OVG Niedersachsen 4 M 1749/98 und 4 M 2564/98 v. 29.5.98, IBIS C1299; ebenso OVG Nds 4 M 2534/98 v. 28.5.98, IBIS C1300, NVwZ-Beil. 1998, 116; FEVS 1999, 118; GK AsylbLG § 120 Abs. 5 OVG Nr. 10
(Änderung der Rspr. des Senats zu § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG!) Aufgrund der Bestimmungen des Europäischen Fürsorgeabkommens (EFA) wird der Sozialhilfeanspruch von Konventionsflüchtlingen nicht durch § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG ausgeschlossen. Das EFA begründet Verpflichtungen nicht nur zwischen den vertragschließenden Staaten, sondern es begründet Rechte und Pflichten des Einzelnen.
Das BVerwG hat hierzu in seinem Urteil vom 14.3.85 (NVwZ 1986, 48) ausgeführt, dass der Zweck des Abkommens, den Angehörigen der Vertragsstaaten auf dem Gebieten der sozialen und Gesundheitsfürsorge Gleichbehandlung mit Inländern einzuräumen, sich nur erreichen läßt, wenn die Staatsangehörigen die Gleichbehandlung unmittelbar geltend machen können (vgl. auch die Begründung zu § 113 des Entwurfs für ein Bundessozialhilfegesetz, BT-Drs. 3/1799, S. 60 ff). Auch Gründe der Systematik des § 120 BSHG stünden der Anwendbarkeit des EFA nicht entgegen.
Die Anwendung des EFA im Fall des Antragstellers scheitert nicht daran, dass er Staatsangehöriger Sri Lankas ist, das nicht zu den vertragschließenden Staaten gehört.. Denn nach Art. 2 des Zusatzprotokolls zum EFA finden die Vorschriften des Teils I des EFA auf Flüchtlinge unter den gleichen Voraussetzungen Anwendung wie auf Staatsangehörige der Vertragsstaaten. Art. 1 des Zusatzprotokolls bestimmt, dass der Ausdruck "Flüchtling" die Bedeutung hat, die ihm in Art. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention gegeben wird.
Der Antragsteller hält sich auch "erlaubt" im Sinne von Art 1; Art 11 Abs. a Satz 1 EFA in Verbindung mit Anhang III zum EFA in Deutschland auf (wird ausgeführt).
Deutschland hat den räumlichen Geltungsbereich des EFA nicht beschränkt (Art 2 lit. a (ii) Satz 1 EFA), somit sind mit Ausnahme der hier nicht streitigen Leistungen nach §§ 30, 72 BSHG, für die Deutschland nach Anhang II eine Verpflichtung nicht übernommen hat, Leistungen der Sozialhilfe "in gleicher Weise" und außerdem "unter den gleichen Bedingungen" zu gewähren wie den Deutschen. Dies schließt die Anwendung des § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG aus, denn vergleichbaren Einschränkungen unterliegen Deutsche nach dem BSHG nicht. Auf die nach dem Wohnortzuweisungsgesetz für Spätaussiedler getroffene Sonderregelung kann es demgegenüber nicht ankommen, da sich der Gleichbehandlungsanspruch nach der insoweit allein maßgeblichen Anlage I zum EFA auf dieses Gesetz nicht erstreckt.
Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn angenommen wird, dass Art 1 EFA i.V.m. Art 1, 2 des Zusatzprotokolls zum EFA für Flüchtlinge im Sinne der GK keine weitergehenden Ansprüche gewähren wollte als die GK selbst. Die GK sieht in Art. 23 eine sozialrechtliche Inländergleichbehandlung von Flüchtlingen vor, läßt aber in Art 26 auch die Freizügigkeit einschränkende Vorschriften zu, sofern diese "allgemein auf Ausländer unter den gleichen Umständen Anwendung finden". Die mit § 120 Abs. 5 Satz 2 BSHG bezweckte faktische Einschränkung der Freizügigkeit beruht indessen nicht auf einer allgemeinen Vorschrift in diesem Sinne, weil sie nicht auf Ausländer mit anderen Aufenthaltsgenehmigungen und im übrigen nur solche Ausländer betrifft, die auf Sozialhilfe angewiesen sind.
Soweit der Senat (mit Blick auf Art. 23 GK) die Anwendung des § 120 Abs. 5 Satz 2 auf Flüchtlinge in seiner früheren Rspr. mit dem Argument gebilligt hat, dass "auch Inländer nach dem Selbsthilfegebot des § 2 BSHG gehalten sein können, einen bestimmten Wohnsitz nicht aufzugeben bzw. wieder aufzusuchen, an dem sie den notwendigen Lebensunterhalt selbst beschaffen können oder zumindest eine Wohnung haben", hält er daran nicht fest, denn der Nachranggrundsatz des § 2 BSHG betrifft Deutsche und Ausländer gleichermaßen.
Die Bestimmungen des Art I EFA i.v.m.- Art 1, 2 Zusatzprotokoll zum EFA gehen dem § 120 Abs. 5 BSHG als "speziellere Regelungen" vor. Während § 120 Abs. 5 BSHG für alle Ausländer mit Aufenthaltsbefugnis gilt, trifft das EFA besondere Regelungen nur für eine Teilgruppe der Ausländer, auf die sich der Wortlaut des § 120 Abs. 5 Satz 5 BSHG bezieht.