7.2 IMK-Beschluß zur Umverteilung geduldeter Bosnier rechtswidrig
VG Berlin 35 A 3599/94, B.v. 30.01.95, IBIS e.V.: C1225, InfAuslR 4/95, S. 175. Für die Verteilung bosnischer Kriegsflüchtlinge nach Sachsen-Anhalt auf Grundlage des entsprechenden IMK-Beschlusses v. 15.3.94 existiert weder eine Rechtsgrundlage noch eine rechtstaatlichen Ansprüchen genügende Zuweisungsentscheidung. Der im Zuge des Asylkompromisses geschaffene neue Status für Kriegsflüchtlinge nach § 32 a AuslG sieht zwar eine solche Verteilung vor, doch wird dieser Paragraf auch 19 Monate nach seiner Einführung immer noch nicht angewendet. Wenn Bund und Länder diesen Paragrafen jedoch nicht anwenden, kommt er auch nicht als Rechtsgrundlage für eine Verteilung in Betracht, denn es geht nicht an, nur denjenigen Teil der Regelung umzusetzen, der eine Belastung für die Flüchtlinge bedeutet, nicht aber den, der aufenthaltsrechtliche Vorteile bietet. Das "Hin- und Herschieben der Verantwortung zwischen den beteiligten Verwaltungen (Landeseinwohneramt und BAFl) läßt deutlich erkennen, daß dort inzwischen sehr wohl klar ist, daß die gesamte "Verteilung" und ihre Umsetzung jeglicher rechtlichen Grundlage entbehren."
Das VG hat das Landeseinwohneramt Berlin deshalb zur Erteilung einer Duldung verpflichtet.
OVG Berlin 8 S 577.94, B.v. 5.4.95, InfAuslR 1995, 258, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1226.pdf. Bosnische Kriegsflüchtlinge, die auf Grundlage der IMK-Beschlüsse nach Sachsen-Anhalt verteilt wurden, haben Anspruch auf Erteilung einer Duldung durch das Landeseinwohneramt (LEA) Berlin. Das LEA ist für die Erteilung der Duldung örtlich zuständig (§ 3 Abs. 1a Nr 3a VwVfG). Eine andere Regelung der Zuständigkeit ist im geltenden Ausländerrecht nicht mehr enthalten und aufgrund von Verwaltungsabsprachen bzw. des IMK-Beschlusses nicht zulässig (Kanein/Renner 1993, § 63 AuslG Rn 2; Kopp 1991, § 3 VwVfG Rn 5; Stelkens-Bonk-Sachs 1993, § 3 VwVfG Rn 2 und Rn 17). Die Zuweisung durch das BAFl nach Sachsen-Anhalt ändert an der örtlichen Zuständigkeit nichts. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn es sich um eine Verteilung nach § 32a AuslG handelte, kann auf sich beruhen, denn die Zuweisung ist weder ausdrücklich noch der Sache nach auf diese Bestimmung gestützt, die Vorschrift wird nicht angewendet (Bt Drs 341.94 und 1024.94). Auf die Duldung besteht aufgrund des allgemeinen Abschiebestopps nach § 54 AuslG gemäß § 55 Abs. 2 AuslG ein gesetzlicher Anspruch. Beschränkungen und Vorbehalte bei der Duldungserteilung, wie sie die Verteilungsvereinbarung mit sich bringt, sind in § 54 AuslG nicht vorgesehen. Ein Anordnungsgrund ergibt sich aus diesen Erwägungen, weil ein öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung des rechtswidrige Zustandes des Aufenthaltes in einer bleiberechtlichen Grauzone nicht besteht. Dies soll die gesetzliche Gewährung eines Duldungsanspruches gerade verhindern. Solcher Aufenthalt würde namentlich auch den objektiven Straftatbestand gemäß § 92 Abs. 1 Nr 1 AuslG erfüllen.
7.3. Flüchtlinge aus Bosnien haben Anspruch auf eine Aufenthaltsbefugnis
VG Berlin 35 A 493/95, B.v. 12.07.95 - rechtskräftig, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1227.pdf Ein querschnittgelähmter Bosnier, der aufgrund seiner Behinderung keine Arbeit finden kann, hat Anspruch auf einen Aufenthaltsbefugnis gemäß der Weisung der Ausländerbehörde v. 12.6.95, obwohl er die in der Weisung geforderte Voraussetzung, seinen Lebensunterhalt aus legaler Erwerbstätigkeit zu sichern nicht erfüllt.
Die Weisung verstößt insoweit gegen das Verbot der Diskriminierung Behinderter in Art 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz. Eine nach mehrjähriger Duldungspraxis (Kettenduldungen über 3 1/2 Jahre) geschaffene Regelung nach § 32 AuslG darf im übrigen nicht Voraussetzungen aufstellen, die viele der sich seit Jahren hier aufhaltenden Flüchtlinge aufgrund ihrer persönlichen Umstände nicht erfüllen können (unbegleitete Minderjährige, alte Menschen, alleinstehende Frauen mit Kindern, Arbeitsunfähige u.a.).
VG Berlin 35 A 2436/94, Urteil, B.v. 31.07.95, IBIS e.V.: C1228: Flüchtlinge aus Bosnien haben auch bei Sozialhilfebezug generell Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Eine Weisung zu § 32 AuslG darf nicht Voraussetzungen aufstellen, die viele der sich seit Jahren hier aufhaltenden Flüchtlinge nicht erfüllen bzw. aufgrund ihrer persönlichen Umstände nicht erfüllen können.
VG Wiesbaden 4/1 E 930/94, B.v. 12.12.95, IBIS e.V.: C1229 Bei der bundesweiten Aufnahme bosnischer Flüchtlinge handelt es sich faktisch um eine Regelung nach § 32a AuslG, weshalb den Betroffenen anstelle von Duldungen Aufenthaltsbefugnisse erteilt werden müßten und den Kommunen die Sozialhilfekosten vom Land zu erstatten sind.
Dazu VGH Hessen 10 UE 459/96, Urteil v. 18.02.97, EZAR 015 Nr. 13, der die Entscheidung des VG Wiesbaden aufgehoben und den Kommunen keinen Erstattungsanspruch zugebilligt hat, bestätigt durch
BVerwG 1 B 139/97. B.v. 26.09.97, NVwZ 1998, 184: Weder Art. 28 Abs. 2 GG noch eine überproportionale Kostenbelastung der Kommunen durch die Flüchtlingsaufnahme gewähren den Kommunen einen Anspruch darauf, daß die oberste Landesbehörde nach § 32 a AuslG anordnet, bestimmten Flüchtlingsgruppen eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen.
VG Berlin 35 A 1608/95, B.v. 22.01.96, . InfAuslR 5/96, 188; NVwZ-Beilage 7/96, 51, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1230.pdf Flüchtlinge aus Bosnien, die von eigener Erwerbstätigkeit leben, haben trotz gegenteiliger Weisung des Innensenators auch weiterhin Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis für ein Jahr nach § 32 a AuslG sowie auch nach § 30 Abs. 4 AuslG. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des VG Wiesbaden - 4/1 E 930/94 v. 12.12.95 - sowie auf in Brandenburg sowie Sachsen-Anhalt bereits erteilte Aufenthaltsbefugnisse nach § 32a AuslG stellt das VG fest, daß es keiner ausdrücklichen Einigung des Bundes und der Länder zur Anwendung des § 32 a bedarf, die Voraussetzungen des § 32a liegen vielmehr bereits vor, weil Bund und alle Länder Kriegsflüchtlinge aus Bosnien durch die einvernehmliche Erteilung von Duldungen aufgenommen haben. Es ist nicht zu erwarten, daß aufgrund der rechtlichen Situation oder der politischen Verhältnisse eine Rückkehr vor Sommer 1997 beabsichtigt ist.
Das Gericht verweist auf Anhang 7 des Dayton-Friedensabkommens, wonach sich die Unterzeichner verpflichtet hatten, die Rückkehr-Modalitäten dem UNHCR zu überlassen. Deutschland als Mitglied der Bosnien-Kontaktgruppe habe den Vertrag als Zeuge ("witnessed by") mitunterzeichnet und damit dem Verfahren zugestimmt. Der Bundesinnenminister sagte dem UNHCR zu, vorläufig auf Fristen zu verzichten. Der UNHCR hat am 16.1.96 in Genf einen Rückführungsplan vorgelegt, der eine Rückkehr der Flüchtlinge aus Deutschland in zwei Jahren vorsieht. Der Plan sieht vorrangig die Rückkehr der mindestens 1 Million Flüchtlinge innerhalb Bosniens vor, danach sollen die mindestens 500.000 Flüchtlinge folgen, die in den anderen Staaten des ehemaligen Jugoslawien Zuflucht gefunden haben. Erst danach sieht der UNHCR die Rückkehr der mehr als 700.000 Flüchtlinge vor, die von anderen europäischen Staaten aufgenommen worden sind, von denen sich etwa 400.000 in Deutschland aufhalten. Nach Einschätzung des DRK können etwa zwei Drittel der überwiegend moslemischen Flüchtlinge nicht in ihre Heimat zurück, weil ihre Heimatorte in einem Gebiet liegen, das den Serben zuerkannt worden ist. Die Zahl nimmt weiterhin zu, da das Abkommen von Dayton erneut zu erheblichen Flüchtlingsströmen geführt hat, wie eine große Zahl von moslemischen Flüchtlingen bestätigt, die in den letzten Wochen in Berlin eingetroffen ist. Die der Kontrolle der bosnischen Regierung unterliegenden Gebiete sind mit einer Vielzahl moslemischer Flüchtlinge übervölkert, viele Gebiete durch ca. 3 Millionen versteckter Landminen nicht bewohnbar. Eine Rückführung einer so großen Zahl von Flüchtlingen aus ca. 30 Ländern, die eine ohnehin fragile Lage nicht gefährden soll, kann nicht aufgrund einer nationalen Entscheidung, sondern - wie auch eigentlich vorgesehen - aufgrund einer international geplanten und durchgeführten Aktion erfolgen
Sinngemäß ebenso mit aktualisierter Begründung: VG Berlin 35 A 934.96 v. 22.07.96, IBIS e.V.: C1231, EZAR 015 Nr. 9.
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