Evangelisches Gemeindelexikon


Vereinigung, Vereinigungsleitung



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Vereinigung, Vereinigungsleitung

Im Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden (—» Baptisten) bilden die gebietsmäßig zusam­menliegenden Gemeinden sog. Vereinigun­gen. Diese sind in der Bundesrepublik Deutschland: Vereinigungen Norddeutsch­land, Nordwestdeutschland, Niedersachsen, Berlin (West), Westfalen, Rheinland, Hes­sen-Siegerland, Bayern, Baden-Württem­berg. Die V.en fördern die Verbindung der Gemeinden untereinander und die Arbeit in den Gemeinden zum gemeinsamen Zeugnis und Dienst. Organe der V. sind der V.srat und die V.sleitung. Der Rat wird gebildet aus den Abgeordneten der Gemeinden und tritt einmal im Jahr zusammen. Die V.sleitung ist das ausführende Organ und gibt dem V.srat auf der jährlich stattfindenden Konfe­renz Rechenschaft über die geleistete Arbeit.

Zeiger

Vereinigung ev. Buchhändler —» Litera­turarbeit

Vereinigung ev. Freikirchen

Die V. wurde 1926 in Leipzig gegründet als Arbeitsgemeinschaft zwischen dem Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemein­den, dem Bund Freier evangelischer Ge­meinden und der Evangelisch-methodisti- schen Kirche, um gegenüber den staatlichen Behörden und den Großkirchen ihre Belange gemeinsam vertreten zu können. Sie halten regelmäßige Konferenzen, um die zwi­schenkirchlichen Beziehungen zu vertiefen und die gemeinsame Arbeit der Mitgliedkir­chen und Ortsgemeinden im öffentlichen Leben zu fördern.



Lit.: Berichtshefte über die Tagungen. Geschichte der V. in Heft 1969 und in -Der Gärtner« Nr. 11/1976 Wiesemann

Verheißung und Erfüllung im AT und

NT Biblische Theologie

Vernunft

  1. Allgemeine Definition

Vernunft ist ein Sammel- oder Oberbegriff und bezeichnet das menschliche Erkennt­nisvermögen, in dem der Mensch der Welt und anderen Menschen (auch sich selber) ge­genübertreten kann und in den Schritten: Wahrnehmen, ordnen, zusammensehen und Folgerungen ziehen, sich eine Meinung bil­det.

  1. Vernunft in biblischer Sicht

  1. DIE NATÜRLICHE VERNUNFT

Die Bibel bestreitet den Wert und die Nütz­lichkeit der V. nicht grundsätzlich (vgl. Spr 13,16; Pred 2,26; Spr 24,5; Dan 2,21; 2Tim

  1. , doch nennt sie nüchtern Grenzen der V. In Röm i,i8ff. setzt Paulus Erkenntnis Got­tes aus der Schöpfung voraus (V.19 und 20), doch sieht er die menschliche V. nicht neu­tral, sondern in der ständigen Auflehnung gegen Gott (V. 21 vgl. auch Gen 8,2r). Die menschliche V. und ihre Erkenntnisfähig­keit wird vom natürlichen Menschen zur Selbstrechtfertigung und zur Selbstbehaup­tung gegen Gott mißbraucht und richtet ihn daher selber.

Die V. ist verstockt für den Heilsplan Gottes (z.B. Israel 2Kor 3,14); sie ist blind (2Kor 11,3) und kann trotz aller Erkenntnis —» Jesus Christus nicht als den Heiland erkennen (vgl. Lk 6,ii; 24,25,45; Mk 6,52; 7,18; 8,17-21). Die Bibel wertet damit die V. je nach den Einflüssen, denen sie sich geöffnet hat und denen sie dient. Erst der -» Glaube befreit die V. und weist ihr den richtigen Platz zu. (Vgl. Joh 12,37-41; 1 Kor 2,12; ijoh

  1. . Die biblische Sicht der V. steht also im Gegensatz zu dem die griechische Philoso­phie kennzeichnenden unbedingten Ver­trauen in die V., die hier als höchster Seelen­teil und göttlich (Aristoteles) angesehen wird.

  1. VERNUNFT UND OFFENBARUNG

Der Glaube wird geweckt und ermöglicht durch Gottes Offenbarung. Erkenntnis des Glaubens ist deshalb immer zugleich Aner­kenntnis des sich selbst offenbarenden Got­tes und deshalb zum Gehorsam treibendes Vertrauen (vgl. Jes 1,3; Ps 46,11; Jes 43/1°; iKor 8,1-4). Es ist aber das Wesen der Of­fenbarung Gottes, daß sie eingeht in die —> Geschichte. —»Israels Gottesbekenntnis be­ruft sich auf die Heilstaten Gottes für Israel (Dtn 6,20-25). Auch das Glaubensbekennt­nis der christlichen Kirche beruft sich auf die geschichtliche Hcilstat Gottes in der Menschwerdung seines Sohnes Jesus Chri­stus (Hebr i,if; Gal 4,4; Joh 3,16). Die Inkar­nation (Fleischwerdung) ist fortgesetzt in der geschichtlichen Urkunde des Glaubens, der Bibel.

Gott kann deshalb mit den Mitteln der V. ein Stück weit gefaßt werden. Der Glaubensakt in Anerkenntnis und Vertrauen darf nicht getrennt werden vom Glaubensinhalt, von Einsicht und Kenntnis.



  1. PHILOSOPHIE UND GLAUBE Philosophie ist der methodisch reflektierte Gebrauch der V. zur Erkenntnis der Wahr­heit im umfassenden Sinn. So wenig V. not­wendig im Gegensatz zum Glauben steht, so wenig muß Philosophie unchristlich sein. Sie ist es nur dort, wo sie in blindem Ver­trauen sich von der natürlichen V. leiten läßt und so entweder in der Skepsis, im -» Atheismus oder in spekulativer Theologie endet. Christliche Philosophie ist Gebrauch der V., der durch Gottes Offenbarung die Augen zur Erkenntnis Gottes und der Welt als seiner Schöpfung geöffnet werden. Was hier von der Philosophie gesagt ist, gilt grundsätzlich entsprechend von allen ande­ren Wissenschaften.

  1. Orientierungshilfen

r) GLAUBE OHNE V.?

Von Tertullian stammt der Programmsatz: Credo, quia absurdum (ich glaube, weil es ungereimt ist). Dabei werden aber 3 große Gefahren deutlich: a) Solcher Glaube führt leicht in die Verneinung der Welt und des Menschen, b) er führt in ein Ghetto, in die vereinsamende Abgrenzung, und c) solcher Glaube ist leicht verführbar, weil nicht nachprüf- oder aufweisbar. Der Verlust an Wirklichkeit durch diesen Glauben wider die V. bedeutet das Ende der —» Mission.



  1. ) SAGBARER GLAUBE

Besser beschreibt Anselm von Canterbury (1033-1109) die missionarische Bewegung des Glaubens mit seinem Satz: Credo, ut in- tellegam (ich glaube, damit ich erkenne). Auch hier geht Glaube als persönliche Be­gegnung voraus,- dann aber will dieser Glaube in vernünftigem Denken die Wirk­lichkeit der Welt und des Lebens ausleuch­ten. Solches Denken der V. aus Glauben dient aber zur Mission, zur Sagbarkeit des Glaubens, zur Glauben weckenden Lehre und Verkündigung (vgl. Mt 2 8,i9f.: »leh­ret«).

Die Schwäche dieses Satzes ist allerdings, daß er dazu verleiten könnte, in der Ver­nunfterkenntnis das eigentliche Ziel des Glaubens zu sehen, daß er außerdem wirkli­che Mission gerade unmöglich macht, wenn er im Sinne einer grundsätzlichen Reihen­folge zu verstehen wäre und von der Er­kenntnis einen »blinden« Glauben forderte.



  1. RATIONALISMUS

Der Formel Anselms entgegengesetzt ist die Abaelards (1079-1142): intelligout credam (ich erkenne, um zu glauben). Sofern hier die Vernunfterkenntnis ihre Maßstäbe in sich selbst trägt und sich die unbedingte Voll­macht zuschreibt, über die Wahrheit zu ur­teilen, kann man von Rationalismus spre­chen. Der Vorwurf des Rationalismus wurde später vor allem gegenüber der —> Aufklä­rung des 18. Jh.s (z.B. von A. —»Tholuck) und neuerdings der des Neorationalismus (z.B. von G. Bergmann) gegenüber der sog. -» mo­dernen Theologie (R. —> Bultmann) erhoben. In der Auseinandersetzung mit dem Ratio­nalismus wird aber darauf zu achten sein, daß sein bloßes Gegenteil, der Irrationalis­mus, nicht weniger dem biblischen Ver­nunftverständnis zuwiderläuft. So haben F. Flückiger (Existenz und Glaube) und F. Schaeffer herausgearbeitet, daß die -» mo­derne Theologie gerade in ihrem Gottesver­ständnis gleicherweise von Rationalismus und Irrationalismus getragen ist.

  1. -GETAUFTE» V.

Der Glaube ist nicht ohne V., aber auch nicht der V. unterworfen. Die V. bedarf der Erneuerung im Heiligen —» Geist. Erst dann kann der Mensch wirklich »vernünftig« (= wort-gemäß) denken und handeln (Röm 12,1). Wie in der —> Taufe der alte Mensch stirbt und in der Neuschöpfung durch das Wort Gottes erneuert wird, so muß auch seine V. das Scheitern ihrer Möglichkeiten erleben, bevor sie als erneuerte V. den »neuen Menschen« zu sachlichem und nüchternem Denken befähigen kann.

—>Ideologie

Lit.: H. J. Iwand, Glauben und Wissen, 1962 -G. v. Rad, Weisheit in Israel, 1975 - F. Schaeffer, Und er schweigt nicht, 1975 - H. Thielicke, Mensch wer­den, 1976 rr ■

' ' Krimmer

Versammlung, christliche, oft auch Brü­derversammlung, Plymouth-Brüder oder Darbysten genannt.


  1. Entstehung.

Die V. geht zurück auf einen kleinen Kreis, der 1827 in Dublin zu Wortbetrachtungen zusammenkam und sich wohl im November 1829 erstmalig zum »Brotbrechen« ver­sammelte. Führend in der Bewegung wurde

J. N. -» Darby. In Auseinandersetzung mit der anglikanischen Kirche und Dissidenten­gemeinden in der Schweiz hatte er den Ge­danken des Abfalls der Kirche, gleich wel­cher Benennung, entwickelt und gegen frei­kirchliche Bestrebungen geäußert, daß die Wiedererrichtung des Verfallenen nach dem Vorbild der Urgemeinde nicht möglich sei. Dagegen soll die Einheit des Leibes Jesu jen­seits aller Kirchen und Benennungen unter den wahren Gläubigen in der V. der »zwei oder drei« (Mt 18,20) am »Tisch des Herrn« zum Ausdruck kommen. Unter Verzicht auf alle hierarchischen, institutioneilen und sa­kramental-liturgischen Elemente sollte das —» Priestertum aller Gläubigen radikal ver­wirklicht werden. Es war zugleich verknüpft mit der Idee der Absonderung von allem Übel (evil = Kirchen und Welt), um die phi- ladelphische Geistkirche der Endzeit bis zur Entrückung rein zu erhalten. —



  1. Spaltungen.

Darby verstand Absonderung notfalls auch kollektiv, so daß ganze Gemeinden ausge­schlossen werden konnten. 1848/49 kam es im sog. Bethesda-Streit zum Bruch mit G. —> Müller in Bristol. Von da an gab es einen »exklusiven« (Darby und seine Anhänger) und einen »offenen« Flügel der Brüderbewe­gung. Kurz vor und besonders nach Darbys Tod gab es in den exklusiven V.en eine Fülle von Spaltungen (Kelly, Raven, Stoney, Stu­art, James Taylor Vater und Sohn) oft wegen geringfügiger Anlässe.

  1. Ausbreitung und Entwicklung in Deutschland.

Durch Darbys Reisen und umfangreiche li­terarische Tätigkeit und Korrespondenz wurden V.en auf den britischen Inseln, dem europäischen Kontinent, in Nordamerika, Australien und Neu-Seeland gegründet. Pa­rallel dazu erfolgten Gemeindegründungen der »offenen Brüder«, vor allem durch Mül­ler und -» Baedeker. In Deutschland war für die Frühzeit das Wirken des Lehrers C. —> Brockhaus bestimmend. Er war mit Darby eng befreundet und übersetzte mit ihm, J. A. v. —» Poseck und Hermann Kornelius Voor- hoeve die Bibel in wortgetreuer Wiedergabe (1855 erschien das NT; 1859 NT und Psal­men und 1871 die ganze Bibel), die als Elber- felder Bibel weit über Versammlungskreise hinaus Verbreitung fand. Obwohl die V.en Brockhaus'scher Prägung (»Elberfelder Brü­der«) exklusiv waren, blieben sie weitge­hend von Spaltungen verschont. Sie entwik- kelten nur geringe Aktivitäten nach außen. Die Gemeinden der offenen Brüder unter­hielten dagegen vielfältige Kontakte zu an­deren christlichen Kreisen, manchmal mit bestimmendem Einfluß (Gemeinschaften; —> Blankenburger Allianz; Verband gläubi­ger Offiziere, v. —» Viebahn; Allianzbibel­schule, T. v. —> Blücher, —> Wiedenest). - Am 13.4.1937 wurden die V.en wegen ihrer Or- ganisationslosigkeit und Unkontrollierbar- keit durch die Nationalsozialisten verboten. Einer genehmigten Beratung von über 1 000 Brüdern in Wuppertal folgte Ende 1937 der Zusammenschluß der V. mit den offenen Brüdern (»kirchenfreie christliche Gemein­den«) zum »Bund freikirchlicher Christen«. Schon 1938 gab es Kontakte zwischen dem BfC, dem Bund —> Freier ev. Gemeinden und dem Bund der —» Baptistengemeinden, um eine engere Gemeinschaft einzugehen. BfC und Baptisten vereinigten sich 1942 zum »Bund Ev.-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland, K. d. ö. R.«. Allerdings hatten nicht alle V.en diesen Zusammenschluß gutgeheißen. Einige ertrugen während der NS-Zeit das Verbot, andere traten nach dem Krieg aus dem Bund aus, weil sie das »Predi- gertum« als Gefahr für das allgemeine Prie­stertum und die Beziehungen zum Welt­bund der Baptisten fürchteten. Diese Ge­meinden bildeten einen »Freien Brüder­kreis«, der allerdings die »schriftwidrige Enge«, d.h. den exklusiven Absolutheitsan­spruch der darbystischen V. ablehnt. -

  1. Lehre.

Besondere Lehrpunkte bilden neben dem Kirchenbegriff die Unantastbarkeit und In­spiration der Hl. Schrift, Taufe (die nicht durchgängig als Erwachsenentaufe geübt wird) und —> Abendmahl (Brotbrechen) als Erinnerungszeichen, die endzeitliche Aus­prägung von Lehre und Leben (Brautgemein­de, Entrückung) und die Unterscheidung zwischen Israel als dem irdischen und der Gemeinde als dem himmlischen Volk Got­tes. - Wegen fehlender Mitgliederlisten ist die Zahl der Anhänger nur schätzbar. Die Gesamtzahl dürfte bei 300000 liegen; in

Deutschland sind ca. 30000 vom Gedanken­gut der V. beeinflußt.

Lit.: F. Roy Coad, A History of the Brethren Move­ment, 1968 - E. Geldbach, C. V. und Heilsge­schichte bei J. N. Darby 197 53 - Versammlungen der »Brüder«. Bibelverständnis und Lehre, mit einer Dokumentation der Geschichte von 1937-1950, 1977 -G. Jordy, Die Brüderbewegung in Deutschland I-III, 1979-1986

Geldbach


Versiegelung

In manchen —» Sekten und Gruppen wird die V. als endzeidiches Zeichen vorgenommen. Zuerst hat die —> kath.-apostolische Ge­meinde in Anlehnung an Eph 1, r 3 den Emp­fang des Hl. —» Geistes durch —> Handaufle­gung unter Verwendung des Salböls als V. verstanden. In der —> Neuapostolischen Kir­che wurde die V. neben Taufe und Abend­mahl ein 3. Sakrament. Versiegelt wird nur, wer sein Leben nach den Lehren der neuen Apostel führt. Die V. bedeutet Spendung des Hl. Geistes durch den Amtsträger. Sie ist wesentlicher Teil der Wiedergeburt. Ihr Vollzug festigt die Autorität der Apostel we­sentlich und unterstützt zugleich den ex­klusiven Anspruch. Die —» Philadelphia- Bewegung unterscheidet zwei Arten: die V. nach Eph 1,13 zur Seligkeit und die V. nach Apg 7 zur Entrückung derjenigen, die sich ganz Gott ausgeliefert haben. Bei den —» Mormonen wird die »Ehe für Zeit und Ewig­keit« im Tempel durch Siegelung vollzogen.

Geldbach

Versöhnung Heil -» Rechtfertigung I. 3

Vetter, Jakob, *23.11.1872 Worms, t13.12.1918 Riehen bei Basel. Mit 14. Jahren Vollwaise. Nach schwerer Jugend trifft er als Sechzehnjähriger eine bewußte Entschei­dung für Christus. Von 1893-1897 Ausbil­dung am Predigerseminar St. —> Chrischona, wo er die geistige Schau eines Evangelisa­tionszeltes hat. Nach ersten Evangelisa­tionsdiensten in Hessen wird er 1902 Grün­der der »Deutschen -> Zeltmission« und damit Inspirator für weitere Zeltmissionen (Schweiz, Holland). Als vielgefragter Evan­gelist und auflagenhoher Schriftsteller nimmt V. starken Einfluß auf die —> Ge­meinschaftsbewegung. Reisen führen ihn trotz schwerer Lungenkrankheit nach Wa­les, Holland, Rußland und viermal in den Orient.

Lit.: H. Bruns, J. V., 1954

Bergmann





fakob Vetter




Viebahn, Christa von, *25.11.1873 Wies­baden, t2.-i.1955 Aidlingen, Tochter Georg von —» Viebahns. Gründerin des Diakonis­senmutterhauses Aidlingen/Württ. Vom achten Lebensjahr an ist die Bibel ihre tägli­che Lektüre, als Vierzehnjährige findet sie Frieden. In Frankfurt, Tübingen, Trier, Stet­tin, England wächst sie auf, leitet Frauen-




Christa von Viebahn


stunden in Arbeitervororten Stettins, ver­bunden mit praktischer Hilfe. Sie verfaßte geistliches Schrifttum und führte nach dem Tod des Vaters dessen »Bibellesezettel« fort. 1915 Beginn der evangelistischen Arbeit in Stuttgart. Kreise für Frauen und Mädchen entstehen, später ein Diakonissenmutter­haus mit Bibelschule, Freizeiten, Schrif­tenmission, Krankenpflege, Schularbeit. »Errettet, um zu dienen!«, kennzeichnete sie und ihr Werk.

Lit.: Vom Leben im Geist, 19463 - Bibellesezettel und Apostelbriefe - H. Brandenburg, Ich hatte Durst nach Gott. Aus dem Leben von Christa von Viebahn, I978 Kempf

Viebahn, Georg von, *15.11.1840 Arns­berg, f15.12.1915 Berlin, Generalleutnant. Der hervorragend begabte Offizier, der -» Versammlung nahestehend, wurde ein offe­ner Christusbekenner und sammelte die gläubigen Offiziere der kaiserlichen Armee und Marine in einem »Bund gläubiger Offi­ziere«. Alljährlich hatten sie ihre Konferen­zen. V. gab seit 1899 vierteljährlich die Zeit­schrift »Schwert und Schild« mit dem »Bi­bellesezettel« als Beilage heraus. Die Ausle­gungen des Bibellesezettels für die tägliche stille Zeit fanden weite Verbreitung. Auf den -> Blankenburger Konferenzen war V. einer der führenden Männer; auch sonst war er als Redner geschätzt. Seine Traktate »Zeug­nisse eines alten Soldaten« (seit 1895) sind





beispielhaft für die Traktatliteratur. Die —» »Berliner Erklärung I« gegen die —> Pfingst- bewegung ging mit auf seine Initiative zu­rück.

Lit. Friedrich Wilhelm v. Viebahn, G. v. V., 19182 Brandenburg










August Friedrich Christian Vilmar




Vilmar, August Friedrich Christian,

*21.11.1800 Solz bei Rothenburg (Hessen), +30.7.1868 Marburg/Lahn. Als vielseitig in­teressierter ev. Theologe hat sich V. für die Freiheit der Kirche von jeder staatlichen Be­vormundung eingesetzt. Seine Liebe und sein Eifer galt der sichtbaren Kirche, in der Christus selbst durch den Hl. Geist gegen­wärtig ist. Seine hohe Meinung vom kirchli­chen —>• Amt, durch das die Predigt des Wor­tes und Spendung der —> Sakramente sich vollzieht, ist mit der Forderung verknüpft, sich auf eine »Theologie der Tatsachen«, nicht auf eine »Theologie der Rhetorik« zu stützen. Als Theologieprofessor in Marburg (1855 — 1868) hat V. besonders die hessische Pfarrerschaft beeinflußt.

Lit.: G. Müller, Die Bedeutung A. V.s für Theologie Kirche, 1969

Lamparter



Vinet, Alexandre, *17. 6. 1797 Ouchy, +4.5.1847 Clärens, französisch-schweizeri­scher Theologe und Literaturkritiker, gilt als einer der frühesten Verfechter einer konse-

quenten Trennung von —» Kirche und Staat. In Basel (1817-1837) kam V. in Berührung mit dem »Reveil«, der schweizer Erwek- kungsbewegung, den er zunächst ablehnte, dann aber nach einer inneren Wandlung und aus Protest gegen die behördliche Unter­drückung unterstützte. Während seiner Pro­fessur für praktische Theologie in Lausanne verließ er 1840 die Pfarrerschaft seiner Lan­deskirche, um gegen die staatlichen Ein­griffe in das kirchliche Leben Stellung zu be­ziehen; 1844 trat er von seinem Amt zurück. V., kurz darauf zum Professor für französi­sche Literatur ernannt, wurde schon 1846 wieder abgesetzt, weil er sich an verbotenen Gottesdiensten des »Reveil« beteiligt hatte. Er erlebte noch die Gründung der »Freien Kirche des Kantons Waadt«, für deren an­fängliche Entwicklung er die entscheiden­den Impulse gegeben hatte. V. übt bis heute einen starken Einfluß im frankophonen Pro­testantismus aus, hat aber auch auf die deut­schen Freikirchen eingewirkt (z.B. —> Freie ev. Gemeinden).

Lit.: Otto Erich Strasser, A.V., Sein Kampf um ein Leben der Freiheit, 1946

Schnurr


Vömel, Alexander, *21.7.1863 Frankfurt a. M., f2i.3.T949 Frankfurt a. M., Nach­komme —» Jung-Stillings, Pfarrer und Schriftsteller. Als Jugendlicher erweckt, be­suchte V. von 1881-1886 die Ev. Prediger­schule in Basel, t 886 Ordination zum Geist­lichen, Prediger der Basler —> Stadtmission, 1890-1912 Pfarrer der Minoritätsgemeinde in Emmishofen am Bodensee, wo er eine Kleinkinderschule und einen Abstinenzver­ein gründete. V. war Bußprediger mit beson­derer Betonung der Liebestat Christi durch sein Opfer am Kreuz. 1912-1937 Pfarrer an der Christuskirche in Frankfurt a. M., Mit­arbeit am Frankfurter Rundfunk und dem re­ligiösen Wochenblatt in Basel: »Der christ­liche Volksbote«. Verfasser zahlreicher christlicher Bücher und Lebensbilder, unter anderem das Lebensbild des Grafen Ferdi­nand Zeppelin.

Lit.: A. Stucki, Alexander Vömel, 1954

Lehmann

Volkening, Johann Heinrich, *10.5.1796 Hille/Minden, +25. 7. 1877 Holzhausen/ Lübbecke, bedeutendster Erweckungspredi­ger Minden-Ravensbergs. Unter dem Ein­fluß pietistisch bestimmter Versammlun­gen und der 95 Thesen von Claus -> Harms wandte er sich einem biblischen Christen­tum lutherischer Prägung zu. Vorüberge­hend Lehrer und Hilfsprediger an St. Marien in Minden, wurde er 1822 Pfarrer in Schnathorst (Kr. Lübbecke), 1827 in Güters­loh und 1838 in Jöllenbeck bei Bielefeld, wo er bis 1869 die wichtigste Zeit seines Wir­kens verbrachte. - Seine Predigten zeichnen sich durch volkstümliche Beredsamkeit aus. Zur Belebung des Gemeindelebens trugen außerdem die 1853 von ihm herausge­brachte Liedersammlung, die »Kleine Mis­sionsharfe«, und die von ihm angeregte Gründung von Posaunenchören bei. Über Minden-Ravensberg hinaus wurde er be­kannt als Mitherausgeber des Ev. Monats­blatts für Westf. und der Ev.-luth. Zeugnisse. Getreu seinem Leitwort »Gerettetsein gibt Rettersinn« hat er für die Arbeit der Äußeren Mission Verständnis und Opferbereitschaft geweckt. Ebenso hat er dem Entstehen dia- konischer Werke, z.B. —» Bethel, den Boden bereitet. 1844 begründete er in Jöllenbeck die erste Gemeindeschwesternstation Deutschlands und besetzte sie mit einer Kaiserswerther Diakonisse. - Trotz seines schüchternen Wesens begegnete er Anfein­dungen von Behörden und Gemeindeglie­dern mit Festigkeit. Seine Verbindung von Luthertum und pietistischer Frömmigkeit ist für viele Gemeinden Minden-Ravens­bergs bis heute charakteristisch geblieben.

Lit.: K. J. Laube, Erweckungspredigt in Minden- Ravensberg, Diss. Hamburg, 1976

Rahe

Volkskirche



V. ist nicht »Staatskirche«. Diese hat in Deutschland mit dem Ende des landesherr­lichen Kirchenregiments 1919 ihr Ende ge­nommen. Seitdem versteht sich die Ev. Kirche in Deutschland als freie Kirche im freien Staat. V. ist aber auch nicht —> Freikir­che im angelsächsischen Sinne dieses Wor­tes, sofern sich dieser Begriff auf eine mehr vereinsmäßige Verfassung bezieht. Der Ausdruck »Landeskirche« ist darum zutref­fend, weil das ev. Kirchentum gebietsmäßig gegliedert ist und innerhalb des jeweiligen Territoriums alle Evangelischen, sofern sie nicht aus der Kirche austreten, als Glieder der Landeskirche gezählt werden.

Die Schwächen der V. sind einsichtig. Ihre

Mitgliedschaft ist unverbindlich. Die Gren­zen zerfließen, Gewohnheitschristentum läßt lebendigen Glauben ersterben. Missio­narisches Engagement ist wenig wirksam. Wo jedermann zur Kirche gehört, droht nie­mand sie ernstzunehmen. Als Folge droht ein innerer und äußerer Substanzverlust. Man spricht von stiller Erosion der V. und verweist auf die wachsende Zahl der Kir­chenaustritte.

Demgegenüber müssen aber auch die Chan­cen volkskirchlicher Verfassung im Sinn behalten werden. Die V. ist offene Kirche, Kirche des freien Angebots, Kirche für alle, Kirche für andere. Sie ist nicht auf einzelne Gruppen des Volkes beschränkt und nicht von dieser oder jener subjektiven Einstel­lung, sei es der Frömmigkeit und der Moral, sei es der Weltanschauung und der politi­schen Haltung ihrer Mitglieder abhängig. Zwar ist sie nicht dagegen gefeit, den Versu­chungen des Zeitgeistes zu verfallen - ge­rade die deutsche Kirchengeschichte ist des bis in die jüngste Zeit hinein Zeuge -, aber auch in Krisenzeiten bleibt sie, wie etwa der —> Kirchenkampf in der Zeit des Nationalso­zialismus erweist, offen für Bewegung, Wandel und Neuanfang. Jesus Christus hat es nach dem Zeugnis des NT mit dem Volke zu tun. Seine Sendung weist an alle Völker. Eine Kirche, die sich um ihn sammelt und von ihm sich senden läßt, kann darum nur Kirche für andere, Kirche für alle und in die­sem Sinne V. sein. Entscheidend freilich bleibt, daß sie zunächst seine Kirche ist und bleibt, sein Bekenntnis pflegt und seine Wahrheit festhält. Bekenntniskirche ist da­her kein Gegensatz, sondern eine fruchtbare, tragende Ergänzung zur V. Auch schließen sich Kerngemeinde und volkskirchliche Verfassung nicht aus. Vielmehr erlaubt ge­rade die Sammlung um die Mitte die Öff­nung für den Rand.

Lit.: Bericht über die Freiburger Synode 197 s — H. Hild, Wie stabil ist die Kirche?, 1974

Thimme


Volksmission

  1. BEGRIFF UND GESCHICHTE Der Begriff Volksmission stammt aus der Zeit der Gegenreformation in der kath. Kir­che. Gegenüber dem religiösen und sittli­chen Verfall sollte die V. helfen, das geistli­che Leben zu erneuern und zu vertiefen. - Auf ev. Seite wurde der Begriff V. von Ger­hard Hilbert aufgenommen, der 1916 eine Programmschrift »Kirchliche V.« veröffent­lichte. Er definierte: »V. ist die Mission, die die —> Volkskirche an sich selbst und an ih­rem Volk zu treiben hat.« In der fortschrei­tenden Entfremdung der Massen vom Christentum erblickte Hilbert - wie 1848 schon J. H. —» Wiehern - eine missionarische Herausforderung (»Deutschland ist Mis­sionsland und wird es bleiben«), die eine neue Einstellung von der Kirche erfordere: Sie dürfe nicht mehr nur »pflegen« wollen, sondern müsse »erobern«, wobei es um die »Hinführung aller Glieder der Volkskirche zum persönlichen Glauben« sowie um die »Schaffung wahrhaft lebendiger Gemein­den« gehe. Geeignete Mittel dazu seien die —> Evangelisation, die mit —> Apologetik verbunden werden müsse, sowie eine ge­meindliche Aufbauarbeit und eine öffentli­che Mission, zu der die Kirche besonders das gedruckte Wort einsetzen solle. Neben Hil­bert sind als Bahnbrecher der V. besonders G. —» Füllkrug (1870-1948) und Heinrich —» Rendtorff (1888-1960) hervorgetreten. 1926 entsteht der Deutsche Ev. Verband für V., der im -» Kirchenkampf eine Gegenposition gegen den Mißbrauch volksmissionarischer Parolen durch die Deutschen Christen be­zog. Die Kirchenkampfzeit brachte mit den »Ev. Wochen« und —> »Bibelwochen« neue Impulse und Arbeitsformen, die bis heute fortwirken. Historisch gesehen sind in Hil­berts Programm der V. drei Ströme aus dem 19. Jh. eingeflossen: -» Erweckungsbewe­gung, —» Gemeinschaftsbewegung, —»Innere Mission.

2. GEGENWÄRTIGE SITUATION Heute stellt sich die V. als breiter Strom dar, der das Leben der Kirche tiefgreifend beein­flußt und teilweise auch verändert hat. Die herkömmlichen Formen der V. —» Evange­lisation, —> Zeltmission, Evangelische Wo­che, —» Bibelwoche usw. - wurden nach 194 5 vielfach ausgebaut, abgewandelt, vertieft und korrigiert. Vor allem nahm die Bibelwo­che einen ungeahnten Aufschwung. Die Ev. Woche wurde der gegebenen Situation stär­ker angepaßt: als »Woche des Dorfes«, »Wo­che der Siedlung« u.ä. Die Innere Mission führte ihre volksmissionarische Arbeit in vielen Fachverbänden weiter, oft in Verbin­dung mit —» Diakonie und -> Sozialarbeit. Die Evangelisation erhielt kräftige Impulse aus der Begegnung mit Billy —> Graham. Da­neben entstanden neue Formen: —» Ge­bietsmission, Urlauberseelsorge, Cam­pingmission, Besuchsdienst, missionarische Gottesdienste u.a.m. Charakteristisch für die neue Situation ist die Bereitschaft zu gemeindlichen Experimenten mit missiona­rischer Zielsetzung sowie das Entstehen von Kommunitäten, —> Bruderschaften und freien Gruppen, die Träger von V.-Aktivitä­ten sind (—» Marburger Kreis, —» Missions­trupp Frohe Botschaft, Christusträger, usw.).

v ZIELE


Die Ziele, denen sich die V. verpflichtet weiß, wurden in Evanston 1954 (—» ökume­nische Bewegung) wie folgt definiert: a) Menschen zu Christus als ihren Heiland und Herrn bringen und sie teilnehmen lassen an seinem ewigen Leben, b) Menschen in das volle Leben der Kirche einführen, wie es in der Ortsgemeinde zum Ausdruck kommt, c) Die frohe Botschaft so verkündigen, daß sie die Gruppierung und das Bild der Gesell­schaft verwandelt mit dem Ziel, menschli­che Institutionen und Lebensformen stärker dem anzunähern, was Gott will. - Indem die V. den personalen Ansatz in der —» Bekeh­rung des einzelnen durchhält, respektiert sie die Einmaligkeit und Unvertauschbarkeit der menschlichen Existenz vor Gott (erstes Ziel). Doch weiß sie, daß Jesus Christus nicht einzelne Menschen in eine isolierte Glaubensexistenz ruft, sondern sie unter­einander zur Gemeinschaft seines Leibes verbindet (zweites Ziel). Ebenso geht sie da­von aus, daß der einzelne immer in übergrei­fende politische und soziale Zusammen­hänge eingeordnet ist, deren Einbeziehung in die missionarische Arbeit der Universali­tät des Heilswerks Christi entspricht (drittes Ziel).

4. ORGANISATION

Unbeschadet der Erkenntnis, daß die Ge­meinde selbst Trägerin des missionarischen Dienstes an ihrer Umwelt ist, sind in fast al­len Landeskirchen Ämter für V. eingerich­tet, die für die Entfaltung des evangeli- stisch-missionarischen Dienstes besondere Verantwortung tragen. Daneben stehen an­dere Träger der V.: Kirchliche Werke und Verbände, freie evangelistische Vereinigun­gen, Arbeitszweige des Diakonischen Wer­kes, —» Bruderschaften und Kommunitäten. Alle diese Organisationen sind - mit weni­gen Ausnahmen - in der —» Arbeitsgemein­schaft Missionarische Dienste zusammen­geschlossen, die zugleich einen Fachverband des Diakonischen Werkes darstellt.

Lit.: E. Beyreuther, Kirche in Bewegung, Ge­schichte der Evangelisation und Volksmission, 1968 - H. J. Margull, Theologie der missionari­schen Verkündigung, 19s9 - H. H. v. Goessei/A. Stephan, Die missionarische Dimension, 1965 -H.



  1. Ulrich, Missionarische Existenz heute, 1975 - Auftrag und Dienst der Volksmission, hrsg. von der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste, 1974

Ulrich

Vollkommenheit -> Heiligung Vollmacht



  1. IN DER BIBEL:

V. ist ursprünglich ein Wort oder ein Han­deln, das aus göttlichem Recht abgeleitet wird (Mk 1,22: »er lehrte mit Vollmacht«; Mk 11,28: »aus was für Vollmacht tust du das?«). Es geht dabei um die Legitimation und die Gewißheit, die aus göttlichem Recht abgeleitet wird (Joh 1,12: »denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden«). Diese Legitimation vollzieht sich im Ursprung verborgen, sie wird offenbar in der Aus­drucksform eines Wortes, einer Handlung, eines Leidens im Raum einer umkämpften —» Geschichte. Sie ist abgegrenzt gegenüber anderen Ansprüchen, die nicht von Gott le­gitimiert sind und daher unberechtigt sind. Der Träger der V. spricht und handelt unter -» Berufung auf den »Namen Gottes« oder wendet die Botenformel an: »So spricht der Herr« bzw. »Ich aber sage euch«. Der Bote verlangt Gehorsam gegenüber seinem Auf­trag, wird bestätigt durch Zeichen, verheißt Gottes Segen und warnt vor Gottes Vergel­tung. Auf jeden Fall hat man zunächst die —* Berufung im Auge zu behalten (Mose, Jesaja, Jeremia, Paulus). Sie entfaltet dialogartig ei­gene Gesetze, obwohl keine Berufung ganz einer anderen gleicht. Damit ist gleichzeitig eine Bevollmächtigung der Boten gegeben (auch eine Reinigung, eine —> Heiligung, eine Aussonderung, eine Stärkung). Mit der Berufung und Bevollmächtigung ist ein konkreter Auftrag gegeben: der Prophet wird zum »Mund Gottes« und Gott legt ihm seine Absicht und seine Worte in den Mund (Jer 1,17: »predige ihnen alles, was ich dir ge­biete«). Auch die Anfechtungen, die der Pro­phet erdulden wird, werden ihm angekün­digt, denn Gottes Auftrag führt zu Spannun­gen gegenüber der Umgebung, den Hörern, ja auch gegenüber dem eigenen Empfinden des Propheten selbst (Jer 20,7ff.). Drei Ämter sind es, die in besonderer Weise V. beanspru­chen: a) der Prophet, b) der Priester, c) der König. Diese drei Ämter sind die Grundlage der kirchlichen Christologie. Der Priester, der König und der Prophet werden in ihr Amt eingesetzt, beauftragt, von Gott selbst ge­schützt und gesegnet. Aber auch der Weis­heitslehrer kann auf Erkenntnis, Erfahrung und gültige Aussage zurückblicken, wie die Lehrbildung erweist. Im Judentum und Ur­christentum bildet sich ein bestimmtes Bo­tenrecht heraus: a) der Gesandte hat den gleichen Anspruch wie der Sender; die Ehre bzw. die Mißachtung des Gesandten trifft den Sender selbst, b) Der Gesandte weiß, woher er kommt und wohin er geht, d.h. er weiß um seinen Ursprung und um sein Ziel, er muß Rechenschaft ablegen vor dem Sen­der, von dem er ausgeht, ist also bis ins kleinste an seinen Auftrag gebunden (Joh 8,14; 13,16). c) Das Zeugnis des Boten stimmt mit dem Zeugnis des Senders über­ein, es hat die gleiche Rechtskraft (Joh 10,30: »ich und der Vater sind eins«). Alle Evange­lien kämpfen um die Autorität und V. Jesu Christi als des letzten und endgültigen Ge­sandten Gottes. Die Würdetitel Jesu be­schreiben diese V. Jesu in verschiedenem Zusammenhang (z.B. nach Ostern Joh 20,28: »mein Herr und mein Gott«). Wichtig ist ferner die Übertragung der V. im Alten und im Neuen Bund: der Geist des Elias ruht auf Elisa (2Kön 2,iff.; 2,9ff.), Johannes der Täu­fer weist auf den Stärkeren hin, der nach ihm kommt (Mk i,7ff.), Jesus gibt seinen Jüngern V. über unsaubere Geister (Mk 6,7), Paulus schickt seine Mitarbeiter als seine Boten aus (iKor 4,17; Kol 1,7). Derartige Übertragun­gen der V. vollziehen sich ständig. Mit der Entstehung und Ausbreitung der Kirche ist außerdem die Einsetzung von Ältesten, Bi­schöfen und Diakonen verbunden (iTim 1,18; 4,6ff.). Die Institution der Kirche mit der Einsetzung der Ämter bringt neue Maß­stäbe mit sich: der Amtsträger wird Vorbild der Glaubenden in Wort und Wandel, in der Liebe, im Glauben, in der Reinheit (iTim

  1. . Die Begnadung, die dem-»Amt anver­traut ist (iTim 4,14), soll allen Menschen eindrücklich werden. Zusammenfassend läßt sich sagen: a) Gott gibt zu allen Zeiten Aufträge und V. an seine Gesandten weiter.

Himmlische und irdische Boten nehmen an diesen Aufträgen und an der V. Gottes teil. Vor allem ist daran zu erinnern, daß zwi­schen Gut und —» Böse, zwischen Himmel und Erde, zwischen Licht und Finsternis eine letzte Auseinandersetzung mit zuneh­mender Schärfe stattfindet, in die jeder Mensch verstrickt ist. b) Irdische Gewalten (politische und religiöse Strömungen) bean­spruchen hier auf Erden eine Herrschaft, die letztlich dem Evangelium feindlich gegen­übersteht. Wir lernen in diesem Fall zwi­schen der Herrschaft Gottes und dem An­spruch zeitlicher Mächte, zwischen der V. Gottes in seinen Geboten und irdischen Gewalten zu unterscheiden. Gottes V. hat immer die Gewalt des biblischen Wortes hinter sich, irdische Zeitströmung verfügt über die Machtmittel dieser Welt. V. bleibt also ein kritischer Begriff, c) Unvergleichlich und einzigartig bleibt die V. und Gewalt des Sohnes (Mt 28,18-20). Sie wird als solche nur dem biblischen Wort und dem —» Geist Gottes auf Erden anvertraut. In seiner Fleischwerdung, in der Sendung des Geistes, in seiner Erhöhung offenbart sich die V. Jesu Christi hier auf Erden. Wohl aber verleiht Gott prophetische, charismatische V. auf Erden (iKor 12,28-30). Auch im Raum der Institutionen bleiben dem kirchlichen Amt Möglichkeiten offen, durch Wort und —» Sa­krament dem Willen Gottes Bahn zu bre­chen.

1. IN DER KIRCHE:

Entscheidend bleibt die Frage, ob Gott auch heute noch innerhalb der Kirche Jesu Chri­sti, so wie sie im Laufe der Jahrhunderte sich ausgestaltet hat, durch Wort und Sakrament V. verleihen kann. Oder ist durch vielfache Abirrungen und Spaltungen, Fehlentwick­lungen und menschliches Versagen die kirchliche V.* längst verlorengegangen? Wer diese Frage ernst nimmt, weiß sich mit Lu­thers erster These unter den radikalen Buß­ruf gestellt. Wer diese Frage durch falsche Si­cherheit oder durch Schwärmerei verleug­net, geht selbst der Verheißung des Evange­liums verlustig. Solange wir in den Raum der ev. Kirche getauft werden, wissen wir uns an die Bekenntnisse unserer Kirchen gebunden und berufen uns auf die Väter, die zu allen Zeiten denselben Weg des Glaubens gegan­gen sind. Wir trauen dem Evangelium zu, daß Gott die Verheißung seiner V. auch heute noch dem kirchlichen Amt schenken kann, wenn es sich seiner Niedrigkeit und seiner Bedrängnis bewußt bleibt und sich allein der Gnade Gottes getröstet. Über alle Grenzen und Schwierigkeiten hinweg arbei­tet auch heute noch der Geist Jesu Christi vor allem in der —» Mission, wo auch gegen­wärtig der Auftrag Jesu Christi seine Gültig­keit bewahrt. Wir bekennen uns zum Marty­rium der Brüder, die verfolgt werden und de­nen der Geist Gottes in besonderer Weise ge­schenkt wird. Wir bekennen uns zur —> Dia­konie, die den Liebesdienst Jesu dem Armen und Notleidenden weitergibt. Mission, Mar­tyrium und Diakonie dürfen in Sonderheit erfahren, daß Gott vollmächtiges Handeln schenken kann. Prophetische Gaben werden zu allen Zeiten notwendig sein; —» charis­matische Aufbrüche entsprechen der kirch­lichen —» Erweckung. Die Frage nach der kirchlichen V. muß also zu allen Zeiten neu gestellt und beantwortet werden. Bußfertige Prediger können sie wohl stellen, Gott allein kann sie beantworten.

O. Michel

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