Revolution für die Freiheit



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Helvetisches Intermezzo


Kaum in Basel angelangt, erfuhren wir von Freunden, Clara werde von der Polizei gesucht.Obwohl wir keine blasse Ahnung hatten, was die Polizei von uns wollte, hielten wir es für besser, Clara bei einer Freundin unterzubringen, indes ich unsere Wohnung bezog. Um acht Uhr früh klopfte ein Bote der Hermandad bei mir an und erkundigte sich nach meiner Frau. «Sie ist noch in Barcelona», log ich ihn ruhig an. «Ja, dann müssen Sie eben mitkommen, Herr Jud will Sie sprechen.» Wir zogen gemeinsam auf den Lohnhof. Herr Jud, mein alter «Bekannter», der mich schon etliche Male verhaftet und verhört hatte, begrüßte mich mit saurem Lächeln.

«Na, aus Spanien zurück. Und Ihre Frau?»

«Sie ist noch in Spanien.»

«Wann kommt sie zurück?»

«Das weiß ich nicht.» Der Kommissar betrachtete mich forschend. «Kennen Sie einen Herrn Wollenberg?» «Ja, den kenne ich.»

«Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?»

«Gesehen habe ich ihn noch nie.»

«Wieso wollen Sie ihn dann kennen?»

«Wollenberg ist ein bekannter kommunistischer Journalist, sein Name ist ein Programm.»

«Und Ihre Frau kennt ihn?»

«So wie ich — wenn Sie das kennen heißen.»

«Aber Herr Wollenberg war doch vor einiger Zeit hier in Basel.» «Keine Ahnung, Herr Jud.»

«Geben Sie mir eine Probe Ihrer Handschrift.» Ich kritzelte meinen Namen auf einen Fetzen Papier, er verglich ihn schnell mit einem Schriftstück. Ich wußte, daß es ein Grenzschein war. Herr Jud schien enttäuscht, die Regie klappte offenbar nicht ganz. Er zögerte und fragte nochmals: «Wann kommt Ihre Frau zurück?» «Wahrscheinlich nicht so bald, denn ich gehe auch wieder nach Spanien.»

Damit war ich entlassen.

Erich Wollenberg, den wir natürlich gut kannten, war tatsächlich bei uns in Basel gewesen, bevor wir nach Spanien reisten. Er wollte nach Paris und besaß keinen Paß. Clara holte ihm einen Grenzpassierschein, den Wollenberg mit meinem Namen unterzeichnete, und Clara brachte ihn sicher über die Grenze. Bei seiner Rückkehr aus Frankreich wurde er erwischt, in seiner Rocktasche fand sich noch der Passierschein. Im Verhör mußte ihm entschlüpft sein, daß ihn Clara über die Grenze geleitet hatte. Da das Papier nicht von mir unterschrieben war, konnte Herr Jud gegen mich nichts unternehmen. Inzwischen sprach Clara in Genf, Lausanne und Neuenburg in gut besuchten Versammlungen über Spanien. In Genf hatte sie eine scharfe, aber sachliche Kontroverse mit Paul Graber, dem sozialistischen Nationalrat des Kantons. Graber war ein überzeugter Pazifist. Er gestand auf der Tribüne unumwunden, es falle ihm schwer, gegen diese junge und ehrliche Begeisterung anzutreten.

Während Clara in der französischen Schweiz stürmisch gefeiert wurde, sprach ich in Basel auf vom Gewerkschaftskartell und der Sozialdemokratischen Partei organisierten Versammlungen. Aus Spanien hatten wir eine Menge Plakate der revolutionären Graphiker mitgebracht, die anläßlich der Versammlungen ausgestellt wurden. Die Stalinisten versuchten jedesmal zu stänkern, erlitten aber überall eine Abfuhr. In Zürich sprach ich im Kreis der Freunde von Fritz Brupbacher. In der zweiten Reihe saß Jules Humbert-Droz, damals noch einer der leitenden Männer der Schweizer Kommunisten. Als die Diskussion begann, verschwand Humbert-Droz stillschweigend. Am Schluß einer Versammlung in Basel klopfte mir jemand auf die Schulter: Joseph Burckhardt. Mit ihm und seiner Freundin Friedet waren wir 1934 durch den Balkan gewandert, in Belgrad hatten wir uns von ihnen getrennt. Wir kannten das Gerücht, Joseph und Friedel hätten sich in seine Vaterstadt Frankfurt am Main verzogen. «Wo kommst du denn her?» fragte ich ihn. «Aus Deutschland», sagte er, verlegen lachend.

«Aus Deutschland? Bist du Nazi geworden?» «Ja und nein. Ich werde dir das erklären. Friedel und ich hatten von der Globetrotterei die Nase voll. Ich wollte wieder nach Spanien zurück, wo ich vorher drei Jahre weilte. Sie lehnte ab. So blieb uns nichts übrig, als nach Deutschland zu gehen. Meine geschiedene Frau verhalf mir zu einer Anstellung bei einer Nazi-Zeitung. Um als Journalist zu arbeiten, mußte ich natürlich in die Partei eintreten, auch Friedel trat ein. Im Herzen war ich alles andere als ein Nazi, aber ich heulte mit den Wölfen. Alles schien gutzugehen. Leider erwachten bei meiner ersten Frau eifersüchtige Regungen, sie wollte wieder mit mir zusammenleben, ich sollte mich von Friedel trennen. Da ich mich weigerte und sie wußte, daß ich früher Mitglied der Kommunistischen Partei gewesen war, drohte sie, mich zu denunzieren, gab mir aber eine kurze Bedenkzeit. Da brach der spanische Konflikt aus, wir entschieden uns, Deutschland zu verlassen und wieder nach Spanien zu gehen. Gestern bin ich in Basel eingetroffen und hörte von deinem Vortrag. Ich hoffe, du hilfst uns, nach Spanien hineinzukommen. Wir wollen dort ehrlich mitanpacken und gutmachen, was wir gesündigt haben. Friedel wird in einigen Tagen eintreffen.» Schweigend hatte ich der Beichte zugehört.

«Weder für dich, noch für Friedel kann und will ich etwas unternehmen. Für Leute, die zu den Nazis laufen, rühre ich keinen Finger.

Zudem, aus Nazideutschland ins rote Spanien, das könnte euch den Kopf kosten. Jedenfalls rate ich euch ab, nach Spanien zu reisen, du wirst verstehen, unsere Wege gehen radikal auseinander.» Knapp zwei Monate blieben wir in der Schweiz. Unter dem Decknamen Franz Heller schrieb ich eine kleine Broschüre mit dem Titel «Für die Arbeiterrevolution in Spanien». Darin sparte ich nicht mit herber Kritik an der Stalinschen Politik, die eine im Gang befindliche soziale Revolution verhindern wollte und in der zweideutigen Waffenhilfe für Spanien ein Alibi für die Schausprozesse und Massendeportationen suchte. Die Broschüre wurde im Dynamoverlag in Zürich gedruckt, dessen Leiter der Trotzkist Walter Nelz war. Unsere Verhandlungen mit der schweizerischen Arbeiterkinderhilfe betreffs der spanischen Kinder hatten Erfolg: Die Aktion lief an, und tatsächlich fanden im Verlauf des Bürgerkrieges Hunderte von Kindern in der Schweiz eine Heimstätte.‹'

Nun waren wir bereit, nach Spanien zurückzukehren. Diesmal wollten wir aktiv in der Milizarmee mittun. Die Berichterstattung für die INSA hatte nie richtig geklappt. Nur ein Teil meiner Berichte war erschienen; offenbar hatte die Agentur Siegesnachrichten erwartet, womit ich nicht dienen konnte. Geld hatte ich ein einziges Mal erhalten.

Der Pole Moulin, der in Genf Soziologie studierte, wollte uns begleiten. Er gehörte in Genf zur trotzkistischen Gruppe, war vierundzwanzig Jahre alt, groß und hager, mit stark gelichtetem Haar, ein fanatischer Anhänger der 4. Internationale und, wie er nie zu betonen vergaß, ein eiserner Bolschewik. Mit ihm hatte ich schon in der Schweiz harte politische Kämpfe ausgefochten, da wir für seinen Geschmack nicht stubenrein waren. Er brauchte uns aber, um nach Spanien hineinzukommen. Wir gingen über Paris nach Barcelona.


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