7.6 Auflage der Unterkunft in einer Gemeinschaftsunterkunft rechtswidrig
OVG Niedersachsen, 4 M 7322/95, B.v. 18.01.96, In NVwZ-Beilage 5/96, 33 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1244.pdf (betr. Bosnier mit Duldung, ausführlich siehe oben unter 1.2). Das Ausländerrecht kennt - anders als das Asylrecht - eine gesetzliche Pflicht des Ausländers, in einer bestimmten Unterkunft zu wohnen, nicht. Gemäß § 2 AsylbLG ist die Hilfe zum Lebensunterhalt regelmäßig in Geld zu gewähren. Der Ausländer ist deshalb sozialhilferechtlich nicht verpflichtet, die ihm angebotene Unterkunft zu nutzen, sondern berechtigt, sich eine Wohnung zu mieten. Im Gegensatz zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 (Asylbewerber) sieht das AsylbLG bei § 2 Abs. 1 Nr 2 (Ausländer mit Duldung) eine Berücksichtigung der bisherigen oder auch der zu erwartenden Dauer des Aufenthaltes nicht vor, läßt also nicht Raum für Erwägungen, der Aufenthalt des Ausländers solle nicht verfestigt werden. Daraus folgt, daß die der nach AuslG erteilten Duldung beigefügte Auflage, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen, mit den Leistungsbestimmungen des AsylbLG unvereinbar ist.
VG Chemnitz A 8 K 30686/95, B.v. 23.04.96, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1245.pdf. Gemäß §§ 53 und 60 AsylVfG steht der Behörde ein Ermessen zu bei der Erteilung der Auflage, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen. In begründeten Fällen muß die Behörde ggf. im Ermessenswege prüfen, ob die Auflage aufgehoben werden kann, etwa weil gesundheitliche/psychische Gründe dafür sprechen, daß die Asylbewerber in einer Wohnung leben sollten. Die Behörde hat im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens alle wesentlichen für und gegen die Maßnahme sprechenden Gesichtspunkte abzuwägen und muß darunter insbesondere auch besondere gesundheitlichen Umstände berücksichtigen (vgl. auch VGH Bayern, B.v. 29.01.86, 25 Cs 85 C.764 in EZAR 222 Nr. 6; BVerwG v. 5.6.84, 9 C 9.84 in EZAR 222 Nr. 2). Das Ermessen ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das sächsische Innenministerium erklärt hat, daß die Kosten für die Unterbringung der Familie außerhalb des Heimes dem Sozialhilfeträger nicht erstattet würden.
Sinngemäß ebenso VG Chemnitz A 7 K 31915/96, B.v. 20.9.96, sowie VG Chemnitz, Urteil v. 22.11.96, A 7 K 31914/96.
VG Göttingen 4 A 4049/96, Gerichtsbescheid v. 10.05.96, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C1246.pdf Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger aus der Gemeinschaftsunterkunft in eine Privatwohnung umzusetzen. Bei der Ermessensabwägung nach § 53 AsylVfG sind sowohl das öffentliche Interesse als auch Belange des Ausländers zu berücksichtigen. Der aus Afghanistan stammende Kläger leidet nach erlittener Folter durch moslemische Fundamentalisten an einem Polytrauma nach Schädelbasisfraktur. Es erscheint unzumutbar, daß der Kläger mit zahlreichen anderen moslemischen Ausländern in einer Unterkunft zusammenlebt. Hinzu kommen drohende gesundheitliche Beeinträchtigungen, laut nervenärztlicher Bescheinigung ist eine abgeschirmte, ruhige Umgebung erforderlich, um die Bearbeitung der traumatischen Erlebnisse möglich zu machen.
7.7 Umverteilung Asylsuchender zwecks Krankenbehandlung, Umverteilung Geduldeter zwecks Familenzusammenführung
VG Potsdam 7 C 174/95.A, B.v. 22.01.95, IBIS e.V.: C 1247InfAuslR 6/95, S. 259. Das Landeseinwohneramt Berlin wird verpflichtet, gemäß § 51 AsylVfG der Umverteilung einer gefolterten und infolgedessen reiseunfähigen, beim Behandlungszentrum für Folteropfer in Berlin in Behandlung befindlichen Asylsuchenden nach Berlin zuzustimmen.
VGH Hessen 10 TG 2557/95, B.v. 24.06.96, IBIS e.V.: C1248, InfAuslR 10/96, 360. Verheiratete Kriegsflüchtlinge mit Kindern, denen in verschiedenen Bundesländern eine Duldung erteilt wurde, haben Anspruch auf Familienzusammenführung. Dies folgt aus Art. 6 GG unmittelbar, da im AuslG (§ 36, § 44.6, § 56.3.1, § 64.2.1)die Umverteilung Geduldeter nicht geregelt ist. Die Ausländerbehörde am neuen Wohnort wurde daher gemäß § 123 VwGO verpflichtet, die Verlassenspflicht des Ehepartners gemäß § 36 AuslG nicht zu vollstrecken.
7.8 Strafbarkeit eines Verstoßes gegen eine räumliche Beschränkung
- BGH 1 StR 452/96, U.v. 05.11.96, IBIS e.V.: C1249, InfAuslR 4/97, 160. Nach § 92.1 Nr. 1 AuslG ist ein Aufenthalt in Deutschland ohne Aufenthaltsgenehmigung oder Duldung strafbar. § 92.1 Nr. 1 AuslG erfasst jedoch nicht den Fall, daß ein Ausländer sich mit einer Duldung außerhalb des Landes aufhält, auf das die Geltung der Duldung gemäß § 56.3 S.1 AuslG beschränkt ist. § 92.1 Nr. 1 meint in Verbindung mit § 55.1 AuslG die Duldung des Aufenthalts im Bundesgebiet, diese entfällt gemäß § 56.4 AuslG aber nur dann, wenn der Ausländer das Bundesgebiet verlässt. Solange dies nicht geschieht, "besitzt" der Ausländer eine Duldung i.s.d. § 92.1.1 AuslG.
Die räumliche Beschränkung der Duldung gehört demgegenüber zu den Nebenbestimmungen des § 56 Abs. 3 AuslG. Nach dem Wortlaut des § 36 AuslG ist der Ausländer dann nur verpflichtet, das andere Bundesland zu verlassen. Da bereits nach dem Wortlaut der Norm keine Strafbarkeit besteht, kommt es auf den gesetzgeberischen Willen, wie er sich aus den Materialien ergibt, nicht mehr an. An dem Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, daß ein Ausländer, der gemäß § 55 AuslG nur geduldet ist, gegenüber Asylbewerbern mit räumlich beschränkter Aufenthaltsgestattung bevorzugt ist, die sich gemäß § 85 Nr. 2 AsylVfG bei wiederholtem Verstoß gegen die räumliche Beschränkung strafbar machen.
Anmerkung: Fraglich erscheint auch die Möglichkeit der Ahndung des Verstoßes als Ordnungswidrigkeit, da der diesbezüglich einschlägige § 93.3 AuslG keinen Verweis auf einen Verstoß gegen die räumliche Beschränkung einer Duldung enthält. Selbst wenn dies zulässig wäre, stellt die Ordnungswidrigkeit aber keinen Straftatbestand dar, der Verstoß kann also keine Vorstrafe zur Folge haben.
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