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§ 7 SGB II - ALG II bei Aufenthaltstitel mit auflösender Bedingung "Erlischt mit Bezug von Sozialleistungen"



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§ 7 SGB II - ALG II bei Aufenthaltstitel mit auflösender Bedingung "Erlischt mit Bezug von Sozialleistungen"



SG Berlin S 148 AS 22048/08 ER, B.v. 04.08.08 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2223.pdf Die ArGe hatte aufgrund der Nebenbestimmung "Erlischt mit Bezug von Sozialleistungen nach SGB II oder SGB XII" die weitere Gewährung von ALG II verweigert, da durch den bisherigen ALG II-Bezug die Aufenthalterlaubnis erloschen sei, mithin die Ausreisepflicht eingetreten und nur noch ein Anspruch nach dem AsylbLG bestünde.

Das SG gelangte zu der Überzeugung, dass die ArGe hierbei ihre Kompetenzen (Zuständigkeit) überschritten hat. Es obliegt ausschließlich der Ausländerbehörde, aufgrund der unter einer Bedingung erteilten Aufenthaltserlaubnis ausländerrechtliche aufenthaltsbeendende Maßnahmen anzuordnen. Die Ausländerbehörde hat dabei ihre Ermessensbefugnis nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 29 Abs 2 AufenthG und Art 6 GG auszuüben, ob die Aufenthaltserlaubnis verlängert wird. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Antragstellerin im 7. Monat schwanger ist und zum Haushalt bereits ein schwerbehindertes Kind gehört.




  • Anmerkung: vgl. dazu Hoppe, M., Das Erlöschen von Aufenthaltstiteln bei Bezug von Leistungen nach SGB II und SGB XII kraft Nebenbestimmung - effektive Verwaltung oder Erlöschenstatbestand contra legem? InfAuslR 2008, 292

§ 7 Abs. 1 SGB II - Ausschluss Arbeit suchender Unionsbürger



SG Berlin S 96 AS 5836/06 ER, B.v. 29.06.06 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2001.pdf Kein ALG II für eine nicht erwerbstätige, seit März 2004 in Deutschland bei ihrem deutschen Freund von dessen Einkommen lebende Spanierin, die sich nach Übergriffen von ihren Partner trennte und bedürftig geworden ist. Die Antragstellerin dürfte nach Überzeugung des SG allein zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufenthaltsberechtigt und daher gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vom ALG II ausgeschlossen sein. Sie ist noch keine 5 Jahre in Deutschland und hat daher kein Daueraufenthaltsrecht. Die erteilte Freizügigkeitsbescheinigung entfaltet für das Jobcenter keine Bindungswirkung [diese Aussage wird nicht weiter begründet].

Die Antragstellerin hat sich im Anschluss an ihre Erwerbstätigkeit im April 2004 nicht arbeitsuchend gemeldet, so dass ihr schon deshalb auch kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin nach Art. 7 EU-RL 2004/38 zusteht. Die Antragstellerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass ihr wegen des Bezugs von Sozialleistungen keine Ausweisung droht. Der Ausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II widerspricht auch nicht dem europarechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art 24 EU-RL 2004/38, da ein derartiger Ausschluss nach Art 14 Abs. 4 b) der RL zulässig ist.



  • Anmerkung: Die Entscheidung übersieht, dass die Antragstellerin ein Aufenthaltsrecht als nicht Erwerbstätige nach § 4 FreizügG/EU besitzt, das fortbesteht, so lange die Ausländerbehörde (und nicht das Jobcenter...) noch nicht nach dem in § 6 FreizügG/EU vorgesehenen Maßgaben in einem förmlichen Verfahren den Verlust des Aufenthaltsrechtes festgestellt hat, wobei die Maßgaben der Art. 14 Abs. 3 Unionsbürgerrichtlinie zu beachten sind, wonach Soziallleistungsbezug nicht automatisch zur Aufenthaltsbeendung führen darf, weshalb in Fällen wie dem vorliegenden jedenfalls ein vorübergehender Sozialleistungsbezug hinzunehmen ist.


SG Berlin S 37 AS 11503/06 ER, B.v. 10.01.06 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2003 Sachverhalt: Der bisher bei einer Verwandten lebende deutsche Antragsteller hat im Sept. 2006 eine Polin geheiratet und lebt mit ihr seit Oktober 2006 zusammen. Da die Ausländerbehörde erst für den 09.02.07 einen Termin zu vergeben hatte, kann sie noch keine Freizügigkeitsbescheinigung vorlegen. Das Jobcenter lehnte die beantragte Miet- und Kautionsübernahme für das Ehepaar mit der Begründung ab, für 1 Person sei die Wohnung unangemessen.

Gründe: Miete und Kaution sind zu übernehmen. Mit der Unterbringung bei Verwandten sind die Antragsteller nicht mit regulärem Wohnraum versorgt (vgl. LSG Hamburg L 5 B 201/05 ER AS, B.v. 25.08.05). Entgegen der Ansicht des Jobcenters ist die Ehefrau leistungsberechtigt. Sie kann nicht auf das Beibringen einer Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU verwiesen werden. D as ergibt sich aus Art. 6 der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EU, die bislang nicht hinreichend umgesetzt wurde, aus der die Antragstellerin jedoch ein unmittelbares Aufenthaltsrecht ableiten kann.

Nach Ablauf der Dreimonatsfrist des Art. 6 ergibt sich das Aufenthaltsrecht aus § 3 FreizügG/EU, da die Antragstellerin als Familienangehörige eines Deutschen bleibeberechtigt ist. Der Freizügigkeitsbescheinigung kommt insoweit nur deklaratorische Bedeutung zu.

Dass der Antragstellerin nur eine Arbeitserlaubnis nach § 284 SGB II zusteht ist unerheblich, da dies für entweder für ihre Erwerbsfähigkeit nach § 8 Abs. 2 SGB II ausreicht, oder man ihr einen Sozialgeldanspruch nach § 28 SGB II zubilligt. Der Ausschluss nach § 7 Abs. 1 S.- 2 SGB II greift nicht, da das Aufenthaltsrecht sich nicht "allein" auf die Arbeitssuche stützt. Der gewöhnliche Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 7 Abs. 1 SGB II ist erfüllt, da die Antragstellerin höchstwahrscheinlich ab 9.2.2007 über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG verfügt, die nach § 28 Abs. 5 AufenthG zur Arbeitsaufnahme berechtigt. Diese Erlaubnis geht als günstigere Regelung dem FreizügG/EU vor (§ 11 FreizügG/EU).


SG Osnabrück S 22 AS 263/06 ER, B.v. 02.05.06 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2115.pdf Sachverhalt: Die 1969 geborene italienische Antragstellerin war in Deutschland von 1986 bis 1987 als Arbeitnehmerin beschäftigt, bezog 1987 bis 1989 ALG und war von 1999 bis 2003 selbständig tätig. 2003 verließ sie Deutschland und reiste am 1.2.2006 mit ihren drei Kindern wieder ein, gab sie als Grund für ihre Einreise "Arbeitsplatzsuche" an. Sie beantragte und erhielt ALG II, das zum 1.5.06 unter Hinweis auf die Neuregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II eingestellt wurde. Vom 15.02.06 bis 15.03.06 war die Klägerin mit befristetem Vertrag als Reinigungskraft tätig.

Gründe: Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II sind Ausländer vom ALG II ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt (hierzu kritisch: Winkel, Soziale Sicherheit 3/2006, 103). Mit der Neufassung von Satz 2 hat der Gesetzgeber Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 lit. b) der EU-RL 2004/38/EG umgesetzt (vgl. BT-Drs. 16/688, S. 13). Danach ist der Aufnahmemitgliedsstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 lit. b) Sozialhilfe zu gewähren. In den Gründen zu RL 2004/38/EG heißt es in Rn 10, dass Personen, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen sollen.

Hiervon ausgehend ist § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II im Rahmen einer teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass von der Neuregelung nur Ausländer betroffen sind, die sich erstmalig in das Bundesgebiet begeben haben und dort unmittelbar mit dem Zuzug Sozialleistungen in Anspruch nehmen. Dies ergibt sich aus dem Gebot richtlinienkonformer Auslegung (vgl. hierzu: EuGH 14/83, U.v. 10.04.84, Leitsatz 3). Denn das Europ. Parlament und der Rat der EU sind bei Erlass der RL 2004/38/EG offensichtlich davon ausgegangen, dass – auch unter Wahrung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gem. Art. 39 EGV – von dieser Regelung nur die EU-Bürger umfasst sind, die ihren Aufenthalt zum ersten Mal in einem anderen Mitgliedsstaat nehmen.

Hierfür spricht neben der richtlinienkonformen Auslegung auch der Wille des Gesetzgebers. Denn dieser ging bei der Umsetzung der RL 2004/38/EG ebenfalls davon aus, dass nur der erstmalige Zuzug in das Bundesgebiet einen Ausschlussgrund darstellen sollte (BT-Drs. 16/688, S. 13: "Auch die Familienangehörigen eines erstmals in Deutschland arbeitsuchenden EU-Bürgers sind dann vom Bezug von Leistungen nach diesem Buch ausgeschlossen.")

Hier hat die Antragstellerin nicht zum ersten Mal ihren Aufenthalt in Deutschland begründet, denn sie lebte bereits von Geburt an bis zur ihrem Umzug nach Italien 34 Jahre in Deutschland und war hier berufstätig. Eine Einschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 39 EGV durch § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II n.F. kann damit – auch im Hinblick auf den Umstand, dass die Antragstellerin bereits vom 15.02.06 bis 15.03.06 im Bundesgebiet wieder gearbeitet hat – nicht erfolgen.
LSG NRW L 20 B 73/06 SO ER, B.v. 04.09.06 www.sozialgerichtsbarkeit.de

zum Aufenthaltsrecht und ALG-II-Anspruch Arbeit suchender neuer Unionsbürger nach § 7 I Satz 2 SGB II n.F. und dem aus dem Ausschluss vom SGB II folgenden Anspruch auf Sozialhilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 SGB XII.

§ 21 SGB XII schließt Personen aus, die nach dem SGB II dem Grunde nach leistungsberechtigt sind. Die Sperrwirkung setzt allerdings voraus, dass ein Anspruch nach dem SGB II dem Grunde nach besteht. Nach bisherigem Recht entschied der gewöhnliche Aufenthalt für Ausländer darüber, ob Leistungen nach SGB II in Anspruch zu nehmen waren, § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 8 Abs. 2 SGB II a.F. Damit standen den meisten Unionsbürgern Leistungen nach SGB II zu. Zwar ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit für die lettische Antragstellerin als Angehörige der neuen EU-Staaten eingeschränkt, sie kann sich gleichwohl erlaubt zur Suche eines Arbeitsplatzes im Bundesgebiet aufhalten, was durch eine Aufenthaltsanzeige nach § 5 FreizügG/EU bestätigt wird.

Mit der Änderung des SGB II vom 24.03.06 (BGBl I, S. 558) wurde § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II neu geregelt. Ausgenommen vom SGB II sind Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Die Regelung schöpft die nach EU-Recht vorgesehene Beschränkungsmöglichkeit beim Zugang sozialer Leistungen für Personen ein, denen die Arbeitnehmerfreizügigkeit Einreise und Aufenthalt zur Arbeitssuche gestattet (BRat-Drs. 550/05; Berlit, info also 2006,57). Nach Auffassung des Ausschusses für Arbeit und Soziales werde damit Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art. 14 Abs. 4 a Richtlinie 2004/38 EU (Unionsbürgerrichtlinie) umgesetzt. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt, dass ein Aufnahmestaat nicht verpflichtet ist, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, denen dieser Status erhalten bleibt, während der ersten drei Monate des Aufenthalts und gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Art. 14 Abs. 4 b Sozialhilfe zu gewähren. Art. 14 Abs. 4 b sieht vor, dass gegen Unionsbürger auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden darf, wenn sie eingereist sind, um Arbeit zu suchen, jedenfalls solange sie nachweisen können, dass sie Arbeit suchen und eine begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden.

Das FreizügG/EU gewährt abweichend von der Richtlinie ein unbefristetes Aufenthaltsrecht bei der Arbeitssuche und verzichtet auf die begründete Erfolgsaussicht, §§ 2 Abs. 2 Nr. und 5 Abs 1 FreizügG/EU (vgl. Strick, NJW 2005, 2184). Hält sich jemand in Deutschland rechtmäßig auf, kann trotz der von der Richtlinie vorgesehenen Einschränkungen gleichwohl ein Anspruch auf staatliche Fürsorge entstehen (vgl. Sander, DVBl 2005, 1016). Wenn über § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ein Anspruch nach dem SGB II versperrt ist, dann müssten Leistungen aus § 23 SGB XII gewährt werden. Denn insofern könnte einiges dafür sprechen, dass dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 12 und der Freizügigkeitsgewährleistung des Art. 18 EGV Rechnung zu tragen ist. Mit den in den Urteilen des EuGH (C-184/99 v. 20.09.01 und C-456/02 v. 07.09.04) aufgestellten Grundsätzen erlangen auch nicht erwerbstätige Unionsbürger nach den genannten Artikeln nicht nur ein Bleiberecht, sondern auch Teilhabeansprüche an staatlichen Sozialleistungssystemen. Die genannten Vertragsartikel sollen sich sekundär in der Form auswirken, dass sie vor Benachteiligung gegenüber Inländern schützen (kritisch Wollenschläger, EuZw 2005, 309 f).

Die Schranken für die Inanspruchnahme von Sozialleistungen eines Mitgliedstaates sieht der EuGH in einer nicht näher bestimmten unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialhilfe. Dieser Einschränkung trägt § 23 Abs. 1 SGB XII Rechnung, der Sozialhilfe einschränkt, wenn die Einreise erfolgt, um Sozialleistungen zu erlangen. Zwar wären nach Willen des Gesetzgebers im vorliegenden Fall keine Leistungen zu gewähren. Daneben können aber gleichberechtigt auch europarechtliche Aspekte die Auslegung einer Norm maßgeblich bestimmen. Im Rahmen der hier gebotenen summarischen Prüfung sprechen die europarechtlichen, am EG-Vertrag ausgerichteten Überlegungen eher dafür, Leistungen nach dem SGB XII dem Grunde nach zu gewähren, zumal mit der Existenz der Freizügigkeitsbescheinigung (noch) ein Bleiberecht der Antragstellerin nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU besteht. Hieran sieht sich der Senat gebunden, solange die Freizügigkeitsbescheinigung nicht aufgehoben oder widerrufen worden ist (zur Aufhebung s. OVG Brandenburg 8 S 39.05, B.v. 18.10.05). Der Senat hat deshalb nicht zu prüfen, ob sich die Antragstellerin noch zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhält.

Da die Antragstellerin seit Einreise zunächst 18 Monate bei und von ihrem Freund gelebt hat und erst nach der Trennung Leistungen beantragt hat, kann ihr nach § 23 SGB XII auch keine Einreise zum Zweck des Sozialhilfebezugs vorgeworfen werden.


  • Anmerkung: die Rechtsdurchsetzung wird ab 1.1.2007 schwieriger, weil der Ausschluss für Unionsbürger mit Aufenthaltsrecht ausschließlich zu Zwecken der Arbeitsuche in § 7 I Satz 2 SGB II auch in § 23 SGB XII übernommen werden soll.


LSG NRW L 20 B 248/06 AS ER, B.v. 03.11.06, InfAuslR 2007, 114 www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2469.pdf ALG II für eine mit ihrem Kind zu ihrem Lebensgefährten zugezogene, durch Trennung bedürftige gewordenen Polin.

Abweichend von der EU-Freizügigkeitsrichtlinie gewährt das deutsche Recht nach § 2 Nr. 1 FreizügG/EU ein unbefristetes Aufenthaltsrecht bei Arbeitssuche, dabei verzichtet es auf die Voraussetzung einer begründeten Erfolgsaussicht der Arbeitssuche (vgl. Strick, NJW 2005, S. 2184). Über dieses Aufenthaltsrecht wird nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU eine Bescheinigung ausgestellt, welcher das LSG für das vorliegende Verfahren Tatbestandswirkung beimisst.



Art. 12 S. 1 EG-Vertrag v. 07.12.92 (EGV) verbietet (unbeschadet besonderer Bestimmungen des EGV) im Anwendungsbereich des Vertrags jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Zugleich ist die Freizügigkeit durch Art. 18 EGV für jeden Unionsbürger i.S. des Art. 17 EGV grundsätzlich gewährleistet. Der EuGH hat mit U.v. 07.09.04, C-456/02 (Trojani) insoweit ausgeführt, Art. 18 Abs. 1 EGV erkenne jedem Unionsbürger das Recht zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten unmittelbar zu.

Zwar gelte dieses Recht nicht absolut, sondern nur vorbehaltlich der im EGV und den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bestimmungen. So könnten die Mitgliedsstaaten nach Art. 1 der RL 90/364 von Angehörigen eines (anderen) Mitgliedsstaats verlangen, dass sie für sich und ihre Familienangehörigen über eine ausreichende Krankenversicherung und genügend Existenzmittel verfügten (EuGH a.a.O., Nr. 31 - 33). Derartige Beschränkungen und Bedingungen seien im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, anzuwenden (Nr. 34). Bei einem Mangel an Existenzmitteln erwachse deshalb aus Art. 18 EGV (grundsätzlich) kein Recht zum Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaats (Nr. 36). Halte sich allerdings der Betreffende (was im vom EuGH entschiedenen Fall durch eine Aufenthaltserlaubnis bescheinigt war) rechtmäßig in dem Mitgliedsstaat auf, so sei Art. 12 EGV zu beachten, wonach unbeschadet besonderer Bestimmungen im Anwendungsbereich des EGV jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten sei (Nr. 39 i.V.m. Nr. 37). Insoweit dürften Mitgliedsstaaten den Aufenthalt eines nicht wirtschaftlich aktiven Unionsbürgers zwar von ausreichenden Existenzmitteln abhängig machen; daraus ergebe sich jedoch keineswegs, dass einer solchen Person während ihres rechtsmäßigen Aufenthalts im Aufnahmemitgliedstaat das Prinzip der Gleichbehandlung aus Art. 12 EGV nicht zugute komme (Nr. 40).

Insofern sei zu beachten, dass nach der Rspr. des EuGH eine Leistung der Sozialhilfe in den Anwendungsbereich des EGV falle (Nr. 42; vgl. auch EuGH U.v. 20.09.01, C-184/99 Grzelczyk, dort insbes. Nr. 46). Ein nicht wirtschaftlich aktiver Unionsbürger könne sich auf Art. 12 EGV berufen, wenn er sich im Aufnahmemitgliedstaat für eine bestimmte Dauer rechtmäßig aufhalte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitze (Nr. 43). Eine nationale Regelung bedeute eine nach Art. 12 EGV verbotene Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit, wenn sie Unionsbürgern, die sich in dem Mitgliedsstaat rechtmäßig aufhielten, ohne dessen Staatsangehörigkeit zu besitzen, Leistungen der Sozialhilfe auch dann nicht gewähre, wenn sie die Voraussetzungen erfüllten, die für die Staatsangehörigen dieses Mitgliedsstaates gälten (Nr. 44).

In Anwendung dieser Grundsätze erlangen nach der Rspr. des EuGH mithin auch nicht erwerbstätige Unionsbürger nicht nur ein Bleiberecht, sondern auch Teilhabeansprüche hinsichtlich der staatlichen Sozialleistungssysteme. Die vom EuGH genannten Vertragsartikel wirken sich sekundär in der Form aus, dass sie - im Sinne des Prinzips der Inländergleichbehandlung - vor Benachteiligung der Unionsbürger gegenüber Inländern des Aufnahmemitgliedstaates schützen (kritisch zu dieser Rspr. Wollenschläger, EuZw 2005, S. 309 f.). Wenn der EuGH Schranken in einer unangemessenen Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen sieht, trägt dem das deutsche Recht durch § 23 Abs. 3 SGB XII Rechnung; danach können Sozialhilfeleistungen eingeschränkt werden, falls die Einreise erfolgt ist, um Sozialhilfe zu erlangen.

Nach dem genannten Urteil des EuGH (dort Nr. 45) bleibt dem Aufnahmemitgliedstaat die Feststellung unbenommen, ob ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates, der Sozialhilfe in Anspruch nimmt, die Voraussetzungen für sein Aufenthaltsrecht nicht mehr erfüllt. Der Aufnahmemitgliedstaat kann in einem solchen Fall eine Ausweisung vornehmen. Die Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems durch einen Unionsbürger allein darf allerdings nicht automatisch eine solche Maßnahme zur Folge haben (EuGH U.v. 20.09.01, C-184/99 (Grzelczyk), dort Nr. 42 f.). Es wäre der Beigeladenen durchaus möglich, zu prüfen, ob die Antragsteller das Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU tatsächlich noch besitzen. So lange ihnen jedoch dieses Recht ausweislich der Freizügigkeitsbescheinigung i.S.v. § 5 Abs. 1 FreizügG/EU zusteht, ist vom Bestehen des Aufenthaltsrechts auszugehen. Der Senat ist aufgrund ihrer Tatbestandswirkung an die Freizügigkeitsbescheinigung der Antragsteller gebunden, solange die Bescheinigung nicht aufgehoben oder widerrufen ist (zur Aufhebung vgl. OVG Brandenburg 8 S 39.05, B.v. 18.04.05). Das LSG hat deshalb insbesondere nicht zu prüfen, ob sich die Antragstellerin tatsächlich zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhält.

Ergänzend ist anzumerken, dass ein Ausschlussgrund nach § 23 Abs.3 S. 1 SGB XII (Einreise zum Zwecke der Erlangung von Sozialhilfe) nicht erkennbar ist. Denn die Antragstellerin hielt sich zunächst bei ihrem ehemaligen Lebensgefährten in Deutschland auf, dies änderte sich erst durch den Bruch ihrer Beziehung zum Lebensgefährten.



  • Anmerkung: der Beschluss setzt sich noch nicht mit der am 07.12.06 in Kraft getretenen Änderungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (BGBl. I, 2670) auseinander, wonach nunmehr auch der Anspruch auf Sozialhilfe ausgeschlossen sein soll, wenn sich das Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt. Vgl dazu aber LSG NRW L 9 B 80/07 AS ER, B.v. 27.06.07, www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2113.pdf (weiter unten in dieser Übersicht).


SG Berlin S 37 AS 9701/06 ER, B.v. 02.11.06 Anspruch auf ALG II für Ehefrau eines dauerhaft bleibeberechtigten Unionsbürgers. Die aus Ungarn stammende Antragstellerin reiste im Mai 2004 ins Bundesgebiet ein und heiratete einen seit 1994 hier lebenden Italiener. Der Ehemann bezieht eine Altersrente, die mit Grundsicherungsleistungen nach § 41 SGB XII aufgestockt wird. Als Ehefrau eines dauerhaft bleibeberechtigten Unionsbürgers verfügt die Antragstellerin über einen rechtmäßigen Aufenthalt und eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 2 Abs.5 Freizüg/EU.

An ihrer sozialmedizinischen Erwerbsfähigkeit bestehen keinerlei Zweifel. Die rechtliche Erwerbsfähigkeit i.S. von § 8 Abs. 2 SGB II ergibt sich aus der Befugnis, der Antragstellerin eine Arbeitserlaubnis erteilen „zu können.“ Aus der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 SGB II geht eindeutig hervor, dass die bloße Möglichkeit, eine Arbeitserlaubnis erhalten zu können, für die Voraussetzung der SGB II-Erwerbsfähigkeit ausreicht. Einer weitergehenden Prüfung, ob die Antragstellerin nach Ausbildung und Lage auf dem Arbeitsmarkt eine genehmigungsfähige Arbeitsstelle finden könnte, bedarf es nicht.

Die am 1.4.2006 in Kraft getreten Neuregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II steht dem Anspruch nicht entgegen. Als Familienangehörige i.S. von §§ 2, 3 FreizügG/EU leitet sich ihr Aufenthaltsrecht nicht „allein aus dem Zweck der Arbeitssuche“ her. Die vom Jobcenter in Bezug genommene Vorschrift des § 4 FreizügG/EU findet keine Anwendung. Die Antragstellerin gehört nicht zum Personenkreis der nicht erwerbstätigen, d.h. der aus dem Arbeitsleben ausgeschiedenen Familienangehörigen.
SG Nürnberg S 19 SO 60/06 ER, B.v. 21.06.06 www.sozialgerichtsbarkeit.de

Anspruch auf Sozialhilfe nach SGB XII für einen ungarischen Staatsangehörigen, der kein ALG II mehr erhält, da sich sein Aufenthaltsrecht allein aus der Arbeitssuche ergibt, § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Sein Leistungsanspruch ist nicht gemäß § 21 SGB XII ausgeschlossen, wonach Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten.

Bei grammatikalischer wie teleologischer Auslegung folgt hieraus, dass Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, nicht dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II sind. Zwar geht die Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II davon aus, dieser Personenkreis sei von Leistungen des SGB XII ausgeschlossen, weil er dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II sei. Diese Auffassung ist aber im Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck gekommen. Wenn sich nach § 7 SGB II bestimmt, wer dem Grunde nach leistungsberechtigt ist, der genannte Personenkreis jedoch von der Leistungsberechtigung gleichzeitig ausgenommen wird, ist er nicht dem Grunde nach leistungsberechtigt sondern überhaupt nicht leistungsberechtigt im Sinne des SGB II.


  • Anmerkung: der Beschluss setzt sich nicht mit der am 07.12.06 in Kraft getretenen Änderungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (BGBl. I, 2670) auseinander, wonach nunmehr auch der Anspruch auf Sozialhilfe ausgeschlossen sein soll, wenn sich das Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt.


LSG Nds-Bremen L 6 AS 376/06 ER, B.v. 14.09.06, NZS 2007, 431, www.sozialgerichtsbarkeit.de
www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/9331.pdf Sachverhalt: Die polnische Antragstellerin meldete sich am 10.10.05 beim Landkreis E. an; bereits am 22.09.05 hatte sich ihr Ehemann angemeldet. Bis zum 31.01.06 erzielte sie Einkommen, am 02.02.06 beantragte sie ALG II. Ihr Ehemann hatte am 26. 09.05 ein Gewerbe angemeldet und nahm nach Wegfall von Aufträgen seit 01.02.06 nur noch 400 € monatlich ein.

Da die Ausländerbehörde mitteilte, die Aufenthaltsgenehmigung werde widerrufen, da der Lebensunterhalt nicht sichergestellt sei, wurde das ALG II abgelehnt. Leistungen erhielten nur Personen, die erwerbsfähig sein könnten,


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