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Menschen.


3.2 Die Entwicklung des Gehirns

Es wächst und wächst

Die Vergrößerung und wachsende Leistungsfähigkeit des Gehirns in der menschlichen Evolution ist zweifellos die bedeutendste Veränderung gegenüber den (anderen) Tieren.



3.2 Die Entwicklung des Gehirns

Tab. 3.1 Die Entwicklung des Gehirnvolumens bei den Hominiden

Typus

Volumen in cm3

Durchschnitt Frau

Durchschnitt Mann

Menschenaffen

400–500







Australo-pithecus

400–550







Paranthropus boisei

475–545







Homo rudolfensis

ca. 750







Homo habilis

600–800







Homo erectus

850–1100







Neandertaler

ca. 1450 (1300–1750)







Homo floresiensis

380







Homo sapiens

1345 (900–1880)

245

1375

Bewusstsein und Ich-Bewusstsein sind, wie wir in Kap. 15 zeigen werden, untrennbar mit materiellen Vorgängen im Gehirn verbunden. Die Entstehung von Bewusstseinsvorgängen, Denkleistungen und Vorstellungen hängt unmittelbar mit der Größe, aber auch der spezifischen Leistungsfähigkeit des Gehirns zusammen. Tabelle 3.1 zeigt einen Vergleich der Gehirngröße verschiedener Hominiden. Sie sind in aufsteigender Reihenfolge dargestellt, mit Ausnahme des Homo floresiensis, einem zwergwüchsigen Hominiden (Homo erectus), der auf der indonesischen Insel Flores gefunden wurde. Das Gehirnvolumen des Neandertalers war größer als das des Jetztmenschen, was zu Spekulationen über die Intelligenz des Neandertalers Anlass gibt. Klix (1980) vermutet, dass die geistigen Leistungen des Neandertalers stärker als bei uns auf bildhaften Vorstellungen und weniger auf abstrakteren Repräsentationen beruhten. Die Informationsverarbeitung erforderte daher größeren Aufwand und ein größeres Hirnvolumen.

Obwohl das wachsende Gehirnvolumen beeindruckend ist, können absolute Zahlen in die Irre führen. Denn das Gehirn des Delphins und des Elefanten hat ein größeres Volumen als das des Menschen. Daher berechnet man einen Enzephalisationsquotienten (EQ), der das Gehirnvolumen zum Volumen des Gesamtkörpers in Beziehung setzt. Heute drückt man dieses Verhältnis als Logarithmus aus:

EQ = log. Gehirnvolumen/log. Körpervolumen

Nun kann man den EQ eines typischen Säugetieres mit denen verschiedener Vorfahren des Menschen und mit nichtmenschlichen Primaten vergleichen. Dabei zeigt sich aufsteigend eine Reihenfolge, die zum Menschen führt, der an einsamer Spitze steht. Sein EQ ist über sechsmal so groß wie der eines typischen Säugetiers (Tab. 3.2).

Wie aber kam es überhaupt zur Vergrößerung des Gehirns? In der Evolution sind monokausale Erklärungen gewöhnlich falsch, da stets eine Vielfalt von Faktoren wirksam ist.

Bei der Spitzmaus beträgt der Anteil des Gehirngewichtes beispielsweise 3,33–4%, beim Menschen nur 2,33%. Guppys (eine Fischart) mit großen Gehirnen pflanzen sich weniger fort als solche mit kleinen Gehirnen, und die Vögel haben kein Großhirn, weil es



Tab. 3.2 Der EQ im

Vergleich (wobei der EQ des Säugetiers gleich 1 gesetzt wird)

zu schwer zum Fliegen wäre. Beim menschlichen Gehirn muss es also von Anfang an einen Überlebensvorteil für die Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Gehirns gegeben haben. Eine Reihe von Vorteilen liegt auf der Hand: raschere und umfassendere

Informationsverarbeitung bezüglich



  • drohender Gefahren und der Wahrnehmung von Nahrung,

  • der Speicherung von Wissen vorausgegangener Erfahrung,

  • der Werkzeugherstellung, die mit der gleichzeitigen Entwicklung der Hand einhergeht,

  • des planvollen Handelns (bei der Jagd und anderweitigen Gewinnung von Nahrung sowie bei der Werkzeugherstellung),

  • der Vorwegnahme von Handlungen und Handlungsketten, also des Probehandeln ohne Risiko oder wie es Popper formuliert: Das erlaubt unseren Hypothesen, an unserer Stelle zu sterben“.

Diese Vorteile gewinnen angesichts der im Vergleich zu anderen Tierarten geringeren Reproduktionsrate des Menschen zusätzlich an Bedeutung.

Ein kostspieliges Organ

Gehirnwachstum wird aber teuer erkauft. Das Hirn eines Menschen wiegt nur 2,33% seines Körpergewichtes, verbraucht aber 20% der Energie. Ein Kilo Hirnmasse benötigt 11,2 W. Das übrige Körpergewebe benötigt pro Kilogramm nur 1,25 W. Das Hirn eines Neugeborenen fordert sogar rund drei Viertel seiner Stoffwechselenergie. Es ist also viel Energie in Form von Nahrungszufuhr nötig, um das Gehirn auszubilden und es am Laufen zu halten.

An den Körpern unserer Vorfahren musste irgendwo gespart werden, damit die nötige Energiemenge für ein großes Gehirn freigesetzt werden konnte. Die Evolution hat schon vor der Entwicklung der Hominiden eine Lösung für dieses Problem gefunden: Die Verkleinerung des Verdauungstraktes, vor allem des Darmes. Der Darm des Menschen ist

3.2 Die Entwicklung des Gehirns

um 60% kleiner, sein Hirn dafür um 60% größer als das anderer Säugetiere. Das Hirn scheint sich in der Evolution der Säugetiere auf Kosten des Verdauungstraktes auszudehnen. Es kam nun darauf an, dass die Hominiden auch bei verkürztem Darm genügend proteinreiche Nahrung fanden, um das Gehirnwachstum zu fördern. In Gegenden mit proteinreichem Nahrungsangebot vergrößerte sich das Gehirn, in Gegenden mit proteinarmer Nahrung nicht. Eine Hypothese besagt, dass die Urmenschen in der Savanne Insekten verzehrt haben, die sie mit allergeringstem Aufwand und in erheblichen Mengen von Kadavern entnehmen konnten, die in der afrikanischen Savanne überall und allenthalben zu finden waren. 100g afrikanische Termiten enthalten 610 kcal, 46g Fett und 38g Eiweiß. Ein Big Mac vom Mac Donalds bringt es gerade auf 238 Kcal, 12g Fett und 12g Eiweiß. 100g äthiopische Fliegenlarven haben 60g Eiweiß und 26g Fett. Das entspricht der Eiweißmenge von 3 Steaks. Diese für uns wahrhaftig unappetitliche Nahrung wird denn auch von den meisten Forschern nicht als Ursache für das Gehirnwachstum angesehen.

Einen unbestritten entscheidenden Vorteil brachte die Zubereitung des Fleisches mit Hilfe des Feuers, das ja der Homo erectus bereits nutzte. Gekochtes Fleisch ist leichter als rohes zu kauen und zu verdauen. Hinzu kommen die Vorteile des aufrechten Ganges und die ausdauernde Laufleistung der Homininen, die ein Vorteil für die Nahrungsbeschaffung brachte.

Schließlich bedeutet die mit dem Homo einsetzende Herstellung von Werkzeugen einen Sprung in der Nahrungsbeschaffung. Die Werkzeugherstellung mit Hilfe der entwickelten Hand wirkt dann wieder selektiv auf die Entwicklung des Gehirns: Individuen mit größerem beziehungsweise effektiverem Gehirn haben größere Überlebenschancen und damit auch höhere Reproduktionsmöglichkeiten. Die Verlangsamung der Ontogenese, also der Entwicklung bis zum Erwachsenenalter, ermöglichte es, längere Zeit zu lernen und Wissen zu sammeln. Das wiederum brachte für diejenigen, die die lange Entwicklungszeit zum Lernen nutzten, Reproduktionsvorteile.

Eine Bedingung für Lernen in der verlängerten Jugend ist die Arbeitsteilung. Sie ermöglicht eine effizientere Bewältigung aller wichtigen Aufgaben, wie Nahrungsbeschaffung, Nahrungszubereitung und Werkzeugherstellung. Die Belehrung durch das Meister-Lehrlings-Verhältnis und vermutlich durch Großeltern wurde frühzeitig infolge von Arbeitsteilung möglich. Wie bereits erwähnt, zeigen Funde zum Homo erectus, dass es schon damals erste Formen der Arbeitsteilung gab.



Das Gehirn legt sich in Falten

Nun kann aber das Gehirn nicht beliebig wachsen, die Schädeldecke setzt Grenzen. Die Evolution hat sich einen Trick einfallen lassen, um das Gehirn und mit ihm die Zahl der Neuronen und synaptischen Verbindungen zu vergrößern: Die Faltung der Großhirnrinde. Wir alle kennen Aufnahmen vom Gehirn als Gebirge mit vielen Falten. Schon bei Tieren gibt es die Gehirnfaltung, so bei Walen, Hunden und Schimpansen. Beim Menschen ist die Faltung besonders ausgeprägt. Seine Großhirnrinde würde ohne Faltung das Dreifache der Schädelinnenfläche benötigen (Hilgetag und Barbas 2009). In der Ontogenese können wir noch nachvollziehen, wie die Faltung in der Phylogenese wohl entstanden sein mag. In den ersten 25 Schwangerschaftswochen ist die Hirnrinde noch ziemlich glatt. Aber die jungen Neuronen senden Fasern aus und bilden ein Kommunikationsnetz. Durch das Wachsen der Hirnrinde geraten die Nervenfasern mehr und mehr unter Spannung, wodurch sie Zugkräfte ausüben. Kortexbereiche, in denen sich die Zugkräfte aufsummieren, werden zusammengezogen. So entstehen Aufwölbungen, die man als Gyri bezeichnet. Wo die Zugkräfte schwächer sind, bilden sich Einschnitte (Sulci). Der Mechanismus der Faltenbildung ist also recht einfach und bescherte uns eine Vergrößerung des Gehirns bei gleichbleibendem Platzangebot. Dadurch wird das Gehirn nochmals über die Zunahme des Gewichts (und damit der Anzahl von Neuronen und Verbindungen zwischen ihnen) hinaus leistungsfähiger.



3.3 Die Entwicklung des Werkzeuggebrauchs

Werkzeuge benutzen auch andere Tiere. Krähen legen Nüsse auf die Straße und lassen sie von vorüberfahrenden Autos knacken. Ist die Ampel rot und besteht somit keine Gefahr für Leib und Leben, holen sie sich das Futter in aller Ruhe. Schimpansen schleppen Steine auf ihrer Reise mit, um dann mit ihnen in entfernteren Regionen Kokosnüsse zu öffnen. Nach Gebrauch lassen sie sie allerdings achtlos fallen. Die Benutzung eines Steines, Holzstückes oder Steckens als Werkzeug gelingt also auch Tieren. Je mehr man den Werkzeuggebrauch bei Tieren untersucht, desto mehr Beispiele für clevere Werkzeugnutzung werden beobachtet.

Aber menschliche Werkzeuge, die uns hier interessieren, werden erst hergestellt. Sie liegen nicht bequem zur Hand oder zum Schnabel. Ohne die Aktivität des Herstellers existiert das Werkzeug nicht. Wiederum beobachten wir Ansätze der Werkzeugherstellung bereits bei Tieren. Am begabtesten ist hierbei die Neukaledonische Krähe. Sie angelt gerne nach verborgenem Futter in Spalten und Ritzen. Dazu stellt sie sich in mehreren Arbeitsschritten aus Blättern der Schraubenpalme ein Werkzeug mit einem Widerhaken her, mit dem sie gut stochern kann (Findeklee 2008). Die Krähe übertrifft dabei sogar die Schimpansen, die sich Geräte basteln, um Termiten aus ihrem Bau zu holen. Gut zu wissen, dass es auch bei der Werkzeugherstellung und nicht nur beim Werkzeuggebrauch Tier-Mensch-Übergänge gibt.

Der erste Faustkeil bedeutet also bereits eine hohe geistige Leistung, weil vor der Nutzung des eigentlichen Werkzeugs (behauener handlicher Stein) ein anderes Werkzeug zu seiner Herstellung verwendet werden muss. Dieser sekundäre Werkzeuggebrauch erforderte die Entkoppelung von Bedürfnis und Befriedigung. Der Werkzeugmacher muss vom aktuellen Hunger unabhängig sein, wenn er ein Werkzeug herstellen will, das seinen Hungerstillenhilft. ImmerhinwarendieHomininenschonvor2,6Mio. Jahrenzumsekundären Werkzeuggebrauch in der Lage. An manchen Fundstellen liegen so viele Faustkeile

3.3 Die Entwicklung des Werkzeuggebrauchs

Tab. 3.3 Gegenüberstellung von Handlungsschritten beim Öffnen einer Nuss (Leistung von Affen) und bei der Herstellung von Kernstück und Abschlagwerkzeug der Oldowan-Kultur (nach Haidle

2010)


Handlungssequenz:

Öffnen einer Nuss durch Hämmern



Handlungssequenz:

Herstellung von Steinwerkzeugen



Phase I: Nüsse sammeln

Phase I: Rohmaterial sammeln

1. Auswahl des Baumes/Amboss

1. Suche nach Rohmaterial

2. Suche nach Stein zum Klopfen

2. Suche nach Stein zum Hämmern

3. Transport der Nuss zum Amboss

3. Transport zum Arbeitsplatz

4. Nüsse sammeln




5. Transport zum Amboss




Phase II: Nüsse öffnen

Phase II: Werkzeug bearbeiten

6. sich zum Hämmern positionieren

4. sich zur Bearbeitung positionieren

7. Nuss auf den Amboss legen

5. Positionierung von Material und Hämmer

9. Hämmern (mehrmals)

7. das Kernstück drehen

10. Hammer beiseitelegen (wenn Nuss offen,

Phase III: essen)



8. Zurechtschlagen (Verfeinerung)

11. Nuss repositionieren

9. Abschlagen (Abschlagwerkzeug)

12. Hämmern




13. Hammer beiseitelegen




Phase III: Verzehr der Nuss

Phase III: Gebrauch des Werkzeugs

14. direkter Konsum

10. Gebrauch des Faustkeils/Hackmessers

15. Indirekter Konsum

11. Gebrauch des Abschlagwerkzeugs

herum, dass man den Eindruck gewinnt, die Homininen hätten sie aus Spaß am Werkeln und an der Vergegenständlichung hergestellt.

Haidle (2008, 2010) hat sogenannte Kognigramme entwickelt, in denen die einzelnen Handlungsschritte aufgelistet sind und aus denen man den Umfang der Planung erschließen kann. Das Kognigramm der Herstellung eines Steinwerkzeugs ist in Tab. 3.3 dem Aufschlagen einer Nuss mit Hilfe eines Steinhammers bei Schimpansen gegenübergestellt. Beim Öffnen der Nuss sind ebenfalls Handlungsschritte nötig, doch existieren die Werkzeuge (der Hammer und der Amboss) bereits. Das Tier benutzt sie und kann direkt danach zur Befriedigung seines Bedürfnisses gelangen. Bei der Herstellung des Steinzeitwerkzeugs richtet sich die Aktivität in den ersten beiden Phasen ausschließlich auf das Werkzeug, die zeitliche Tiefe bis zur Nutzung und zur Bedürfnisbefriedigung hat sich stark vergrößert. Letztendlich wird das Werkzeug in Phasen hergestellt, in denen der Werkzeugmacher nicht hungrig ist, also kein augenblicklicher Bedarf nach einem Werkzeug besteht. Das Werkzeug kann zudem von vielen benutzt werden, sodass sich das Werkzeug und sein Gebrauch zeitlich völlig voneinander trennen. Dies ist dann die Etablierung einer Werkzeugkultur, in der die Mitglieder ganz wie in unserer Kultur über vorhandene Werkzeuge verfügen können.





Abb. 3.2 Die wichtigsten Werkzeuge in der Entwicklung der Hominiden. (Oerter, Nachzeichnung nach TIME Life Wunder der Natur. Der Mensch der Vorzeit 1971, S. 103)

Die Art des Werkzeugs und die Zahl der Arbeitsgänge, die zu seiner Herstellung nötig sind, geben nicht nur Hinweise auf die erforderliche Handgeschicklichkeit, sondern auch auf die Denk- und Planungsleistung ihrer Hersteller. Die Entwicklung des Werkzeugs spiegelt also zugleich die Entwicklung des Geistes bei den Menschenarten wider.

Dies lässt sich an den sieben wichtigsten Werkzeugkulturen in Europa demonstrieren (Abb. 3.2). Diese Kulturen existieren jedoch auch außerhalb Europas. Die älteste unter ihnen ist die Oldowan-Kultur. Sie bestand mindestens eineinhalb Millionen Jahre. Das wichtigste Werkzeug dieser Zeit ist das sogenannte Hackmesser. Es wurde aus einem gerundeten Kieselstein hergestellt, wie er an Flussufern oder Stränden zu finden ist. Man schlug mit einem anderen Stein Splitter ab, bis man eine Kante oder Spitze hergestellt hatte. Die Splitter, die von dem Kernstück absprangen, waren schärfer und wurden zum Ritzen oder Schneiden benutzt. Es war also nur ein einziger Schritt, der gegebenenfalls mehrfach wiederholt wurde, zur Herstellung des Hackmessers nötig.

Im Acheuléen war zunächst der Faustkeil aus Flint das typische Werkzeug. Wie wurde einFaustkeilhergestellt? Abbildung3.3zeigtdasPrinzip. WennmaneinenSteinblock(z.B. Flintstein) in der Mitte trifft, erzeugt der Aufschlag eine Stoßwelle, die sich nach unten hin kegelförmig verbreitert. Das untere Bild zeigt, was passiert, wenn man den Block am Rand

3.3 Die Entwicklung des Werkzeuggebrauchs



Abb. 3.3 Herstellung eines Faustkeils: Kernwerkzeug und Abschlagwerkzeug. (Rolf Oerter, nach: Time Life Wunder der Natur. Der Mensch der Vorzeit, 1971, S. 105)

anschlägt. Es bildet sich ein Halbkegel. Auf diese Weise kann man zwei Hauptgruppen von Werkzeugen herstellen, die Kern-Werkzeuge und die Abschlag-Werkzeuge. Letztere wurden ausschließlich durch den Abschlag am Rand des Steinblocks gewonnen. Der französische Prähistoriker Francois Bordes konnte einen Faustkeil in wenigen Minuten herstellen und bewies damit, dass geübte Hominiden keine Probleme gehabt haben, diese Technik anzuwenden. Allerdings war es notwendig, gute Kenntnisse über die Eigenschaften von Steinen zu besitzen, denn nur bestimmte Steine lassen sich gut behauen, und nur bestimmte Steine eignen sich als Schlagwerkzeug. Die Faustkeile waren meist birnenförmig oder zugespitzt. Sie erforderten schon deutlich mehr Planungsschritte bei der Herstellung als für das Hackmesser, denn die Herstellung einer zuvor geplanten Form (Birne oder schlankere Spitze) verlangte die Einhaltung einer bestimmten Reihenfolge, in der die Abschläge gehämmert werden mussten. Dazu waren auch feinere Hämmer aus Holz oder Knochen nötig. Nur der grobe Zuschlag des Steins erfolgte mit dem Steinhammer.

Die Moustèrien-Industrie erschien vor ungefähr 200.000 Jahren und reichte bis vor etwa 40.000 Jahren. Sie entwickelte sich in den gleichen Gebieten, wo vorher schon die Acheuléen-Kultur entstanden war. In Europa werden diese Werkzeuge stark mit dem Neandertaler in Verbindung gebracht, wobei in anderen Gebieten der Erde diese Technik sowohl vom Neandertaler als auch vom frühen Homo sapiens genutzt wurde.

Moustèrien-Techniken beinhalten das vorherige Bearbeiten eines Steinkerns, von dem dann die gewünschte Klinge abgeschlagen wird. Danach wird entweder ein keilförmiger Abschlag oder ein prismenförmiges Werkzeug mit mehreren dreieckigen Abschlägen gewonnen.

Die restlichen vier Werkzeugkulturen betreffen den Neandertaler und den Homo sapiens. Wir greifen davon nur eine Technik heraus, die Lavallois-Technik (Abb. 3.4). Vor etwa 150.000 Jahren waren die Arbeitsgänge schon so komplex, dass sich die Werkzeughersteller das Endergebnis vorstellen mussten. Sie sahen gewissermaßen in dem Rohmaterial des Feststückes schon das fertige Werkzeug. Die Levallois-Technik stellte aus einer Flintknolle in mehreren Arbeitsschritten einen Abschlag oder eine Spitze her. Der Levallois-Abschlag beginnt mit dem Herausschlagen aus einem Flintknollen zur Bildung von Ecken, diese werden mit seitlichen Abschlägen behauen, und schließlich wird das so zubereitete Kernstück gespalten, sodass als Abschlag das fertige Werkzeug entsteht.

Abb.3.4

Levallois-Technik:HerstellungeinesStichelsauseinerKlinge.(F.ClarkHowell:DerMenschderVorzeit.TimeLife

WunderderNatur1971,S.113)
Die Herstellung der Lavallois-Spitze beginnt ebenfalls mit dem Behauen der Knolle zu Ecken. Danach wird die Knolle gespalten. Durch einen abgängigen Abschlag entsteht eine Spitze als fertiges Werkzeug. Noch komplizierter gestaltet sich die Herstellung eines Stichels, denn bei ihm wird zuvor eine Klinge gefertigt, diese wird abgeschrägt, danach auf der anderen Seite ebenfalls geschrägt und schließlich gespitzt. Abbildung 3.4 veranschaulicht diese Arbeitsgänge.

Die für die Planung und Herstellung erforderliche Denk- und Handlungsschritte nahmen also im Lauf der Zeit zu, womit sich auch die Zeittiefe vergrößert. Unter Zeittiefe versteht man die Fähigkeit, größere Zeiträume in der Vorstellung zu repräsentieren. Ohne dieseFähigkeitwäredielangeHandlungskettevonderPlanungeinesWerkzeugsüberseine Herstellung und Nutzung nicht möglich. Haidle (2010) demonstriert diese Leistung an der Herstellung und Nutzung von Speeren aus Fichtenstämmchen, hergestellt vom Homo heidelbergensis (gefunden im Schöninger Tagbau in Niedersachsen) vor 300 bis 400 Tausend Jahren (Tab. 3.4). Die eingeschobenen anderen Tätigkeiten, die nichts mit der Herstellung des Speers zu tun haben, sollen darauf hinweisen, dass die Waffe nicht am Stück hergestellt wurde, sondern dass immer wieder Phasen anderer Aktivitäten dazwischen lagen. Haidle schätzt die Herstellungsdauer eines solchen Speers auf eine Woche.



3.4 Einige Schlussfolgerungen

Am Ende der ersten drei Kapitel wollen wir kurz innehalten, um ein Resümee zu ziehen. Der Forschungsstand über die Entwicklung des Menschen und seiner Leistung ist voll im Fluss. Fast täglich gibt es neue, zum Teil sensationelle Funde und Erkenntnisse. Wenn dieses Buch erscheint, wird es bereits in diesem Punkt überholt sein. Nicht überholt wird es bezüglich der Schlussfolgerung sein, die wir ziehen wollen.



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