidener, der innern Gemüthssammlung mehr entsprechender Weise bei den Augustinern – während der Fastenzeit Meditationen und Oratorien, darunter Metastasios Passione, von der Composition des ernsten Jommelli und des gefälligen Mysliweczek.“

Wolfgang Amadeus Mozarts Ausruf „Hier bin ich gern“ bezeugt, wie sehr ihn München in seinen Bann gezogen hat. Wie verlockend zu seiner Zeit der Aufenthalt hier gewesen sein muss, lesen wir in einem Reisebericht aus dem Jahr 1784: „Die Stadt ist eine der schönsten in ganz Deutschland, dieß gesteht ihr jedermann ein. Man lebt hier sehr wohlfeil, sehr bequem und sehr frey. Paradiesische Gärten, götterwürdige Paläste, Konzerte ohne ihre gleichen, Schauspiele, die von Feen gezaubert scheinen konnten.“ Gerade die von Wolfgang bedrückend empfundene Enge der Salzburger Verhältnisse musste ihm das großzügige, an Möglichkeiten und Anregungen reiche München in leuchtenden Farben erscheinen lassen. Die ersten Besuche in den sechziger Jahren mit Vater Leopold und Schwester Nannerl galten dem Spiel des Wunderkindes vor dem Kurfürsten in der Residenz und in Nymphenburg und vor dessen Vetter Herzog Clemens in dessen Gartenschlösschen vor der Stadt. 1774 erhielt der Achtzehnjährige den Auftrag, die Opera buffa „La finta giardiniera“ (Die Gärtnerin aus Liebe) zu komponieren. Schon nach der ersten Probe berichtete Vater Mozart nach Salzburg: „Das ganze Orchester und alle, die die Probe gehört, sagen daß sie noch keine schönere Musik gehört, wo alle Arien schön sind. Aller Orten, wo wir hinkommen, weis man es schon“. Über die am 13. Januar 1775 vonstatten gegangene Uraufführung im Salvatortheater schrieb Wolfgang selbst an die Mutter: „Gottlob! Meine opera ist gestern als den 13ten in scena gegangen; und so gut ausgefallen, daß ich der Mama den lernten ohnmöglich beschreiben kan. Erstens war das ganze theater so gestrozt voll, daß viele leute wieder zurück haben müssen. Nach einer jeden Arie war alzeit ein erschröckliches getös mit glatschen, und viva Maestro schreyen.“

Bis zum Ende der Karnevalszeit nützten die Mozarts die Gelegenheit und besuchten fleißig die Münchener Redouten. Am 15. Februar schreibt Leopold Mozart: „Heute gehen wir nicht auf die Redutte, wir müssen ausruhen; es ist die erste die wir auslassen.“ In der verbleibenden Zeit beschäftigte sich Wolfgang mit Komponieren: eine Messe, ein Kyriefragment, ein Offertorium, eine Klaviersonate, eine Sonate für Fagott und Violoncello und die beiden Bläserdivertimenti KV I96e und f dürften damals in München entstanden sein. Die letztgenannten jeweils fünfsätzigen Werke sind heitere, unbeschwerte Unterhaltungsmusik, wie sie damals von den Hofmusikem oder den bürgerlichen Stadtmusikanten zur Tafel oder zu kleinen festlichen Anlässen gespielt wurde. Eine solche Musik hörte auch Mozart, als er mehr als zwei Jahre später im Gasthof des musikliebenden Münchener Weinwirts Albert an der Kaufingergasse logierte: „beyläufig um halbe 10 uhr kam eine kleine Musique von 5 personnen, 2 clarinete, 2 cornti und 1 fagotto. Herr Albert, dessen Namenstag morgen ist, Hesse mir und ihm zu Ehren diese Musique machen, sie spielten gar nicht so übel zusammen. Es waren die nämlichen leide, die bey Albert im sall (zum Tanz) aufmachen.“

Ein Vierteljahrhundert später, in den Jahren um 1800, war München eine Stadt mit etwa 45 000 Einwohnern. Opernaufführungen gab es an rund 40 Abenden im Jahr in dem von Francois Cuvilliés erbauten Residenztheater. Neben den Werken italienischer, französischer und Wiener Komponisten fand man jetzt im Spielplan nicht wenige Stücke einheimischer Meister.

Über das Konzertleben vermeldet ein gedruckter Stadtführer: „Bei Hofe werden von Zeit zu Zeit Akademien im sogenannten Herkulessaale (in der Residenz), besonders an Galatagen, öfter Kammermusiken mit Sing- und Instrumentalmusik gegeben. Ersteren wohnt der ganze Hofstaat nebst allen Hofberechtigten, und außer einer kleinen Barriere auch geringere Zuhörerschaft bei. Letztere (Kammerkonzerte) werden weniger vollstimmig, und nur von den Auserlesensten aufgeführt. Jährlich werden (von der Hofmusik) auch 12 Liebhaber-Concerte oder Akademien gegen Vorausbezahlung von 11 Gulden im Redoutensaale gegeben, wovon die Einnahme nach Abzuge der Kosten der Theaterkasse zufällt.“

Im Hoforchester, das 1778 durch den Zuzug der Mannheimer Kapelle unter Kurfürst Karl Theodor bedeutende Kräfte gewonnen hatte, saßen tüchtige Virtuosen und Komponisten, deren Kompositionen einen großen Teil der Konzertprogramme beherrschten. Vor allem die Werke der Kapellmeister Winter und Danzi erfreuten sich großer Beliebtheit. Franz Danzi, noch mit Mozart persönlich gut bekannt, war zunächst Violoncellist in der Hofkapelle und wurde 1798 zum Vicekapellmeister ernannt, nachdem er zuvor mehrere Jahre mit seiner Gemahlin Margarethe – einer Leopold-Mozart-Schülerin – in Sachsen, Böhmen und Italien zu Opera- und Konzertaufführungen beurlaubt gewesen war. Später mit Carl Maria von Weber eng befreundet, gilt Danzi mit Recht als einer der Wegbereiter der musikalischen Romantik.

Sein Einfluss auf den um 23 Jahre Jüngeren zeigt sich auch in dem Konzert F-Dur für Fagott und Orchester mit der abschließenden Polacca, die schon deutlich auf ähnlich geartete Finalsätze in Weberschen Solokonzerten hinweist. Hier wie auch in dem Doppelkonzert D-Dur für Klarinette und Fagott äußern sich der melodische Reichtum und die harmonische Farbigkeit von Danzis Musiksprache in reizvoller Weise. Kompetenzschwierigkeiten mit seinem Kollegen Peter von Winter veranlassten Danzi 1807 zum Weggang von München nach Stuttgart, um dort die Stelle eines Hofkapellmeisters anzunehmen. Seine Musik aber verschwand nicht so bald von den zahlreichen Konzertprogrammen und aus dem Repertoire der Münchener Kirchenchöre.

Dr. Robert Münster
Zu den glanzvollsten Zeiten Münchner – ja Bayerischer Musikgeschichte gehört das 16. Jahrhundert, in dem die Bayerisch-Herzögliche-Hofkapelle nur noch in der Päpstlichen Kapelle ein adäquates Pendant hatte. München tritt erstmals in das strahlende Licht der Musikgeschichte durch jene ehrenvolle Berufung des blinden Organisten Conrad Paumann (um 1420 bis 1473) aus Nürnberg durch Herzog Albrecht III. Sein Grabstein nimmt noch heute in der Frauenkirche einen Ehrenplatz unter der Orgelempore ein. Eine Generation später wird München die Wahlheimat des „größten deutschen Liedermeisters“ des Jahrhunderts, des Schweizers Ludwig Senfl (ca. 1486 - 1543). Als Schüler des hochgeachteten und berühmten Niederländers Heinrich Isaac kommt er schon früh in die Kaiserliche Hofkapelle, die das hervorragendste musikalische Institut um die Jahrhundertwende in Europa darstellt. Nach dem Tode des musikliebenden Kaisers Maximilian I. im Jahre 1519 gelangt Senf! nach München und wird schließlich Hofkapellmeister der Herzoglichen Kapelle, die sich unter seinen Händen mehr und mehr nach dem Vorbild der Kaiserlichen Hofkapelle umformte. Der Dienst am Hof erforderte ein überaus vielschichtiges Repertoire. Messen, Motetten, Magnificats, Hymnen für den Gottesdienst und die Andachten waren ebenso notwendig wie weltliche Lieder und Instrumentalsätze für die Unterhaltung bei Tisch und den Hoffesten. Hier reifte Senfl zum fruchtbarsten Meister des Liedes heran. An fast allen Stoffen entzündet sich seine schier nie versiegende Fantasie.

Einer der Nachfolger Senfls im Kapellmeisteramte war Ludwig Daser (ca. 1525 -1589), ein gebürtiger Münchner. Er bekleidete dieses gesuchte Amt von 1552 bis 1563. In seinen Kompositionen lehnte Daser sich mehr an seine Vorgänger an. Deutlich zeigt dies die 8-stimmige Motette „Benedictes Dominus“, die über 4 gleichlaufende cantus firmi gearbeitet ist.

Im Jahre 1556 sollte für die Münchner Hofkapelle eine entscheidende Wendung eintreten. Der kunstsinnige Herzog Albrecht V. berief aus Mons im Hennegau den damals schon bekannten und geschätzten Orlando di Lasso (1532 - 1594) nach München. Damit wird München zum Brennpunkt der Musik in Europa. Nur Palestrina in Rom konnte noch mit dem Wahlmünchner verglichen werden. Der von seinen Zeitgenossen als „Belgischer Orpheus“ gefeierte Musiker wirkte fast 40 Jahre im Dienste der Münchner Hofkapelle. Als wahrer Kosmopolit, der die meisten Länder Europas bereiste, wird er zu einem Meister von universaler Größe, der alle Wesensmerkmale europäischer Musik in seinem Stil vereint. Er ist in Wahrheit jener „Gipfel der Niederländischen Musik“, die fast 200 Jahre lang, von Johannes Ciconia (+ 1411) bis zu ihm hin, der Weit die führenden Köpfe im Bereiche der Musik geschenkt hat. Unter seinen zahlreichen weltlichen Gesängen finden wir deutsche Lieder, französische Chansons, italienische Madrigale und lateinische Scherz- und Trinklieder. Allen diesen Gattungen liegt eine von kaum einem andern erreichte Satzkunst zugrunde.

Beste Gebrauchsmusik für die täglichen gottesdienstlichen Verpflichtungen stellen das „Magnificat Sexti Toni“ und das Kirchenlied „Kombt her zu mir, spricht gottes son“ dar, wie auch die beiden 6-stimmigen Motetten „Timor Domini“ und „Timor et tremor“ und die Teile der großen doppelchörigen „Missa vinum bonum“ den Meister in seiner vollen Kraft ausweisen.

Mit Wilhelm V., der später auch der Fromme hieß, verband Orlando di Lasso eine innige Freundschaft, die sich in guten und schlechten Tagen für beide als wertvoll erwies. Der junge Thronfolger lebte nach der Hochzeit als 20jähriger auf der Trausnitz über Landshut, wo er eine allzu üppige Hofhaltung unterhielt. Hier in Landshut hat sich Wilhelm – häufig von Lasso besucht – eine eigene Hofkapelle aufgebaut, die bedeutende Komponisten zu ihren Mitgliedern zählte.
Lassos Ruhm drang in alle Lande und der hochgebildete, sprachenkundige und tiefernste Mensch war neben seinem Kapellmeisteramte auch ein gesuchter und vielbegehrter Lehrer. Die Besten des Landes wurden zu ihm geschickt, ja sogar Venedig sandte seinen nachmals berühmten Giovanni Gabrieli zu weiteren Studien nach München. Die Sänger und Musiker der Hofkapelle waren häufig gleichzeitig auch namhafte Komponisten und in allen einschlägigen musikalischen Belangen vollausgebildete Künstier. Die Schreibprodukte ihrer Kopisten wurden lange Zeit für Druckwerke gehalten, so perfekt waren sie geschrieben. Orlando di Lasso war also Kapellmeister, Hofkomponist, Lehrer für die Singknaben, die Instrumentalisten und für die Besten in der Komposition. So wurde Lasso häufig von seinem Unterkapellmeister, dem Niederländer Johannes de Fossa (ca. 1540-1603), vertreten, von dem hier ein Kyrie und Gloria aus der Missa „Ich segge a dieu“, also über ein bekanntes niederländisches Lied, erklingen. Das bedeutendste Mitglied der Kapelle um 1570 ist wohl der Niederländer Ivo de Vento (ca. 1543/45 - 1575), Kapellmeister der Landshuter Hofkapelle und Organist der Münchner Kapelle. Er ist der große deutsche Liedermeister des späteren 16. Jahrhunderts. Neben einigen Liedern zu 3, 4 und 5 Stimmen zeigt auch die knappe 5-stimmige Liedmotette „Herr dein Wort“ sein großes Können. Auch der Tiroler Leonhard Lechner (ca. 1553-1606) hat als Singknabe in München unter Lasso und später bei Ivo de Vento in Landshut bleibende Eindrücke gewonnen, die in ihm die Kräfte legten, der wohl größte deutsche Meister um die Jahrhundertwende zu werden. Sein Ruf als „gewaltiger Componist“ war allerdings auf einem bewegten Lebensweg erworben. Von München, Landshut, Nürnberg, Hechingen kam er endlich zur Stuttgarter Hofkapelle, als deren Kapellmeister er schließlich 1606 stirbt.

Jacob Reiner (vor 1560-1606) kommt aus dem befreundeten Kloster Weingarten, dessen „regens chori“ er wird, zu Orlando di Lasso und gehört zu seinen Lieblingsschülern. Die 6-stimmige Motette „Mane nobiscum domine“ und das Abschiedslied „Behüt euch Gott“ weisen Reiner als guten Komponisten aus. Auch Anton Gosswin (ca. 1546 - 1594), niederländischer Kontraaltist der Münchner Hofkapelle und später im Dienste Herzog Ernst’s, des Freisinger Fürstbischofs, und Balduin Hoyoul (1547/8 - 1594) erweisen sich durch ihre Werke als führende Musiker der Münchner Kapelle, des wohl einzigartigsten Instituts in Europa. Es bedurfte eines allen überragenden Hauptes, das diese vielen individuellen Köpfe zusammenhielt, das gleichsam ihre künstlerische und menschliche Mitte darstellte: Orlando die Lasso.

Dr. Konrad Ruhland

Peter von Winters Wiege stand im Mannheim des Kurfürsten Karl Theodor. Am 28. August 1754 wurde er als Sohn eines Brigadiers geboren. Bereits mit zehn Jahren wurde er in das Hoforchester aufgenommen und erlebte noch die Blütezeit der damals in ganz Europa berühmten „Mannheimer Schule“. In begeisterten Worten pries der Dichter Schubart das Mannheimer Orchester: „Sein Forte ist ein Donner, sein Crescendo ein Katarakt, sein Diminuendo ein in die Ferne hinplätschernder Krystallfluß, sein Piano ein Frühlingshauch. Die blasenden Instrumente sind alle so angebracht, wie sie angebracht sein sollen: sie heben und tragen, oder füllen und beseelen den Gang der Geigen.“ Hier erwarb sich der junge Winter eine gründliche musikalische Bildung und spielte bereits mit 15 Jahren den Kontrabass, später wurde die Violine sein Hauptinstrument.

Als der Kurfürst im Jahr 1778 die bayerische Erbfolge antrat, kam Winter mit dem größten Teil des Mannheimer Orchesters in die neue Residenzstadt München. Schon in Mannheim hatte er sich unter der Anleitung von Abbé Georg Joseph Vogler kompositorisch erfolgreich betätigt, und trat nun mit beifällig aufgenommenen Ballettmusiken und Instrumentalkonzerten auch in München hervor. Mit „Helena und Paris“ begann 1782 die Reihe seiner zahlreichen Opern und Singspiele, unter welchen ihm „Das unterbrochene Opferfest“ von 1796 den größten Erfolg einbrachte. Diese in Wien uraufgefünrte, wirkungsvolle „Rettungsoper“ machte Winter mit einem Schlage international berühmt. Ihr folgte als Fortsetzung von Mozarts ‚’Zauberflöte“ die harmonisch-komische Oper „Das Labyrinth oder Der Kampf mit den Elementen“, die auch zum Teil auf Mozarts Themen basiert. Schon 1787 war Winter zum Vizekonzertmeister des Münchener Orchesters ernannt worden, 1796 folgte die Bestellung zum Kapellmeister der Vokalmusik. In den Jahren bis 1805 unternahm er zahlreiche Reisen, u.a. nach Neapel, Venedig, Berlin, Prag, Warschau, Petersburg, Moskau, Stockholm und London. Obwohl der Hauptakzent seines Schaffens in dieser Zeit auf dem Gebiet der Oper lag, vernachlässigte Winter die ihm ebenfalls am Herzen liegende Instrumentalmusik keineswegs. Am 29. November 1804 führte er im Münchener Redoutensaal seine Sinfonie Concertante für 6 Soloinstrumente und Orchester zum ersten mal auf. Bis 1816 finden wir dann seinen Namen häufig auf den Programmen der jeweils im Winter veranstalteten Abonnementskonzerte des Hoforchesters, die seit 1811 als „Musikalische Akademie“ eine noch heute bestehende, angesehene Institution im Münchener Musikleben sind. Auch die Kammermusikwerke, wie das um 1803 in Paris gedruckte Septett, wurden viel gespielt. Winters stärkster Konzerterfolg war die am 18. April 1814 im Cuvilliés-Theater aufgeführte Schlachtsinfonie für fünf Orchester und Chöre.

Am 23. März 1814 feierte die Münchener Hofmusik das fünfzigjährige Dienstjubiläum ihres Kapellmeisters mit einem großen Festkonzert und brachte darin Werke aus allen vier Jahrzehnten von Winters Münchener Schaffen zur Wiedergabe. König Max Joseph verlieh dem Jubilar den Civilverdienstorden der Bayerischen Krone, mit dem auch der persönliche Adel verbunden war. Der so Ausgezeichnete durfte sich fortan Ritter Peter von Winter nennen. Er widmete sich in den folgenden Jahren vornehmlich der Komposition von Kirchenmusik und stand als Gesangs- und Kompositionslehrer in hohem Ansehen. Viele der in München hervorgetretenen Komponisten sind durch seine Schule gegangen.

Nicht alle Werke in Winters umfangreichem Schaffen stehen auf gleicher Höhe, doch vieles zeugt von bemerkenswertem Einfallsreichtum und von meisterlicher Beherrschung der Form wie auch der Mittel. Manche Züge weisen schon auf die Romantik voraus, doch im ganzen gesehen weht in seiner Musik ein klassizistischer Zug. Was ein Zeitgenosse in Bezug auf Winters Opernwerk gesagt hat, darf auch für sein übriges Lebenswerk gelten: „Ihn belebte nicht jenes Feuer, jenes geniale Ungestüm, das, wie z.B. bei Jommelli, von Zeit zu Zeit lodernde Flammen aufschlägt und schon mit einigen Takten das Gemüt des Zuhörers ergreift, nicht die Laune eines Paisiello. Immer erscheint er geschickt, geordnet, mehr im klassischen Kostüm eines französischen Tragikers als auf dem Kothurn eines britischen Tragöden. Gefallen, angenehm unterhalten hat er uns immer.“

Ein Bild des Menschen Winter ersteht aus Briefen von Carl Maria von Weber wie auch aus den gedruckten Lebenserinnerungen des Malers Ludwig Emil Grimm oder des Komponisten Ludwig Spohr. Sie alle sind mehrmals mit dem allgewaltigen Kapellmeister in nähere Verbindung getreten. „Ich war“ - schreibt Spohr von einem Münchener Besuch im Jahr 1807 – „oft bei Winter und ergötzte mich an dessen originellem Wesen, das die sonderbarsten Widersprüche in sich vereinigte. Winter, von kolossalem Körperbau, begabt mit riesiger Kraft, war dabei furchtsam wie ein Hase. Bei geringfügiger Veranlassung leicht in Zorn aufbrausend, ließ ersieh doch lenken wie ein Kind“. Auch Bettina von Arnim, befreundet mit Goethe und Beethoven, hatte dies schnell herausgefunden. Sie ließ sich vor ihrer Verheiratung I808/09 von Winter im Singen unterrichten und trieb dabei allerlei Schabernack mit ihrem Lehrmeister.

Vier Tage nach König Max Joseph, am 17. Oktober 1825, ist auch der Hofkapellmeister Peter von Winter verstorben. Mit ihm endete ein reichhaltiger, noch wenig bekannter Abschnitt in der Münchener Musikgeschichte. Ludwig L, der neue König, sollte sein Interesse weniger der Musik als der Förderung der bildenden Künste zuwenden.

Dr. Robert Münster


Zweiundachtzig Musiker und neununddreißig Sänger zählte die Münchener Hofmusik, als der neunundzwanzigjährige Karl Cannabich im März 1800 ihre Leitung übernahm. In Mannheim als Sohn des hochangesehenen Komponisten und Orchestererziehers Christian Cannabich geboren, hatte er nach der Übersiedlung nach München zunächst als Geiger im Hoforchester und dann von 1796 bis 1799 in Frankfurt als Theaterkapellmeister gewirkt. Seine nur kurz währende, erfolgreiche Tätigkeit als Musikdirektor in München beschloss einen der fruchtbarsten und farbenreichsten Abschnitte im Musikleben dieser Stadt: die rund 150 Jahre währende Zeit des kurfürstlichen München. Schon am 1. Mai 1806, zwei Monate nach der Proklamation Bayerns zum Königreich ist Karl Cannbich erst fünfunddreißigjährig verstorben. Ein Nachruf schildert ihn als ausgezeichneten Violin- und Klavierspieler. Inzwischen ist freilich Karl Cannbichs Musik ganz vergessen. Seine unbeschwerte, um 1800 entstandene Concertante für zwei Soloviolinen und Orchester (mit großer Trommel anstelle der Pauken!) aber vermag noch heute den Musikfreund zu erfreuen und stellte dem Komponisten ein weit besseres Zeugnis aus als das Musikschrifttum der vergangenen Jahrzehnte.

Welchen Fortgang die öffentlichen Konzerte des Hoforchesters in den Jahrzehnten nach Cannabichs Tod nahmen, erfahren wir aus einem Bericht der Allgemeinen Musikalischen Zeitung von I832: „Seit beinahe einem halben Jahrhundert, seit der Ankunft nämlich des in der Geschichte berühmt gewordenen Mannheimer Orchesters unter Kurfürst Karl Theodor, wurden von demselben, später (seit 1811) Musikalische Akademie sich nennend, alle Winter 12 öffentliche Konzerte gegeben, worin auch Liebhaber, Reisende, andere junge Künstler jeder Art, Gelegenheit fanden, bekannt zu werden. Ihre Zahl sank in späterer Zeit herab auf sechs; dann auf drei. Diesen vergangenen Winter haben sie ganz aufgehört, und nicht einmal am Sonntage vor Ostern, da man von jeher gewohnt war, ein großes Oratorium oder (einen) Psalm, den „Messias“, „Die Schöpfung“ oder „Die Jahreszeiten“ zu hören .... Wo sollen wir die Gründe dieses auffallenden Mangels an Öffentlichem Anteil, den hier das Publikum jetzt erscheinen läßt, aufsuchen? „ Ein wesentlicher Grund für die Konzertmüdigkeit lag wohl darin, dass München damals keine Persönlichkeit besaß, wie sie für die leitende Stellung im Musikleben der Stadt nötig gewesen wäre. Als es aber wenige Jahre später gelang, den 1803 in Rain am Lech geborenen Franz Lachner für München zu gewinnen, sollte sich die Situation ändern. Der neue Hofkapellmeister, der in Wien zum engeren Freundeskreis Franz Schuberts gehört hatte und von dort, wie auch von Mannheim, die nötigen Konzert- und Theatererfahrungen mitbrachte, war ein genialer Dirigent und Orchester-Regenerator. Unter ihm erreichte das Münchener Orchester eine in Deutschland führende Stellung. Durch seine anspruchsvolle, auf der Wiener Klassik aufbauende Programmgestaltung, die auch das zeitgenössische Schaffen gebührend berücksichtigte, wie auch durch seinen Opernspielplan, förderte er entscheidend die Geschmacksbildung des Publikums. Höhepunkte seines Wirkens waren die großen Münchener Musikfeste der Jahre 1855 und 1865. Als Komponist ist Franz Lachner vor allem durch seine Oper „Catarina Cornaro“ und durch seine sieben Orchestersuiten bekannt geworden. Daneben bringt sein reiches Lebenswerk noch vieles, was einer Wiedererweckung wert ist. Von besonderem klanglichen und melodischen Reiz ist das 1857 komponierte und im Manuskript erhaltene Nonett für Streicher und Bläser in F-Dur, ein Seitenstück zu dem häufiger gespielten Nonett, des um rund zwanzig Jahre älteren Ludwig Spohr. Formai, wie in seiner Folge der vier Sätze, schließt es sich ganz dem überkommenen klassischen Schema an.



Ein zweites Münchener Nonett aus dem 19. Jahrhundert verdanken wir dem in Liechtenstein geborenen Wahlmünchner Joseph Rheinberger, dem neben Lachner wohl bedeutendsten am Ort wirkenden Komponisten. Bereits mit zwölf Jahren kam dieser zum Studium an das Münchener Konservatorium, wo er sich sehr bald „eine für sein Alter überraschende kontrapunktische Fertigkeit und Sicherheit“ erwarb. „Theoretisch und praktisch durchgebildet“ - so schreibt Franz Lachner dem Fünfzehnjährigen ins Zeugnis - „leistet er auf dem Pianoforte und auf der Orgel jetzt schon Vorzügliches, namentlich aber sind es seine Kompositionen, die zu den schönsten Erwartungen berechtigen.“ Mit zwanzig Jahren wird Rheinberger ais Professor an das Konservatorium berufen. Später wirkt er dann auch für kurze Zeit am Theater und lange Jahrzehnte als Dirigent der Vokalmusik. Seiner Kunst und seines Charakters wegen in der Musikwelt hochgeachtet erfreute er sich der Wertschätzung vieler seiner Komponistenkollegen und auch der Freundschaft eines Johannes Brahms. Von diesem stammt die Bemerkung, er fände Rheinberger so geistesverwandt mit Franz Schubert. Es ist – wie sein Biograph Theodor Kroyer meinte - das vollblütige Musizieren, das Schwelgen in Musik, das Rheinberger mit dem Wiener Meister verbindet. Wie weit Joseph Rheinbergers Auffassung über Wesen und Aufgabe der Musik als Kunst mit der Schuberts übereinstimmte, bestätigen auch seine kurz vor dem Tode niedergeschriebenen Worte: „Musik hat ohne Sangbarkeit und Klangschönheit keine Berechtigung. Ich weiß wohl, daß diese meine Ansicht viele Gegner hat, aber weiß ist weiß, nicht grau und schwarz. Musik darf niemals grübelnd und verdrießlich klingen. Musik ist im Grunde Ausfluß der Freude und selbst im Schmerz kennt sie keinen Pessimismus.“ Das in der Satzfolge mit dem Werk Lachners übereinstimmende Nonett des Fünfundvierzig-jährigen von 1884 ist ein klingender Beweis für diese damals schon konservativ geltende Einstellung. Es ist eine der reizvollsten Instrumentalkompositionen aus seinem reichhaltigen Musikschaffen, in welchem noch manche Entdeckungen zu machen sind.

Dr. Robert Münste
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