1.5.1Zwischenfazit und resultierende Problemstellung
In Gp 1.3 wurde gezeigt, dass der Stromhandel im Vergleich zum traditionellen Verbundhandel durch die Liberalisierung eine grundlegende Veränderung erfährt. Insbesondere für die etablierten Versorgungsunternehmen wird die Teilnahme am liberalisierten Stromhandel von erheblicher Bedeutung, da dies zur Optimierung von Erzeugungs- und der Vertriebsfunktion beiträgt sowie durch Handelsgewinne Zusatzerträge generiert. Um jedoch auf einem liberalisierten Handelsmarkt langfristig Erfolg zu haben, ist es erforderlich, Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Da der Wertschöpfungsbeitrag des Handels in erster Linie aus der Beschaffung, Verarbeitung und Verwertung von Informationen über Beschaffungs- und Absatzmärkten besteht, ist es naheliegend, die Wettbewerbsvorteile im Faktor „Information“ zu suchen. Der Bereitstellung von handelsrelevanten Informationen nach ökonomischen Gesichtspunkten kommt dabei eine wichtige Bedeutung zu. Zum einen können durch die Bereitstellung exklusiver Informationen oder durch eine schnellere Bereitstellung Wettbewerbsvorteile geschaffen werden. Andererseits kann aber die Bereitstellung von zu vielen oder gar falschen Informationen oder ein zu aufwendiger Bereitstellungsprozess unnötig hohe Transaktionskosten verursachen, was diesen Vorteile wieder zunichte macht. Umgekehrt kann eine effizient organisierte und technisch adäquat unterstützte Bereitstellung ihrerseits einen Wettbewerbsvorteil beinhalten, wenn hierdurch geringere Transaktionskosten im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern entstehen. Eine effiziente Informationsbereitstellung ist daher Voraussetzung für die Verarbeitung von Informationen und eine entsprechende Verwertung am Handelsmarkt. Wird diese Voraussetzung nicht erfüllt, kann auch eine ausgefeilte Informationsverarbeitung mittels moderner Systemtechnik, aufwendigen mathematischen Modellen und bestens geschultem Personal nicht den gewünschten Handelserfolg bringen. Aus diesem Grunde konzentriert sich diese Arbeit auf den Informationseinsatz als Teilbereich des gesamten Themenkomplexes „Informationsmanagement“. Die Betrachtung aus Sicht der Verbundunternehmen wurde gewählt, da hier infolge der umfangreichen Erzeugungs-, Netz- und Vertriebsaktivitäten umfassende Informationsvorteile zu erwarten sind, die sich durch die zu erwartende Konsolidierung der Stromwirtschaft noch vergrößern werden. Die Fokussierung auf den Großhandel wird gewählt, da sich im Vergleich zum Einzelhandel eine andere Aufgabenstellung ergibt (z.B. Marketing, Energiedienstleistungen) und damit auch andere Informationsbedarfe. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, wurde hier eine Themeneingrenzung auf den Großhandel vorgenommen.
Akzeptiert man die Bedeutung des Informationseinsatzes für den Stromgroßhandel eines deutschen VU, so steht ein Informationsmanager vor der Problemstellung wie der Informationseinsatz zu gestalten ist, um Informations- und Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Hieraus ergeben sich verschiedene Fragestellungen. Die erste grundlegende Frage lautet, welche Informationen ein Stromhändler zur Erfüllung seiner Aufgaben bzw. zur Durchführung von Handelstransaktionen benötigt. Dies erfordert eine ausführliche Analyse des Informationsbedarfs eines Stromhändlers und eine Beschreibung anhand wesentlicher Informationsmerkmale. An dieser Stelle sei ein wesentliches Ergebnis dieser Arbeit vorweggenommen. Der überragende Anteil am gesamten Informationsbedarf kann aus der Aufgabe der Prognose des künftigen Strompreises abgeleitet werden. Unterstellt man, dass sich der Strompreis an den Grenzkosten der Erzeugung orientieren sollte, so ist es für eine Marktpreisprognose erforderlich, die fundamentalen Bestimmungsfaktoren der Grenzkosten zu analysieren. Dies erfordert die Analyse des Verbraucherverhaltens, des Kraftwerkseinsatzes und der Energiemärkte.
Ist der Informationsbedarf bestimmt, so ist zu klären, wie Informationen bereitgestellt werden können und wo mögliche Informations- und Transaktionskostenvorteile gegenüber dem Wettbewerb liegen. Dies umfasst wiederum verschiedene Teilfragen. Zum einen müssen sich die VU klären, welche Quellen sie zur Bereitstellung der benötigten Informationen verwenden sollten. Wie noch gezeigt wird, existiert gerade am externen Informationsmarkt eine Vielzahl von Quellen, die zudem einer hohen Veränderlichkeit unterliegen. Da es gar nicht möglich ist, permanent potentielle Informationsquellen zu analysieren, liegt ein wesentlicher Aspekt der Fragestellung in der ökonomischen Selektion adäquater Quellen. Daran anschließend stellt sich das Problem, welche Informationen aus den selektierten Quellen verwendet werden. Da einerseits der Informationsbedarf und das potenzielle Informationsangebot insbesondere zu den Bestimmungsfaktoren der Grenzkosten bzw. der Strompreise sehr vielfältig ist und einzelne Informationen unterschiedliche Bedeutung für die Aufgabenerfüllung haben, andererseits menschliche Informationsverarbeitungskapazität beschränkt ist, ist es erforderlich die Informationen nach Nutzen und Kosten zu bewerten und zu selektieren. Hier müssen sich die VU fragen, welche Verfahren zur Informationsbewertung einzusetzen sind und wie diese Bewertung zu organisieren ist. Auch wenn klar ist, welche Informationen aufgrund ihrer Bedeutung eingesetzt werden sollten, ist nicht gewährleistet, dass diese Informationen auch tatsächlich zugänglich sind. In einem VU fallen in den verschiedenen Funktionsbereichen wertvolle Informationen zur Angebots- und Nachfragesituation des Strommarktes an. Wie später noch gezeigt wird, sind diese Informationen teilweise in den Köpfen der Mitarbeiter verborgen. Die wesentliche Fragestellung für die VU ist daher, wie diese verborgenen, aber für den Handel wertvollen Informationen freigesetzt werden können. Wenn alle wertvollen Informationen identifiziert sind und zugänglich gemacht wurden, bleibt abschließend zu klären, wie sie den Aufgabenträgern des Handels zur Verfügung gestellt werden sollen. Wesentlicher Gestaltungsparameter ist die systemtechnische Unterstützung des Informationsflusses. Wie später noch gezeigt wird, sind die datentechnische Integration von Quelle und Nutzer sowie der Umfang der Systemfunktionalität zu klären. Da die Integration zum einen Kosten verursacht, zum anderen aber auch Nutzeneffekte insbesondere durch eine konsistente und redundanzfreie Datenbasis mit sich bringt ist, stellt sich aus ökonomischer Sicht die Frage nach dem richtigen Integrationsgrad.
Werden diese Teilfragen geklärt, so ist ein wesentliches Problem des Informationsmanagers gelöst. Die Aufgabenträger des Handels können mit notwendigen Informationen in ökonomisch sinnvoller Weise versorgt werden und somit nach einer entsprechenden Informationsverarbeitung Handelstransaktionen tätigen. Es soll daher von originärer Informationsbereitstellung gesprochen werden. Diese Begriffseinführung ist sinnvoll, da zudem die Möglichkeit besteht die Perspektive des Informationseinsatzes zu erweitern, indem die Ergebnisse der Informationsverarbeitungsaktivitäten betrachtet werden. Im Gegensatz zur originären Informationsbereitstellung gilt es Informationen einzusetzen, die einen Aufgabenträger des Handels oder die Unternehmensleitung in die Lage versetzen, die bisherige Informationsverarbeitung kritisch zu prüfen und zu verbessern, um damit letztlich auch den Handelserfolg zu verbessern. Es soll in diesem Zusammenhang von einer Validierung der Ergebnisse der Informationsverarbeitung im Sinne einer Qualitätssicherung gesprochen werden. Der Aspekt ist vor allem im Stromhandel bedeutend. So hängt generell der Handelserfolg von der Qualität der Information über Beschaffungs- und Absatzmärkte sowie ihrer Verarbeitung ab. Gerade aber auf dem relativ jungen liberalisierten Stromhandelsmarkt sollte der Lernbedarf der Marktteilnehmer und das Verbesserungspotenzial noch ungleich höher sein als auf reifen Kapital- und Warenterminmärkten. Es ist daher zu klären, welche Informationen noch bereitzustellen sind, die sich für eine Validierung eigenen. Dies wirft die Frage auf, welche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, um Informationen zur Validierung zu generieren und welche dieser Möglichkeiten das größte Potenzial für Wettbewerbsvorteile bietet.
1.5.2Lösungsansatz und weitere Vorgehensweise
Eine Lösung der oben dargestellten Problem- bzw. Fragestellungen ist letztlich eng mit dem Handelserfolg auf einem liberalisierten Strommarkt verknüpft. Diese Arbeit soll zur Lösung einen wesentlichen Beitrag leisten. Zielsetzung ist daher die Ableitung konkreter Hinweise zur ökonomischen Gestaltung des Informationseinsatzes am Beispiel einer Handelseinheit eines typischen deutschen Verbundunternehmens. Dies kann mit folgenden Subzielen konkretisiert werden:
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Konkrete Beschreibung der Merkmale des Informationsbedarfs einer Stromhandelseinheit durch Durchführung einer Aufgabenanalyse.
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Analyse von verschiedenen Teilprozessen der originären Informationsbereitstellung hinsichtlich des vorhandenen Gestaltungsspielraums zur Realisierung von Informations- und Transaktionskostenvorteilen. Dies beinhaltet die Entwicklung und Anwendung eines Entscheidungsrahmens für jeden Teilprozess, der die Selektion von umsetzbaren Gestaltungsalternativen unter Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten ermöglicht.
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Analyse der Möglichkeiten des Informationseinsatzes zur Qualitätssicherung der Informationsverarbeitung unter Erarbeitung konkreter Gestaltungshinweise.
Nachfolgend sei dargestellt, wie im weiteren Verlauf der Arbeit verfahren wird.
In Kapitel 2 werden die organisatorischen und produktspezifischen Rahmenbedingungen des Stromhandels geklärt, sofern sie Einfluss auf den Informationseinsatz haben. Kern der organisatorischen Rahmenbedingungen (GP 2.2.3.2) ist die Detaillierung der internen Organisationsstruktur und der Kernprozesse einer Handelseinheit sowie die Klärung der Frage, wie die neue Funktion „Stromhandel“ in die bestehende Organisation eines VU eingegliedert werden soll. Schnittstellen zu bestehenden Funktionen im VU werden analysiert und unterschiedliche organisatorische Gestaltungsalternativen geprüft. In den produktspezifischen Rahmenbedingungen des Stromhandels werden konkrete Handelsprodukte soweit detailliert, wie dies Auswirkung auf den Informationsbedarf hat. Auf Basis von Überlegungen zu Transaktionsmotiven einer Handelseinheit werden typische Geschäftsvorfälle definiert und ein Musterportfolio kreiert.
In Kapitel 3 wird der Informationsbedarf einer Stromhandelseinheit unter Berücksichtigung der zuvor abgeleiteten Rahmenbedingungen analysiert. Dies erfordert zunächst Überlegungen zu geeigneten Methoden der Informationsbedarfserhebung sowie zu sinnvollen Merkmalen mittels derer sich der Informationsbedarf beschreiben lässt. Der dann gemachten Erkenntnis folgend, dass nur eine Bereitstellung von Informationen zur Deckung des objektiven Informationsbedarfs zu einem verbesserten Informationsstand der Aufgabenträger führt, wird der Informationsbedarf durch die Aufgabenanalyse als objektives Erhebungsverfahren ermittelt. Diese erfordert zunächst eine Detaillierung der zu den Kernprozessen des Stromhandels gehörigen Aufgaben. Hierzu wird soweit verfügbar auf die einschlägige Literatur zurückgegriffen.135 Bestehende Lücken müssen durch dokumentierte Erfahrungen aus bereits länger liberalisierten Ländern, Analogien zur Finanzwirtschaft sowie Experteninterviews mit deutschen und internationalen Markteilnehmern geschlossen werden.136 Die Detaillierung ist die Grundlage für die Ableitung des Informationsbedarfs. Ziel ist eine möglichst vollständige Katalogisierung des Informationsbedarfs anhand sinnvoller Merkmale.
Aufgrund des Umfangs der Analyse sei an dieser Stelle auf drei Einschränkungen hingewiesen:
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Die erste Einschränkung erfolgt durch Ausschluss des klassischen Einzelhandels. Der anonyme Massenmarkt wird in der Betrachtung ausgeklammert. Der Absatz erfolgt ausschließlich an Wiederverkäufer und professionelle Großverbraucher.
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Die Ableitung des Informationsbedarfs erfolgt auf Basis des in GP 2.2.3 abzuleitenden Musterportfolio. Dies ist notwendig, da eine Vielzahl möglicher Transaktionen denkbar ist, die einen unterschiedlichen Informationsbedarf bedingen. Ohne diese Einschränkung ist eine Beschreibung des Informationsbedarfes nicht möglich.
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Die dritte Einschränkung erfolgt durch Fokussierung auf operative und administrative Aufgaben des Stromhandels, die zur Durchführung einer konkreten Transaktion erforderlich sind. Aufgaben, die der Unternehmensführung und dem mittleren Management zuzurechnen sind, z.B. Unternehmensplanung und -entwicklung, Kontrolle und Berichtswesen, werden von der Betrachtung ausgeklammert, da aufgrund der geringen Strukturiertheit und Veränderlichkeit dieser Aufgaben eine Ableitung des objektiven Bedarfs kaum möglich ist. Dies wird in GP 3.1.2 noch detailliert. Operative und administrative Aufgaben zur Durchführung einer Handelstransaktion haben hohen Wiederholungsgrad sowie Routinecharakter und sind daher einer Aufgabenanalyse zugänglich.
In Kapitel 4 werden die verschiedenen Teilprozesse der originären Informationsbereitstellung zur Durchführung von Handelstransaktionen (GP 4.1) sowie die Bereitstellung von Informationen zur Validierung von Ergebnissen der Informationsverarbeitung betrachtet und Gestaltungshinweise erarbeitet (GP 4.2).137 In GP 4.1.1 soll das bestehende interne und externe Informationsangebot analysiert und auf Basis von Kosten- und Nutzen-Aspekten bewertet werden. Ziel ist die Ableitung von konkreten Hinweisen zur transaktionskostenoptimalen Informationsbeschaffung und möglichen Informationsvorteilen. Dies beinhaltet eine Systematik potenzieller Informationsquellen, Hinweise zu deren Eignung sowie die Erarbeitung von Grundlagen der Informationsbewertung und deren konkrete Anwendung auf die Thematik dieser Arbeit. In GP 4.1.2 wird analysiert, inwieweit „wertvolle“ Informationen zugänglich sind bzw. sie zusätzliche Abgabemechanismen benötigen und inwieweit Ansätze des Forschungsgebietes „Wissensmanagement“ für deren Abgabe geeignet sind. In GP 4.1.3 wird auf eine transaktionskostenoptimale Informationsübertragung eingegangen. Ausgehend von der Maxime „Integration ist teuer“ werden Integrationsmöglichkeiten untersucht und Thesen zur Gestaltung einer optimalen Integration bezogen auf Informationsflüsse einer Stromhandelseinheit aufgestellt. Ferner werden Anforderungen an die Funktionalität eines Informationssystems definiert. Abschließend erfolgt in GP 4.1.4 ein Exkurs in die Auswirkungen elektronischer Märkte (eTrade) auf die einzelnen Teilprozesse der Informationsbereitstellung. Ziel ist es aufzuzeigen, inwieweit elektronischer Handel zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen in Form von Informations- und Transaktionskostenvorteilen beitragen kann. Den Abschluss der Arbeit bildet eine Betrachtung von Möglichkeiten zur Validierung von Ergebnissen der Informationsverarbeitung, insbesondere der Strompreisprognose. Hier gilt es, Gestaltungshinweise für die Bereitstellung von Informationen unter ökonomischen Gesichtspunkten zu erarbeiten, die einen Aufgabenträger des Handels oder die Unternehmensleitung in die Lage versetzen, die Qualität der gemachten Prognosen zu validieren.
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