8 Bauaufsichtliche Befugnisse


Rechtsschutz im Baurecht 8.1Rechtsschutz des Bauherrn



Yüklə 115,52 Kb.
səhifə2/3
tarix03.11.2017
ölçüsü115,52 Kb.
#29364
1   2   3

8Rechtsschutz im Baurecht

8.1Rechtsschutz des Bauherrn


Der Bauherr hat regelmäßig Anlass, Rechtsschutz zu suchen, wenn

  • ihm die Baugenehmigung verweigert wurde

  • er sich gegen Nebenbestimmungen einer erteilten Baugenehmigung wehrt oder

  • er von anderen behördlichen Maßnahmen getroffen ist
    (z.B. Baueinstellung, Nutzungsuntersagung, Beseitigungsverfügung).


8.1.1Vorverfahren


Trotz Abschaffung der Bezirksregierung und damit prinzipiell auch des Widerspruchsverfahrens in Niedersachsen zum 1.1.2005, ist es im Baurecht bei der Anforderung des § 68 VwGO geblieben, vor Erhebung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage (soweit der Erlass eines VA abgelehnt wurde), Widerspruch zu erheben. Widerspruchsbehörde ist gemäß § 73 I Nr. 2 VwGO diejenige Behörde, die den ursprünglichen VA erlassen hat.

8.1.2Klageart


Der Bauherr wird bei der Verweigerung der Baugenehmigung mit einer Verpflichtungsklage (§ 42 I 2. Alt. VwGO) die Verpflichtung der Baugenehmigungsbehörde zur Erteilung der Baugenehmigung begehren.

Ist die Genehmigungspflicht im Streit, so kann der Bauherr mittels einer Feststellungsklage
(§ 43 VwGO) prüfen lassen, ob die Genehmigungspflicht für das von ihm beabsichtigte Vorhaben besteht oder nicht besteht.

In der Regel ist auch eine isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen zulässig (Pieper, S. 170), die der Baugenehmigung beigefügt sind.



Die Klage ist allerdings nur dann begründet und die Nebenbestimmung aufzuheben, wenn der Kläger einen Anspruch auf Erlass der "Rest-Baugenehmigung" ohne die angegriffene Nebenbestimmung hat. Dies ist dann nicht der Fall, wenn die Baugenehmigung ohne die Nebenbestimmung rechtswidrig wäre.

Beispiel: Die Baugenehmigung für eine Industrieanlage enthält eine unverhältnismäßige Auflage zur Lärmbeschränkung (Einhausung sämtlicher Anlagenteile). Ganz ohne Lärmbeschränkungsmaßnahmen wäre die Baugenehmigung aber rechtswidrig, da erheblich Lärmbelästigungen für den Nachbarn verursacht würden. Für den Bauherrn bestünde in diesem Fall die Möglichkeit, die Aufhebung der vorhandenen Auflage und den Erlass einer neuen Auflage zu beantragen, die Lärmschutzmaßnahmen enthielte, welche die Lärmbelästigungen für den Nachbarn ausräumen und für ihn verhältnismäßig wären (z.B. Einhausung nur bestimmter besonders lärmintensiver Anlagenteile).

Gegen bauaufsichtliche Maßnahmen gemäß § 89 NBauO wird der Bauherr mit der Anfechtungsklage (§ 42 I 1. Alt. VwGO) vorgehen.


8.1.3Klagebefugnis (Subjektiv-öffentliche Rechte des Bauherrn)


Die Klagebefugnis ist gemäß § 42 II VwGO gegeben wenn der Kläger geltend macht, in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies setzt voraus, dass er sich auf eine Norm berufen kann, die neben den Interessen der Allgemeinheit speziell auch seinen individuellen Interesse zu dienen bestimmt ist (subjektiv-öffentliches Recht).

a) Anfechtungsklage

Grundsatz bei der Erhebung einer Anfechtungsklage: Der direkte Adressat einer belastenden behördlichen Maßnahme kann sich immer auf seine Grundrechte berufen. Ist nicht schon ein spezielles Grundrecht betroffen (z.B. Art. 14 GG: Eigentum oder Art. 12 GG: Berufsfreiheit), so stellt eine solche Maßnahme zumindest einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 I GG dar.

Wird der Bauherr von einer Anordnung der Behörde getroffen, die sich auf § 89 NBauO stützt (Baueinstellung, Nutzungsuntersagung, Beseitigungsverfügung u.ä.), oder handelt es sich um eine Nebenbestimmung, die ihm bestimmte Pflichten auferlegt, so handelt es sich um eine belastende Maßnahme und er kann sich als direkter Adressat immer auf seine Grundrechte berufen, in diesen Fällen auf sein Grundrecht aus Art. 14 I GG.

b) Verpflichtungsklage

Grundsatz bei der Erhebung einer Verpflichtungsklage: Eine Rechtsnorm, die dem Betroffenen einen Anspruch auf den Erlass eines begünstigenden VA gibt ("Anspruchsgrundlage"), dient immer auch seinen individuellen Interessen.

Bei der Verweigerung der Baugenehmigung kann sich der Bauherr daher immer auf
§ 75 I NBauO berufen, da er aus dieser Vorschrift einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung hat, wenn alle Vorschriften des öffentlichen Baurechts eingehalten sind.

Der Bauherr ist daher in allen Fällen klagebefugt.

Das Gericht wird auf seine Klage hin in vollem Umfang nachprüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung oder den Erlass einer Nebenbestimmung vorliegen bzw. ob eine auf § 89 NBauO gestützte Maßnahme formell und materiell rechtmäßig ist.

8.1.4Aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage


Die Anfechtungsklage des Bauherrn gegen bauaufsichtliche Maßnahmen nach § 89 NBauO hat aufschiebende Wirkung, d.h. die Behörde kann bis zur endgültigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme nicht vollstrecken, der Bauherr braucht sie solange nicht zu befolgen.

Wird eine solche Verfügung im Rahmen der Bauaufsicht von der Behörde gemäß § 80 II Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt worden, so kann sich der Bauherr im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Antrag beim Verwaltungsgericht auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs wehren (§ 80 V I 2. Alt. VwGO). In Niedersachsen muss zuvor versucht werden, über die Behörde eine Aussetzung der Vollziehung


(§ 80 IV VwGO) zu erreichen.

8.2Rechtsschutz des Nachbarn


Dem Nachbarn wird es im Allgemeinen darum gehen, dass

  • die Behörde eine erteilte Baugenehmigung aufhebt
    (zulässige Klageart: Anfechtungsklage - § 42 I 1. Alt. VwGO) oder

  • die Behörde gegen ein Vorhaben gemäß § 89 NBauO einschreitet
    (zulässige Klageart: Verpflichtungsklage - § 42 I 2. Alt. VwGO).

Zuvor ist die Erhebung eines Widerspruchs erforderlich (vgl. 8.1.1).

8.2.1Klagebefugnis (Subjektiv-öffentliche Rechte des Nachbarn)


Das Problem einer Nachbarklage besteht regelmäßig darin, dass der Nachbar nicht Adressat der Baugenehmigung ist. Da Grundrechte normalerweise nur die Adressaten einer belastenden Maßnahme schützen, nicht aber indirekt von einer Maßnahme Betroffene, kann sich der Nachbar praktisch nie auf seine Grundrechte berufen.

Eine Ausnahme gilt für „schwere und unerträgliche Beeinträchtigungen“ des Nachbarn durch eine Baumaßnahme. Hier hat die Rechtsprechung eine Eigentumsverletzung des Nachbarn (Art. 14 I GG) anerkannt. Angesichts der Möglichkeiten des Nachbarn, seine Klage bereits auf nachbarschützende Normen des einfachen Baurechts zu stützen (vgl. dazu im Folgenden), kommt der Ableitung der Klagebefugnis aus Art. 14 I GG jedoch praktisch keine Bedeutung mehr zu (Pieper,
S. 157; strikt gegen eine unmittelbare Geltung der Grundrechte: Koch/Hendler, § 28 Rn. 43 unter Verweis auf BVerwGE 101, 364, 373).

Der Nachbar ist daher nur klagebefugt, wenn er geltend machen kann, dass die Baugenehmigung oder – wenn er ein Einschreiten der Behörde nach § 89 NBauO erstrebt - das tatsächlich errichtete Vorhaben eine Rechtsnorm des Baurechts verletzt, die neben dem Allgemeininteresse auch seinen individuellen Interessen zu dienen bestimmt ist. Ist diese Voraussetzung erfüllt, handelt es sich um ein subjektiv-öffentliches Recht. Man spricht auch von „nachbarschützenden“ Normen.

Inzwischen ist durch die Rechtsprechung weitestgehend geklärt, welche Vorschriften des öffentlichen Baurechts als nachbarschützend zu qualifizieren sind:


  1. Nachbarschutz im Bauordnungsrecht

U.a. werden folgende Normen des Bauordnungsrechts (NBauO) als Schutznormen für den Nachbarn oder betroffene Dritte angesehen (Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, § 72 Rn. 36ff.):

  • Die bauordnungsrechtliche Generalklausel,
    (§ 1 I NBauO: Bauliche Anlagen dürfen Leben und Gesundheit nicht gefährden oder zu unzumutbaren Belästigungen führen.)

  • Vorschriften über seitliche Abstandsflächen (§§ 7ff. NBauO), da Abstandsflächen u.a. der Belichtung, Belüftung und Besonnung, dem Wohnfrieden und dem Brandschutz dienen,

Wird das sog. "Schmalseitenprivileg" des § 7a NBauO rechtswidrig für mehr als zwei Außenwände eines Gebäudes in Anspruch genommen, so kann sich jeder Nachbar, ggü. dem der Grenzabstand unterschritten wurde, auf die Verletzung dieser Vorschrift berufen. Dasselbe gilt, wenn die volle Abstandsfläche für mehr als zwei Außenwände deswegen unterschritten wurde, weil die Behörde für eine dritte Seite rechtswidrig eine Abweichung vom Abstand gewährt hat (OVG Weimar, Beschluss vom 5.10.1999, NVwZ-RR 2000, S. 350ff.).

  • Vorschriften über die nichtstörende Anordnung von Stellplätzen und Garagen
    (§ 46 NBauO),

  • das Gebot, Gefährdungen, die von Baustellen ausgehen, auszuschließen (§ 17 NBauO),

  • Standsicherheit bei Verwendung gemeinsamer Bauteile (§ 18 NBauO),

  • der Schutz gegen schädliche Einflüsse (§ 19 NBauO), Brandschutz (§ 20, § 30 V, z.T.
    § 32 III NBauO), Schall- und Erschütterungsschutz (§ 21 NBauO)

  • der Schutz vor Gefahren, die von Feuerungsanlagen, Wärme– und Brennstoffversorgungsanlagen ausgehen (§ 40 NBauO).



  1. Nachbarschutz im Bauplanungsrecht

Im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes

Sofern ein Bebauungsplan besteht, wird den Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung Nachbarschutz zuerkannt.

Dies gilt auch, soweit der Anspruch auf Wahrung des Gebietscharakters aus dem Widerspruch gegen die Zweckbestimmung des Baugebiets nach § 15 I Satz 1 BauNVO hergeleitet wird (vgl. BVerwG, Beschluss v. 13.5.2002, NVwZ 2002, S. 1384f. – Seniorenheim im Gewerbegebiet).

Begründet wird dieses mit dem wechselseitigen Austauschverhältnis, das durch die Gebietsfestsetzungen und den daraus resultierenden baulichen Beschränkungen für die Grundstückseigentümer entsteht, die in dem Baugebiet ihre Grundstücke haben. Der Nachteil, den eigenen Grundbesitz nur in bestimmter Weise nutzen zu dürfen (z.B. im besonderen Wohngebiet keinen das Wohnen störenden Gewerbebetrieb zu errichten), wird durch den Vorteil, im Gebrauch des eigenen Grundstücks nicht durch Dritte gestört zu werden (z.B. eben nicht den Immissionen eines solchen Gewerbebetriebes ausgesetzt zu sein), wieder ausgeglichen. Dieses Austauschverhältnis ist gestört, wenn die Baugenehmigung für ein Vorhaben erteilt wird, das mit seiner Art der Nutzung in dem betreffenden Baugebiet unzulässig wäre.

Anderen Festsetzungen des Bebauungsplanes (z.B. Baugrenzen, Baulinien, Geschosszahlen u.ä. - vgl. dazu VGH Mannheim, Beschluss vom 1.10.1999, NVwZ-RR 2000, S. 348ff.; OVG Saarland, Beschluss vom 11.5.2005, Baurecht 2005, S. 1519f.). kommt normalerweise keine nachbarschützende Wirkung zu, es sei denn, dass die Gemeinde im Einzelfall erkennbar (z.B. aus der Begründung zum Bebauungsplan ersichtlich) solche Rechte einräumen wollte.

z.B. Der B-Plan sieht nur eine 2-geschossige Bauweise an einem Hanggrundstück vor. Aus der Begründung zum B-Plan ergibt sich, dass dadurch die Aussicht der Grundstückseigentümer geschützt werden soll.



Nachbarschutz aus dem Gebot der Rücksichtnahme

Im Übrigen wird in verschiedenen Bestimmungen des Bauplanungsrechts eine Verankerung des Gebots der Rücksichtnahme gesehen. Das Gebot der Rücksichtnahme wird hergeleitet aus:



  • § 30 BauGB iVm § 15 I BauNVO („Belästigungen“, „Störungen“)

  • § 31 I BauGB iVm § 15 I BauNVO

  • § 31 II BauGB („nachbarliche Interessen“)

  • § 34 I BauGB („Einfügen“) und § 34 IIIa BauGB („nachbarliche Interessen“)

  • § 35 III BauGB
    („schädliche Umwelteinwirkungen“, „öffentliche Belange“)

Es handelt sich bei diesen Vorschriften jedenfalls um objektives Recht, d.h. die Behörde hat das Gebot der Rücksichtnahme bei der Entscheidung über die Baugenehmigung bzw. beim Vorgehen gegen eine bauliche Anlage auf jeden Fall zu achten. Will sich der Nachbar auf diese Normen des objektiven Rechts berufen, muss er jedoch nachweisen, dass die betreffende Rechtsvorschrift für ihn ein subjektives Recht darstellt, also nicht nur Belange der Allgemeinheit schützen soll, sondern darüber hinaus auch seinen individuellen Interessen zu dienen bestimmt ist. Dem objektiv-rechtliches Gebot kommt nach der Rechtsprechung nachbarschützende Wirkung nur dann zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Ohne Rücksicht auf die besondere rechtliche Schutzwürdigkeit ist ein Nachbarschutz auch dann zu bejahen, wenn die tatsächlichen Umstände handgreiflich ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen ist (so dass dies die notwendige Qualifizierung, Individualisierung und Eingrenzung bewirkt - BVerwG, Urteil vom 15.2.1977, BVerwGE 52, 122, 131).

Beispiel: Wird eine Baugenehmigung erteilt, durch die dem in einem Dorfgebiet gelegenen Schweinemastbetrieb gestattet wird, sich auf die doppelte Größe auszudehnen und bedeutet dies, dass das daneben liegende genehmigte Wohnhaus von erheblichen Geruchsbelästigungen getroffen wird, so ist das in § 15 BauNVO verankerte objektive Gebot der Rücksichtnahme verletzt. Der Nachbar kann sich in diesem Fall auch auf dieses Gebot der Rücksichtnahme berufen (es gewährt ihm also subjektive Rechte), weil aufgrund der Umstände handgreiflich ist, dass auf seine Interessen Rücksicht genommen werden muss. Er wird als direkter Nachbar schwerwiegend in seinen Wohninteressen beeinträchtigt.



  1. Nachbarschutz aus sonstigen Vorschriften des öffentlichen Baurechts

Auch andere Vorschriften des öffentlichen Baurechts können dem Nachbarn subjektiv-öffentliche Rechte verleihen. Nur als Beispiel sei auf § 22 I Nr. 1 und 2 BImSchG verwiesen, der die Pflichten der Betreiber von Anlagen niederlegt, die nach dem BImSchG nicht genehmigungsbedürftig sind. Nach dieser Vorschrift sind schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden. Schädliche Umwelteinwirkungen sind nach § 3 I BImSchG „Immissionen, die ... geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen“. Damit ist der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen in § 22 I Nr. 1 und 2 BImSchG eindeutig nachbarschützend.

Dagegen sollen die Bestimmungen des Naturschutzrechts in der Regel nur die Interessen der Allgemeinheit schützen. Ihre Einhaltung wird auf der Grundlage einer Nachbarklage folglich nicht überprüft (daraus wird ersichtlich, warum im Bereich des Umweltschutzes die Ausweitung der Verbandsklage gefordert wird, mit der z.B. Umweltschutzverbände die Einhaltung von Allgemeinwohlbelangen zur Nachprüfung stellen können).



d) Einhaltung von Vorschriften über das Verfahren (-)

Auch Verfahrensvorschriften können nachbarschützenden Charakter haben. So wird von § 72 NBauO gefordert, dass der Nachbar gehört werden soll, wenn die Behörde von nachbarschützenden Vorschriften Ausnahmen erteilen will. Werden in sonstiger Weise Belange des Nachbarn berührt, kann die Bauaufsichtsbehörde den Nachbarn um Stellungnahme bitten.

In dieser Vorschrift wird durchaus ein subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn auf Verfahrensteilhabe gesehen. Allerdings ist der Zweck der Vorschrift darauf begrenzt, durch eine Beteiligung des Nachbarn sicherzustellen, dass nicht gegen Vorschriften des öffentlichen Baurechts verstoßen wird, die seinem Interesse dienen. Beruft der Nachbar sich darauf, dass gegen sein Recht auf Beteiligung am Baugenehmigungsverfahren aus § 72 NBauO verstoßen wurde, wird er daher nur dann klagebefugt sein, wenn er gleichzeitig geltend macht, dass dieser Verstoß zur Folge hatte, dass die Baugenehmigung im Widerspruch zu Vorschriften des öffentlichen Baurechts erteilt wurde. Macht er einen solchen Verstoß gegen das materielle Baurecht nicht geltend, wird er allein aus der Verletzung des Verfahrens (§ 72 NBauO) keine Klagebefugnis herleiten können (OVG Schleswig, Urteil vom 17.4.1998, NuR 1999, S. 533ff., S. 535).

Wer ist Nachbar?

Damit sich jemand auf die oben aufgeführten nachbarschützenden Rechtsnormen berufen kann, muss er selbstverständlich zu dem dort geschützten Personenkreis gehören, d.h. er muss „Nachbar“ sein. Wer zu dem Kreis der Nachbarn gehört, ist je nach dem Schutzbereich der anzuwendenden Norm zu klären. Geht es um die Festsetzungen des B-Planes zur Art der baulichen Nutzung, so sind alle Grundstückseigentümer in dem jeweiligen Baugebiet geschützt. In diesem Rahmen besteht das Austauschverhältnis. Handelt es sich um seitliche Grenzabstände, so sind selbstverständlich lediglich die seitlichen Nachbarn geschützt und zwar nur diejenigen, ggü. denen der Grenzabstand nicht eingehalten wurde. Das Gebot der Rücksichtnahme schützt schließlich nur diejenigen, ggü. denen die tatsächlichen Umstände handgreiflich ergeben, dass auf ihre Interessen Rücksicht zu nehmen ist.



Das Abwehrrecht bei der baurechtlichen Nachbarklage ist grundstücks- und nicht personenbezogen. Nachbar ist daher nur der Eigentümer oder sonst dinglich Berechtigte. Anderen Grundstücksnutzern (z.B. Mieter, Pächter, Arbeitnehmer) können aber nach dem Immissionsschutzrecht Abwehrrechte zustehen (Koch/Hendler, § 28 Rn. 36; Pieper, S. 148).

Kein Verzicht auf die Klage

Die Klagebefugnis besteht nicht, wenn der Nachbar seine schriftliche Einwilligung zu dem Vorhaben gegeben hat. In der Regel wird die Unterschrift unter die Lagepläne und Bauzeichnungen des bauwilligen Eigentümers als eine solche Zustimmung gewertet. Der Nachbar hat in diesem Fall auf sein Widerspruchs- und Klagerecht verzichtet und ist daher nicht mehr schutzwürdig (Ortloff, NVwZ 2004, S. 939; Schröer/Dziallas, NVwZ 2004, S. 137).



Dies bedeutet jedoch keinesfalls eine Bindung für die Bauaufsichtsbehörde, bei einer Zustimmung des Nachbarn ihrerseits auf die Einhaltung der betroffenen nachbarschützenden Vorschriften zu verzichten. Die Zustimmung des Nachbarn kann nur Wirkungen hinsichtlich solcher Rechte entfalten, die ausschließlich seinem Schutz dienen, nicht aber auch, wenn andere private oder öffentliche Interessen berührt sind (Schröer/Dziallas, NVwZ 2004, S. 137).

So dienen die Abstandsvorschriften der NBauO nicht nur der zureichenden Belichtung und Belüftung, sondern auch dem öffentlichen Interesse an der Brandbekämpfung (Schlemminger/Fuder, NVwZ 2004, S. 133). Ferner hat das BVerwG entschieden, dass ein bauwilliger Nachbar den Verstoß seines Vorhabens gegen das Rücksichtnahmegebot nicht dadurch abwenden kann, dass er auf seine Abwehrrechte gegenüber Lärmimmissionen, die von einem nahe liegenden Sportplatz ausgehen, verzichtet (zitiert nach: Schröer/Dziallas, NVwZ 2004, S. 137).

Allerdings kann sich das Vorliegen von Erklärungen und Vereinbarungen mit dem Nachbarn auf die Auslegung etwa dessen, was nach § 5 BImSchG zumutbar ist, oder auf die Ausübung des Ermessens im Hinblick auf den Erlass nachträglicher Anordnungen nach § 17 BImSchG auswirken. Die Schwelle einer akuten Gesundheitsgefährdung darf jedoch in keinem Fall erreicht werden (Schlemminger/Fuder, NVwZ 2004, S.130, 132, 133).

Prüfungsumfang

Anders als bei Rechtsbehelfen des Bauherrn wird das behördliche Handeln bei Rechtsbehelfen des Nachbarn nicht vollständig auf seine Rechtmäßigkeit hin untersucht. Es wird vielmehr nur die Einhaltung derjenigen Vorschriften überprüft, die nachbarschützenden Charakter haben. Dies ergibt sich auch § 113 VwGO, wonach ein VA nur aufgehoben oder die Verpflichtung zu seinem Erlass ausgesprochen wird, wenn der Kläger in seinen Rechten verletzt ist.


8.2.2Speziell: Rechtsschutzmöglichkeiten des Nachbarn
bei genehmigungspflichtigen Vorhaben


a) Hauptsacheverfahren

Ist eine Baugenehmigung nach Ansicht des Nachbarn widerrechtlich erteilt, so kann der Nachbar mit Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vorgehen. Bei einem Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften wird die Baugenehmigung aufgehoben mit der Wirkung, dass der Bauherr sein Vorhaben nicht verwirklichen kann.



b) Vorläufiger Rechtsschutz (§§ 80, 80a VwGO)

Ein Problem besteht allerdings für die Zeit, in der über den Widerspruch bzw. die Klage des Nachbarn noch nicht entschieden ist. Anders als im Normalfall, haben Widerspruch und Anfechtungsklage des Nachbarn im Baurecht keine aufschiebende Wirkung (§ 80 II Nr. 3 VwGO iVm § 212 a BauGB), d.h. der Bauherr kann sein Vorhaben auf der Grundlage der Baugenehmigung zunächst weiter realisieren. Erst mit der Entscheidung über den Widerspruch bzw. die Klage entfällt die Baugenehmigung. Dann kann das Vorhaben allerdings schon durchgeführt sein. Der Nachbar muss von den in §§ 80 IV, V VwGO vorgesehenen Rechtsbehelfen Gebrauch machen. Sie sind nach § 80a VwGO auch für Drittklagen anzuwenden:

Um den Beginn oder die Fortsetzung der Bauarbeiten zu unterbinden, kann der Nachbar einen Antrag bei der Behörde stellen, die Vollziehung der Baugenehmigung auszusetzen und einstweilige Maßnahmen zur Sicherung seiner Rechte zu treffen (§ 80 a I Nr. 2, § 80 IV VwGO).

Er kann zudem beim Gericht die Aussetzung der Vollziehung beantragen (§ 80 a III, 80 a I Nr. 2, 80 V VwGO). Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung kann auch schon vor Erhebung der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung gestellt werden (§ 80 a III, 80 a I Nr. 2, 80 V Satz 2 VwGO).



Ob gerichtliche Eilanträge nach § 80 III a VwGO nur dann möglich sind, wenn sich der Nachbar zuvor vergeblich bei der Behörde um Suspension bemüht hat, ist nach wie vor umstritten (Seidel, NVwZ 2004, S. 140). Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur wird ein solcher Antrag beim Gericht nicht bereits wegen Unzulässigkeit abgewiesen werden (Öffentliches Baurecht 2004, S. 11). Das OVG Lüneburg beharrt jedoch für die Zulässigkeit des Antrags nach
§ 80 V VwGO darauf, dass zuvor die Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde beantragt wurde (Beschluss vom 8.7.2004, BauR 2004, S. 1596; vgl. dazu auch: Öffentliches Baurecht 2004, S. 11).

Die Aussetzung der Vollziehung steht im Ermessen der Behörde bzw. des Gerichts. Sie erfolgt jedoch stets, wenn die Interessen des Nachbarn an der Aussetzung diejenigen des Bauherrn an der Aufrechterhaltung der Vollziehung überwiegen. Die Gerichte gehen davon aus, dass das Interesse des Nachbarn Vorrang hat, wenn die Klage des Nachbarn im Hauptsacheverfahren Aussicht auf Erfolg hat. Dies wird im Rahmen einer summarischen Prüfung geklärt.



Sind die Erfolgsaussichten offen, wird zum Teil vertreten, dass § 212a I BauGB den Interessen des Bauherrn ein größeres Gewicht einräumt (so: Huber, NVwZ 2004, S. 919; zum Meinungsstand der Gerichte: Ortloff, NVwZ 2004, S. 940; für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung: Sacksofsky, DÖV 1999, S. 953f.; Bamberger, NVwZ 2000, S. 986). Das OVG Saarland fordert für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, dass zumindest gewichtige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung vorliegen müssen (Beschluss vom 11.5.2005, Baurecht, S. 1519f., 1520). Das Nds.OVG will die Aussetzung der Vollziehung nur gewähren, wenn der Rechtsbehelf des Nachbarn offensichtlich begründet ist“ oder – bei offener Entscheidungslage – die Abwägung der konkurrierenden Interessen ergibt, dass seinem Interesse am einstweiligen Baustopp gegenüber den Interessen des Bauherrn an der Ausnutzung der erteilten Baugenehmigung Vorrang gebührt“ (Beschluss v. 15.3.2004, BauR 2005, S. 833).

In der Regel wird die Aussetzung der Vollziehung dafür sorgen, dass der Bauherr mit der Realisierung seines Vorhabens gar nicht erst anfängt oder es nicht weiter führt.



Baut er aber trotz Aussetzung der Vollziehung weiter, so können die Behörde bzw. das Gericht einstweilige Sicherungsmaßnahmen anordnen (z.B. einen Baustopp verfügen - § 80 a III, 80 a I Nr. 2 VwGO). Wird das Gericht angerufen und liegt die Situation vor, dass der Bauherr trotz aufschiebender Wirkung des vom Nachbarn eingelegten Rechtsbehelfs weiterbaut, muss das Gericht die Behörde zu solchen Sicherungsmaßnahmen verpflichten. Es besteht kein gerichtlicher Ermessensspielraum (Kopp/Schenke, VwGO, § 80 a Rn 17a, strittig). In dem Ausnahmefall, dass doch auf der Grundlage der rechtswidrigen Baugenehmigung bereits gebaut wurde, wird angenommen, dass die Behörde – jedenfalls soweit die Bausubstanz weiterhin und nicht nur unwesentlich gegen Nachbarrecht verstößt – verpflichtet ist, eine Beseitigung zu verlangen. Aus der Verantwortung der Behörde für die rechtswidrig ergangene Baugenehmigung ergäbe sich in der Regel eine Reduzierung des Ermessens („Folgenbeseitigungslast“) (Seidel, NVwZ 2004, S. 140; Pieper, S. 192).

Insgesamt ist festzuhalten, dass der Nachbar bei einer rechtswidrig erteilten Baugenehmigung relativ gute Chancen hat, zu bewirken, dass nicht nur die Baugenehmigung aufgehoben wird, sondern das Vorhaben auch nicht realisiert werden kann. Nachdem er in der Regel – sofern seine Belange betroffen sind – bereits im Baugenehmigungsverfahren zur Stellungnahme aufgefordert (§ 72 II NBauO) und ihm die Baugenehmigung zugestellt wird (§ 75 V NBauO), kann er auch frühzeitig reagieren, um zu verhindern, dass der Bauherr bereits mit der Realisierung des Bauvorhabens beginnt.


8.2.3Speziell: Rechtsschutzmöglichkeiten des Nachbarn
bei genehmigungsfreien Vorhaben


a) Hauptsacheverfahren

Bei einem genehmigungsfreien Bauvorhaben ist der Nachbar bereits dadurch im Nachteil, dass er wahrscheinlich erst von dem Vorhaben erfährt, wenn mit seiner Ausführung bereits begonnen wird und es für ihn schwieriger ist, Informationen über das Vorhaben zu erhalten. Es sind daher in der Regel bereits Fakten geschaffen.

Gegen ein genehmigungsfrei – aber im Widerspruch zum öffentlichen Baurecht errichtetes Vorhaben – kann der Nachbar bei der Behörde beantragen, dass die Behörde gemäß § 89 NBauO den Bau einstellt bzw. - sofern das Vorhaben bereits (teilweise) realisiert wurde - seine Beseitigung anordnet. Dieser Antrag ist im Prinzip an keine Frist gebunden, so dass der Bauherr noch lange nach Beginn seines Bauvorhabens mit nachbarlich initiierten behördlichen Eingriffen rechnen muss.

Allerdings wird eine Verwirkung des nachbarlichen Abwehrrechts dann angenommen, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines solchen Anspruchs bereits eine längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen, weil der Bauherr aufgrund des Verhaltens des Nachbarn darauf vertrauen konnte, dass dieser von seinem Abwehrrecht nicht mehr Gebrauch macht (Martini, DVBl. 2001, S. 1494; OVG NRW, Beschluss vom 10.6.2005, Baurecht 2005, S. 1817). In der Regel wird diese Verwirkung erst nach Errichtung des Vorhabens einsetzen (ebd.). Grundsätzlich wird in Anlehnung an § 58 II VwGO von einer Frist von 1 Jahr auszugehen sein, unter speziellen Voraussetzungen kann die Verwirkung aber auch schon früher eintreten (OVG Lüneburg, Urteil vom 26.3.1987: 3 Monate, weil der Nachbar den Bauherrn ausdrücklich zur Errichtung ermuntert hatte). Der Nachbar ist sogar bei Schwarzbauten gehalten, den wirtschaftlichen Schaden des Bauherrn möglichst gering zu halten (Troidl, NVwZ 2004, S. 316; Pieper, S. 194.)

Lehnt die Behörde ein Einschreiten ab, kann der Nachbar dieses mit Widerspruch und Verpflichtungsklage versuchen zu erstreiten. Eine Voraussetzung für den Erfolg seiner Klage ist zunächst - wie bei der Anfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung, dass die Baumaßnahme nicht nur gegen objektives Rechts verstößt, sondern dass das Vorhaben gerade auch nachbarschützende Vorschriften verletzt.

Der Nachbar hat jedoch – anders als bei der Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung - nicht bereits dann Erfolg, wenn das Vorhaben dem Baurecht widerspricht, da § 89 NBauO der Behörde ein Ermessen einräumt. Ein Anspruch des Nachbar auf behördliches Einschreiten wäre folglich nur dann anzunehmen, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist (Sacksofsky, DÖV 1999, S. 950). Dies ist normalerweise nur dann der Fall, wenn aus der Verletzung nachbarschützender Vorschriften „erhebliche und schwerwiegende Gefahren für wichtige Rechtsgüter des Nachbarn“ drohen (Seidel, S. 239) oder – allgemeiner formuliert – wenn der baurechtswidrige Zustand die Rechte des Nachbarn verletzt und der Nachbar dadurch unzumutbar beeinträchtigt würde (Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, § 89 Rn. 61; ebenso: Bamberger NVwZ 2000, S. 986).

Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn der seitliche Abstand um wenige Zentimeter unterschritten ist. Von einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Nachbarn kann aber durchaus gesprochen werden, wenn der Abstand um 0,5 m unterschritten wurde und die Sicht und Besonnung des Nachbargrundstücks dadurch erheblich eingeschränkt wird.

Mit dem Verweis auf eine "unzumutbare Beeinträchtigung" wird die Schwelle zum Anspruch des Nachbarn auf Einschreiten recht hoch angesetzt und ist daher schwierig zu überwinden. Der Schutz des Nachbarn gegen rechtswidrige Zustände wäre also wesentlich geringer als im Falle einer rechtswidrig erteilten Baugenehmigung, wo jeder Verstoß gegen das Baurecht bereits zur Aufhebung und zur Aussetzung der Vollziehung führt. Um den Nachbarn nicht gegenüber der Situation, die bei einer Genehmigungspflicht des Vorhabens bestünde, zu benachteiligen, wird von verschiedenen Autoren im Grundsatz ein Anspruch auf Einschreiten bejaht, wenn das freigestellte Vorhaben nachbarliche Belange mehr als geringfügig berührt (Koch/Hendler, § 28 Rn. 49; Momper, S. 1406; Martini, DVBl. 2001, S. 1494; Seidel, NVwZ 2004, S. 142). Auch die neueren Entscheidungen der Gerichte lassen in Fällen, in denen es um Vorhaben geht, für die nach den Bauordnungen Verfahrensvereinfachungen gelten, die Tendenz zu einer nachbarschutzfreundlichen erkennen, d.h. bei einer mehr als nur geringfügiger Berührung nachbarlicher Belange ein Anspruch auf Einschreiten zu gewähren (Koch/Hendler, § 28 Rn. 49; Martini, DVBl. 2001, S. 1492; Pieper, S. 192f.; Seidel, NVwZ 2004, S. 142).

Zum Teil wird sogar für einen strikten Anspruch auf behördliches Einschreiten gegen das Vorhaben plädiert (so auch das OVG Münster für jede beliebige Unterschreitung des seitlichen Grenzabstands, Urteil vom 13.10.1999, NVwZ-RR 2000, S. 205f.). Das OVG Bremen verweist in seiner gerade zitierten Entscheidung darauf, dass das BVerwG bei einer Verletzung von bauplanungsrechtlichen Vorschriften einen strikten Anspruch des Nachbarn auf behördliches Einschreiten für den Regelfall in Erwägung gezogen hat (ebd., S. 489 mit Hinweis auf BVerwG, NVwZ-RR 1997,
S. 271). Sowohl das OVG Berlin als auch der VGH Bad-.Württ. wollen dem Nachbarn beim Verstoß gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot in der Regel einen Anspruch auf Einschreiten geben (OVG Berlin, Beschluss v. 22.1.2003, UPR 2003, S. 154ff.; VGH Bad.-Württ. Urteil vom 20.5.2003, BauR 2003, S. 1716ff.). Dagegen hält das OVG Lüneburg daran fest, dass es keinen automatischen Anspruch auf Einschreiten gäbe, sondern die Auswirkungen des Vorhabens auf die nachbarlichen Interessen den Ausschlag geben müssten. Verlangt werden „erhebliche nachteilige Auswirkungen“ (OVG Lüneburg, Beschluss vom 6.3.2003, NVWZ-RR 2003, S. 484f.).


b) Vorläufiger Rechtsschutz (§ 123 VwGO) (-)

Während der Durchführung des Widerspruchs- bzw. des Gerichtsverfahrens kann der Bauherr weiterbauen, da die aufschiebende Wirkung bei einer Verpflichtungsklage nicht besteht.

Um die Schaffung von Fakten durch die Erstellung des Baus zu verhindern, kann der Nachbar den Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 VwGO) beim Gericht beantragen und damit den Weiterbau untersagen lassen. Diesem Antrag wird jedoch nur dann stattgegeben, wenn der Nachbar


  1. einen Anordnungsanpruch hat, d.h. er muss glaubhaft machen, dass seine Verpflichtungsklage im Hauptsacheverfahren hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, und

  2. ein Anordnungsgrund vorliegt: Es muss ein Bedürfnis für die einstweilige Anordnung bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn dem Nachbarn nicht zugemutet werden kann, bis zur rechtskräftigen Entscheidung zu warten, weil dadurch die Durchsetzung seiner Rechte vereitelt oder erschwert würde.

Ein Anordnungsgrund dürfte regelmäßig dann vorliegen, wenn der Bauherr mit der Verwirklichung des Vorhabens begonnen hat. Es besteht dann die Gefahr, dass durch die Errichtung des rechtswidrigen Baus Fakten geschaffen werden. Mit Rücksicht auf das Verhältnismäßigkeitsprinzips ist das Beseitigungsverlangen mit zunehmenden Baufortschritt schwieriger durchzusetzen (Martini, DVBl. 2001, S. 1496; Bamberger, NVwZ 2000, S. 985).

Die eigentliche Schwierigkeit für den Nachbarn besteht jedoch im Hinblick auf die Glaubhaftmachung seines Anordnungsanspruchs. Ebenso wie im Hauptsacheverfahren muss er darlegen, dass eine Pflicht der Behörde zum Einschreiten besteht, das Ermessen der Behörde also auf Null reduziert ist. Um den Nachbarn nicht zu sehr gegenüber seiner Rechtsschutzsituation bei genehmigten Bauten zu benachteiligen, wird vorgeschlagen, eine einstweilige Anordnung bereits dann zu gewähren, wenn der Nachbar "gewichtige und ernst zu nehmende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit" der Baumaßnahme vorbringt und diese in einer Weise glaubhaft macht, dass der Ausgang des Hauptsacheverfahrens "zumindest als offen" angesehen werden muss und das Vorhaben nachbarrechtliche Belange "mehr als nur geringfügig" berührt (Martini DVBl. 2001, S. 1496; Bamberger NVwZ 2000, S. 987, jeweils mit weiteren Nachweisen).



Fazit: Schwierigere Position des Nachbarn bei genehmigungsfreien Vorhaben

Während bei Vorliegen einer Baugenehmigung die bloße Rechtswidrigkeit der Genehmigung für ein Einschreiten und einen Baustopp in der Regel als Schutz gegen die Verwirklichung eines rechtswidrigen Vorhabens ausreicht, muss der Nachbar folglich im Falle der Genehmigungsfreiheit zusätzlich die Schranke überwinden, die das behördliche Ermessen seinem Anliegen auf Einschreiten setzt. Er muss sich ferner, weil er in der Regel später vom Vorhaben erfährt, mit geschaffenen Fakten auseinandersetzen, während er im Falle der Baugenehmigungspflicht frühzeitig genug reagieren kann, um die Ausführung des Vorhabens zu unterbinden.



Abgrenzung zu ähnlichen Sachlagen

Dieselbe Situation wie bei einem ohne Genehmigung errichteten Vorhaben besteht, wenn für ein Vorhaben zwar eine Genehmigung erteilt wurde, die Baugenehmigung aber nicht beachtet wird. In diesem Fall ist die bauliche Anlage von der Genehmigung nicht gedeckt und der Nachbar wird versuchen, ein Einschreiten der Behörde mit der Verpflichtungsklage zu erstreiten und muss, wenn er seine Rechtsposition vorläufig sichern will, über eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO vorgehen (OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 31.1.2005, Baurecht 2005, S. 1214 – Leitsatz).



Wiederholung: Anders liegt der Fall, wenn ein Vorhaben zwar gegen eine Vorschrift des Baurechts verstößt, aber auf der Grundlage einer Baugenehmigung errichtet wurde. Die Baugenehmigung ist dann zwar rechtswidrig - sie durfte nicht erteilt werden. So lange sie gültig, also nicht aufgehoben ist, ist jedoch davon auszugehen, dass das Vorhaben baurechtmäßig errichtet wurde und der Behörde ein Einschreiten nach § 89 NBauO verwehrt. In diesem Fall muss der Nachbar zunächst gegen die Baugenehmigung vorgehen (vgl. 8.2.2).

Yüklə 115,52 Kb.

Dostları ilə paylaş:
1   2   3




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©muhaz.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

gir | qeydiyyatdan keç
    Ana səhifə


yükləyin