Wie bereits oben (Seite 55 ff.) dargestellt, wird die Abtretung von Forderungen im ESVG nur dann als Verteilungstransaktion mit daraus resultierender Defizit-Wirksamkeit klassifiziert, wenn keine Gegenleistung erfolgt. Ein entgeltlicher Verkauf koennte hingegen als finanzielle Transaktion verbucht werden. Abschlaege zum Zeitpunkt des Verkaufs koennen als Umbewertungsverlust verbucht werden. Hinsichtlich institutioneller Einheiten bestimmt das ESVG diesbezueglich: „Wird [...] ein bestehender Kredit oder eine sonstige Forderung an eine andere institutionelle Einheit verkauft, so sollte die Differenz zwischen dem Rueckkaufpreis und dem Transaktionspreis zum Zeitpunkt der Transaktion im Umbewertungskonto des Verkaeufers und des Kaeufers gebucht werden“1. Wie durchgehend enthaelt das ESVG zwar keine spezifische Regel fuer den Fall der Beteiligung eines Privaten an der Transaktion. Fuer die Verbuchung beim Staat sollte dies aber keinen Unterschied machen. Die Umbewertung kann nach der hier vertretenen Auffassung ueberdies sowohl bei Verkauf an eine Bank als auch beim Verkauf an einen Privaten stattfinden.
Da es sich bei den Darlehensforderungen meist um langfristige Kredite mit niedrigen Zinsen handelt, wird der Verkaufserloes wohl fast immer niedriger sein als der – zum Nominalwert – ausstehende Darlehensbetrag. Der Verkauf der Darlehen wird als Tilgung von gewaehrten Darlehen interpretiert und betrifft nur das Finanzierungskonto, hat also keine Auswirkungen auf das Maastricht-Defizit. Bleibt eine Differenz zwischen der Tilgung und Buchwert des Darlehens, wird diese am Umbewertungskonto ausgebucht; dies ist ein Konto „unterhalb“ des Finanzierungskontos und hat keine Auswirkungen auf das Maastricht-Defizit (siehe Seite 53).
Die vorzeitige Rueckzahlung eines Finanzierungsdarlehens durch den Schuldner stellt fuer sich genommen eine finanzielle Transaktion dar. Ist sie jedoch mit einem teilweisen Schuldenerlass verbunden, muesste dieser als Vermoegenstransfer verbucht werden. Bei der Entscheidung zugunsten eines Verkaufs, einer vorzeitigen Rueckzahlung oder eines Behalts von Forderungen aus unverzinslichen Finanzierungsdarlehen muessen daher die unterschiedlichen Belastungen des Budgets gegeneinander abgewogen werden.
Im ESVG heisst es dazu: „Die in gegenseitigem Einvernehmen erfolgte Schuldenuebernahme oder Schuldenaufhebung ist in der Regel ein Vermoegenstransfer. Wenn also der Staat [...] Schulden uebernimmt oder [...] Schulden erlaesst, erfolgt die Gegenbuchung der in den Finanzierungskonten gebuchten Stroeme als [...] sonstiger Vermoegenstransfer (D.99), was Auswirkungen auf den Finanzierungssaldo der Staates hat.“
Nach der hier vertretenen Auffassung fuehrt der Verkauf grundsaetzlich zu keiner Budgetbelastung. Bei der vorzeitigen Rueckzahlung ist ein eventueller Schuldenerlass zu beruecksichtigen, der als Vermoegenstransfer zu Buche schlaegt. Ferner ist das skizzierte Risiko abzuwaegen, dass beim Behalt der Forderung eine kontinuierliche Belastung des Budgets durch die Zinsdifferenz auf den „marktueblichen“ Zinssatz entstehen koennte. Wegen des Grundsatzes der periodengerechten Zurechnung wuerden die Zinsen bei Behalt der Forderungen in der Periode gebucht, in der sie auflaufen – was staendige Auswirkungen auf das oeffentliche Defizit haette.
Hat der Darlehensnehmer die Moeglichkeit einer beguenstigten Rueckzahlung (Nachlass eines Teils der Darlehensschuld bei vorzeitiger Rueckzahlung des Restbetrages) so erfolgen zwei Buchungen. Erstens wird der gesamte Darlehensbetrag als Tilgung im Finanzierungskonto gebucht (keine Auswirkungen auf das Maastricht-Defizit). Als zweite Buchung wird die Differenz zwischen Darlehensschuld und geguenstigter Rueckzahlung als Vermoegenstransfer von der staatlichen Einheit zum Haushalt bzw. zum Unternehmen gedeutet. Diese Buchung erfolgt im Vermoegensbildungskonto und belastet daher das Maastricht-Defizit (siehe Seite 53).
Ein Forderungsverkauf, wie ihn Oberoesterreich oder Kaernten praktiziert haben (siehe Seite 37), ist demgemaess als finanzielle Transaktion zu verbuchen, der Barwert-Abschlag von 46% bis 55% der Darlehensnominale als Umbewertungsverlust, das heisst, als eine Art Wertberichtigung.
Der Verkaufserloes ist aber keine Einnahme im Sinne des ESVG. Obwohl also ein solches Geschaeft massive Auswirkungen auf die Liquiditaet eines Landes hat, aendert es wenig an der Budgetsituation. In die Gebarensrechnung nach ESVG fliesst es nur insofern ein, als bei einer entsprechenden Tilgung von Landesschulden die Zahlungsverpflichtungen fuer den Zinsendienst sinken.
Fallbeispiel 6 – Forderungsverkauf Modell Niederoesterreich
Aehnliches wie bei Fallbeispiel 4 trifft auch auf den Forderungsverkauf gemaess dem Modell Niederoesterreich zu (siehe Seite 37). Hier wird der Erloes nicht zur Tilgung von Landesschulden genutzt, sondern veranlagt. Die Ertraege aus der Veranlagung fliessen einkommenswirksam ins Landesbudget.
Die Veranlagungsertraege unterliegen einem erheblichen Risiko. Demgegenueber sind Rueckfluesse aus aushaftenden Foerderungsdarlehen langfristig vorhersehbar und aufgrund der ueblichen Konditionen praktisch unbeeinflusst von der Kapitalmarktentwicklung. Zweifellos kann das Land bei guenstiger Entwicklung des Fonds hoehere Ertraege erwirtschaften, als dies aus den normalen Rueckfluessen moeglich waere. Ein schlechteres Ergebnis kann umgekehrt aber nicht ausgeschlossen werden.
Aus Sicht der Verschuldungswirksamkeit nach Maastricht-Kriterien sind Rueckfluesse aus Foerderungsdarlehen keine Einkuenfte, Zinsertraege aus Veranlagungen, beispielsweise der Erloese des Forderungsverkaufs, demgegenueber sehr wohl. Es kann ohne weiteres passieren, dass die „normalen“ Darlehensrueckfluesse mehr liquide Mittel bringen als die Zinsertraege aus einer Veranlagung der verkauften Forderungen. Das heisst, dass die gegebene Verbuchungspraxis dazu fuehren kann, dass zur Erreichung politisch festgelegter Budgetziele unter Umstaenden oekonomisch nachteilige Transaktionen in Gang gesetzt werden. Es ist dies ein Beispiel dafuer, dass die proklamierte oekonomische Betrachtungsweise der Verbuchungspraxis nach ESVG nicht in allen Faellen konsequent verfolgt wird.
Fallbeispiel 7 – Beguenstigte Rueckzahlung
Beguenstige Rueckzahlungen muessten, wie dargestellt, in zwei Konten verbucht werden, einerseits – nicht verschuldungswirksam - als vollstaendige Tilgung des Darlehens im Finanzierungskonto, andererseits der Abschlag als Maastricht-wirksame Ausgabe im Vermoegensbildungskonto.
Die Konzeption des ESVG fuehrt in diesem Fall zu der absurden Situation, dass der Foerderungsgeber durch die beguenstigte Rueckzahlung Liquiditaet gewinnt, gleichzeitig aber eine Ausgabe zu verbuchen hat. Eine solchen Handhabung dient dazu, Missbrauch zu verhindern. Waere eine beguenstigte Rueckzahlung verschuldungsneutral, koennte ein zinsguenstiges Darlehen vergeben und kurz danach eine beguenstigte Rueckzahlung mit einem entsprechenden Abschlag angeboten werden. Eine Unterscheidung in verschuldungsneutrale Darlehen und verschuldungswirksame Vermoegenstransfers waere damit hinfaellig.
Die Ungleichbehandlung des Darlehensnehmers bei einer beguenstigten Rueckzahlung und einer Bank bei einem Forderungsverkauf ist umso fragwuerdiger, als der Abschlag bei vorzeitiger Rueckzahlung haeufig niedriger ist als jener bei einem Forderungsverkauf an Banken. Gemaess § 56 NOe WFG betraegt der Nachlass fuer eine vorzeitige Tilgung maximal 40%, wobei die Tilgungszeit des Foerderungsdarlehens vor der Antragstellung mindestens 5 Jahre gedauert haben muss. Fuer Foerderungsdarlehen im Rahmen des Niederoesterreichischen Landeswohnbaufonds sind die Abschlaege noch geringer. Der Barwertabschlag beim Verkauf der Darlehensforderungen lag demgegenueber bei rund 45%1.
Das heisst, dass das Land bei einer vorzeitigen Rueckzahlung im Einzelfall haeufig hoehere Ertraege erwirtschaften koennte als bei einem Forderungsverkauf an Banken, dass dies aber aufgrund der Verbuchungspraxis nach ESVG unterbleibt.
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