Die Kongregation der Schwestern


Erstes Kapitel. Generaloberin Schwester Adelinde und Superior Sattler



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Erstes Kapitel.



Generaloberin Schwester Adelinde und Superior Sattler.


Damit die verwaiste Genossenschaft nicht der Leitung entbehrte, betraute Bischof Räß vorläufig Schwester M. Adelinde mit der Oberleitung und übertrug die Geschäfte des Superiors dem bisherigen Klostergeistlichen Seraphim Schott 81). Infolge der päpstlichen Approbation mußte die Generaloberin nach den kirchlichen Bestimmungen von der Genossenschaft gewählt werden. Da nicht alle Schwestern, die seit fünf Jahren Profeß abgelegt hatten, im Mutterhause sich versammeln konnten, gestattete am 4. September 1867 die Kongregation der Bischöfe und Regularen dem Straßburger Bischof, daß zu dem Kapitel für die Wahl der neuen Generaloberin für diesmal berufen werden sollten die Assistentinnen, alle Oberinnen und eine weitere Schwester aus jeder Niederlassung. Am 22. September - es war ein Sonntag - wurde in Gegenwart des Bischofs der Wahlakt vorgenommen. Mit großer Stimmenmehrheit wurde Schwester M. Adelinde zur Generaloberin erwählt. Schwester M. Joseph behielt die verantwortungsvolle Stelle der Novizenmeisterin.

Die neue Generaloberin war erst 32 Jahre alt. Daß man sie trotzdem wählte, ist ein Beweis des hohen Vertrauens, das man in ihre Fähigkeiten setzte. Geboren am 6. November 1835 zu Oberbronn als Tochter des Steinhauers Lorenz Weber, wohnte die kleine Luise im Alter von 14 Jahren der Profeß der Stifterin zu Niederbronn bei. Am 6. November 1851 trat sie dann selbst als Postulantin ein und erhielt am 1. Januar 1852 das Postulantenkleid, am 27. Mai desselben Jahres das Ordensgewand. Als siebzehnjährige Novizin mußte sie schon in Straßburg fast die volle Tätigkeit einer Ordensschwester ausüben. Am 15. Oktober 1856 legte sie ihre Gelübde ab. Nachdem sie in Kolmar und Mühlhausen sich bewährt hatte, schickte sie Schwester M. Alphons am 23. März 1857 nach München, wo sie als Oberin die erste Niederlassung in der Isarstadt einzurichten hatte. War sie schon als einfache Schwester das Muster einer Ordensfrau gewesen, so blieb sie es nicht minder in der neuen leitenden Stellung. Den Mitschwestern leuchtete sie in allen Standes­tugenden voran. Im Jahre 1861 rief sie die Stifterin ins Mutterhaus zurück und ernannte sie zur Assistentin. Nun lud ihr das Vertrauen der Mitschwestern die schwere Bürde der Oberleitung auf.

Mehr Sorge als diese Wahl bereitete dem Bischof die Ernennung eines Superiors. Gern hätte man in Niederbronn Schott als Obern behalten. Sein sanftes, allzeit liebenswürdiges und entgegenkommendes Wesen mochten ihn den Schwestern des Rates als den geeigneten Mann empfohlen haben. Man tat auch Schritte bei Bischof Räß, um Schotts verbleiben im provisorisch übertragenen Amte zu erwirken. Aber Schotts jugendliches Alter - er war nur um ein Jahr älter als die neue General­oberin - mußte von vornherein diesen Plan als unerfüllbar erscheinen lassen. Nach langem Suchen und Überlegen glaubte endlich Bischof Räß für die Genossenschaft, deren Wohl ihm so sehr am Herzen lag, den richtigen Mann gefunden zu haben. Am 16. Dezember 1867 schreibt der Oberhirte an die von ihm sehr geschätzte Schwester Bonaventura nach Darmstadt, daß er sich endlich entschlossen habe, "nahezu den ältesten Professor aus dem Klerikalseminar als Generalsuperior der Kongregation zu ernennen. Herr Abbé Sattler schreitet den Fünfzigern entgegen, ist schon als außerordentlicher Beichtvater der Kongregation in ihre Interessen und Bedürfnisse eingeweiht, besitzt, wie man mir versicherte, das Vertrauen und zeichnet sich durch Wissenschaft, Klugheit, Frömmigkeit und Eifer aus. Ich habe ihm also ohne weiteres das Superiorat der Kongregation übergeben, obschon ich eigentlich noch nicht weiß, wie ich ihn im Seminar ersetzen werde. Diese Angelegenheit hat mir seit den zwei beweinenswerten Sterbefällen schwere Sorgen verursacht". Am 26. Dezember ging der neue Superior nach Niederbronn, um sich mit der Lage der Dinge vertraut zu machen; am 6. Januar 1868 trat er, von den Schwestern freudig begrüßt, sein neues Amt an.

Die Freude war verfrüht. Die Folgezeit lehrte, daß der Bischof keine glückliche Wahl getroffen hatte. Es gelang dem neuen Manne, den sonst die trefflichen Eigenschaften zierten, nicht, auf die Dauer das Vertrauen der Genossenschaft zu gewinnen. Da war ein gedeihliches Zusammenwirken ausgeschlossen.

Franz Joseph Sattler, geboren am 5. Februar 1821 zu Egisheim, dem Stammsitz des heiligen Papstes Leo IX., war am 21. Dezember 1844 zum Priester geweiht worden. Nach verschiedenen Stellungen im Lehrfach und in der Seelsorge wurde er am 1. Oktober 1857 Professor der Kirchengeschichte am Straßburger Priesterseminar, 1866 Direktor 82) daselbst und sollte nun die Leitung der Niederbronner Kongregation übernehmen. Sattler war ein Mann von sehr umfassender Bildung. Er be­herrschte viele Sprachen und war ein sehr gewandter Lateiner. Von dieser Frömmigkeit beseelt, war er erfahren in den Geheimnissen des inneren religiösen Lebens. Aber er konnte sich nicht dazu aufschwingen, einmal betretene Geleise zu verlassen. Wie er als Lehrer nicht das Geschick besaß, die Lernenden an dem reichen Schatze seinen Wissens teilnehmen zu lassen, so vermochte er auch als geistlicher Leiter der Schwestern nicht, aus dem trockenen Born seines Gemütes lebendiges Wasser zu schöpfen. Ihm fehlte das Geheimnis, die Herzen anzufeuern. Seine wirkliche Herzensgüte drang nicht durch die frostige Atmosphäre, mit der er sein Wesen umgeben hatte. Und so hatte sein Wirken nicht den Erfolg, der im Interesse der Kongregation gelegen hätte. Über dem allzu peinlichen Beobachten juristischer Formeln verlor Sattler den Sinn fürs wirkliche Leben. So kam es, daß an ihm die jugendliche Generaloberin nicht die in den schwierigen Zeiten so nötige Stütze hatte, weil er damals für allzu genau die Vorschriften des Kirchenrechtes befolgte, wonach Frauenklöster sich unter der Leitung der Generaloberin selbst verwalten sollen. Unter der resoluten Führung der verstorbenen Stifterin, welche dem biedern Herrn Reichard in den zeitlichen Angelegenheiten der Kongregation eine ziemlich passive Rolle zugeteilt hatte, mochte dieser Grundsatz sein Gutes haben. Auch die Schwestern, die sich bei Sattler Rats erholen wollten, verwies er meist an die Generaloberin oder an die Klostergeistlichen. So kam es, daß allmählich in Niederbronn, im Mutterhause, wo die Generaloberin ihren Sitz hatte, der gute alte Geist einer Stimmung wich, die nicht von Gutem war, während im Noviziat von Oberbronn unter der bewährten Leitung der Novizenmeisterin, die im Sinne der Stifterin ihres Amtes waltete, alles nach Wunsch ging. Die Generaloberin sowohl als Sattler selbst litten unter diesen Verhältnissen; der Superior glaubte zuletzt, daß durch die Wiederverlegung des Noviziates von Oberbronn nach Niederbronn ins Mutterhaus von selbst eine Gesundung der Verhältnisse eintreten werde. So wurde im Juni 1870 tatsächlich das Noviziat wieder ins Mutterhaus verlegt, während die älteren und kranken Profeßschwestern, um Platz zu machen, nach Oberbronn zogen. Die Zukunft lehrte, daß diese Maßregel vom rein praktischen Standpunkt aus verfehlt war. Sattler hätte, was sein Nachfolger zehn Jahre später tat, das Mutterhaus gleich nach Oberbronn verlegen sollen.

Aber auch an anderen großen Schwierigkeiten fehlte es nicht. Es schien, als wollte Gott sein Werk, das er bisher so reich gesegnet hatte, im Feuerofen der Trübsal läutern und prüfen. Nach dem Tode der Schwester M. Alphons nämlich machten einige ihrer Geschwister, die von Feinden des Klosters aufgehetzt waren, einen Prozeß anhängig um die Hinterlassenschaft der Stifterin; sie hofften aus ihrem Nachlaß mindestens 300000 Franken zu erben. Durch notarielles Testament vom 24. Juli 1854 hatte Schwester M. Alphons Bischof Räß zum Erben ihrer sämtlichen Habe eingesetzt. Am 16. April 1856 war das Vermögen des Klosters auf den Namen der Generaloberin übertragen worden 83). Nun strengten die Geschwister Eppinger gegen den Bischof einen Prozeß an auf Herausgabe des Erbes. Das Gericht zu Weißenburg erklärte am 6. Mai 1868 das Testament der Schwester M. Alphons vom 24. Juli 1854 als nichtig. Aber der Colmarer Gerichtshof, an den Bischof Räß appelierte, kassierte das Weißenburger Urteil, weil dem gesunden Menschenverstand widersprechend; er wies nach, daß das väterliche Erbteil der Stifterin in einem Grundstück bestand, dessen Wert 240 Franken nicht überstieg. Die Kläger wurden kostenfällig abgewiesen.

Um andere Schulden zu decken, mußte Sattler verschiedene Liegenschaften veräußern, so das einst von der Genossenschaft erbaute Schulhaus zu Jägertal und das Waisenhaus zu Neunhofen sowie das Gut Singlingen. Aus dem Erlös konnten dringende Schulden bezahlt werden; auch sollte er zum Teil zur Errichtung eines ordentlichen Wohnhauses für den Superior und die Klostergeistlichen dienen.

Sattler hatte mit der Rückverlegung des Noviziats nach Niederbronn bei dem Kongregationsrat nur durchdringen können mit der Berufung auf die kirchenrechtlichen Vorschriften, welche eine Trennung von Mutterhaus und Noviziat verbieten. Auf die gleiche Weise war es ihm gelungen, auch die Brüderkongregation aufzulösen. Manch andere Neuerungen hätten auch noch die am 7. Mai 1870 von Rom approbierten neuen Statuten gebracht, wenn sie in Kraft getreten wären. Sie waren Sattlers Werk, der noch im Jahre 1869 selbst nach Rom gereist war. Doch davon Näheres im übernächsten Kapitel. Vorerst gilt es, die Schicksale des Mutterhauses während des Krieges zu betrachten, der seine schwarzen Schatten bereits über die Gegend warf.

Zweites Kapitel.

Die Schrecken des Krieges.

Nach der Kriegserklärung vom 19. Juli 1870 wurde Niederbronn sofort der Schauplatz regen soldatischen Treibens. Die französischen Truppen überfluteten das friedliche Städtchen und biwakierten rings auf den Anhöhen. Das Mutterhaus, dessen Obere gleich nach der Kriegserklärung der französischen Regierung das Personal der Genossenschaft zu unbeschränkter Verfügung in der Verwundetenpflege gestellt hatten, mußte in den ersten 14 Tagen täglich 200-300 Soldaten, die auf dem Durchmarsch nach der Grenze begriffen waren, beköstigen, da für die Verproviantierung der Truppen herzlich schlecht gesorgt war. Den Schwestern gereichte es zur besonderen Genugtuung, daß zahlreiche Soldaten die Kapelle aufsuchten und sich durch Gebet und Beicht auf die kommenden ernsten Ereignisse vorbereiteten.



Am Morgen des verhängnisvollen 6. August verkündete unaufhörlicher Kanonendonner, daß drüben bei Fröschweiler und Wörth die Schlacht in vollem Gang war. Mit Furcht und Zittern konnten die Insassen des Hauses zu Oberbronn von ihrer Anhöhe das unheimliche Auf- und Niederwogen des Pulverdampfes über dem Sauertale beobachten. Auch im Mutterhause harrte man ängstlich der Dinge, die da kommen sollten. Gegen 4 Uhr nachmittags zogen die ersten Abteilungen der geschlagenen französischen Armee durch Niederbronn und flüchteten sich eilends auf die westwärts gelegenen Berge. Im Mutterhaus fanden viele halbverschmachtete Krieger Erquickung. Um 5 Uhr war der mörderische Kampf in Fröschweiler beendet, und die deutschen Truppen nahmen sofort die Verfolgung auf. Bei Niederbronn hatte sich zur Deckung der Flüchtlinge die frische französische Division Lespart vom Faillyschen Korps aufgestellt. Die deutschen Verfolgungstruppen eröffneten von den Anhöhen aus ein lebhaftes Feuer auf die Lespartsche Division. Eine gewaltige Furcht, die nicht unbegründet war, erfüllte nun die Bewohner des Mutterhauses. Hören wir über diese Schreckensstunden den Bericht der Generaloberin 84). "Während dieser angst- und drangvollen Zeit wußten wir keinen besseren Zufluchtsort als unsere Kapelle, wohin sich die ganze Genossenschaft begab und wo eine Partikel des heiligen Kreuzes aufgestellt wurde. Alle knieten vor dem Hochaltar mit ausgespannten Armen, den ganzen Psalter des Rosenkranzes mit dem Zusatz einer Litanei betend. Dort beim göttlichen Heiland und unter Anrufung des Schutzes der lieben Mutter Gottes fanden wir Beruhigung, Trost und Ergebung in dieser so schrecklichen Stunde. Dem besondern Schutze Mariens und des hl. Joseph verdanken wir die Erhaltung unseres lieben Mutterhauses. Denn ohne diesen Beistand hätte das Kloster samt Niederbronn in einem solchen Feuer zu einem Aschenhaufen verwandelt werden können. Als nach und nach das Schießen weniger hörbar wurde, blieb die Genossenschaft noch immer in der Kapelle; ich entfernte mich von ihr, um mich zu erkundigen, wie es möchte aussehen außerhalb des Klosters. Plötzlich hörte ich ein Traben von zahlreichen Menschen und sah von der Höhe eines Fensters, wie eine große Anzahl deutscher Soldaten vor dem Kloster in Reihen sich ordneten und ihre Geschütze richteten, um abzufeuern. Schnell ging ich zur Pforte; im Hofe begegnete mir der hochw. Herr Beichtvater, welcher aus der Kapelle kam. Ich bat ihn, doch mitzugehen; ich blieb mit noch einigen Schwestern an der Pforte zurück. Der Herr Beichtvater ging zum Oberst und bat ihn, dieses Haus zu verschonen, da es ein Kloster der barmherzigen Schwestern sei, worauf der Oberst höflich erwiderte, daß sie nicht schießen würden, wofern nicht gegen sie geschossen werde. Darauf blieb alles ruhig und die Truppen entfernten sich vom Kloster." Auch draußen im Bruderkloster, das gerade am Fuße der von den deutschen Truppen besetzten Höhen an der Reichshofener Straße lag, war die Lage nicht sehr gemütlich. Lassen wir Schwester Beata erzählen, wie es da zuging: "Nach der Schlacht kamen die Franzosen zurück, ganz verschmachtet; wir haben den ganzen Nachmittag ausgeschenkt, was wir hatten. Einer von den Soldaten starb noch am selben Tage in unserem Stall auf dem Stroh im Bruderhof. Danach kamen noch so viele Verwundete, daß wir sie nicht alle aufnehmen konnten; die Kugeln flogen im Hofe nur so herum. Mit einem Wägelchen haben Schwester Galla und ich sie selbst hinein ins Mutterhaus gefahren. Hierauf kamen die Deutschen, die waren geradeso zugerichtet, wir haben sie auch so bedient. Ein Oberst war so gerührt und dankbar, daß er uns Mehl und Fleisch für die Kranken und Kinder schickte. Täglich hatten wir genug zu kochen und auszuteilen."

Sobald von den deutschen Truppenteilen der Zweck und die Bedeutung des Mutterhauses, das von einigen anfänglich für eine Kaserne gehalten wurde, erkannt worden war und der vorhin erwähnte Beichtvater Abbé Wernert dem Platzkommandanten die Dienste der Schwestern für die Verwundeten angeboten hatte, wurde die weiße Flagge aufgezogen. Abgesehen von einem Falle, wo einige rohe Soldaten in den Klosterkeller eindrangen und in übermütiger Weise ein Faß Wein auslaufen ließen, hatte das Mutterhaus, dessen Dienste man sehr zu würdigen wußte, nichts von den deutschen Truppen zu erleiden. Plakate an den Klosterpforten warnten alle später durchziehenden Truppen, das Kloster irgendwie zu belästigen.

Für die Schwestern begann jetzt eine schwere, arbeitsreiche Zeit. Da die französischen Behörden an eine so nah bevorstehende Schlacht nicht gedacht hatten, fehlte es am Allernötigsten. Zum Glück hatte das Mutterhaus eine große Menge Scharpie zum Versand bereitgehalten; diese leistete jetzt an Ort und Stelle vorzügliche Dienste. Schon am ersten Abend brachte man eine Menge Verwundeter, meist Franzosen, die im alten Klosterhause untergebracht wurden, da das neue Gebäude von Novizen und Postulantinnen ganz besetzt war. In einem Nachbarhause wurden 24 Verwundete einlogiert. Der Klosterhof, auf dem eine Zeltbaracke errichtet war, diente auch als Lazarett; hier walteten Schwester Delphine und Ardaleon mit Novizen ihres Amtes. Im Kloster selbst wirkte die Assistentin Schwester Melanie. Auch das Bruderkloster und ein gegenüberliegendes zweistöckiges Haus wurden mit Verwundeten und Kranken belegt, deren Pflege von den Schwestern Kunigunde und Fides geleitet wurde. Im Kurhaus, damals unter dem Namen "Bauxhall" bekannt, waren 200 kranke und verwundete Soldaten untergebracht. Das Kloster hatte 40 Betten mit frischen Linnen gestellt. Im unteren Saale lagen die schwer verwundeten Krieger. Tag und Nacht wachten und pflegten Schwestern und Novizen des Mutterhauses. Der Klostergeistliche Zimmermann war mit der Pfarrgeistlichkeit von Niederbronn unermüdlich im Spenden von geistlichem und leiblichem Trost. Für die jungen Novizen war es eine harte Schule. Hören wir den schlichten Bericht einer Schwester über das Leben und Treiben im Bauxhall: "Es war ein wahres Elend; die Kranken lagen auf dem Boden auf einem Strohsack; da lag ein Toter, dort röchelte ein Sterbender, hier jammerte ein Verstümmelter; dem einen fehlte der Fuß, der andere hatte keinen Arm mehr. Die Soldaten waren sehr dankbar, sie wußten gar nicht, wie sie den Schwestern ihre Dankbarkeit bezeigen sollten; jene, die nicht mehr reden konnten, drückten durch beredte Blicke ihre dankbare Gesinnung aus." Die Novizen, denen man statt des weißen Schleiers den schwarzen gegeben hatte, wetteiferten miteinander in heldenmütiger Aufopferung. Auch der Bahnhof und die Güterschuppen waren zu einem Spital umgewandelt worden; hier hatten die Schwestern Cölestine, Jérémie, Héliodore und Bassa mit Novizen und Postulantinnen die Pflege übernommen. Im Rathause pflegten die Schwestern Edmund, Appiana, Menodora und einige Novizen. Es gab aber nicht nur Verwundete zu pflegen, sondern auch Typhus, Cholera und Blattern richteten Verheerungen an. Eine Novizin, die Cholerakranke pflegte, erkrankte an Typhus, eine andere, die auf der Blatternstation tätig war, wurde von Blattern und Typhus gleichzeitig befallen; aber beide genasen wieder.

Noch ein reizendes Idyll aus dieser schweren Zeit mag uns Schwester Apodemia erzählen, die damals in den Güterhallen pflegte. Gerade wollten die jungen Schwestern von der Nachtwache nach Hause gehen; es war ein bitterkalter Wintermorgen, da fuhr ein Güterzug in den Bahnhof ein, der französische Kriegsgefangene nach Deutschland brachte. Aus einem der geöffneten Wagen beugte sich ein erfroren dreinblickender Soldat heraus, der sich an die Schwestern wandte und flehentlich bat: "Schwester, mir ist so kalt, ich habe nichts am Hals." Schwester Julie bedenkt sich nicht lange und reicht ihm ihr eigenes Tuch, das sie sich vom Hals nestelte. Im Begriffe weiterzugehen, hört sie das jämmerliche Flehen eines zweiten, der sich über seine bloßen Füße beklagte. Auch da weiß das Mitleid des tapferen Schwesterleins Rat. Schwester Apodemia muß schützend vor sie stehen, und hinter diesem lebenden Wandschirm zog sie ihre eigenen Strümpfe aus und reichte sie dem frierenden Mann. Erinnert dieses köstliche Bild nicht an die rührende Geschichte vom Mantel des hl. Martinus?

Bis tief in den Februar hinein blieben die Niederbronner Ambulanzen gefüllt. Während dieser Zeit wurden an das Mutterhaus große Ansprüche gestellt in Bezug auf Nahrungsmittel. Aber man litt nie Mangel. Schwester M. Adelinde hebt in ihrem eingangs erwähnten Bericht hervor, daß Gott sichtlich für alle Bedürfnisse sorgte: "Obschon das Kloster arm ist und kein sonstiges Einkommen hat als Gottes väterliche Vorsehung, litt die Genossenschaft keinen Mangel in dieser harten und betrübten Zeit und konnte viele Hunderte gesunde und kranke Militärs verköstigen. Es war fast wunderbar, denn hier in Niederbronn waren keine Lebensmittel mehr zu haben, indem bereits alles aufgezehrt war; ebenso wenig konnte man dergleichen in den nahe liegenden Städten bekommen." Sie fügt noch bei, daß "der Klostergarten in langer Zeit nicht so fruchtbar gewesen ist wie dieses Jahr, wo längere Zeit französische und deutsche Truppen einlogiert waren. Unsere Schwester Gärtnerin empfahl jeden Tag den Garten dem Schutze der armen Seelen". Auch den christlichen Gesinnungen der französischen und deutschen Verwundeten und kranken Krieger, welche die Schwestern pflegten, spendet sie alles Lob.

Wie es kam, daß die Klostergemeinschaft keinen Mangel litt, darüber liegt noch ein interessanter Bericht der Schwester Leopold vor. Sie weiß zu erzählen, daß ein "lediger Mann mit Namen Briemer aus Deutschland, der aus Neugierde 85) das Heer begleitet hätte und die Schwestern Kunigunde und Fides bei der tatkräftigen Verwundetenpflege im Bruderkloster beobachtete. Das gefiel ihm, und er bat dann die Schwestern, da er vier Tage und Nächte nicht zur Ruhe gekommen war, um ein Nachtlager; seine Bitte wurde gerne gewährt. Dies war am 6. August, und er blieb dann bei den Schwestern bis Weihnachten. Das Kloster hatte an ihm eine große Stütze. Als keine Nahrungsmittel mehr vorhanden waren, ließen die Soldaten das Rindvieh aus den Ställen des Bruderhofs heraus, um es zu schlachten. Da war aber Herr Briemer gleich beim Oberst, um es zu melden; die betreffenden Soldaten wurden dann bestraft und auf das Tor am Bruderhof wurde geschrieben: Es ist strengstens untersagt, hier jemanden Leids zu tun, es ist ein Lazarett. Die ehrw. Mutter Adelinde sagte oft zu uns: Seht, wie der liebe Gott für uns durch diesen Mann sorgt, wir leiden bei dem Kriege gar keinen Mangel, denn Herr Briemer wartet nicht, bis nichts mehr da ist, er geht schon vorher zum Oberst und meldet, daß wir Nahrungsmittel brauchen. Er wurde dann immer vom Militär aus mit unserem Knecht nach Weißenburg geschickt, um Mehl, Erbsen, Linsen, Bohnen, Reis, Grieß, Zucker und Kaffee mit einer Fuhre zu holen. Die Obersten vom Militär waren den Schwestern sehr wohlwollend wegen der guten Krankenpflege. Auch für Fleisch war gesorgt; es kam von Hagenau."

Das Haus zu Oberbronn wurde weniger in Mitleidenschaft gezogen; aber ganz unberührt vom Kriegslärm blieb es auch nicht. Am Nachmittag der Schlacht wälzten sich zahlreiche Schwärme flüchtiger Soldaten durch das Wiesental von Reichshofen herauf gegen Oberbronn. 45 Verwundete erhielten Aufnahme im Kloster und blieben hier bis Februar. Ein Turko, dem ein Bein abgenommen wurde, starb an Blutverlust 86).

Das, was das Mutterhaus in Niederbronn selbst an Werken der Nächstenliebe verrichtete, war aber nur ein geringer Bruchteil von dem, was die Schwestern in zahlreichen Lazaretten Frankreichs und Deutschlands leisteten. Das wird an anderer Stelle eigens zu würdigen sein 87). Hier, wo es sich um die Geschichte des Mutterhauses als des Hauptsitzes der Genossenschaft handelt, sind noch die verhängnisvollen Folgen zu erwähnen, die das Kriegsjahr für die gesamte Kongregation nach sich zog.

Zunächst mußte die Überanstrengung der Schwestern, dann die ein weibliches Gemüt stark beeinflussenden Bilder des Jammers und der Not, die der Krieg mit sich brachte, auf den Gesundheitszustand der Genossenschaft sehr nachteilig wirken. Am stärksten mitgenommen wurden in Niederbronn die jungen Kandidatinnen. Manche wurden dadurch ganz untauglich für ihren Beruf. So heißt es z. B. in einem Schreiben 88), in welchem die Generaloberin dem Pfarrer Moser zu Friedberg im Württembergischen Mitteilung vom schlechten Gesundheitszustande der Kandidatin Josepha Witt von Wolfersweiler macht. "Es ist jedermann bekannt, daß von Beginn des Krieges an bis jetzt Niederbronn immer Einquartierung und Militärlazarette gehabt hat. Unsere Schwestern hatten anhaltende und anstrengende Kranken- und Verwundetenpflege an der Dienstmannschaft zu üben, und da ihre Zahl hier notwendigerweise beschränkt war, weil in den Filialhäusern derselbe Dienst eben auch zu versehen war, oder weil eine Anzahl von Schwestern bis in die Umgebung von Paris sich begeben mußte, um Lazarettdienste zu versehen, so mußten selbst die Kandidatinnen hier behilflich sein, was sonst in der Regel nicht geschieht, bevor sie nicht wenigstens ein Jahr im Noviziat zugebracht haben. In einer Abteilung des Klosters hatten wir längere Zeit teils Verwundete, teils Blatternkranke, die von Schwestern verpflegt wurden; manche Schwestern erkrankten dabei, sei es, daß sie dasselbe oder ein anderes Übel traf. Auf andere machten dann die öfteren Waffenübungen, meistenteils in unmittelbarer Nähe des Klosters, öfters mit Hurrageschrei verbunden, einen leicht erklärlichen erschütternden Eindruck. Dann Tag und Nacht auf den Füßen sein, das Leiden der Verwundeten ansehen, bald sie mühevoll heben, bald sie verbinden, vielleicht auch einen Ekel fassen oder mitleidig gerührt werden: dies alles kann leicht ein junges Gemüt verwirren oder auch auf die besten Kräfte lähmend einwirken."

Auch in vielen Filialhäusern zeigten sich die Folgen der angestrengten, oft das Maß menschlicher Kraft übersteigenden Tätigkeit. Am 22. August 1871 teilt Superior Sattler dem Bischof mit, daß in vielen Häusern durch Tod oder Krankheit der Schwestern Lücken entstanden seien, die man ausfüllen müsse. Eine Filiale der Diözese Nancy mußte aufgehoben werden wegen Mangels an Personal. An Neugründungen waren diese Zeiten nicht reich; das Jahr 1871 hatte deren nur fünf zu verzeichnen. Viele Gesuche um Schwestern mußten abschlägig beschieden werden. Noch im Jahre 1876 teilte Superior Simonis dem Bamberger Professor Heinrich Weber mit: "Wir leiden noch immer an den Nachwehen des Krieges. Es kamen damals zu wenige Postulantinnen. Der Krieg hat seinerseits die Kräfte der Schwestern aufgerieben. Um irgendwie auszuhelfen, mußten wir einer großen Zahl Novizen mit unbeendigtem Noviziate den schwarzen Schleier geben. Diese armen Kinder schmachten und seufzen wie arme Seelen im Fegfeuer nach Noviziat und Profeß. Wir mußten uns befleißen, dieselben nach und nach ins Mutterhaus zu rufen."

Dann war auch nicht zu verwundern, daß von den Schwestern, die der Armee folgten, die eine oder die andere im Wirrwarr der Verhältnisse und unter den Gefahren, die das freiere Leben für weniger gefestigte, an eine regelmäßige Ordnung gewohnte Personen mit sich brachte, dem Berufe verloren ging. Aber glücklicherweise brauchte man im Mutterhause nur ganz wenige solcher Fälle zu beklagen.

In schwierige pekuniäre Verhältnisse kam durch den Krieg die große Filiale zu Straßburg, weil viele Wohltäter des Hauses infolge der Annexion des Elsasses durch Deutschland die Stadt verließen.

Drittes Kapitel.


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