Evangelische Impulse Band 3
Mit Gott reden –
Von Gott reden
Herausgegeben von Michael Beintker und Martin Heimbucher
Rückseite Umschlag:
Das Personsein des dreieinigen Gottes
Scheinbar selbstverständlich sprechen Christen im Vaterunser Gott als ein personales Gegenüber an. Sie folgen damit einem Verständnis von Gott, wie es die Bibel durchgängig voraussetzt. Diese personale Gottesvorstellung ist immer wieder als »Projektion« verdächtigt worden. Heute beschäftigt auch kirchlich engagierte Menschen die Frage, ob und wie ein personal verstandener Gott mit unserer heutigen Weltsicht zu vereinbaren ist.
Das Votum des Theologischen Ausschusses der UEK zeigt, dass das Verständnis Gottes als »Person« das Geheimnis Gottes ebenso wahrt wie seine Freiheit. Die personale Rede von Gott ist eine notwendige Weise metaphorischer Gottesrede. Die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes bringt zum Ausdruck, wie Gott den Menschen personal begegnet - und damit auch das menschliche Personsein begründet.
Evangelische Impulse der UEK
In der Union Evangelischer Kirchen [UEK] in der EKD sind zehn unierte, eine lutherische und zwei reformierte Landeskirchen zusammengeschlossen. Sie sind sich einig in dem Anliegen, die Gemeinsamkeit in den wesentlichen Bereichen des kirchlichen Handelns zu fördern, ohne die konfessionelle Vielfalt der Landeskirchen einzuebnen. Die UEK fördert grundlegende theologische Arbeit mit dem Ziel, das gemeinsame reformatorische Erbe in Kirche und Gesellschaft lebendig zu halten und zu entfalten.
Herausgegeben im Auftrag der Union Evangelischer Kirchen (UEK) in der EKD
Ein Votum des Theologischen Ausschusses
der Union Evangelischer Kirchen (UEK) in der EKD2. Auflage 2011
Neukirchener Theologie
©2011-2. Auflage 2011
Neukirchener Verlagsgesellschaft mbH, Neukirchen-Vluyn
Umschlaggestaltung: Andreas Sonnhüter, Düsseldorf
Lektorat: Soren Asmus, Neukirchen-Vluyn
DTP: Breklumer Print-Service, Breklum
Gesamtherstellung: Hubert & Co, Göttingen
Printed in Germany
ISBN 978-3-7887-2506-8
www.neukirchener-verlage.de
Inhalt
Zum Geleit 8
Einführung von Michael Beintker 11
1. Mit Gott reden wie mit einer Person:
Die christliche Praxis und ihre Infragestellung . 23
Die Selbstverständlichkeit personaler Gottesrede in
Gebet, Gottesdienst und Verkündigung 23
Infragestellungen der personalen Gottesrede 28
Die Notwendigkeit personaler Gottesrede . 33
2. Gott als Person in der biblischen Überlieferung 37
2.1 Gott als Person nach dem Zeugnis
des Alten Testaments 37
»Ich will euer Gott sein« 38
Gottes Gestalt 39
Gottes Zorn und Erbarmen 44
Vater, Sohn und »Söhne« 47
Gott, Geist, Boten 50
Der Schöpfergott und die Weisheit . . 53
»Mein Gott bist du« 56
2.2 Gott als Person nach dem Zeugnis
des Neuen Testaments 59
Bildliches Reden von Gott 59
Namen Gottes 60
Die Rede vom Handeln Gottes
in den drei ersten Evangelien 64
Gott in der Theologie des Paulus ... 68
Anfänge trinitarischen Denkens im Neuen
Testament: Gott, Jesus Christus, der Geist 73
2.2.6 Das Gotteszeugnis des Neuen
Testaments 80
3. »Person« als Bildwort für Gott 81
3.1 Personale Rede von Gott
als metaphorische Rede 81
3.2 Gott als Person und der Name Gottes .... 86
Jesus im Gebet zu Gott als Vater ... 88
Der Name Jesus Christus 91
Die Reflexion metaphorischer Rede von Gott und das
Anliegen negativer Theologien 94
Personale und transpersonale Redeweisen von Gott im
Dialog der Religionen und Weltanschauungen 99
Die Unterscheidung von Gott und
Mensch im »Reden aus Glauben« 101
3.6 Die Freiheit Gottes als Person 103
4. Trinitariscb-personale Rede von Gott 109
4.1 Der begegnende Gott:
Vater, Sohn und Heiliger Geist 111
4.2 Der eine Gott in den Beziehungen
von Vater, Sohn und Heiligem Geist 116
4.3 Das Person-Geheimnis des dreieinigen
Gottes: Gott in der Klarheit der Liebe .... 123
4.4 Die Glaubenserfahrung des Schöpfers,
Versöhners und Erlösers 128
5. Leben und Reden aus der Begegnung
mit Gott als Person 131
5.1 Gottes Personsein als Grund menschlichen
Personseins - die kulturelle und gesell
schaftliche Relevanz der Rede
von Gott als Person 131
Der Gottesdienst als öffentlicher Ort personaler
Begegnung mit Gott 136
Die Heiligung des Namens -
Ermutigung zum Leben mit Gott 140
Literatur zur Orientierung und zum Weiterlesen . 143
Mitglieder und Gäste des Theologischen Ausschusses
der
Union Evangelischer Kirchen (UEK) 147
Beschluss der Vollkonferenz der UEK 149
Zum Geleit
Nach der Präsentation des Textes auf der Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen (UEK) in der EKD im November 2010 legt der Theologische Ausschuss der UEK hier sein Votum: »Mit Gott reden -von Gott reden. Das Personsein des dreieinigen Gottes« der Öffentlichkeit vor. In dieser zweiten größeren Arbeit (nach: »Unsere Hoffung auf das ewige Leben«, 2006) schafft es der Ausschuss erneut, eine schwierige Thematik mit anspruchsvoller theologischer Argumentation in einer auch für die interessierte Öffentlichkeit verständlichen Sprache zu erörtern.
Die Formulierung des Themas mag beim ersten Hören recht speziell klingen. Die Fragestellung berührt jedoch das Innerste der christlichen Verkündigung und unseres geistlichen Lebens. Die hier vorliegende Begründung des Personseins Gottes reagiert auf eine zentrale Herausforderung, die sich gegenwärtiger Gottesrede in Liturgie und Predigt, aber auch im seelsorglichen oder unterrichtlichen Gespräch »über Gott und die Welt« stellt. Indem das Votum die Personalität Gottes trinitarisch entfaltet, trägt es in einer zentralen Frage unseres Glaubens nicht nur zur innerkirchlichen Selbstverständigung, sondern auch zum ökumenischen Gespräch bei.
Auch interreligiöse Dialoge über die unterschiedlichen Deutungen der Wirklichkeit von Gott, Mensch und Welt können nur gelingen, wenn wir in ihrem Verlauf das spezifisch christliche Verständnis fundiert und reflektiert zur Sprache bringen. Besonders diese Bedeutung der vorliegenden Arbeit hat die Vollkonferenz der UEK in ihrem Beschluss zum Votum herausgestellt. Der Beschluss ist dieser Veröffentlichung im Anhang beigegeben (s. S 149f).
Wie bei einem solchen Votum zu erwarten, zeichnet sich die Darstellung und Argumentation durch eine große theologische Dichte und sprachliche Präzision aus. Dies ruft geradezu nach einer »Verflüssigung« und Aneignung der Aussagen im Gespräch von Theologen und Nichttheologen. Seminare der Erwachsenenbildung, Pfarrkonferenzen, aber auch gemeindliche Gesprächsgruppen können geeignete Orte einer solchen Auseinandersetzung mit dem Votum sein. Kirchenrat Helmut Strack, Karlsruhe, hat dazu einen didaktischen Leitfaden vorbereitet, der zur gemeinsamen Erschließung des Themas helfen kann. Dieser Leitfaden wird mit Erscheinen des Votums über die Homepage der UEK (www.uek-online.de) als Download erhältlich sein.
Mit dem Dank an die Mitglieder des Ausschusses, namentlich an die beiden Vorsitzenden: Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Beintker und Landeskirchenrätin Karin Moskon-Raschick, verbindet sich ein besonderes Gedenken an Oberkirchenrat Prof. Dr. Michael Nüchtern. Er verstarb kurz vor dem Abschluss der Arbeit an einer unheilbaren Krankheit. Einer der letzten dienstlichen Termine, die er wahrnehmen konnte, war eine Sitzung des Theologischen Ausschusses der UEK, an der er wie gewohnt lebhaft und konstruktiv teilnahm. Michael Nüchtern schrieb einmal über das Bekenntnis zur Dreieinigkeit Gottes: »Es erscheint wie ein fremdes weites Gebirge auf den ersten Blick unzugänglich und spröde. Doch wie beim Bergwandern können wir, je mehr wir ins Gebirge hineinsteigen, den Reichtum und den Glanz entdecken.«
Möge dieses Votum zur trinitarischen Rede von Gott zu solchen wunderbaren Entdeckungen führen - und zur Begegnung mit dem sich uns heilsam zuwendenden Gott.
Karlsruhe, im November 2010
Landesbischof Dr. Ulrich Fischer
Vorsitzender des Präsidiums
der Vollkonferenz der UEK
Mit Gott reden - von Gott reden Das Personsein des dreieinigen Gottes
Einführung von Michael Beintker1
Funkassistent Doktor Murke in Heinrich Bölls Erzählung »Doktor Murkes gesammeltes Schweigen« hatte von seinem Redakteur einen seltsamen Auftrag erhalten: Er sollte mit einem Tontechniker in eine bereits aufgezeichnete Vortragsreihe über das Wesen der Kunst eingreifen. Der Vortragende, ein prominenter Kulturphilosoph namens Bur-Malottke, dem daran gelegen war, den oft verkannten Zusammenhang zwischen Kunst und Religion möglichst temperamentvoll herauszuarbeiten, hatte urplötzlich darauf bestanden, das von ihm bisher häufig und gern benutzte Wort »Gott« aus seinen Vorträgen herauszuschneiden und dafür die Wendung »jenes höhere Wesen, das wir verehren« in die Bänder hineinzukleben. (Das Klebeverfahren wurde aus Zeit- und Kostengründen gewählt.) Siebenundzwanzig Ersetzungen wurden erforderlich. Sie mussten von Bur-Malottke im Original-Ton ins Mikrophon gesprochen werden. Dabei gab es Komplikationen: Das Wort »Gott« ist kurz, und es ist leicht zu deklinieren. Die Wendung »jenes höhere Wesen, das wir verehren« verlangte einen beträchtlichen grammatikalischen Aufwand und mehr Sendezeit. Besonders schwierig war es beim Vokativ, als das schnörkellose »O Gott!« gegen das »O du höheres Wesen, das wir verehren!« ausgetauscht werden musste.
1 Der Text fußt auf dem Referat, mit dem der Verfasser auf der 3. Tagung der Zweiten Vollkonferenz der Union Evangelischer Kirchen (UEK) in der EKD am 9. November 2010 in Hannover in das Votum eingeführt hat.
Mit Gott reden - von Gott reden - Mit Gott reden - von Gott reden
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Bölls Erzählung verdeutlicht auf ihre Weise das Problem, das den Theologischen Ausschuss der UEK in den vergangenen Jahren beschäftigt hat und ihn schließlich zum vorliegenden Votum führte. Welche Redeweise ist Gott angemessen? Jene, die ihn beim Namen nennt, sich von ihm angeredet weiß und ihn als personhaftes Gegenüber anredet? Oder jene, die eine konkrete Näherbestimmung bewusst zu vermeiden sucht und in Gott allenfalls ein höheres Wesen, ein Urprinzip oder eine höchste Wirklichkeit sehen möchte? Der Ausschuss hat sich -das zeigt schon der Titel seines Votums - für Doktor Murke gegen Herrn Bur-Malottke und seine Anhänger entschieden.
Murke, den Böll als einen in intellektueller und religiöser Hinsicht sensiblen Menschen gezeichnet hat, empfand präzise das Problem, das mit Bur-Malottkes Schneidewünschen verbunden war. Er konnte deshalb die aus den Tonbändern herausgeschnittenen Gottesschnipsel nicht wegwerfen. Vielmehr bewahrte er sie in einer Zigarettenschachtel aus Blech auf. Immer schon pflegte er die ihm wichtigen Tonbandreste zu sammeln, vor allem die Schweigesekunden, die nachträglich aus den Aufnahmen herausgeschnitten worden waren, weil er gerade das auf Tonträgern aufgezeichnete Schweigen über alles schätzte. Die Geschichte der aufbewahrten Gottesschnipsel kann hier übergangen werden; man kann sie bei Böll nachlesen. Nur das sei angedeutet: Sie wurden später, ohne Murkes Wissen, in einen anderen, nämlich in einen atheistischen, Sendebeitrag eingefügt.
Man kann durchaus sagen, dass sich der Theologische Ausschuss auf die ihm geziemende Weise - nämlich theologisch - mit den Schnipseln in Doktor Murkes blecherner Zigarettenschachtel beschäftigt hat. Der Ausschuss hat nach allen Regeln der Kunst zu entfalten versucht, weshalb der Glaube bei der personalen Rede von Gott bleiben muss und weshalb ihn die Einwände Bur-Malottkes und seiner Anhänger nicht beeindrucken können. Auf »ein höheres Wesen, das wir verehren« braucht man nicht auszuweichen, wenn von Gott die Rede ist. Ja, man sollte es sich sogar verbieten, diesen - scheinbaren - Ausweg aus den Problemen einer angeblich zu lebendigen, zu konkreten und zu menschlich gedachten Rede von Gott zu suchen.
Denn hier steht viel auf dem Spiel: Wie sollen die vom Gegenüber zwischen Ich und Du bewegten Beziehungen zwischen Gott und Mensch gedacht werden, wenn Gott nicht die Merkmale der Personalität zukommen? Wie kann dann Gott noch als ein in Freiheit handelnder Gott verstanden werden? Wie kann er Mensch werden und uns in Jesus Christus begegnen? Wie kann er noch im Gebet angerufen werden? Eine unpersönliche Kraft ist stumm und kennt kein Erbarmen. Das christliche Verständnis vom Heil, das Gott der Menschenwelt in Jesus Christus zuwendet, wäre, wenn Bur-Malottke recht hätte, erledigt.
Der Kulturphilosoph Bur-Malottke ist eine literarische Fiktion. Aber diese Fiktion steht für eine bestimmte Denkweise, die in der Geschichte der Frage nach Gott eine lange Tradition hat. Schon die antiken Philosophen hatten das vermenschlichende Reden von Göttern, wie es in der griechischen Volksfrömmigkeit üblich war, in Zweifel gezogen und stattdessen den Gottesgedanken mit den Ideen des höchsten Seins bzw. des schlechthin Guten und Wahren in Verbindung gebracht. Später wurde diese Kritik auf den christlichen Gottesgedanken übertragen. Von keinem Geringeren als von Johann Wolfgang von Goethe stammt der Spottvers über diejenigen, die die abstrakte Redeweise von Gott zugunsten seines Personseins kritisiert hatten: »Was soll mir euer Hohn / Über das All und Eine, / Der Professor ist eine Person, / Gott ist keine.«
Und auch wenn man nicht gleich so weit gehen will wie der Weimarer Dichter: Verbirgt sich hinter solcher
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Kritik nicht auch ein berechtigtes Anliegen? Goethe hat ja in einem gewissen Sinne recht: Eine Person von der Art eines Professors ist Gott - glücklicherweise!, muss man sogar sagen - nicht. Es sind auf jeden Fall höchste Behutsamkeit und Vorsicht angezeigt, wenn die Sprache auf Gott kommt. Die Dimensionen seiner Wirklichkeit überschreiten alles, was dem für die Orientierung im Endlichen geschaffenen Denken von Menschen erschwinglich ist. So liegt die Frage nahe: Wird Gott nicht unzulässig verendlicht, wenn man ihn nach Maßgabe menschlicher Vorstellungen denkt und ihn als »Vater« anspricht? Und wird es nicht auch für das Gespräch mit den Vertretern anderer Religionen erfolgversprechend sein, wenn man sich an der Vorstellung orientiert, nach der religiöse Menschen von einer unpersonalen göttlichen Macht oder auch nur von »überirdischen« Kräften berührt werden? Der heute von verschiedenen Seiten erhobene Aufruf an die Kirche, sich auf eine derartige Religiosität einzulassen, hat darum selbst in der Kirche zu einer nicht geringen Verunsicherung in Hinblick auf das personale Gottesverständnis geführt.
Der Ausschuss hat sich eingehend mit diesen Fragen beschäftigt und die Bedenken geprüft, die gegenüber der personalen Gottesrede geltend gemacht werden. Dabei waren voreilige Schlüsse in dieser oder jener Richtung zu vermeiden. Denn allen, die an der Erarbeitung des vorliegenden Textes beteiligt gewesen sind, war deutlich, dass wir es hier mit einem der anspruchsvollsten Probleme der christlichen Lehre von Gott zu tun haben. Deutlich wurde aber auch, dass am Verständnis Gottes als Person die Identität des christlichen Glaubens hängt und dass man weder der Wirklichkeit des Schöpfers noch des Versöhners und des Erlösers gerecht wird, wenn man sie als unpersönliche göttliche Wirkkraft interpretiert. Das Ergebnis des gemeinsamen Nachdenkens ist der vorliegende Text, der in mehreren Schritten zu zeigen versucht, wie es um die personale Redeweise in der biblischen Überlieferung steht, in welchem Sinne »Person« ein Bildwort ist, das den zentralen Wesenszug der Wirklichkeit Gottes exakt wiedergibt, weshalb und wie die personale Rede von Gott im Geheimnis seiner Dreieinigkeit gründet und was wir dadurch gewinnen, dass Gott uns als Person begegnet.
Der erste thematische Arbeitsschritt des vorliegenden Votums, das als Kapitel 2 auf die im Eingangskapitel vorgenommene Exposition der Fragestellung folgt, richtet die Aufmerksamkeit auf die Bibel und zeichnet die Vorstellungen nach, die die biblischen Texte von Gottes Personsein entwickelt haben. Da der Begriff »Person« aus der Sprachwelt der griechischen Antike stammt und erst im zweiten nachchristlichen Jahrhundert im Zusammenhang mit der Lehre von der Trinität Gottes eine Rolle zu spielen begann (vgl. dazu S. 114-116) wird man es kaum erstaunlich finden, dass die biblische Überlieferung noch kein Wort kennt, das unserem Begriff »Person« vergleichbar wäre. Dennoch sind ihr die Sachverhalte vertraut, die das zum Ausdruck bringen, was wir mit dem Begriff »Person« verbinden. In diesem Sinne kann gezeigt werden, dass die biblischen Texte dem Gott Israels und Vater Jesu Christi wesentliche Merkmale zuschreiben, die wir für das Personsein in Anspruch nehmen: Gott handelt, Gott redet, Gott liebt und zürnt, er erwählt und verwirft, er hört und sieht. Gott ist ein Du. Er hat einen Namen, bei dem man ihn rufen kann. Das alles sind Merkmale, die in unserem Verständnis eine Person auszeichnen.
Gott wird durch menschliche Züge charakterisiert -gelegentlich sogar in einer erstaunlichen Direktheit -, aber diese werden als Hinweise auf Gottes Zuwendung verstanden. Auch gegenüber den personalen Vorstellungen wird die Unverfügbarkeit Gottes, die Unantastbarkeit seines Geheimnisses gewahrt. Der Respekt
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vor dem Geheimnis Gottes und die damit verbundene Behutsamkeit setzen sich im Neuen Testament fort, nach dessen Zeugnis Gott sich so unmittelbar mit dem Menschen Jesus von Nazareth identifiziert hat, dass er in ihm und durch ihn für alle Menschen erkennbar und ansprechbar wird.
Im dritten Kapitel geht es um den Personbegriff als Bildwort für Gott. Hier werden die entscheidenden Erläuterungen zum Verständnis des Charakters der personalen Rede von Gott vorgenommen. Das, was für jeden Akt des Sprechens gilt, gilt auch für die menschliche Rede von Gott: Unsere Sprache ist metaphorisch veranlagt; sie gebraucht Bilder, um von Gott zu reden. Ausführlich wird dargelegt, wie Metaphern (»Über-Tragungen«) grundlegende Momente der menschlichen Erfahrungswelt mit dem Geheimnis des dreieinigen Gottes verknüpfen. Sie bringen immer dann authentisch Gott zur Sprache, wenn sie seiner Bewegung in die menschliche Sprach- und Erfahrungswelt folgen, die sich in der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus vollendet. Dabei rücken die prägnanten Merkmale seiner Göttlichkeit in den Blick: seine Liebe, seine Barmherzigkeit, seine Gerechtigkeit, seine Gnade. Eine Verkündigung Gottes, die auf personale Metaphern verzichten wollte, vermag nicht mehr auszusagen, wer Gott für uns ist. So setzt die Anrede »Vater« voraus, dass Gott schon immer in einer durch Liebe geprägten Beziehung zu denen steht, die ihn anrufen. Deshalb dürfen und sollen sie zu ihm als zu ihrem Vater beten.
Das Vaterunser-Gebet ist der Inbegriff solchen Betens. In ihm verdichten sich die Charakteristika christlicher personaler Rede von Gott. Wenn Menschen Gott als »Vater« anreden, sprechen sie ihn mit einem Bildwort aus ihrer Erfahrungswelt an. Der Vater kommt ihnen als seinen »Kindern« nahe. Wer das Vaterunser betet, darf sich deshalb in der Nähe des göttlichen Vaters wissen. Indem er Gott aber um die Heiligung seines Namens bittet, wird ihm zugleich bewusst, dass Gott mit seinen Möglichkeiten mehr ist und mehr zu tun vermag, als aufgrund menschlicher Erfahrungen von Vaterschaft zu ermessen ist. Er bleibt aber auch niemals hinter dem zurück, was uns berechtigt, ihn Vater zu nennen.
Am Beispiel der Vateranrede wird deutlich, dass wir unsere Vorstellungen vom menschlichen Personsein nicht unreflektiert auf Gottes Wirklichkeit übertragen können. Deshalb wird betont, dass die unmittelbare metaphorische Rede von Gott zu reflektiert metaphorischer Rede wird, welche die konkret anredenden Metaphern in die Sprache von Begriffen überführt (vgl. S. 94f). Unsere Vorstellungen vom Personsein sind niemals mit dem identisch, was von Gottes Personsein auszusagen ist. Sie sind aber auch nicht so vom Personsein Gottes unterschieden, dass sie keinen Anhalt an Gottes Wirklichkeit haben. Zwischen ihnen und der Wirklichkeit Gottes besteht das Verhältnis einer Entsprechung. Die Theologie hat das mit dem Gedanken der Analogie auszudrücken versucht: Was wir von Gott als Person aussagen, ist dem Personsein seiner Wirklichkeit analog. Das heißt: Es ist ihm ähnlich, muss aber immer auch unter dem Vorbehalt der Unähnlichkeit betrachtet werden. Dabei darf man in einer am Kommen Gottes in Jesus Christus orientierten Perspektive davon ausgehen, dass die Ähnlichkeit immer noch größer ist als die Unähnlichkeit.
Aber auch die Unähnlichkeit darf nicht übersehen werden. Wir wissen heute um die Schwierigkeiten, die sich aus einer unreflektierten Übertragung männlicher Redeformen und Attribute auf die Wirklichkeit Gottes ergeben: Das Personsein Gottes wird dann einseitig von den Vorstellungen, ja den Vorurteilen des »Mannseins« dominiert. Diese Sichtweise bedarf der Korrektur. Das gilt erst recht für die Bilder der Gewalt, die sich in der Bibel mit der personalen Gottesvorstellung verbunden
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haben. Im vorliegenden Votum wird hervorgehoben, dass die patriarchalischen Denkmuster, die sich schon in der Bibel und erst recht in der Geschichte der Christenheit an den Gebrauch der Vateranrede geheftet haben, von der Freiheit Gottes her zu korrigieren sind: »In Würdigung dieser Freiheit kann der Gottesname nicht so verstanden werden, dass er Gottes Zuwendung zu uns Menschen in männliche Erfahrungswelten kanalisieren möchte. Dieser Name ist eingedenk der Freiheit Gottes vielmehr so auszulegen und zu gebrauchen, dass bei seiner Artikulation alle menschlichen Erfahrungswelten gleich welcher - geschlechtsspezifischer, sozialer oder gesellschaftlicher - Art in ihm bildkräftig Raum haben.« (S. 105) Das Wort »Person« lädt unmittelbar dazu ein, männliche und weibliche Erfahrungshorizonte aufeinander zu beziehen und Gott auch weibliche Gemütsregungen und Funktionen zuzuschreiben. Das wird im Votum stets vorausgesetzt. Bei der theologischen Weiterarbeit können hier die Ergebnisse der feministischen Theologie und der Gender-Forschung fruchtbar gemacht werden.
Im vierten Kapitel wird die trinitarisch-personale Rede von Gott ins Blickfeld gerückt. Damit gelangt man zum theologischen Herzstück des Votums. Hier soll nämlich gezeigt werden, dass und wie die personale Rede von Gott im Geheimnis seiner Dreieinigkeit gründet. Das Bekenntnis der Kirche spricht in seiner traditionellen Fassung davon, dass der eine Gott »in drei Personen« existiert (»una substantia - tres personae«). Eine genaue Betrachtung dieser alten Formel führt zu dem Ergebnis, dass uns der eine personale Gott in drei personal ausgerichteten Formen der Zuwendung begegnet. Er begegnet dem Menschen und seiner Welt auf strukturierte Art und Weise. Die Beziehungen des einen personalen Gottes zu uns und zu unserer Welt verdichten sich als Beziehung des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
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Es handelt sich um drei fundamentale Akte des dreieinigen Gottes. In ihnen - so wird gezeigt - konkretisiert sich in spezifischer Weise jeweils die Wirklichkeit des begegnenden Gottes für die Wahrnehmung des Glaubens: Gott begegnet als Schöpfer der Welt und des Menschen. Er begegnet im Menschen Jesus Christus und in der Verheißungsgeschichte Israels, um die Menschheit von der Macht des Bösen zu befreien und einen neuen Anfang mit ihr zu machen. Und er begegnet als immer neu gegenwärtig wirkender Gott, der bei Menschen in der Kraft seines Geistes Glauben weckt und sie zu einem Leben aus Glauben in Liebe und in Hoffnung auf die Vollendung der Welt frei macht. Die entscheidenden Ansätze dazu finden sich im Neuen Testament. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind in ihrer Beziehung aufeinander die Kurzfassung der einen großen Geschichte, die Gott mit der Erschaffung der Welt und der Menschen begonnen hat und die er mit der Verwirklichung des Reiches Gottes vollenden wird. Und zugleich wird deutlich, dass der dreieinige Gott sich auf unterscheidende Weise auf die Menschenwelt bezieht: in Form höchster Kreativität als Gott der Schöpfer, in Form tiefster Selbsthingabe als Gott der Sohn und in Form dichtester Präsenz als Gott der Heilige Geist.
Wenn wir nun die Beziehungen von Vater, Sohn und Heiligem Geist untereinander betrachten, so springt eine weitere wichtige Erkenntnis ins Auge: Zwischenmenschliche Personalität wurzelt im Geheimnis Gottes. Es ist tatsächlich nicht an dem, dass wir unsere Vorstellungen vom Personsein auf Gott übertragen. Es ist genau umgekehrt. In der im Geheimnis Gottes waltenden höchsten Kreativität (Schöpfer), tiefsten Selbsthingabe (Sohn) und dichtesten Präsenz (Geist) pulsiert der Grundrhythmus allen Liebens und damit aller Personalität. Unser menschliches Personsein gründet im Personsein Gottes. Er begegnet als Vater, Sohn und Heiliger Geist so, dass
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