Ab 1.1.96 wird die Finanzierung des Schwangerschaftsabbruches für alle (deutsche und ausländische) Frauen mit geringem Einkommen (= unter 1.716.- DM mtl. verfügbare persönliche Einkünfte der Frau zzgl. 404.- DM für jedes von der Frau unterhaltene Kind, Ost: 1520.-/375.-) im "Gesetz zur Hilfe für Frauen bei Schwangerschaftsabbrüchen in besonderen Fällen" (BGBl v. 25.8.95) vollständig neu geregelt. Das Gesetz ist mit Erläuterungen zum neuen Verfahren abgedruckt in der Broschüre "§218 - Was ist neu?", kostenlos beim Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Postfach, 53105 Bonn.
Zuständig ist ab 1.1.96 nicht mehr das Sozialamt, sondern die Krankenkasse, die die Leistung aus Mitteln des Landes erstattet bekommt. "Besteht keine Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse, kann die Frau eine ... gesetzliche Krankenversicherung am Ort ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes wählen", die dann die Leistung erbringen muß (§ 3 Abs. 1).
Bei der Kasse müssen die Beratungsbescheinigung einer anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle sowie eine aktuelle Sozialhilfebescheinigung bzw. ein aktueller Sozialhilfebescheid vorgelegt werden. Die Kasse muß dann eine Kostenübernahmebescheinigung ausstellen. Die Frau hat für den Abbruch freie Arztwahl, freie Wahl zwischen ambulanten und stationären Abbruch und freie Wahl an welchem Ort sie den Abbruch durchführen lässt.
Da das Sozialamt nicht mehr zuständig ist, muß dort der Wunsch die Schwangerschaft abzubrechen nicht mitgeteilt werden, es kann auch ein anderer Grund angegeben werden, weshalb die Sozialhilfebescheinigung benötigt wird (z.B. für Gericht oder Anwalt). Bei Verweigerung der Leistung kann beim Sozialgericht eine einstweilige Anordnung gegen die Krankenkasse beantragt werden.
Voraussetzung für die Leistung ist ein "Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt" der Frau in Deutschland. Das Gesetz nennt aber als Leistungsberechtigte u.a. ausdrücklich die Empfängerinnen von Leistungen nach AsylbLG. Zweck der Wohnsitzregelung kann daher nur sein, auszuschließen, daß Frauen die Leistung in Anspruch nehmen, die lediglich zum Zweck des Abbruches nach Deutschland einreisen. Diese Motivation kann überhaupt nur dann in Betracht kommen, wenn die Schwangerschaft wie auch der Entschluß sie abzubrechen bereits vor der Einreise entstanden sind, auch in solchen Fällen dürften aber in der Regel andere Einreisemotive überwiegen (z.B. Asylantrag), was ggf. darzulegen wäre. Zu berücksichtigen ist zudem die Rechtsprechung des BVerfG (s.u.).
Rechtsprechung: Aus dem Urteil des BVerfG v. 28.5.95 zum Schwangerschaftsabbruch folgt die Vorgabe für den Gesetzgeber, zu verhindern, "daß Frauen den Weg in die Illegalität suchen und damit nicht nur sich selbst gesundheitlichen Schaden zufügen, sondern auch dem Ungeborenen die Chance einer Rettung durch ärztliche Behandlung nehmen." Nach Auffassung des BVerfG darf deshalb keine Frau aus finanziellen Gründen gehindert sein, ärztliche Hilfe für die Durchführung eines straffreien Schwangerschaftsabbruches in Anspruch zu nehmen. Aus dieser Rechtsprechung folgt ein Anspruch auf Kostenübernahme grundsätzlich unabhängig vom ausländerrechtlichen Status.
6.8 Leistungen nach Kinder- und Jugendhilfegesetz
Anspruch auf Leistungen nach KJHG: Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von Bündnis 90/Grüne zur Frage des Anspruchs auf Kindergartenplätze für Asylbewerber, BT-Drs 13/5876 v. 22.10.96, IBIS e.V.: C1448: Nach § 6.2 SGB VIII können Ausländer Leistungen nur beanspruchen, wenn sie rechtmäßig oder aufgrund einer Duldung ihren gewöhnlichen Aufenthalt (g.A.) im Inland haben. Andererseits wird nicht vorausgesetzt, daß Ausländer im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder -berechtigung sein müssen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluß, daß ein g.A. nicht bereits deshalb ausgeschlossen wird, weil im Einzelfall nur eine Aufenthaltsgestattung erteilt wird. Das bedeutet, daß im Einzelfall auch Asylbewerber ihren g.A. im Inland haben können und ihren Kindern der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz zustehen kann.
Nach der Definition des g.A. in § 30 SGB I müssen Umstände erkennbar sein, daß der Aufenthalt nicht nur vorübergehend ist. Dies wird immer dann der Fall sein, wenn der Asylbewerber im Anschluß an sein Verfahren eine Duldung erhält. Dies wird ebenfalls dann anzunehmen sein, wenn Asylbewerber in das landeseigene Verteilungsverfahren kommen und infolgedessen die Aufnahmeeinrichtung verlassen und einer Gemeinde für die Dauer des Asylverfahrens zugewiesen werden. In beiden Fällen ist ein g.A anzunehmen mit der Folge, daß ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatze besteht.
Kostenträger ist der örtlich zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe.
Leistungsumfang für alleinstehende minderjährige Flüchtlinge: Die Leistungen nach KJHG sind vorrangig zu den Leistungen nach BSHG und nach AsylbLG (§ 10.2 SGB VIII; § 9.2 AsylbLG). Der Anspruch ausländischer Flüchtlinge auf KJHG-Leistungen ergibt sich neben § 6.2 SGB VIII (dazu s.o.) auch aus Artikel 1 und 9 des Haager Minderjährigenschutzabkommens.
Das KJHG beinhaltet zunächst pädagogische Leistungen (Beratung, Betreuung, Erziehung, Heimunterbringung etc.) für Jugendliche (bis 17 Jahre) und für junge Volljährige (18 bis 21 Jahre, evtl. auch länger). Wenn Jugendliche nach KJHG außerhalb der Familie betreut und untergebracht sind , sind aber auch der Lebensunterhalt und die Krankenhilfe nach dem KJHG zu erbringen (§§ 39, 40 SGB VIII). Dasselbe gilt auch im Falle einer nur vorläufigen "Inobhutnahme" (§ 42 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Während der Umfang der Leistungen zum Lebenunterhalt im KJHG nicht näher geregelt ist (Verweis auf Festsetzungen nach Landesrecht), wird für den Bereich der Krankenhilfe §§ 36 ff. BSHG für entsprechend anwendbar erklärt.
In der Praxis sind in vielen Ländern insbesondere bei alleinstehenden jugendlichen Flüchtlingen zahlreiche Leistungseinschränkungen festzustellen, die m.E. durch das KJHG nicht gedeckt sind:
- geringere Leistungen zum Lebenunterhalt als für deutsche Jugendliche (unterhalb des BSHG-Niveaus, z.B. Berlin: 300.-/mtl incl. Taschengeld), Versorgung mit Sachleistungen statt Bargeld,
- Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften für erwachsene Asylbewerber,
- Betreuerschlüssel bei Heimunterbringung etc. erheblich schlechter als für deutsche Jugendliche,
- rechtswidrige Verweigerung von Hilfen nach KJHG, wenn der Jugendliche bei Einreise 16 Jahre oder älter ist,
- rechtswidrige generelle Verweigerung von Hilfen nach KJHG, wenn der Jugendliche 18 Jahre oder älter ist,
- rechtswidrige generelle Verweigerung von Hilfen nach dem KJHG für in Familien lebende Kinder und Jugendliche, da die entstehenden Kosten vom Land nicht erstattet werden,
- rechtwidrige Versäumnisse bei der Sicherung des Aufenthatsrechtes bzw. Wahrnehmung der ausländer- und asylrechtlichen Interessen Jugendlicher, insbesondere seitens der in Berlin generell durch das Bezirksamt Treptow bestellten Vormünder.
Literatur:
Huber, B. Kinderflüchtlinge - Flüchtlingskinder. Ein Beitrag zur Rechtsstellung minderjähriger unbegleiteter Flüchtlinge nach dem AuslG, dem KJHG und der UN-Kinderkonvention. Osnabrück 1991. Hrsg. u. Bestelladresse: terre des Hommes, Postfach 4126, 49031 Osnabrück, FAX 0541/707233 (5.- + Versand), Schnapka, M. Von gewöhnlichem und ungewöhnlichem Aufenthalt. Junge Flüchtlinge dürfen nicht aus der Jugendhilfe ausgeschlossen werden! ZfJ 1/94, 27, Zieger, M. + Koehn, A. Können junge Asylbewerber Leistungen der Jugendhilfe beanspruchen? InfAuslR 10/94, 364. Kunkel, P-C. Inwieweit sind AsylbLG und KJHG auf junge Asylbewerber anwendbar? ZfJ 9/94, 369. Kunkel, P-C. , Jugendhilfe für minderjährige Asylbewerber? in Barwig, K., Sozialer Schutz von Ausländern in Deutschland (Hohenheimer Tage zum Ausländerrecht 1996), Nomos Baden-Baden 1997. Jockenhövel-Schiecke, H., ausländische Jugendliche in Einrichtungen der Jugendhilfe, in Dokumentation der Fachtagung "Fremdunterbringung ausländischer Jugendlicher", Hrsg. Weiss, K. & Rieker, P., Fachhochschule Potsdam, Waxmann Verlag Münster 1988; Jockenhövel-Schiecke, H., Schutz für unbegleitete Flüchtlingskinder: Rechtsgrundlagen und gegenwärtige Praxis, ZAR 1998, 165.
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