1. die *jan-(> ahd. -en-) Verben.
Sie weisen oft die kausative Bedeutung - bei Verbalableitungen und faktitive Bedeutung - bei Nominalableitungen. Noch vor dem Anfang der ahd. Periode kommt es in den meisten Fällen zum Schwund von j. Seine ursprüngliche Anwesenheit kann im Ahd. nur dank der durch j verlaufenen westgermanischen Gemination und dem Umlaut erkennen. Bei den kurzsilbigen Verben auf r bleibt j (als i) im Ahd. erhalten, z. B: nerien. (Im Gotischen bleibt j bei allen jan- Verben erhalten, z. B: nasjan, satjan, waljan usw. In diesem Zusammenhang ist noch die Tatsache zu erwähnen, dass im Gotischen als einer ostgermanischen Sprache die westgermanische Gemination nicht durchgeführt wurde.)
Sowohl der Umlaut, als auch die Gemination treten nur im Präsens ein. Im Präteritum wurde j (bzw. i) noch vor dem Anfang der Umlautungsprozesse synkopiert. (Über den sog. Rückumlaut vgl. weiter)
Der Gruppe der jan- Verben liegen mehrere Bildungselemente zu Grunde, die wichtigsten sind:
A: die Wurzel wird erweitert um das stammbildende Suffix ide.*-eÔ + der Bindevokal ide. *e/o > germ. *-ija > -ja. Die dieses Bildungselement enthaltenden schwachen Verben sind Deverbativa mit iterativ - intensiver oder kausativer Bedeutung. Der Wurzelvokal weist oft die o-Abtönung auf, v. a. im Sg.Ind. Prät.
Beispiel: ahd. ginësan „am Leben bleiben” (starkes Verb, 5 Ablr.) < …ide. *nfsonom - und das betreffende Kausativum: ide. *nos-fÔ-onom „gesund machen” > germ. *nazjan, dann im Westgerm. z > r und im Ahd. der Umlaut > *narjan > ahd. nerien (nhd. „nähren” mit Bedeutungsverschiebung).
Im mittelalterlichen Deutsch kommen im Vergleich zu dem Nhd. mehrere „Paarverben“ der starken und schwachen Verben vor, wobei das schwache Verb die kausative Bedeutung hat, z. B: ahd. swīgēn „still sein” (stark)- sweigen „jdn. zum Schweigen bringen” (schwach); ahd. brinnan, got. brannjan „brennen, leuchten” (stark, existiert im Nhd. nicht mehr) - ahd. brennan, got. brinnan „verbrennen” (schwach), im Nhd. wird die Bedeutung des starken Verbs von dem schwachen Verb übernommen. Im Nhd. gibt es nur noch wenige solche Paarverben vor (z. B: trinken-tränken, fallen-fällen), was sich aus dem phonologischen und morphologischen Synkretismus ergibt. Die Kausativa müssen daher durch Umschreibungen ausgedrückt werden, z. B. durch Präfixe (brennen--verbrennen) oder durch Periphrasen (schweigen - jdn. zum Schweigen bringen).
B: Die Wurzel wird um ide. *-Ôe /- Ôo erweitert > germ. * -ji / -ja. Dieses Suffix dient zur Bildung von Faktitiven zu Nominalstämmen (Subj. und Adj.), z. B: ide. *(o)nomen „Name”, got., ahd. namo - got. namnjan, ahd. nemnen, mhd. nennen; got. hauhs, ahd. hōh „hoch” - got. hauhjan, ahd. hōhen „erhöhen”.
Die sog. j-Präsentien
Wie bereits 5.1.1.1. erwähnt wurde, erscheint das j enthaltende Suffix auch bei einigen starken Verben, die als j-Präsentien bezeichnet werden. Im Ahd. gibt es nur noch 10 solche starke Verben, die durch ihre Bildung an die Form der schwachen Verben erinnern. Auch bei den starken j- Präsentien hinterlässt das im Ahd. bereits nicht mehr vorkommende j seine Spuren im Präsens in dem Umlaut und in der Gemination, die vor i der 2.3. P. Sg. und in der 2. P. Sg. Imp. unterbleibt.
Im Ahd. gehören die meisten j-Präsentia zu der 5. Ablautreihe (z. B: bitten: Präs. - bittu, bittemēs, Prät.+ Part. - bat, bātum, gibëtan; liggen; siµµen) oder zu der 6. Ablautreihe (z. B: swerien, helfen, *hlahhen).
Im Gotischen bleibt j auch bei diesen Verben erhalten, z. B: bidjan - Prät. bad, bēd, hlahjan - Prät. hlōh, skapjan - Prät. skōp. Die got. Verben ligan, und sitan haben die ursprüngliche j- Bildung aufgegeben.
Die schwachen jan-Verben gliedert man in kurzsilbige (mit kurzer Stammsilbe, z. B: zellen „erzählen”, frummen „fördern”) und langsilbige (mit langer Stammsilbe, im Stamm erscheinen entweder ein Langvokal oder Diphtong, z. B: hōren „hören”, ougen „zeigen”). Den langsilbigen schließen sich die mehrsilbigen an, deren Stamm einen Kurzvokal + Konsonantenhäufung enthält (z. B: stellen „stellen”, kussen „küssen”). Es ist anscheinend, dass sich die kurzsilbigen Verben im Infinitiv von den langsilbigen, bzw. mehrsilbigen nicht mehr unterscheiden. Die Bezeichnung kurzsilbig spiegelt die ide. und urgerm. Verhältnisse wider, also die Zeit vor der westgermanischen Gemination. Der Stamm des Verbs wurde damals aus einem einfachen kurzen Vokal + einem einfachen Konsonanten + jan gebildet. Die durch j (und auch durch andere Laute) bedingte westgerm. Gemination, die alle einfachen Konsonanten außer r betrifft, wenn ihnen ein kurzer Vokal vorausgeht, bewirkt die Doppelung der Konsonanten der ursprünglich kurzsilbigen Verben. (Seltener wird die Gemination auch vor einem Langvokal durchgeführt, bald kommt es jedoch zu der Vereinfachung.) Die Verdoppelung der ursprünglich kurzsilbigen Verben kann auch durch die 2 LV bewirkt werden, z. B. ahd. seµµen „setzen”(dagegen vgl. engl. to set). Bei den langsilbigen Verben kommt die westgermanische Gemination nicht sehr häufig vor, eig. nur im älteren Obd., z. B: hōrran „hören”, leittan „leiten”, īllan „eilen”. In anderen Dialekten werden die einfachen Varianten bevorzugt: hōran, leitan, īlen. Die mehrsilbigen Verben werden von der westgermanischen Gemination bis auf ein paar Einzelfälle nicht betroffen. Die verdoppelten Konsonanten kommen zwar auch bei den mehrsilbigen Verben vor (z. B: ahd. kussen, merren „hindern”, brennen, stellen), sie gehen aber auf andere Lautprozesse zurück. Teilweise werden von der sog. gemeingermanischen Gemination bewirkt, die noch vor der westgermanischen Gemination verlaufen ist und die daher mehreren germanischen Sprachen eigen ist, vgl. z. B: ahd. kussen, niederl. kussen, engl. to kiss, schwed. kyssa; ahd. brennan, got. brannjan, schwed. bränna usw. Im Wort merren „hindern” (got. marzjan) wird die Doppelkonsonanz durch die im Ahd. durchgeführte Assimilation bewirkt. Im Verb dempfen „dämpfen” geht -pf- auf die Zweite Lautverschiebung zurück (vgl. nhd. Dampf, dagegen niederl. Damp, engl. damp).
Im Zusammenhang mit der westgermanischen Gemination der jan- Verben (und es bezieht sich auch auf die starken j- Präsentien) sind noch einmal zwei wichtige Merkmale zu betonen: 1: die westgerm. Gemination und der Umlaut treten nur im Präsens ein. Im Prät. wurde j noch in der vorahd. Zeit synkopiert. Die traditionelle Bezeichnung dieser Verben als rückumlautende Verben (die Bezeichnung stammt von J. Grimm) ist also nicht ganz passend (Grimm hat früher eig. falsch angenommen, dass der Umlaut auch im Präteritum durchgeführt und erst sekundär abgeschafft wurde). Grimm hat sich an der Form der betreffenden Verben im Altsächsischen gestützt, in dem der Umlaut auch im Präteritum anwesend war. Der Umlaut wird hier aber erst nachträglich als Analogie zu dem Präsens gebildet.) Darum wird jetzt ein neuer Termin – Verben mit Präsensumlaut bevorzugt. Zu dem Ausgleich der Formen des Präsens und Präteritums kommt es erst im Nhd.
2: In der 2. 3. P. Sg. Ind. Präsens und in der 2. Sg. Imperativ der kurzsilbigen Verben wird die westgerm. Gemination auch nicht durchgeführt, weil j bereits im Germanischen aus der Verbindung -ji- weggefallen ist. Es bleibt nur der Vokal i als Bindevokal erhalten. Dagegen behalten die mehrsilbigen die durch die verschiedentsten Lautprozesse entstandene Gemination auch in der 2. 3. P. Sg. und im Imp.
Beispiele: kurzsilbig: Inf. zellen langsilbig: Inf. stellen
Sg. 1. zellu stellu
2. zelis stellis
3. zelit stellit
Pl. 1. zellemēs stellemēs
2. zellet stellet
3. zellent stellent
2. P. Sg. Imp. zeli stelli
Bereits im Ahd. erscheinen jedoch die Tendenzen zum Ausgleich der unterschiedlichen Formen der kurzsilbigen Verben, sodass im Mhd. nur noch eine Form verwendet wird, z. B: ahd. Inf. leggen, 1. P. Sg. leggu, 2. P. Sg. legis usw. > mhd. Inf. legen, 1. P. Sg. lege, 2. P. Sg. leg(e)s(t) usw.
Wie bereits erwähnt wurde, hinterlässt das im Ahd. nicht mehr vorkommende j seine Wirkung auch in dem Umlaut. Die Umlautung betrifft sowohl die kurzsilbigen, als auch die mehr-und langsilbigen Verben. Im Ahd. wird nur a der Wurzelsilbe umgelautet - es geht um den sog. Primärumlaut. Beispiele: got. nasjan – ahd. nerien; got. lagjan - ahd. leggen; got. satjan - ahd. seµµen, Beispiel eines langsilbigen Verbs: got. hāhan - ahd. hengen. (Das Gotische als eine der ostgermanischen Sprachen nimmt an der Gemination und an der Umlautung nicht teil.)
Im Mhd. werden auch weitere Vokale der Wurzelsilbe umgelautet (der sog. Sekundärumlaut). Beispiele: ahd. hōren > mhd. hœren, ahd. gruonen > mhd. grüenen usw. Im Nhd. wird der Umlaut wegen den Bestrebungen um den Ausgleich der Formen auch auf das Präteritum aller zunächst nur im Präsens umgelauteten Verben übertragen, womit sich diese Verben den übrigen schwachen Verben anpassen.
2. Die ōn- Verben
Den Verben dieser Klasse stehen mehrere Bildungselemente zu Grunde:
A: Intensivbildungen zu primären Verben, an deren Wurzel ide. *ā (> germ. ō) tritt (ohne den Themavokal): springen (prim. starkes Verb) - sprangōn (schwaches Verb) -„aufspringen”.
B: Denominativa - Ableitungen von ide. ā- Stämmen (germ. > ō) mit dem Bildungselement -no- + Endung -m > germ. *-nan, z. B: ahd. salba „Salbe” germ: *salbōnan > ahd. salbōn „salben”.
Es gibt auch Ableitungen von anderen Nominalstämmen:
germ. *fiskaz, ahd. fisk „Fisch”….ahd. fiskōn, mhd. vischen
ahd. fridu „Frieden”… ahd. vridōn, mhd. vriden „versöhnen”.
Diese Klasse von Verben weist keinen Umlaut der Wurzelsilbe auf (der Bindevokal ist -ō-)
Im Mhd. fallen die -ōn Verben mit den kurzsilbigen der 1. Klasse und mit der 3. Klasse zusammen.
3. Die ēn- Verben
Auch diesen Verben stehen mehrere Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung:
In dieser Gruppe gibt es ziemlich viele, ursprünglich primäre Verben, deren Verbalstamm auf ide. *-ē (Ô) > germ. *K ausgeht. Dieser Vokal wird im Ahd. in der Wurzel zu ā, in der Endung bleibt jedoch als ē erhalten. (Im Lateinischen entspricht die Endung -ēre.)
Beispiele: ide. *takē (Ô)- > germ. *þagē-…ahd. dagēn „schweigen” (lat. taceō)
ide. *widē(Ô)- > germ. *witē-….got. witan (lat. videō)
Weitere in diese Gruppe gehörende Verben: habēn, lëbēn, wonēn („wohnen”) usw.
Zu vergleichen ist die Flexion des ahd. habēn mit dem lat. habēre, die im Ahd. und Mhd. noch ziemlich viele Ähnlichkeiten aufweist.
lat. Sg. 1. habeo……ahd. habēm……mhd. haben u. habe
2. habēs habēs…………… habes(t)
3. habet habēt……………..habet
Pl. 1. habēmus habēmēs......……...haben
2. habētis…… …habēt……....……..habet
3. habent……….habent…….……...habent
(Das Verb habēn tritt auch in der kontrahierten Form hān ein, im Mhd. setzt sich jedoch die zweisilbige Form durch.)
In diese Gruppe gehören dann auch viele abgeleitetete Verben, es handelt sich um die Deverbativa, z. B: darben „entbehren, Mangel haben” zu darf - durfen und Denominativa, z. B: heilen „gesund werden” zu heil „gesund”, fūlen „faul werden” zu fūl „faul” usw.
Die ēn- Verben werden auch nicht umgelautet (der Bindevokal ist -ē-). Im Mhd. fallen sie mit der 2. Klasse und mit den kurzsilbigen der 1. Klasse zusammen.
4. Die nan-Verben (nur im Gotischen und Nordgermanischen)
Es handelt sich um die von Verben und Adjektiven abgeleiteten Verben mit inchoativer Bedeutung, deren im Lateinischen die Verben auf -āri entsprechen.
Beispiele: fulls „voll” - fullnan „voll werden”
dauþs „tot” - gadauþnan „sterben” (aber gadauþjan „sterben”)
mikil „groß“ - mikilnan „großwerden“ (dagegen mikiljan „verherrlichen, preisen“, eig. „groß machen“)
Im Gotischen bilden diese Verben eine selbstständige Gruppe. Im Ahd. werden die entsprechenden Verben mit den formalen Mitteln der drei beschriebenen Klassen gebildet, z. B: got. gahailnan „gesund werden” zu hails „gesund“ - ahd. heilen – die Klasse der -ēn Verben.
6.1.2. Die starken Verben
Die starken Verben stellen den ältesten Bestandteil der Sprache dar. Die meisten gehören zum Grundwortschatz. Während der Geschichte hat sich aber ihre Position ziemlich stark geändert, und heute stellen sie - verglichen mit den schwachen Verben – keine produktive Konjugation mehr dar, vgl. 6.1.1. Nach Duden (2005) gibt es heute rund 170 stark konjugierende einfache Verben. Mit den Präfix und Partikelverben nimmt ihre Zahl beträchtlich zu. Eine außerordentlich wichtige Rolle spielen sie auch heute auf dem Gebiet der Wortbildung, vgl. z. B: geben, angeben, ergeben, Gesetzgebung, Geber, Ergebnis, Gabe, Aufgabe, Begabung, Gegebenheit, usw.) und als Grundlage für einige der neu entstandenen schwachen Verben, vgl. oben.
Die starken Verben werden auch heute nach der Bildung des Präteritums, bzw. nach der Form des Ablautes (=Vokalwechsel) der Wurzelsilbe in mehrere Gruppen, bzw. Reihen (Ablautreihen) gegliedert. Für die Untersuchung und anschauliche Verfolgung der historischen Entwicklung der Verben werden meistens 7 Ablautreihen unterschieden, in denen die ursprünglichen Verhältnisse berücksichtigt werden. Bei den nhd. Verben ist die Zugehörigkeit zu diesen Reihen in den meisten Fällen nur noch schwierig zu erkennen. Es hängt einerseits mit den während der Entwicklung der Sprache verlaufenen Lautprozessen zusammen, andererseits nehmen an der Abschaffung des ursprünglichen Konjugationssystems auch die Analogiebildungen teil, die die Grammatiker etwa seit dem Fnhd. (systematischer erst im Nhd.) gebildet haben, um die Formen der einzelnen Verben vereinheitlichen zu können. Eine der wichtigsten Ursachen für diese Bildungen sieht Wells in den Bestrebungen, die starken Verben, strukturell den schwachen Verben anzugleichen.
Beide erwähnten Prozesse haben auch dazu beigetragen, dass die nhd. starken Verben über die Fähigkeit nicht mehr verfügen, durch die einzelnen Stufen des Ablautes die Numerusopposition auszudrücken. Dies ist im Nhd. nur noch mittels der Flexion (Endungen) und den Personalpronomina möglich. Die Ablautformen dienen nur noch als Zeichen der Tempora.
Die „Übergangszeit” zwischen der Auflösung der alten Flexion einerseits und der Kodifizierung der einheitlichen Regeln andererseits, kennzeichnet sich durch den Gebrauch von vielen Varianten der Konjugation der einzelnen Verben, sogar in einem Text. (Dasselbe betrifft auch andere Wortarten und die Ortographie.) Die Unsicherheit hinsichtlich der richtigen Formen hat auch zur Verstärkung der Rolle der analytischen, umschreibenden Formen (Perfekt) beigetragen. Erst etwa im 17. Jhd., im Zusammenhang mit der immer größeren Rolle des Buchdrucks werden bestimmte Formen der Flexion bevorzugt und eig. auch für Norm gehalten, was zur Abschaffung der weiteren, bisher möglichen Varianten führt.
Wie bereits erwähnt wurde, kommt es während der Entwicklung der Flexion zur Verstärkung der Position der schwachen Verben auf Kosten der starken Verben. Die Zahl der starken Verben wird bis zum Nhd. drastisch reduziert. Seit dem 13. Jhd. kommt es nämlich zum Übergang vieler starker Verben zur schwachen Flexion. Viele der starken Verben schwinden überhaupt und kommen in der nhd. Schriftsprache nicht mehr vor. Wells führt an, dass es im Mhd. 339 starke Verben gibt (375 nach Hartweg), von denen 119 nicht in die Standardsprache gelangt sind (111 nach Hartweg) und 54 haben nach ihm (80 nach Hartweg) die schwache Flexion übernommen. Die im Nhd. neu entstandenen Verben werden immer nur schwach flektiert.
Die ursprünglich regelmäßige Konjugation der starken Verben wird heute oft als unregelmäßig empfunden oder sogar auch „ofiziell“ bezeichnet, was z. B. in der Grammatik von Helbig/Buscha der Fall ist.
Die starken Verben werden auch heute in die einzelnen Ablautreihen gegliedert. Da die ursprünglichen Verhältnisse bereits verwischt sind, gehen die nhd. Grammatiken vom neuhochdeutschen Stand aus und gebrauchen eigene Kriterien für die Zuordnung der einzelnen Verben in die einzelnen Ablautreihen. Jung und Duden unterscheiden 3 Gruppen (mit Untergruppen), Helbig/Buscha dagegen 8 Ablautklassen. (Was die einzelnen Ablautreihen und das Prinzip des Ablautes betrifft, vgl. 6.2.2.2.2.)
6.2. Die Tempora
6.2.1. Die Flexion der schwachen und starken Verben im Präsens
Da die Form der Personalendungen beider Gruppen von Verben im Präsens fast durchaus identisch ist, werden hier beide Gruppen zusammen behandelt.
Die Personalendungen im Präsens gehen mit der Ausnahme der 1. P. Sg. Präs. der starken Verben und der schwachen Verben der 1. Klasse auf die ide. primären Endungen zurück, vgl. 5.1.1.5. Die schwachen Verben der 2.3. Klasse unterscheiden sich von den starken Verben noch dadurch, dass die schwachen Verben (bzw. die Merkmale der einzelnen Klassen -ē und -ō) die Themavokale verdrängt haben, die bei den starken Verben in einigen Personen noch ziemlich regelmäßig vorkommen, vgl. die 3.P. Pl: st. Verb: nëm - a .nt: schw. Verb: salbō - nt (< germ. *salbō(ja)nþ(i)), habē - nt (< germ. *habjanþi).
Die Endungen im Althochdeutschen:
1. P. Sg. -u (> -o im 9. Jhd. > mhd. -e).
Allgemein: dem Ursprung nach handelt es sich um den ide. Themavokal o > germ. -u, der gedehnt wird (der ide. Vokal tritt auch im Lateinischen ein, z. B.: moneō, timeō). Diese Endung kommt bei den starken Verben und den schwachen Verben der 1. Klasse vor. Die schwachen Verben der 2.3. Klasse und die athematischen Verben weisen die Endung -m auf, die aus der ide. primären Endung *-mi entsteht.
Starke Verben: Inf. ziohan (und andere Verben der 2. Ablautreihe)- ahd. io < frühahd. eo < germ. *eu (das ahd. o entsteht auf Grund der Senkung vor a, e, o); 1. P. Sg. ziuhu - germ. *eu > ahd. iu (als Folge der Hebung vor i, j, u) - im Spätahd. wird iu zu einem langen Monophtong [ y: ], der weiter als iu geschrieben wird. Im Fnhd. wird er zu eu diphtongeirt. So entstehen Formen wie zeuht, fleugt im Sg. Im Pl. entwickeln sich die regelmäßigen Formen ziehen, fliegen. Der Wechsel wird im Nhd. durch den Systemzwang beseitigt und die Form des Plurals und des Infinitivs dringt auch in den Sg. ein.
2. P. Sg. -is (> -ist im Spätahd. > mhd. -es(t)).
Allgemein: etwa im 9. Jhd. wird -is durch -t zu -ist verlängert. Die Endung mit
-t entsteht aus dem enklitisch stehenden Pronomen thu, du, in denen sich der Dental dem s angeschlossen hat: du nimis, dann mit nachgestelltem du: nimis du > nimis-tu > nimiste (Abschwächung a > e), im Mhd. tritt noch die Apokope des auslatenden -e und die Schwächung des i ein - mhd. nimest. Der Konsonant t dringt in die Endung auch unter dem Einfluss der Präterito - Präsentia ein, deren 2. P. Sg. die Endung -t aufweist, die auf die Endung des ide. Perfekts zurückgeht, vgl. 5.1.1.5.
Starke Verben: -i der Endungsilbe bewirkt den Umlaut der umlautfähigen Verben: 1. P. faru; 2. P. feris (< *faris); 3. P. ferit (< *farit).
Der Wechsel ë (im Inf., z. B: nëman) - i (1.2.3. P. Sg., z. B: nimu, nimis, nimit) wird durch die hohen Endungsvokale -u (1. P. Sg.) und -i (2.3. P. Sg.) bewirkt, im Pl. bleibt der Vokal -e-. Im Nhd. tritt -e in der 1. P. Sg. ein, in der 2.3. P. Sg. bleibt -i erhalten.
3. P. Sg. -it (> -et im 10./11. Jhd.).
1. P. Pl. -mēs - diese Form ist am ältesten, ē wird oft auch durch Doppelschreibungen gesichert. Die Form des Bindevokals schwankt zwischen -amēs (v. a. obd.), -emēs, -umēs. Seit dem 10. Jhd. setzt sich der Ausgang -ēm, -ēn durch.
2. P. Pl. -et - die regelmäßige Form, nur im späteren Alem. erscheint auch die Endung -ent, wohl unter dem Einfluss der 3. P. Pl. Dies hängt mit den Bestrebungen zusammen, die Flexion zu vereinheitlichen.
3. P. Pl. -nt - diese Endung ist im Ahd. fest. Der Bindevokal schwankt zwischen -ant und -ent (unter dem Einfluss der jan- Verben dringt -ent auch in die starken Verben ein). Zuletzt wird -ant allgemein zu -ent abgeschwächt.
Die Entwicklung der Endungen vom Mittelhochdeutschen bis
zum Neuhochdeutschen
Allgemein: Im Mhd. werden die Endsilbenvokale aller Gruppen der Verben zu
-e abgeschwächt, was mehrere Folgen für die Flexion hat. Die starken und schwachen Verben fallen im Präsens in den Endungen völlig zusammen. Der Unterschied zwischen den starken und schwachen Verben bleibt weiterhin nur in dem Ablaut der Wurzelsilbe, der nur für die starken Verben charakteristisch ist.
Im Mhd. treten oft die Apokope und Synkope des unbetonten e in bestimmten Stellungen (sowohl im Auslaut, als auch im Inlaut) ein. Beide Erscheinungen haben im 11. Jhd. im bairischen Sprachraum ihren Ursprung. Die Formen der Verben unterscheiden sich in den einzelnen Mundarten ziemlich stark, was zum Nebeneinander der synkopierten und nichtsynkopierten Formen führt.
Die schwachen Verben: sie werden im Mhd. nicht mehr in drei Gruppen, sondern nur in 2 Gruppen geteilt: 1: alle Verben, bei denen sich der Wurzelvokal weder im Präsens, noch im Präteritum ändert, der also immer gleich bleibt. Hierher gehören alle kurzsilbigen jan-Verben (=Teil der 1. Klasse), alle ōn- (=2. Klasse) und alle ēn- Verben (=3. Klasse). Im Prät. haben diese Verben oft -e- vor der Endung -te, -test, das aber sehr häufig synkopiert wird.
Fast alle kurzsilbigen Verben weisen im Inf. Doppelformen auf -Doppelkonsonanz : einfache Konsonanten, z. B.: dennen - denen „dehnen”; lemmen - lemen “lähmen”. Die Doppelkonsonanz wird aber allmählich abgeschafft. Im Nhd. wird dann h als Dehnungszeichen in diese Verben eingeschoben.
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