Sozialarbeit in Maßnahmen als Inklusionsarbeit:
Arbeitsmarktintegrative „Inklusionshilfe“ bemüht sich also grundsätzlich um „Eröffnung von Zugängen zu den Kontexten, in denen diese [von ihr substituierten Leistungen] zur Verfügung gestellt werden“ (BOMMES/SCHERR. 2000: 97) bzw. „um die Ergänzung der Leistungen derjenigen Teilsysteme und Organisationen, die gesellschaftlich jeweils primär zuständig sind“ (LUTHE 2003: 15), in erster Linie also des Erwerbssystems bzw. des Arbeitsmarktes mit seinen Leistungen. Über die „Integration“ in den Arbeitsmarkt im engeren Sinne hinaus geht es ihr dabei aber auch um soziale „Inklusion“ bzw. Vermeidung sozialer „Exklusion“ im weitesten Sinne.33 Folglich kann sich für die „Inklusionshilfe“ Integration in den Arbeitsmarkt z.B. nicht um den Preis einer Aufnahme einer prekären, die Sicherung des Lebensunterhaltes letztlich nicht gewährleistenden Arbeit erschöpfen.
1.1.11 (Arbeits-)Marktintegration versus Sozialintegration?
Wie nachdrücklich am zunehmenden Phänomen der „working poor“, vor allem aber an sozialpolitischen Auswüchsen wie der Zwangs-(Re)Integration im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (vgl. die so genannten 1-Euro-Jobs) ersichtlich ist, kommt Integration bzw. Partizipation auf dem Arbeitsmarkt nicht zwingend sozialer Inklusion gleich. Dies kommt vor allem auch in Bezug auf die im Rahmen von Integrativen Maßnahmen auf dem „Zweiten Arbeitsmarkt“ vollbrachte Arbeit zum Tragen, auch wenn diese zum Teil über Aufträge bzw. Subaufträge in realiter durchaus auf dem ersten Arbeitsmarkt geleistet wird.
Es stellt sich nunmehr die Frage, auf welche Weise die Elemente der Partizipation und Inklusion, bezogen auf den Arbeitsmarkt zu verknüpften sind. DIMMEL (2000) nennt als Bedingungen neben dem existenzsichernden Einkommen vor allem symbolische Anerkennung für nützliche Tätigkeiten sowie Vermittlung eines sozialen Status ohne Risiken der Stigmatisierung. Weiters bedarf es Optionen sozialer und beruflicher Mobilität, sozial-verträglicher Flexibilität von Arbeitszeit und Arbeitsschwerpunkten, sowie Möglichkeiten für begründetes Ausschlagen von Arbeitsangeboten. Schließlich bedarf es zusätzlich für Personengruppen mit Vermittlungshemmnissen oder Integrationsproblemen individuell zugeschnittener Formen des Trainings und der Unterstützung (vgl. DIMMEL. 2000: 159)
Betrachtet man diese Voraussetzungen und vergleicht sie unter anderem auch mit den Gegebenheiten in arbeitsmarktintegrativen Maßnahmen, fällt unschwer auf, dass letztere in der Regel weit davon entfernt sind. Das Subsystem „Arbeitsmarkt“ inkludiert demgegenüber ausschließlich Personen, die sich an die von ihm festgelegten funktionsspezifischen Bedingungen orientieren und sich entsprechen verhalten (vgl. KLEVE. 1997b: 416), das heißt also, die „richtigen“ Qualifikationen, Haltungen, Einstellungen und Persönlichkeitseigenschaften wie „passendes“ Alter, Geschlecht und Gesundheit mitbringen. Der Arbeitsmarkt entwickelt also gewisse Teilnahmebedingungen als „kommunizierte Verhaltenserwartungen“ (BOMMES/ SCHERR. 1996: 111), entlang dieser sich die Menschen als vom System „adressierte Personen“ (ebd.) orientieren müssen, wollen sie eine Teilnahme erreichen. Der Arbeitsmarkt schränkt somit unterschiedliche Verhaltensmöglichkeiten ein, indem er eine Person nur dann einbezieht, wenn er sie für relevant hält. Diese - vor allem vom Funktionssystem „Ökonomie“ bzw. dessen Subsystem „Arbeitsmarkt“ festgelegten - Bedingungen stellen für die Inklusionsarbeiter, welche die jeweiligen Teilnahmevoraussetzungen generieren sollen, gerade in jenen Fällen unüberwindbare Hürden dar, in denen die Klienten auf Grund nicht veränderbarer Persönlichkeitseigenschaften wie Alter, Geschlecht, körperliche Konstitution etc. die geforderten Bedingungen definitiv nicht (mehr) erbringen können.
Das Spannungsfeld des „Zweiten Arbeitsmarktes“ als funktionaler Verortung der Integrationsmaßnahmen liegt einerseits generell zwischen der die Kriterien der sozialen Gerechtigkeit sowie der Produktion öffentlicher Güter repräsentierenden „Sozialen Arbeit“, andererseits in der sie bestimmenden, auf produktive Wertschöpfung und Profitkalkül ausgerichteten ökonomischen Rationalität ihrer Auftraggeber (vgl. THOLE/CLOOS. 1999). Dieser immanente Widerspruch spiegelt sich in der jeweiligen Interpretation des Auftrages bzw. des entsprechend „doppelten“ Mandates der arbeitsmarktintegrativen Sozialarbeit. Die politökonomisch-administrativen Auftraggeber betrachten die Funktion der Sozialen Arbeit primär in der zu vollbringenden Marktintegration ihrer Klientel unter der Sozialisationsprämisse „Reproduktion von Gesellschaft“, systemisch induziert in Form von Kontrollstrategien und Sozialdisziplinierung. Die Soziale Arbeit selbst sieht ihren berufshabituellen Auftrag im Gegensatz dazu tendenziell in der Sozialintegration ihrer Klientel im Sinne einer weitgehenden „Teilhabe an der Gesellschaft“, und in der über Integration in den (Arbeits-)Markt hinausgehenden Sozialisationsprämisse „Konstitution von Identität“, interaktional-verständigungsorientiert durch Unterstützung, Beratung und Emanzipation (vgl. TRUBE. 2000a: 20).
Dieser Widerspruch wird nunmehr scheinbar überwunden, indem sowohl eine forcierte Marktintegration als auch eine „aktivierende“ Form der Sozialintegration unaufhaltsam an Gewicht gewinnen. Infolge des Rückzugs des Sozialstaates zugunsten einer ökonomisierten „Zivilgesellschaft“ stellen „Human- und „Sozialkapital“ die wesentlichen Referenzgrößen dar, die zu elementaren Ressourcen „selbstverantwortlicher“ und „aktiver Bürger“ sowie zentralen „Macht- und Steuerungsmitteln“ erhoben werden. Dieser Prozess schlägt sich auch in der Sozialarbeiter nieder, vor allem im Kontext ihrer „sozialräumlichen Orientierung“ (vgl. OTTO/ZIEGLER. 2004).
Mangelnder Zugang zum Arbeitsmarkt als wesentliche Dimension sozialer Exklusion versperrt wiederum die Chancen der Partizipation an jener „Zivilgesellschaft“. Sozialer Ausschluss und damit verbundenes Elend existieren auch in unserer vergleichsweise reichen Gesellschaft und stellen hier ein problematisches soziales Phänomen dar (vgl. BOURDIEU et al. 1997). Dieses Faktum zeigt sich den Maßnahmen-Sozialarbeitern in der konkreten Interaktion mit deren Teilnehmern alltäglich in aller Drastik.
Im Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit vollziehen sich in Reaktion auf mangelnde Problemlösungskapazitäten einer forcierten Marktlogik veränderte „neo-soziale“ Regulationsversuche „die im Wesentlichen jenseits eines sozial interventionistischen Staates vollzogen werden“, wobei diese „Regulationsrationalitäten […] massive Auswirkungen auf die Thematisierung von ´sozialem Ausschluss´ sowie auf die strategische Positionierung und das Selbstverständnis Sozialer Arbeit [haben]“ (OTTO/ZIEGLER. 2004: 122 f.)
1.1.12 (Arbeits-)Marktbezogene „Integrationsarbeit“ versus Gesellschaftsbezogene „Inklusionsarbeit“
Der nunmehr näher zu erläuternde Begriff der „Inklusionsarbeit“ (BRÜSEMEISTER. 2002; 2003) bezieht sich auf BOURDIEUS Ausführungen zu den Bedingungen der mit wohlfahrtsstaatlicher Inklusion betrauter Berufsgruppen im Neoliberalismus (BOURDIEU. 1998a). „Inklusionsarbeit“ stellt eine Bezeichnung für die Tätigkeit professioneller Berufsgruppen dar, welche qua Berufsauftrag sowie beruflicher Selbstwahrnehmung für die (Re)Inklusion von im Wohlfahrtsstaat von Exklusion betroffener bzw. bedrohter Personen und Gruppen sorgen sollen (vgl. BRÜSEMEISTER. 2003: 224 und 2001: 241). Im gegenständlichen Fall gilt dieser Begriff somit für alle in den arbeitsmarktbezogenen Integrationsmaßnahmen tätigen Professionen, wie Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Fach-, Berufsorientierungs- und Bewerbungstrainer, Coaches etc.34.
Für BOURDIEU stellen diese, mit integrativer Arbeit betrauten und „den Widersprüchen der gesellschaftlichen Welt ausgesetzten Sozialarbeiter“ versinnbildlicht die „linke Hand des Staates“ (BOURDIEU. 1998d: 12) dar. Als vom Wohlfahrtssystem beauftragte Inklusionsarbeiter stehen sie als Teil der „Bediensteten der „kostenverursachenden Ministerien“, die innerhalb des Staats aus den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der Vergangenheit hervorgegangen sind (…) in Opposition zum Staat der rechten Hand“. (ebd.: 12f.), wobei „die linke Hand des Staates das Gefühl hat, dass die rechte Hand nicht mehr weiß, oder schlimmer, nicht wirklich wissen will, was die linke Hand tut. Auf jeden Fall will sie den Preis dafür nicht bezahlen.“ (BOURDIEU. 1988d: 13). Diese oppositionellen Aspekte werden seitens der „rechten Hand“ zumindest so lange und insofern in Kauf genommen bzw. gebilligt, als sich diese durch eine konkrete Praxis „aufwiegen“, was im Sinne der realen Machtverhältnisse auf dem arbeitsmarktpolitischen „Feld“ der Integration letztlich auf die Sicherung herrschender Strukturen hinausläuft. Dabei handelt es sich um die hier gegenständlichen, subtilen Mechanismen bzw. seitens der Inklusionsarbeiter um transintentionale Folgen wie Kontrolle und Stigmatisierung (infolge Zuschreibung von Hilfsbedürftigkeit) durch organisierte Sozialisation hin zu Grundqualifikationen im Sinne der klassischen „Arbeitstugenden“ wie Unterordnungsbereitschaft, Zeitdisziplin, Affektkontrolle, Aufrechterhaltung bzw. Generierung von Arbeitsmotivation und Lohnarbeitsvermögen. Die „linke Hand“ hält praktisch entsprechende Verhaltensdispositionen trotz längerfristigem bis dauerhaftem Ausschluss aus Strukturen des Arbeitsmarktes und damit verbundener Einkommenssicherung aufrecht, im Sinne einer „aktiven Proletarisierung“ (LENHARDT/OFFE. 1977: 98ff.).
Die professionellen, berufsbiografischen Gestaltungsabsichten der Integrationsarbeit sind folglich besonders von Transintentionalität betroffen. Daraus resultierende Rollenkonflikte lassen sich jedoch nicht rigoros unterdrücken. Für den Auftraggeber dadurch entstehende Transintentionalität wird von diesem jedoch in Kauf genommen, um die Effektivitätsgewinne aus Nutzung des professionellen Wissens zu realisieren (vgl. SCHIMANK. 2003a: 260), ohne diese aber wiederum im Zuge der Maßnahmenevaluation als deren explizite Leistung zu bewerten (vgl. Kap. 7.1.).
BOURDIEU et al. (1997: 207-304) wiesen eindrücklich nach, wie Inklusionsarbeit in Zeiten des Rückzuges des Wohlfahrtstaates zur Sisyphosarbeit gerinnt und sich Inklusionsarbeiter meist nur mehr zu bloßen Elendsverwaltern degradiert finden (vgl. BRÜSEMEISTER. 2003: 199). Kraft Mandat durch staatlich legitimierte Träger leisten sie mehr oder weniger zwangsläufig einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Formierung des Sozialtypus des per definitionem defizitbehafteten, auf dem Arbeitsmarkt marginalisierten Typus des „Langzeit-Arbeitslosen“ bzw. des „Problemgruppenangehörigen auf dem Arbeitsmarkt“, den es bestenfalls zu (re-)integrieren, immer öfter aber eben nur zu verwalten gilt. Professionelle Helfer im System der Arbeitsmarktintegration haben sich, so die logische Konsequenz im Sinne des hier vertretenen Anspruches, im Zuge einer reflexiven Professionstheorie unabdingbar mit Programmen des „Sozialen Systems“ auseinandersetzen, um zu einer kritischen Einschätzung ihres Eigenbeitrages an der Konstitution von Inklusions/Exklusionslagen zu gelangen (vgl. dazu: BARDMANN/HERMSEN. 2000), um sodann nach möglichen Wegen aus diesem Dilemma zu suchen.
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