Die Kongregation der Schwestern


Schwester M. Macrine Frey, die vierte Generaloberin



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Schwester M. Macrine Frey, die vierte Generaloberin.


Tod des Superiors Simonis 1903.

Am 11. Juni 1900 ging aus der Wahlurne als Generaloberin hervor Schwester M. Macrine. Geboren zu Mühlhausen am 1. Mai 1845, trat Magdalena Frey, die im elterlichen Hause eine tiefchristliche Erziehung erhalten hatte, nach dem Tode ihrer Mutter am 6. April 1875 ins Mutterhaus zu Niederbronn ein. Nach ihrer Profeß, die am 17. Dezember 1876 erfolgte, begann die nunmehrige Schwester M. Macrine im Hause zu Straßburg ihren Ordensberuf auszuüben, wo sie bis im Februar 1880 mit solchem Erfolg wirkte, daß die Obern sie als Oberin nach Weißenburg schickten. In dieser Stellung war sie bis 1884 tätig; in gleicher Eigenschaft stand sie der Niederlassung zu Avenay (Dep. Marne, Frankreich) vor, bis sie im Jahre 1886 zu dem wichtigen Amte einer Novizenmeisterin ins Mutterhaus berufen wurde. Elf Jahre lang wirkte sie äußerst segensreich in der Heranbildung berufsfreudiger, frommer Ordensfrauen. Im Verein mit der ehrw. Mutter M. Damien verfaßte sie die jetzt noch gebräuchliche Hausordnung und Regel des Noviziates. Im Jahre 1897 wurde sie in den Rat gewählt mit der Aufgabe, die Häuser zu visitieren. So erwarb sie sich, nachdem sie bereits in allen übrigen Ämtern reiche Erfahrungen gesammelt hatte, auch eine eindringende Kenntnis der Gesamtlage der Kongregation und war, seitdem sie nach dem Tode der Schwester Tharsilla (gest. 1898) das Ökonomat übernommen hatte, in allen Verwaltungszweigen trefflich bewandert. Darum war ihre Wahl zur Generaloberin in jeder Beziehung ein glückliches Ereignis.

In ihr erhielt der Superior eine vortreffliche und verständnisvolle Mitarbeiterin. Leider sollte ihm diese Mitarbeiterschaft nicht lange vergönnt sein. Denn auch bei ihm fing es an, Abend zu werden. Er hatte in den 30 Jahren, die ihn an der Spitze der Kongregation sahen, sein Leben buchstäblich aufgerieben. Nun ging es nicht mehr. Im Jahre 1900 hatte er zum letzten Male im schönen Herz-Jesu-Kloster zu München, das er so sehr liebte, den Exerzitien der bayrischen Schwestern vorgestanden. Sie selbst zu predigen, wie es früher stets seine Gewohnheit war, ist ihm in den letzten Jahren nicht mehr möglich gewesen. Seine Kräfte verfielen zusehends.

Es war ein bitteres Gefühl für den Mann, der zeitlebens in rastloser Arbeit aufgegangen war und in seiner Strenge gegen sich selbst jede Erholung als Zeitverlust angesehen hatte, sich immer mehr zur Untätigkeit verurteilt zu sehen. Schon im Jahre 1898 hatte er sein Reichstagsmandat aufgeben müssen, das er schon das vorige Mal nur wider Willen von seinen politischen Freunden sich hatte aufdrän­gen lassen. Als er im Winter 1899 das große Pariser Haus in der Rue Bizet besuchte, fühlte er zum ersten Mal das Anpochen des nahenden Todes, indem ihn auf offener Straße ein wenn auch leichter Schlaganfall überrascht hatte. Er erholte sich verhältnismäßig leicht und suchte in der Folgezeit zweimal Erholung im Bade Contrexéville. Der Tod der ehrw. Mutter M. Damien erfüllte ihn mit trüben Ahnungen. Das Schicksal seiner lieben Genossenschaft beschäftigte damals seine Seele besonders lebhaft. Er schrieb an seine Nichte, die Baronin Sensburg: "Wie wird es in der Zukunft um die Kongregation bestellt sein? Gott allein weiß es. Die Schwestern sind ein guter Same, der draußen ausgestreut ist. Ihr Geist ist gut; sie wirken Gutes. Der liebe Gott segnet sie reichlich. Die wenigen Tage noch, die mir Gott zum Leben läßt, will ich anwenden, um guten Samen über die Welt zu säen. Wenn ich ihn nur von dort oben aufgehen sehe." 156)

Dieses Bewußtsein, nicht umsonst gelebt, sondern durch sein Wirken in der Kongregation der Kirche und der Menschheit genützt zu haben, war ihm ein Trost in den Tagen der Ermattung und der Altersschwäche. Am 16. Dezember 1901 schrieb er, schon mit zitternder Hand, einer Schwester, die ihr fünfundzwanzigjähriges Profeßjubiläum feierte: "Ich gratuliere herzlich, liebe Schwester R. Es ist etwas, wenn man im Kloster 25 Jahre Profeß zählt. Allein es muß zugleich auch mir gratuliert werden, da ich die schönen Früchte sehe, welche die vor 25 Jahren gepflanzten Bäume gebracht haben. Ja, danken wir dem lieben Gott aufs beste. Unser Leben ist also nicht ganz unnütz vorübergegangen. Es gilt aber nicht einfach darum, daß wir fortfahren, uns Mühe zu geben, sondern es muß der 17. Dezember 1901 für uns ein neuer Ansporn sein, um von heute an mit jedem Tage demütiger, eifriger und großmütiger an Gottes Ehre zu arbeiten."

Als er dies schrieb, war er schon fast immer ans Zimmer gebannt. Nur der vortrefflichen Pflege, die ihm Schwester Milburga, die langjährige, treubesorgte Schaffnerin des Priesterhauses, angedeihen ließ, und der erstaunlichen Energie des Greises war es zu danken, daß der morsche Lebensfaden nicht schneller abriß. Am 31. Juli 1902 feierte Simonis im Kreise zahlreicher Verwandten 157) und Freunde sein Namensfest. Mit einem letzten Aufwand von Kraft ließ er bei der Beantwortung aller Trinksprüche seinen Geist und seinen Humor spielen. Es war das letzte Aufflammen regen Lebens gewesen. Auch die Feder, die er am Schreibtisch so unermüdlich gehandhabt hatte, mußte er jetzt ruhen lassen. Er konnte, wenn es sein Schwächezustand erlaubte, nur noch diktieren. Mühsam hatte er seine letzten Worte gekritzelt, die gewissermaßen der Abschiedsgruß an seine Töchter sind: "Ich habe euch ermutigt, ich ermutige euch noch jetzt und werde euch noch weiter ermutigen. Im Tode werde ich zum Abschied euch noch Mut zusprechen."

Dann kam ein monatelanges stilles, trauriges Dahinleben im Krankenbette und im Lehnstuhl, ein müdes, langsames Hinüberdämmern, das nur durch Beten unterbrochen war. Am 11. Februar 1903 ist Ignatius Simonis, mit dem Rosenkranz, den er gerne und so oft betete, im Lehnstuhl sitzend, friedlich ins Jenseits eingegangen. Er hat ein Alter von 72 Jahren erreicht.

Es war der Tod des Gerechten. Sein Leben ist nach einem schönen Bibelworte voll Mühe und Arbeit und darum köstlich gewesen.

Die Leichenfeier, die am 14. Februar stattfand, zeigte, welch großen Ansehens der Verblichene sich erfreute. Sie nahm ihren Anfang um 9 Uhr morgens in Oberbronn. Am Vorabende schon hatte Stadtpfarrer Grußenmeyer von Schlettstadt, ein Freund des Toten, den versammelten, aus der Ferne herbeigeeilten Schwestern dessen Verdienste gepriesen 158). Der Sarg war in der schwarz ausgeschlagenen alten Kapelle aufgebahrt. Domkapitular Schott, der vor 1870 als Klostergeistlicher im Muterhaus gewirkt hatte, segnete die Leiche ein, Generalvikar Schmitt sang das Traueramt, wonach der siebenundsiebzigjährige Superior der Straßburger Barmherzigen Schwestern und ehemalige Reichstagsabgeordnete Joseph Guerber, der mit Simonis Schulter an Schulter gekämpft hatte, die Kanzel bestieg und dem toten Freunde die Trauerrede hielt. "Er ruhet und wir trauern", mit diesen markigen Worten fing der greise Prediger seine ergreifenden, vom Schluchzen der Schwestern oft unterbrochenen Ausführungen an 159). Der hochw. Herr Bischof Dr. A. Fritzen, der es sich nicht hatte nehmen lassen, dem hochverdienten Manne die letzte Ehre zu erweisen, hielt das Libera ab, worauf sich der unabsehbare Zug der Leidtragenden, die von nah und fern herbeigeeilt waren, nach dem Klosterfriedhof zu Niederbronn in Bewegung setzte. Als Vertreter des hochw. Herrn Erzbischofs von Freiburg war Domkapitular Schenk erschienen. Neben mehreren Straßburger Domherren und unzähligen Geistlichen bemerkte man Angehörige verschiedener Orden, einige elsässische Reichstagsabgeordnete, Vertreter aller katholischen Blätter des Elsasses, die Bürgermeister und Ratsmitglieder der Gemeinden Niederbronn, Oberbronn u. a. m. Stadtpfarrer Prälat Frey von Colmar sprach die letzten Gebete am Grabe, das die irdischen Überreste des Verewigten aufnahm.

Superior Guerber hatte seine Trauerrede mit dem inhaltsreichen Satze geschlossen: "Auf den Leichenstein des Verstorbenen oder unter das Kreuz über seinem Grabe setzen Sie die Worte: Ein Mann des Volkes, ein Führer der Seelen, ein Priester nach dem Herzen Gottes."

Kürzer und treffender hätte man den Verewigten nicht charakterisieren können. Er war ein Mann des Volkes, der mit ihm dachte und fühlte und für alle seine Nöte ein warmes Herz hatte. Er war es als Pfarrer und als Leiter seiner Genossenschaft, denn was erstrebte er als solcher anders, als daß er die Schwestern heranbildete zu Wohltäterinnen für die Armen und Kranken der unteren Volksschichten, zu Müttern der Waisen und Trösterinnen der Hilflosen und Verlassenen? Er war ein Mann des Volkes, der jahrzehntelang dessen materielle und geistige Interessen im Reichstage vertreten hatte.

Er war ein Führer der Seelen - darüber brauchen wir hier, nach allem Vorausgegangenen, nicht mehr viele Worte zu verlieren. Wie viele er im Schoße seiner teuren Genossenschaft nicht bloß selbst zu ihrem ewigen Heile führte, wieviel mehr er noch durch den Seeleneifer, den er zeitlebens in seinen Töchtern genährt und zu hellem Feuer entfacht hatte, für Gott gewann, wer könnte sie zählen?

Er war ein Priester nach dem Willen Gottes. Er war es von ganzem Herzen und ganzer Seele. In diesem von inniger Herzensfreude gewählten Berufe ging er auf. All sein Streben und Trachten war nur darauf gerichtet, wie er das Reich Gottes auf Erden vergrößern, wie er den Einflußbereich der katholischen Kirche, deren Diener er war, erweitern könnte. Darum ließ er sein Wirken über den gewöhnlichen seelsorgerlichen Pflichtenkreis hinausgreisen auf alle Gebiete, auf denen er die Macht des religiösen Gedankens zur gebührenden Geltung bringen wollte. Zu einer Zeit, wo eine ausgesprochene katholische Presse in seiner Heimat so gut wie nicht existierte, ist er als einer der ersten auf den Plan getreten und hat mit einer Rührigkeit und einem Opfermut ohnegleichen einer überzeugungstreuen katholischen Presse die Wege geebnet. Als Pfarrer zu Rixheim gründete er den "Volksboten", das "Odilienblatt", die "Heilige Familie", und wo irgendwie Volksblätter auftauchten, bemühte er sich, sie zu verbreiten. Sie waren ihm Apostel im weltlichen Kleide, Prediger, deren Ruf weiter hinaushallte als das Wort von der Kanzel, und oft wirksamer war 160). Auch durch rege eigene Mitarbeit hat er die Presse unterstützt 161). Er faßte diese Arbeit als ein Apostolat auf, dem sich keiner entziehen dürfe, der die nötigen Fähigkeiten besitze. Noch auf anderem Gebiete betätigte sich der apostolische Eifer von Dr. Simonis: auf dem Gebiete des Missionswesens. Die Glaubensboten, die nach fernen Weltteilen zogen, um Christi Lehre unter den wilden Heidenvölkern zu verbreiten, klopften nie vergeblich an seine Türe. Er schätzte sich direkt glücklich, ihnen reiche Unterstützung zuteil werden zu lassen. Wenn Bischof Allgeyer aus der Kongregation der Väter vom Heiligen Geiste - ein Schüler von Simonis - eine seiner Missionsstationen in Britisch-Ostafrika Simonisdale genannt hat, so hat der freigebige alte Herr diese Ehre reichlich verdient, denn er hat fast sein ganzes sehr beträchtliches Vermögen für Missionszwecke verwendet.

Bei seiner weitverzweigten Tätigkeit ist Simonis nie im äußeren Wirken aufgegangen. Wenn er bei der Heranbildung von tüchtigen, ihrem Ordensberufe gewachsenen Schwestern so glänzende Erfolge erreicht hat, so geschah es nur, weil er das, was er lehrte, aus der Fülle des eigenen reichen Herzens schöpfte. Eine auf gesunder Grundlage ruhende, allem Übertriebenen und Außergewöhnlichen abholde Frömmigkeit war eine seiner schönsten Priestertugenden. Er hat die Flamme der Gottesliebe, die in seinem Herzen glühte, nie ausgehen lassen. Auch wenn er auf Reisen war, trug er zwei Bücher ständig bei sich: Das Neue Testament und die vier Bücher der Nachfolge Christi. Darin schöpfte er die innere, lebendige Kraft, die auch andere beleben konnte.

Er war ein edler Mensch. Nichts Kleinliches war in dem kleinen, gedrungenen Manne mit dem breiten, unendlich gütigen Gesichte. Güte und Wohlwollen für die Mitmenschen, namentlich für die Armen und Unglücklichen, war ein Hauptzug seines Wesens. Für seine Freunde, deren er überall viele zählte, war ihm kein Opfer zu groß. In Gesellschaft war er ein ausgezeichneter Unterhalter. Mit feinem Humor wußte er stets seine geistreichen Plaudereien zu würzen. Als politischer Redner verfügte er in hohem Grade über die Kunst der Improvisation und die Gabe, den Gegner stets geschickt anzugreifen. Darin berührte er sich mit Windthorst, der ihn von den elsässischen Abgeordneten am meisten schätzte und mit ihm besonders befreundet war. Bismarck aber hat aus seiner Antipathie für den scharfzüngigen Reichsländer Simonis nie ein Hehl gemacht.

Als letztes Vermächtnis hinterließ er seiner geliebten Genossenschaft sein väterliches Haus in Ammerschweier.

Achtes Kapitel.

Simonis` Nachfolger: Konstantin Hanns. Tod der Schwester M. Macrine.

Schwester Marie Livier, die fünfte Generaloberin.

Fortschreitende günstige Entwicklung der Genossenschaft.

Über drei Monate dauerte es, bis der Straßburger Oberhirte Dr. Adolf Fritzen einen Mann fand, der Simonis’ verantwortungsreiches Erbe übernahm und die geistliche Leitung der Genossenschaft antrat. Dies war ein Pfarrer zu Neudorf (bei Basel), Ludwig Konstantin Hanns 162).

Über die Lebenden steht dem Geschichtsschreiber kein Urteil zu. Der Chronist der Genossenschaft muß aber doch, den kommenden Geschlechtern zum Nutzen, in aller Kürze das schon buchen, was der neue Superior zur weiteren Entwicklung der Genossenschaft beigetragen hat. Es ist nicht wenig. Nach der inneren Festigung, die Simonis der Kongregation gebracht hatte, konnte sich Superior Hanns einer Reihe dringend notwendiger praktischer Arbeiten widmen, die ein bemerkenswertes Organisationsgeschick zu günstiger Vollendung brachte. Es handelte sich zunächst um sanitäre und andere bauliche Arbeiten im Mutterhause selbst. Vor allem wurde die unpraktische Sakristei durch einen gefälligen Anbau bedeutend vergrößert und geschmackvoll möbliert; zugleich wurde auf der gegenüberliegenden Chorseite ein geräumiges, durch eine Glaswand abgeschlossenes Oratorium für die Kranken errichtet. Im Herbst 1912 erfolgte die Ausmalung der Klosterkapelle. Die Anlage einer Zentralheizung für die Kapelle und das Krankenhaus entsprach einem längst gefühlten Bedürfnis 163. Nicht weniger auch die im Jahre 1907 erbaute Wasserleitungsanlage, welche das ganze Haus mit trefflichem Gebirgsquellwasser versorgt. Dadurch war auch die Möglichkeit gegeben, den zahlreichen Insassen des Hauses eine ausreichende Badegelegenheit zu schaffen. In diesem Jahre wurde das Priesterhaus mit einer Zentralheizung versorgt. Nun kam die Reihe an die in Niederbronn von ihrer Tätigkeit ausruhenden älteren Schwestern; längst waren die Räume des alten Mutterhauses für das Altersheim zu klein geworden. Ein geräumiger, stattlicher Neubau mit Waschküche, Bädern, Wasserleitung erstand im gleichen Jahre 1907.

Aber auch nach außen erstreckte sich die Sorge des rührigen Organisators. 1905 -1906 wurde das vom verstorbenen Superior der Genossenschaft überlassene Anwesen Simonis’ zu Ammerschweier zu einem Erholungsheim für kränkliche, überarbeitete Schwestern eingerichtet. Für den gleichen Zweck wurde 1909 ein Anwesen in Trippstadt (Rheinpfalz) erworben und ausgebaut. Dazu kam der Erwerb eigener Schwesternhäuser für die Krankenpflegestationen zu Karlsruhe und Mühlhausen (1905), der Neubau des Arbeiterinnenheims in Mühlhausen (1906), große bauliche Veränderungen im Waisenhause zu Thann (1906), der Bau eines Saales für den Jungfrauenverein zu Brumath (1907); der Neubau eines Schwesternhauses für die Krankenpflegestation zu Straßburg-Neudorf und Geispolsheim (Unterelsaß); ferner der Neubau des Knabenwaisenhauses zu Thann und die Gründung eines Heims für Ladnerinnen: des Elisabethenhauses zu Karlsruhe (alles im Jahre 1908).

Die ehrw. Mutter M. Macrine stand bei all diesen durchgreifenden Änderungen und Verbesserungen, die alle auf das Gedeihen der Genossenschaft abzielten und zugleich ein beredtes Zeugnis für ihre Lebenskraft sind, dem neuen Superior tatkräftig zur Seite. Mit inniger Freude konnte sie das blühende Wachstum der Genossenschaft verfolgen, die Jahr für Jahr allenthalben neue Niederlassungen zu gründen vermochte. In den neun Jahren, während sie die Oberleitung der Kongregation führte, sind 38 auswärtige Stationen gegründet worden, und die Zahl der Schwestern hat sich um fast 600 vermehrt. Die Kongregation hatte eine überraschende Ausdehnung gewonnen, ihre Leitung stellte daher auch große Anforderungen an die Generaloberin. Mutter Macrine ist ihnen reichlich gerecht geworden. Sie ging in der Sorge für deren Wohl und Wehe förmlich auf, kannte keine Rast und Ruhe und hatte für die kleinsten Anliegen ihrer Mitschwestern stets ein geneigtes Ohr. Aber die unermüdliche Arbeit untergrub langsam ihre Gesundheit. Ein bedenkliches Herzübel zehrte an ihren Kräften, ohne daß ihre nähere Umgebung, durch ihr blühendes Aussehen getäuscht, darum wußte. Schwester Macrine gehörte zu jenen seltenen, willensstarken Naturen, die nicht nur den Geist, sondern auch den Leib sicher in Gewalt haben. Mit der Energie, die ihr ganzes Schwesternleben auszeichnete, hielt sie aus auf dem dornigen Arbeitsfelde, bis sie nicht mehr konnte. Während der Exerzitien des Jahres 1909 hatte sie mühsam noch den Schwestern die üblichen Konferenzen gehalten und alle Schwestern einzeln empfangen. Aber gegen Schluß ging es nicht mehr. Der Wille konnte der unterliegenden Natur nicht mehr befehlen. Öfters auftretende Krisen, beängstigende Erstickungsanfälle ließen die Mitschwestern nicht mehr im Zweifel über den Ernst der Lage. Auch sie selbst wußte, daß das Ende nahte. Es war rührend, wie sie die Schwestern aufforderte, ihr eine glückliche Sterbestunde zu erflehen. Sie hatte den Tod nicht zu fürchten. Aber die Verantwortung ihres mühevollen Amtes ließ die zarte, äußerst gewissenhafte Seele doch mitunter erzittern vor den Schauern des nahen Todes. Dann siegte ihr unerschütterliches Gottvertrauen und die Zuversicht auf den Beistand der von ihr stets kindlich verehrten Gottesmutter und des hl. Joseph, und himmlischer Friede senkte sich über ihre Seele, als sie, im Lehnstuhle sitzend, die heilige Wegzehrung empfangen hatte. Weinend waren die Schwestern Zeugen des feierlichen Aktes. Das war am Donnerstag, den 29. Juli. Am folgenden Morgen regelte sie ihre zeitlichen Angelegenheiten. Dann verharrte sie in ernsten, frommen Gedanken und wiederholte mit zitternden Lippen das Gebetlein, das sie täglich verrichtet hatte: "Mein Gott, ich bringe dir durch die Hände Mariä, meiner teuern Mutter, das völlige und ganze Opfer meines Lebens. Ich opfere es für die heilige Kirche, für die Kongregation und die Ehre Gottes."

Um 2 Uhr begann der Todeskampf, um 1/2 9 Uhr - 30. Juli 1909 - gab sie in den Armen der Schwester Livier, ihrer künftigen Nachfolgerin, ihre reine Seele dem Schöpfer zurück. Am 2. August wurde sie unter Beteiligung zahlreicher Geistlicher verschiedener Diözesen auf dem Klosterfriedhof zur letzten Ruhe gebettet. Mehr als 300 Schwestern, die zu den Exerzitien ins Mutterhaus gekommen waren, erwiesen der verstorbenen Mutter die letzten Ehren. Ein Teilnehmer, der die Verstorbene kannte, schrieb damals 164): "Ein ergreifender Anblick war es, auf dem Friedhofe die verwaisten Postulantinnen, Novizinnen und Schwestern zu sehen, die ihre gute Mutter beweinten und ihr ein letztes Mal schmerzerfüllt ins Grab nachblickten. Zeigte dieselbe doch im Verkehr mit ihren zahlreichen Kindern, den Schwestern, stets etwas unbeschreiblich Herzliches. Jede Schwester, die ihr nahte, hatte das Gefühl, als sei sie die einzige, der sie ihr Interesse und ihre Fürsorge zuwandte. Mit dem Tode dieser besten Mutter fand aber auch ein Leben seinen Abschluß, das wie selten eines reich an Arbeit und Segen, reich an Tugendadel und Opfergeist war." Sie hat ein Alter von 64 Jahren erreicht.

Das Vertrauen der Schwestern bei der am 6. Oktober 1909 stattfindenden Wahl neigte sich der bisherigen Novizenmeisterin, Schwester Marie Livier, zu, die fast einstimmig zur neuen Generaloberin gewählt wurde 165). Im Geiste ihrer edlen Vorgängerin leitete sie die Kongregation weiter, die von Jahr zu Jahr sich günstiger fortentwickelte. Im verständnisvollen Einvernehmen mit dem geistlichen Direktor war sie ständig bemüht, all den Anforderungen, welche die neueste Zeit an die Krankenpflegegenossenschaft stellte, nach Möglichkeit nachzukommen. Gleich in die erste Zeit ihrer Wirksamkeit fiel die Verwirklichung eines weit­schauenden, für die berufstechnische moderne Ausbildung des Krankenpflegepersonals äußerst bedeutsamen Planes, der schon Anfang 1909 im Kongregationsrate auf Anregung des Superiors beschlossen war: der Bau des großen, nach den modernsten Errungenschaften der Hygiene eingerichteten St. Odilienkrankenhauses in Straßburg-Neudorf. Im Juli 1912 konnte es bereits eröffnet werden 166). In diesem Krankenhause wurde mit staatlicher Genehmigung eine Krankenpflegeschule errichtet, in welcher die Schwestern die staatliche Krankenpflegeprüfung ablegen können.

Auch andere Krankenhäuser der Kongregation erfuhren bedeutende Ausgestaltungen. So wurde die viel besuchte Klinik der Rue Bizet zu Paris durch den Bau eines neuen Flügels vergrößert; ebenso das Colmarer Krankenhaus in der Rösselmannstraße. Leider hat der Ausbruch des Krieges die Vollendung dieses Baues unterbrochen, desgleichen den Neubau der Waisenanstalt zu Gebweiler. Den Waisenhäusern hatte in letzter Zeit die Kongregationsleitung besondere Aufmerksamkeit geschenkt. 1911-1912 war der Neubau des Waisenhauses Mühlhausen-Dornach entstanden, 1913-1916 war das Mädchenwaisenhaus in Mühlhausen (Burggasse) umgebaut, 1914 die Anstalt in Thann mit neuen Ökonomiegebäuden versehen worden.

Bis zum Ausbruch des Krieges waren unter der neuen Generaloberin etwa 25 Niederlassungen neu gegründet worden. Viele Anfragen um weitere Gründungen mußten abschlägig beschieden werden, obschon die Zahl der Schwestern ständig angewachsen war. Während Ende des Jahres 1900 die Genossenschaft 1800 Mitglieder zählte, die sich in 261 Niederlassungen auf 26 Diözesen in Deutschland, Frankreich, Schweiz, Belgien und Luxemburg verteilten, ergab der Personalstand am 31. Dezember 1913 die ansehnliche Zahl von 2588 Mitgliedern in 310 verschiedenen Häusern 167). Das Jahr 1914 ließ sich ebenfalls recht hoffnungsvoll an.

Da entstand der furchtbare Weltbrand, in dem zwar die Genossenschaft eine glänzende Gelegenheit fand, ihr segensreiches Wirken zu betätigen, der aber für sie auch von schwerwiegenden Folgen begleitet war.

Vierter Abschnitt.


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