1.2.1Begriff des Stromhandels und Handelsformen
In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird von „Handel in einem weiten funktionellen Sinn“ gesprochen, wenn Wirtschaftsgüter zwischen Wirtschaftssubjekten ausgetauscht werden.2 Bezieht man sich nur auf die Fälle, in denen bewegliche Sachgüter verkauft werden, die von der verkaufenden Unternehmung nicht wesentlich bearbeitet wurden, so wird von „Handel im engen funktionellen Sinn“ gesprochen. Stromhandel im engen funktionellen Sinn kann daher als Austausch von Strom bzw. auf Strom bezogener Produkte (Derivate) zwischen den Marktteilnehmern verstanden werden. Er kann sich in verschiedenen Formen manifestieren, die sich nach folgenden Kriterien klassifizieren lassen:
Handelsstufe
Allgemein unterscheidet sich die Stufe des Großhandels vom Einzelhandel, weil hier der Absatz auf andere Händler oder professionelle Marktteilnehmer, z.B. Aggregatoren, Investmenthäuser, Banken oder Großverbraucher, gerichtet ist.3 Im Einzelhandel ist der Vertragspartner ausschließlich im Verbrauchermarkt zu finden, insbesondere Haushalte und kleines Gewerbe. Ein besonderes Kennzeichen des Großhandels mit Strom ist, dass die physischen Transaktionen weitestgehend auf der Spannungsebene 220/380 kV der Übertragungsnetze (Höchstspannungsebene) stattfinden bzw. im Falle derivativer Transaktionen auf Strom dieser Spannungsebene bezogen sind.4
Fristigkeit
Stromhandelstransaktionen, die bei Abschluss auf eine Erfüllung innerhalb eines Tages (day-ahead) bis einer Woche (week-ahead) ausgelegt sind, werden im Allgemeinen als Spotmarkttransaktionen bezeichnet. Alle darüber hinausgehenden Fristigkeiten werden den Termingeschäften zugeordnet.5 Die derzeit maximale Frist im Stromhandel liegt bei ca. 3 Jahren.6
Handelsobjekt
Wie oben bereits erwähnt, kann eine Transaktion auf den physischen Austausch von Strommengen oder davon abgeleitete Produkte (Derivate) zielen. Klassische Derivate sind Futures, Forwards, Swaps und Optionen.7 Derivate können eine physische Lieferung in der Zukunft oder einen finanziellen Ausgleich („cash settlement“) beinhalten.8
Handelsarten
Typischerweise kann der Handel nach folgenden Arten unterschieden werden:9
-
Eigenhandel, d.h., Transaktionen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Dies ist die klassische Form des Handels.
-
Kommissionshandel, d.h., Transaktionen im eigenen Namen und auf fremde Rechnung.
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Handelsvermittlung, d.h., Transaktionen in fremdem Namen und auf fremde Rechnung. Handelsteilnehmer, die sich auf solche Transaktionen beschränken, werden als Broker bezeichnet.10
Handelsort
Angebot und Nachfrage können zentral über eine Börse (in Form von Spot- oder Terminbörsen) koordiniert werden oder dezentral in so genannten Over-the-Counter (OTC)-Geschäften. Bei OTC-Geschäften werden bilaterale Vereinbarungen auf Basis individueller Bedürfnisse der Marktteilnehmer getroffen, an Börsen werden standardisierte Produkte gehandelt.
Im allgemeinen Verständnis wird mit dem Begriff „Handel“ die Zwischenschaltung einer oder mehrerer Mittlerstufen zwischen Produzenten und Nachfrager verbunden.11 Wie später noch gezeigt wird, trifft dies auf den Stromhandel eines VU nicht immer zu. Diese haben auf der Beschaffungsseite neben dem Einkauf auf einem Handelsmarkt zusätzlich die Möglichkeit, Strom aus eigenen Kraftwerken zu beziehen. Ebenfalls abzugrenzen sind Stromhandelsgeschäfte zu Lieferverträgen zwischen VU und Verbrauchern, die langfristig auf Basis von Festpreisen vereinbart werden. Diese Geschäfte werden von der Vertriebseinheit des VU durchgeführt.
1.2.2 “Informationsbegriffe” 1.2.2.1Daten, Nachrichten, Informationen, Wissen
In der Praxis werden die Begriffe Daten, Nachrichten, Information und Wissen oftmals für verschiedene Sachverhalte synonym verwendet.
Daten sind in Form von Sprache, Zahlen oder Bildern codiert.12 Aufgrund fehlender Interpretation bzw. Wertung stellen sie zunächst keine Handlungsbasis dar.13 Wird den Daten jedoch ein Bedeutungsgehalt hinzugefügt, so entsteht zunächst eine Nachricht. Nachrichten übertragen demnach durch Zeichen abgebildete Sachverhalte.14 Sie können eine Veränderung des Verhaltens bzw. Urteilsvermögens beim Empfänger auslösen. Man spricht dann von einer Information. Folglich hängt es vom Empfänger ab, ob eine erhaltene Nachricht auch tatsächlich eine Information für ihn darstellt. Informationen sind im Gegensatz zu Daten handlungsstiftend bzw. können in bestimmen Kontexten zweckorientiert verwendet werden.15 Informationen sind zwingend an einen menschlichen Träger gebunden, während Daten einer maschinellen Verarbeitung zugänglich sind.
„Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen."16 Es ist das Ergebnis von Lernen und wird aus Daten und Informationen generiert, wenn die Information in einen relevanten Erfahrungskontext des Empfängers eingebettet wird.17,18 Generiertes Wissen kann wiederum einen Rahmen zur Beurteilung und Eingliederung neuer Informationen und Erfahrungen bieten.19 In Organisationen wird Wissen in organisatorischen Routinen, Prozessen, Normen usw. eingebettet und ist beispielsweise in Dokumenten gespeichert.
1.2.2.2Informationsmanagement
Der Begriff „Informationsmanagement“ ist in der Literatur nicht einheitlich belegt.20 Ein gängiges und dieser Arbeit zugrunde liegendes Verständnis liefert Seibt, indem er den Begriff als Management-Ansatz definiert, in dessen Mittelpunkt die wirksame und wirtschaftliche Versorgung aller betrieblichen Stellen und Abteilungen mit denjenigen Informationen steht, die zur Erreichung der Unternehmensziele benötigt werden.21 Wollnik konkretisiert den Begriff, indem er Informationsmanagement auf drei verschiedenen Ebenen beschreibt:22
Abbildung 1: Ebenen des Informationsmanagements
Quelle: Nach Wollnik (1988) S. 38.
Ebene des Informationseinsatzes
Auf dieser Ebene wird der Informationsbedarf und seine Deckung für alle in einer Institution auftretenden internen und externen Verwendungszwecke geplant. Kernaufgabe des Informationseinsatzes und damit Gegenstand dieser Untersuchung ist die Ermittlung des Informationsbedarfs und die Bereitstellung adäquater Informationen.
Ebene der Informations- und Kommunikationssysteme (IuK-Systeme)
IuK-Systeme werden als „Arrangements personeller, organisatorischer (Aufbau-, Ablaufregeln) und technischer (Hardware, Software) Elemente verstanden, die letztlich für die Verarbeitung der bereitgestellten Informationen sorgen soll.23 Dieses Arrangement gilt es inhaltlich festzulegen, um eine Grundlage für die technische Umsetzung zu bilden.
Ebene der informationstechnischen Infrastrukturen
Diese Ebene umfasst die technische Umsetzung, Betrieb, Verwaltung und Wartung der IuK-Systeme.
Jede Ebene definiert Anforderungen an die jeweils tiefere Ebene und erhält ihrerseits wieder Unterstützungsleistungen.
Das 3-Ebenen-Modell wurde in späteren Arbeiten immer wieder aufgegriffen und bildet nach wie vor die Basis vieler Arbeiten aus dem Bereich des Informationsmanagements.24
1.2.2.3Wissensmanagement
Der Spruch „Wenn die Firma wüsste, was die Firma weiß “ wird häufig verwendet, um auszudrücken, welches Potenzial in den Köpfen der Mitarbeiter steckt. Vor dem Hintergrund des viel diskutierten Themas „Wissensmanagement“ finden sich in der Literatur Ansätze, wie dieses Potenzial zu heben ist. Wissensmanagement zielt auf die Verbesserung der Fähigkeiten auf allen Ebenen der Organisation durch einen besseren Umgang mit der Ressource „Wissen“ ab.25 Organisatorisches Wissen wird geschaffen, indem das individuelle Wissen der Organisation zugänglich gemacht wird.26 Eine eindeutige und verbindliche Definition für Wissensmanagement gibt es in der Literatur nicht. Reinmann-Rothmeier/Mandl bezeichnen Wissensmanagement sowohl als eine organisatorische Methode als auch eine individuelle und soziale Kompetenz. Sie umfasst, je nach angesprochener Ebene, unterschiedliche informations- und wissensbezogene Aktivitäten zur Erhaltung und Sicherung zukünftiger Wettbewerbsvorteile für die Unternehmung.27
Wissen ist in der Unternehmung nicht eindeutig bestimmt. Es kann in Form von verborgenem und nur schwer artikulierbarem Expertenwissen (implizites Wissen) bis hin zu gut strukturiertem, explizitem Wissen im Unternehmen vorhanden sein. Verborgenes Wissen, z.B. Erfahrungswissen, kann manchmal, aber nicht immer effizient, in einer Datenbank oder in Dokumenten kodifiziert werden. Grund ist die schwierige Artikulierbarkeit. Explizit verfügbares Wissen, z.B. Patente, kann hingegen problemlos in Datenbanken kodifiziert werden. Entsprechend können zwei grundsätzliche Formen für den Wissenszugriff unterschieden werden.28 Die Externalisierung beschreibt den Umwandlungsprozess von implizitem zu explizitem Wissen durch Kodifizierung. Bei der Kodifizierung wird persönliche Sach- und Fachkenntnis zumeist elektronisch erfasst und dadurch für alle Organisationsmitglieder nutzbar gemacht. Die Sozialisation bezeichnet den Austausch von implizitem Wissen und Erfahrungen zwischen Individuen. Im Gegensatz zur Externalisierung bleibt das Wissen personalisiert. Die persönlichen Beziehungen und der Dialog zwischen den Individuen rücken in den Mittelpunkt.29 Wissensgenerierung und –transfer erfolgen auf Basis interaktiver, persönlicher Kommunikation. Der Bereich des Wissensmanagements liefert viele Ansätze wie Externalisierungs- und Sozialisationsprozesse gesteuert werden sollten. Fast alle Ansätze gehen von existierenden Barrieren des Wissensaustausches aus und schlagen verschiedene Maßnahmen vor, um diese abzubauen.30
Wissensmanagement ist vom Informationsmanagement zu unterscheiden, denn im Gegensatz zum eher technisch ausgerichteten Informationsmanagement ist beim Wissensmanagement der Mensch und seine Entwicklung der Fokus der Analyse.31 Aus diesem Grund erfährt auch die Motivations- und Anreizthematik im Wissensmanagement eine besondere Bedeutung. Allerdings gibt es auch Überschneidungen zum Informationsmanagement. Zum einen werden zur Aufgabenerfüllung Know-how und Erfahrungen Dritter benötigt. Dieses Wissen stellt für einen bestimmten Verwendungszweck eine Information dar, deren Einsatz in der ersten Ebene des Wollnick’schen Modells des Informationsmanagement geplant werden muss. Zum anderen kann der Aufbau von Wissen und Know-how selbst als betriebliche Aufgabe verstanden werden zu deren Erfüllung wiederum Informationen erforderlich sein können. Insofern sollen Informations- und Wissensmanagement als komplementäre Forschungsgebiete verstanden werden, die sich dem gemeinsamen Ziel einer effizienten Aufgabenerfüllung mit unterschiedlichen Mitteln nähern.
1.2.2.4Informationsbedarf
Berthel definiert den Informationsbedarf als Summe derjenigen Informationen, die zur Erfüllung eines informationellen Interesses (z.B. aus Sicht eines Betriebes zur Bewältigung einer Aufgabe) erforderlich sind.32
Zu unterscheiden sind objektiver und subjektiver Informationsbedarf. Objektiver Informationsbedarf resultiert aus der zu erfüllenden Aufgabe und gibt an, welche Informationen zu deren Erfüllung herangezogen werden sollten. Er ist unabhängig von der Person des Aufgabenträgers. Subjektiver Informationsbedarf geht aus der Einschätzung des Bedarfsträgers hervor und umfasst diejenigen Informationen, die dieser nutzen will. Subjektiver Informationsbedarf ist durch die individuellen Bedürfnisse des Bedarfsträgers bestimmt.33 Für den subjektiven Informationsbedarf werden oftmals auch die Begriffe Informationsnachfrage und Informationsbedürfnis verwendet.34
1.2.2.5Informationsbereitstellung
Um den Informationsbedarf zu decken, müssen zahlreiche Aktivitäten zur Bereitstellung der benötigten Informationen ausgeführt werden.35 Hierzu stehen verschiedene Quellen zur Verfügung. Die wohl weit verbreitetste Systematisierung geht auf Aguilar zurück.36 Er unterteilt in interne und externe sowie in persönliche und unpersönliche Quellen. Abbildung 2 zeigt die möglichen Konstellationen:
Abbildung 2: Systematisierung von Informationsquellen
Quelle: Aguilar (1967) S. 115.
Interne, persönliche Quellen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie von Menschen stammen und eine gewisse Individualität aufweisen. Beispiele sind:
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Kenntnisse und Erfahrungen der betreffenden Personen.
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Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen und Hierarchien aus dem Unternehmen.
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Speziell angefertigte Berichte und Dokumente, die keinen routinemäßigen Charakter haben, z.B. Gesprächsnotizen.
Externe, persönliche Quellen bestehen primär aufgrund persönlicher Kontakte zu Personen außerhalb des Unternehmens. Beispiele sind Verbände, Kunden, Messen oder Ausstellungen.
Externe, unpersönliche Quellen bieten einen schier unerschöpflichen Fundus. Beispiele sind Fachzeitschriften, Forschungsinstitute, Nachrichtendienste oder Online-Datenbanken.
Die Informationsbereitstellung umfasst die Aktivitäten, die notwendig sind, um die Quellen einem Aufgabenträger zugänglich zu machen. Sie kann als Prozess verstanden werden, der sich in verschiedene Teilprozesse gliedert.37 In der einschlägigen Literatur wird unterschiedlich detailliert, ohne dass dies für die weitere Untersuchung von Bedeutung wäre. Es sollen die folgenden Teilprozesse der Informationsbereitstellung unterschieden werden, die jedoch nicht immer sämtlich und unbedingt in der angegebenen Reihenfolge ausgeführt werden müssen, um einen Informationsbedarf zu decken.
Tabelle 1: Teilprozesse der Informationsbereitstellung
Teilprozess
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Beschreibung
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Informationsbeschaffung
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Dient der Suche und Selektion von Informationen aus externen und internen Quellen.
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Informationsspeicherung
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Kann als zeitliches Übertragen von Nachrichten verstanden werden, mit dem Zweck diese zu einem späteren Zeitpunkt für andere Teilprozesse der Informationsbereitstellung zu nutzen.
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Informationsabgabe
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Dient dazu anderen Aufgabenträgern Informationen zur Verfügung zu stellen und beinhaltet die Umsetzung subjektiver Denkinhalte in eine bestimme Darstellungsform, die vom Empfänger verstanden wird.
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Informationsübertragung
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Stellt den Vorgang der Weitergabe von Nachrichten an den Empfänger dar.
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Quelle: in Anlehnung an Wall (1996) S. 17-20.
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