Ludberga bis 23 95


SENSATIONELL!PHÄNOMENAL!GIGAMEGASUPERGEIL!FAMOSISSIMO!GUINNESSWÜRDIG!



Yüklə 2,86 Mb.
səhifə50/56
tarix03.08.2018
ölçüsü2,86 Mb.
#67046
1   ...   46   47   48   49   50   51   52   53   ...   56

SENSATIONELL!PHÄNOMENAL!GIGAMEGASUPERGEIL!FAMOSISSIMO!GUINNESSWÜRDIG!
Verehrte(r) Leser(in) unseres Journals, Sie werden es kaum glauben, Sie, ja, SIE haben gewonnen; den Persönlichkeits-Psycho-Charakter-Chancen-Analysetest, den Super-hit-boom-scoop-boing-flop des Jahres! Noch sind Sie nicht ganz in der Endrunde für den Ersterklasse-Clippertrip um den Erdball (Begleitung, Retour, Reiseversicherung und eine Mahlzeit inbegriffen!), doch steigen Sie hiermit in den Rang der AuserwähltInnen, die bei der nächsten Preisverteilung mit absoluter Sicherheit wenigstens den Trostpreis von einer Hundertstel Million Pfennigen erhalten, zusätzlich einer Schokolade im Frankfurter Kaffee Schirn je am Montagnachmittag eines ersten Aprils auf Lebenszeit. Ungelogen, auf Lebenszeit!!!
Nun, sehen wir uns Ihren superverblüffenden PPCC-Quotienten genauer an:

Sie haben keine Frage anzukreuzeln vergessen: 10Punkte

Zwei haben Sie regelwidrig beantwortet: 10Punkte

Ihre handschriftlichen Kommentare störten unsern Amigo-Computer: 5Punkte

Aber sie sind originell: 10Punkte

Auf mehrere Fragen fanden Sie nur mehrere Antworten: 5Punkte

Hurrah! Sie sind auf dem totalen Nullpunkt! macht: 00Punkte
-Zur Analyse im Einzelnen:

-Frage 1: Sandmann: Auf Picassos Augen anzuspielen und Frage vier wegen Schlaftrunkenheit unbeantwortet zu lassen, lässt tief in Ihre Schlafgewohnheiten blicken: Sie sind Nachtwandler(in), Zuspättiefschläfer(in), Spätaufsteher(in) wie bekanntlich Picasso, der seine Glanzaugen erst gegen elfe zu öffnen pflegte. Sie verzagen vor den Verantwortungen des kommenden Tages, überschlafen allerdings lieber eine Entscheidung, als sie glatt zu verschlafen, sind gegenüber Herzenspflichten ein wenig überschlaff. Ihr Hinzug zu toten Künstlern ist jedoch anerkennenswert und zeigt Ihren Hang zu Büldung.

-Frage 2: Telefonvoyeur: Ihre Antwort zeigt Mut, Entschlossenheit, Selbstvertrauen, gemischt mit einem Schuss Frivolität, die Sie im Nachsatz zu relativieren bzw. zu bagatellisieren suchen. Ihre unterschwellige Neugier könnte Sie u.U. teuer zu stehen kommen; wir sind laut Postfreimachungsstempel im wildnordwestlichen Offenbach, nicht z.B. in Bern.

-Frage 3: Kinoplatzbesetzer: Sie sind eine rechtsbewusste Person mit Hang zur Dickköpfigkeit bzw. Hartnäckigkeit. Ihr längeres aufrechtes Stehen könnte weitere Kinogäste zu unfreundlichen Geräuschen anregen.

-Frage 4: Polizeikontrolle: Ihr gutes Gewissen ist Ihr sanftestes Ruhekissen, in dem Sie selbst Ihr geringstes Zivilgespür ersticken könnten. Ihre Waffe ist entwaffnende Abstinenz von obrigkeitlichen Interessen. Sie sind Einzelgänger(in) den/die man geflissentlich in Ruhe zu lassen hat, ob Polizist oder Krimineller.

-Frage 5: Pornoheft: Sie beweisen eine unkomplexierte Offenheit den gesellschaftlichen Tabus gegenüber. Ihre geheime Frivolität (vgl. Frage 2) erhält durch Ihren Humor besonderen Charme und würde eines jeden Mannes erotische Allarmiertheit in angenehmer Weise steigern, wenn Ihre Diskretheit sie nicht letztlich doch zurückhielte. Als Freitagabend-Abenteurer(in) nehmen Sie sich vor Abenden in acht, die Sie als Amateurin ohne Begleitung teuer zu stehen kommen könnten. Nebenbei haben Sie Sinn für andrer Leute Eigentum und belassen es jenen ohne Neid.

-Frage 6: Mann im Damenklo: Wieder entpuppen Sie sich als angenehm wenig gehemmt, auch wenn die ungewohnte Situation Sie über Ihre Reaktion im Unsicheren lässt. Die Nähe des Wortes "erröten" bedingte einen aufschlussreichen Knick im Duktus Ihres Orientierungspfeils, der sich auf das Türaufhalten beziehen will, aber über das davorliegende kompromittierende Gefühl stolperte. Sie wollen sich oft eine Portion Mutes zuviel beweisen, um Ihre latente Schüchternheit zu überspielen. Dieser Konflikt macht Sie jedoch gewinnend, weil Ihre Notlage ein eventuelles Gegenüber zu Pflegereflexen und Streichelhandlungen anregt. Gott sei Dank passiert so was nicht öfters...!

-Frage 7: Intimitätenschnüffler: Ihr Scharfsinn, Ihr Gefühl für Eigentum und -Eigenterritorrialität, ist beachtlich; jede Art von Verlust bedroht Sie und erschüttert Ihr Weltverständnis. Diebstahl und unbefugte Einmischung in persönlichste Dinge sind gleichwertig. Sie glauben fest an Ihre Unverletzlichkeit und könnten ob der Neugier, die Gründe für Intrusion, Transgression und Aggression Anderer zu erfahren, ahnungslos Ihre Haut riskieren.



-Frage 8: Gratiskino: Ihre kindliche Unbefangenheit ist Reminiszenz einer glückhaften Jugend; Sie halten die menschliche Natur für grundsätzlich gutwollend und gutwillig. Ihr Anschluss- bzw. Anlehnungsbedürfnis könnte zu Exzessen führen, wenn es sich auf den Besuch öffentlicher Lokale beschränkte. Das Nettsein eines Andern erlaubt Ihnen, sich über gewisse Konventionen hinwegzusetzen; Gott sei Dank haben Sie Gespür für die Qualität jenes Nettseins, sonst hätten Sie unserer Redaktion in Ihrem Jugendalter nicht geschrieben und wären längst unglücklich verheiratet.
-Ihre astrischen Tendenzen: Als typischer Steinbock mit vermutlich einerseits krebsigen, anderseits schützenen Tendenzen und Aszendenzen zeigen Sie Affinität zu allen Horntieren des Zodiaks. Sie sind bereit, jedem die, gegebenenfalls bockige Stirn zu zeigen, wenn’s nottut oder Ihnen nottut. Ihre grundsätzliche Gemütsruhe lässt Sie nur bei zwänglichen Treibjagden aus der Haut fahren. Sie sind Einzelgänger(in), obwohl der Herde hin und wieder gesellig zugetan, ohne sich weiter binden zu wollen. Scharfsichtig, Probleme bis zur völligen Verdauung wiederkäuend, aber diese nicht unbedingt suchend. Frohgemut, wagemutig bis leichtsinnig im Überwinden von Abgründigkeiten mit geschlossnen Augen. Kurz, ein astrologisches Prachtexemplar.

-Ihre Aura und Ihre erotischen Chancen: Ihr emotives Pendeln zwischen Zutrauen und Scheue gibt Ihnen eine vibrierende Attraktivität, die im Verborgenen wirkt und nur dem Eingeweihten in ihrer vollen Selbsthingabe bewusst wird. Ein starkes ästhetisches Grundgefühl steuert Ihre Erscheinung und Ihr Verhalten. Ihr ikonographisches Attribut wäre der Spiegel mit allen seinen weitgestreuten Bedeutungen. Ehrgeiz und Selbstverständnis prägen zwar Ihren Charakter doch wird Ihre körperliche Grazie durch Ihre Liebenswürdigkeit, Anhänglichkeit und Treue beseelt. Glücklich der Mann, der Sie entdeckt und auf das Podest hebt, das Sie verdienen!

___ ___ ___

(196) Ludbreg, Mittwoch 20.3.1996; 6.35

Nymph,

Ivan sass noch immer geduldig vor seinem Modell und liess dünne Fäden des Kautschuks niederrieseln, die sich alsbald verteilten und langsam wie unaufhaltsames Magma den Rändern zuflossen und vom Schildbuckel herunterrannen. Immer wieder schabte er den Überfluss zusammen und goss ihn auf die Erhebungen zurück, Gebete und Flüche an Ludberga richtend, auf dass die teuflische Masse erhärte. Den ganzen Tag wird er damit verbringen, Schicht um Schicht aufzuträufeln. Drei Stunden schlief er nur im Schloss. Heute abend muss die Negativ-Gipsform über die Rund(ung)en Ludbergas; welch eine Feuerzangengeburt, fast wie Schillers 'Glocke'!

Angeblich soll Akneds unter Freunden verbreiten, das Projekt werde von den unfähigsten Leuten realisiert, sprich von Ivan, der Niete, dem Clochard, Petrac dem pfuschenden Opportunisten, Nofta einem verkrachten Träumer. Aber, denk ich mir, wenn man etwa ihren Mann dranliesse, M. mit seiner perfektionistischen Briefbeschwerermentalität, Gott, was würde draus! ("Wo rohe Kräfte sinnlos walten, da kann sich kein Gebild gestalten." Heisst's doch in besagter 'Glocke'!); alle Ludbürger würden plötzlich die Aktion verstehen! Sonnenklarheit ginge auf über Luda und die Körbe des Lichts würden überquellen an Geist. Der Witz ist doch, dass niemand ausser Ivan, dem Aussenseiter und Nofta, unserem Aussenministranten, und vielleicht bestenfalls mir, dem Ausländer, versteht, was da passiert. Auch der Bürgermeister, der Ludberga von allen Podien Podiens predigt, weiss letzten Endes nicht warum!

Wenn ich ehrlich mit mir bin, weiss ich selbst nicht, was, warum und wie Ludberga ist, zu sehr ist sie aus dem Nichts erwachsen, aus Luft und Staub, eigentlich ohne mein Zutun, als automatisches oder besser autistisches Wortspiel. Ludbergas letztes Wort auf Bounty war rechtens...

Immer mehr wird mir indessen klar, dass der Titel unseres Dialogs "Ludberga..." und nicht "Ludbreg" lauten sollte, denn am Ende ist letzteres die Fiktion und nur erstere real, wie der Traum ein Leben, nicht das Leben ein Traum ist.

Auch Du, als eigentliche Instigantin meiner Fiktionen, bist nur real, wenn ich Dich denke, vorstelle; berühre ich Dich wieder, bist Du Nymph, ein anderes Wesen, ein nicht mehr konzipierbares, aller Vorstellung entgleitendes, nie verstehbares. Ich begreife Dich erst, wenn ich Dich gestalte wie Galatea, wie Lucy aus dem Schiefer erlöse, wie den David aus dem Stein haue.

Eine Ludberga in Fleisch und Blut wäre ein Monster, eine Teufelsbraut, ein Kegel der Unnatur, eine Walküre der Götterdämmerung, oder eine von Schillers Hyänenweibern aus der nämlichen 'Glocke': "wehe wenn sie losgelassen!".
16.00. Während alles längst ausgeflogen war und Ivan ein verdientes Schläfchen in der Küche hielt, überfiel mich unangemeldet ein Dutzend Zagreber Archäologen auf Kulturausflug nach Iovia. So habe ich ihnen neben einer Führung durchs Haus schnell noch den Mittelpunkt der Welt angedreht.

Unsere klebrige Vanilletorte scheint nun endlich zu gedeihen. Ivan brachte aus irgendeinem Garten ein Drahtnetz, den Gips zu armieren. "Wohl nun kann der Guss gelingen!" (natürlich auch ebenda geschillert): morgen, zum Frühlingsanfang!
18.00. CALENDIS APRILIBUS MCMXCVI grub Ivan neben unsere Namen und jenen Kains als DON(ator) in den Plattenrand. Diesmal komme ich nicht um meinen Geburtstag, wie am letzten venezianischen, herum; man wird ihn unweigerlich zusammen mit Ludbergas Auftritt begehen wollen, ob ich will oder nicht. Aber Du wirst wenigstens mit von der Partie sein und Ivans obligates Harmonikaspiel erleben! ansonst ist der Tag ja nichts Rühmliches für mich, der damit ein Jahr schneller abgewrackt wird; kein Grund zum Feiern! Hélas.

Ich rief in Civitella an, um Paul zum Feste zu laden und sich den Dorfplatz anzusehen. Natürlich geht’s nicht; aber die Aussicht auf eine Feuerplastik ist verlockend: vielleicht auf den Heiligen Sonntag im September? Wir werden ein paar Photos schiessen, nicht wahr? Oh, das Seitchen geht aus! – Kuss-Faun!
18.30. Da bin ich wieder. Bis neun, wenn Du Deinen langen Mittwoch abgesessen hast, ist’s noch eine Weile hin. Ivan hat Besuch und geht seit drei Tagen zum erstenmal nachhause; seine Frau bat ihn um eine Photographie, damit sie noch wisse, wie er aussähe; ich schlug Stupicens Standaufnahme in Umarmung mit Ludberga vor, so wüsste sie wenigstens um die Existenz und die Substanz der Rivalin; ermessbare Feinde sind nur noch halbe.
Las den Tagesbrief vom letzten Jahr. Wie sonderbar klingen die Dinge, die inzwischen so selbstverständlich sind, Begegnungen, Entdeckungen. Wie hektisch der Stil, wie vibrierte die Luft, was beobachtete man nicht alles wie durch eine Vergrösserungslinse! Damals sah ich zum erstenmal Petracens Mosaikentwürfe und entrüstete mich über Holylands Klohäuschen. Und es schneite! zum Frühlingsanfang! längst vergessen. Heuer, trotz des harschen Winters, wird’s morgen richtig Frühling sein, wenn’s so bleibt wie heute, wo ein wenig Faulerer als ich hinausgegangen wäre, auf einer Bank zu sitzen...

Wieder verlocken mich die Blüten in Istrien und Dalmatien. Sie mit Dir zu sehen, rückt greifbar heran. Ich mache Pläne für unsere südselige Ausflugswoche, zähle die Tage, blättere im Atlas...

Nymph, meinster, mich überwältigt der Hunger, zumal ich weiss, dass in der Küche noch ein Mittagsrestchen auf mich wartet; ich kann nicht widerstehen und lass Dich hier auf halbem Weg zurück.

Nofta kommt mit dem Flaschentext, um ihm den letzten Schliff zu geben.

Naschküsschen. Faun.

(197) Ludbreg, Donnerstag 21.3.1996; 6.35

Nymph,

Nofta behauptete steif und fest, Frühlingsanfang sei gestern gewesen, wegen des zusätzlichen Schalttages; punkt neun Uhr zwölf habe er auf seinem Weg nach Varaždin den Wagen angehalten und habe die Nase aus dem Fester gestreckt, um den Frühling zu wittern; er habe ihn riechen können. Das ist seine Art, auch transzendente Dinge zu erschnüffeln; so zum Beispiel Ludbergas Wesen. Wir stritten gestern lange über deren Moralauffassung und wie ihr Verhältnis zum Teufel gewesen sei. Es fehlten ihm die richtigen Worte für die Flaschenpost und er hatte ihre erste Verführung so dramatisiert, dass einem vor Mitleid der Wein in der Kehle hätte erstarren müssen. Über Sinn und Qualität des Teufels hatten wir verschiedene Auffassungen: er eher eine jesuitische, ich eine dualistisch-manichäistische. Aber Ludbergas Feuerwasser in kleiner Auflage für Liebhaber und aus der authentischen Quelle gezapft, interessierte ihn jetzt doch, zumindest notierte er sich alle Möglichkeiten der adjektivischen Übersetzung in fünf europäische Sprachen von analcolisch bis anti-, von unheilig bis diabolisch. Es dürfe schliesslich kein Betrug dabei herausschauen, zumal die Aborigines hier das Wunderwasser in der Tat zu Heilzwecken verwänden. Er wusste von einer solchen anderen kroatischen Quelle, die man als der Manneskraft förderlich glaubte; aber mangels professionellem Marketing ging das Geschäft buchstäblich nach vier Monaten bachab. Dass Ludbergas Feuerwasser in die Hose ginge, könnten wir uns nicht leisten: Ludberga müsse trendnah und erfolgversprechend vermarktet werden, findet er als frischgekürter Tourismusmanager Varaždins. 'Grafičar' solle sogar ein neues Unziale-Alphabet entwerfen, damit der Text mittelalterlich genug aussähe; und am grabsteinigen Epitaph tüftelt er, als ginge mit ihm die Welt grabunter! Wenn Ludberga nicht schon vergeben wäre und ein wenig modrig, würde er sie gewiss fernheiraten. Eine Art Unio mystica. Sein Magister über Plato würde ihm wohl über den Mangel an fleischlichem Realismus hinweghelfen.
Dieweil poltert Ivan, die Maurer hätten das Gullyloch betoniert ohne seinen, Eisenring als Sitz der Bronzeplatte einzuplanen. Den Ring gibt es aber noch nicht, weil es die Platte noch nicht gibt und die nicht, weil sich der Gipsguss noch immer in der Brutphase befindet. Ich werde als Narr gestraft, weil mir genügte, die Bronze auf den Betonkranz zu setzen: Neiiinnn! nach zwei Monaten hätten die Ludbreger Kanalisationsreiniger das teure Stück und das umliegende Mosaik zur Strecke gebracht! Ivan wird seine unausgeschlafene Laune an Blagaj auslassen und der wird, längst ob der Kosten gegen den M.d.W. aufgebracht, die seine an den Maurern erodieren und die werden mich und Ludberga zu Teufel wünschen und ich werde nur noch mit vorgehaltner Baskenmütze am Umbilicus Mundi vorbeischleichen dürfen.
15.30. Von Varaždin die Anfrage, ob und wie man die Ausbildung junger Kunsthandwerker in alten Herstellungstechniken für die Region realisabel und profitabel gestalten könnte und ob unser Schloss eine Funktion dabei habe. Ein Ministeriumsentwurf müsse ausgearbeitet werden. Ich solle das alles prüfen und ein Papier entwerfen. Ich bin dem gänzlich abgeneigt, weil wir in dieselbe disparate Konflikt-Situation zwischen Handwerk und Restauratoren in Deutschland gerieten; eine Trennung der Institutionen und Ausbildungsmodelle ist angetan, bevor sich die Interessen in die Haare geraten. Der Aufbau einer gesamtkroatischen Ausbildungsstätte jedwelchen Couleurs wäre eine halbe Lebensaufgabe. Bitte nach mir...
16.00. Ich suchte den Verwalter des 'Putnik' auf und jener gegen den M.d.W. anschliessenden Schenke 'Medjasi' ("medja" = 'Grenzlinie'), die nach dem Drehbuch des beliebten Folgenfilms eines hiesigen längstverstorbenen Dialektdichters Mladen Kerstner, der einst im Nachbarhaus gegenüber gewohnt hatte, genannt ist. Die Dialektform 'Mejasi' meint zwei sich immer über ihre Grenzlinie streitende 'Nachbarn', die ihrer Lieblingsbeschäftigung hiesiger bäuerischer Streithähne vor dem Richter nachgehen (man zieht seine Furchen immer ein wenig mehr ins Feld des Nachbarn hinein, bis der klagt, oder wie Blagajs erwähnter Weinberghäuschennachbar, die Knarre zieht). Andrerseits zog sich in der Strassenmitte die Grenzlinie zwischen Kerstners Haus und seiner Leib-Schenke. Mein Vorschlag an den Besitzer der Bar ist nun, im Kursivschriftzug zwischen "Pivnica" (Bierkeller) und "Mejasi"(‘zu den lieben Nachbarn’) "Ludbergina" einzufügen, was etwa "Schenke zu Ludbergas Grenznachbarn" hiesse, in Erinnerung an, oh Wunder, erst soeben komm ich drauf – die wundersam versetzten Grenzsteine der Ludberga-Legende!!! (die "medjnih kamena", die fliegenden Grenzmarken, figurierten bereits in meiner kroatischen Kurzfassung; zum Verrücktwerden, diese mehrere Monate überbrückenden Koinzidenzen! Wenn das der mystische Nofta erfährt, geht er delirierend auf die Knie). Überdies liegt der Weltmittelpunkt genau über der Grenzlinie zwischen dem sakralem Kirchhof und dem profanen einstigen Forum, bzw. ehemaliger römischer Hauptstrassenkreuzung und heutiger Platzanlage (Also am Kreuzpunkt von Cardo und Decumanus des antiken Marktplatzes). Ivan doppelt soeben mit einem 'mejasi'- Witz nach: Vor dem Richter rechtfertigt sich ein Bagatellenschinder ob eines allzu kleinlichen Anspruchs: ja nicht um die B r e i t e des umstrittenen Grenzstreifens ginge es ihm, sondern um die T i e f e: sein wäre schliesslich das pflugscharbreite Tortenstück bis zum Erdmittelpunkt! Ein Witz, der buchstäblich in "Medias res" (ins Horaz’sche Zentrum der Dinge) trifft, ins Schwarze des Umbilicus Mundi.
Ein etwas allzu waghalsiger Ivan hatte dem Besitzer des "Kaputnik" erst heute früh den Untergang geweissagt, weil er sich schmollend vom Sponsorenaufruf Krisantemacens fernhielte. Sein Verwalter liess sich indessen ganz sachlich von mir für Ludberga interessieren, zumal ich auf die Vorteile seines künftigen touristischen Zulaufs hinwies. Da seine nurmehr frisch betonierten Halbkreis-Stufen zur Beiz wie das Positiv zum Negativ unserer 'Arena' wirken, schlug ich ihm vor, sie mit denselben schwarzen Steinplatten zu belegen. Hier Ludbergas Matrizinium einzunisten, ist nach obigen Assoziationen eigentlich bedeutend origineller und intellektueller als in Cernobyls bereits peripherischer Ausfallstrassenpension. Da beider Herbergen Besitzer dumm wie Bohnenstroh sind, ist ja egal, welchen wir beschwatzen; die Pointe mit der Pinte muss um jeden Preis gewinnen und wenn man im nachbarlichen Kaputnik ein Teufelsfeuer legen müsste, um dem parakriminellen Boss Cindori (Cin= Zink, also der Zinker) Beine zu machen, die endlich seinem 'Putnik' (Wanderer) gerecht würden, der ja bekanntlich sein namentlich usurpiertes Nobelrestaurant 'Crn-Bel' auf Ludbergas Grundstück setzte und damit das parkartig verwunschene und uralte Traum-Weinberghäuschen 'Crn-Bel' selbigen Mladen Kerstners zum Jammer der gesamten noch naturfreundlichen Region abriss!!! Dieser hatte es nach einer Novelle des Vladimir Nazor benamt, jenem Dichter, von dem ich Dir vor Zeiten das lautmalerische Grillengedicht niederschrieb (noch ein Grenzkrieg an den Grenzen zum Parapsychologischen!). Die rächende Flamme würde man an der Quelle entzünden und Florian würde sorgsam die letzten Trunkenbolde mit ernüchternderen Wässern begiessen, damit sie noch heil herauskämen; Übernachtende Putniks gibt’s ja schon lange nicht mehr, die leiblichen Schaden nehmen könnten... Cernobyls "Crnković"(Schwärzchen) hat, wie könnte es anders sein, gegen "Crn-Bel" (Schwarz-Weiss) ausgespielt: auch ein dahingestorbener Geist, ist dem Ungeist überlegen... Was nicht heissen will, dass ich nun öfters im linksaussenseitigen Crn-Bellavista von seiner monoglotten Menükarte speisen werde.
18.30. Wie die Zeit vergeht, wenn man in eine Materie taucht, die so viele Zusammenhänge und Assoziationen birgt. Man wird ganz befeuert und gescheuert, auch Ivan gerät in Aufregung, ob so vieler Zufälle, die gar keine mehr sein dürften. Ich brenne drauf, Dir das alles gleich zu hinterbringen; vielleicht musst Dus zweimal lesen, um die verwirrenden Verknüpfungen aufzulösen.

Ich fürchte, ich habe Velimirs wüste Erkältung aufgelesen, die er täglich in die Gegend trompetete; bei mir geht’s zwar meist schnell vorbei, doch will ich zu Deiner Ankunft wieder fit sein; vielleicht sollte ich den Anflug nicht weiter bekämpfen, der Crash würde nur verzögert; Vitamine zum bösen Spiel helfen zumeist hals-, nas-, kopf- und herzlich wenig; ein därmliches Leben ist das untendrein!
19.30. Das Seitchen geht zur Neige und ich denke, mal annaschen zu dürfen; lass Dich inniglichst umärmeln in meinen zwölf Pullovern, die mir die Angina peccatoris vom Unterleibe halten sollen, bis ich in Cernobyls Fiebern verbrate.

(198) Ludbreg, Freitag 22.3.1996; 6.20

Nymph,

Nofta ergänzte gestern abend bis spät in Cernobyls Biergläser hinein die Erzählungen zu Mladen Kerstner, der übrigens der Bruder von Bojanas Grossmutter war, die mir so rührend das Gedicht von Adam und Eva übersetzt hatte. (Bojana korrigierte inzwischen ihrerseits so manche Aussage Noftas). Des Dichters Vater war nicht Besitzer des heutigen 'Putnik', das damals 'zum schwarzen Adler' hiess und von einem Onkel Ivans, namens Fizir geführt wurde und der gesellschaftliche Treffpunkt von Krethi und Plethi, der Gebildeten und vor allem der bedeutenden jüdischen Gemeinde war, die man in der Podravina ja fast rest- und erinnerungslos bis auf Weinreber, den Wirt, ausgerottet hatte, sofern man sie nicht rechtzeitig zur Auswanderung nach Palästina nötigen konnte, sondern war mit seinem Bruder Mühlen- und Ziegeleibesitzer. Demselben Vater gehörte indessen ein der heutigen 'Nach(t)-Bar' gegenüberliegendes Lokal, wo er einen beliebten Kerzen-, Devotionalien- und Leckereienladen (kroatisch: "cukerpeker-") betrieb, dessen Ruhm seine Existenz überdauerte, indem man noch lange volksmündlich sagte, man ginge zu "Keschner", meinte aber die später bei allen Anlässen Ludbregs obligate Schenke, die heute so verkommen ist. Über die einzelnen Typen des dreizehn Folgen zählenden Serienfilms, der von Slowenien nach Slawonien zum Beliebtesten gehört haben muss, was Jugoslawien kinematographisch je hervorbrachte, amüsierte ich mich sehr, da sie alle aus dem Ludbreger Milieu stammten und noch heute latent vorhanden sind: man erkennt den Priester wieder, den Bürgermeister, den raffgierigen Cindori, der zum ähnlichen, wenn auch viel schillernden Protagonisten 'Cinober' passt, ja Nofta selbst, die klotzigen Bauernschädel und handfesten Ludbergafrauen, auch wenn die Generationen längst gewechselt haben.

'Crn-Bel' hier volksmundlich die Grille (crcak), war zudem schon der Titel eines lautmalerischen Gedichts, das Nofta und wohl alle Kinder der Gegend aufzusagen wissen, und einem weiteren lokalen kajkavischen Poeten, Fran Galovic, angehört.
10.15. Cindori ist gar nicht so idiotisch, wie alle seine Feinde wollen. Schlauer als Cernobyl ist er jedenfalls. Von Ludberga hat er sich angokeln lassen, da sie seine Renaissance bedeuten könnte: Die Marmor-Arena (die man soeben leider in weiss und nicht in schwarz zu mauern begonnen hat) wolle er gern für seine 'Pivnica'-treppe kopieren und das 'Ludbergina' vielleicht noch zum ersten April in den Schenkennamen einfügen. Da er sich an der Platzgestaltung zum Ärger der Gemeinde nicht beteiligt hat, wird er sich u.U. mit der Paul'schen Feuerplastik freikaufen wollen! Ihn fasziniert die Idee der Feuer/Wasser-Skulptur vor seiner Hoteltür. Auch der Quelle gedenke er, die nötige Sorge angedeihen zu lassen und den touristischen Rundlauf:

M.d.W. / Feuerbrunnen / Schlosskapelle / Holyland / Teufelsquelle mit Crn-Bel

gegebenenfalls promovieren, wird er doch am ehesten davon profitieren. Die Hotelfassade wollte er ohnehin im April bis zum Florianstor renovieren. Seinen offenbar vorzüglichen Wein könnte er dann im nächsten Jahr zum ersten April drangeben: Nofta hat einen jährlichen Wettbewerb um den Ludberga-Wein erdacht, den die hiesige Winzergemeinschaft als den besten des Jahres jeweils auserlesen soll: der Preisgekrönte dürfe seinen Namen dann ins Hufeisen der Etikette drucken...


11.00. Es schneegnet. Mein Kopfweh hat mich nicht betrogen. Die Maurer werden fluchen. Sie werden ein Schutzzelt errichten müssen. Ivan hat das Gipskorsett gegossen. Wir sollten nach Varaždin in die Giesserei fahren, um das Weitere abzuklären, damit er nicht wieder ein Wochenende vermurkst. Nofta war beim Steinschneider und rechnet mit zwei Tagen für die Schriftscheibe. Petrac ist verschwunden; da die Arena auch den Stufenwänden entlang marmorgekachelt wird, verringert sich sein Mosaik auf angenehme Weise und er wird es vielleicht doch noch zur Gänze fertigbringen. Aber wo ist er? Wir benötigen einen guten Kompass, um die Windrose Antipodiens festzulegen.

Ich hab das Kratzen aufgegeben; was soll’s. Alle sind ausgeflogen; Velimir bei Vrkalj in Zagreb zum Appell, Ivan bei Krisantemac, Štefica kauft ein, Kapusta gschäftelt privat, Bojana holt ihr Kind ab; ein schönes Institut internationaler Ambitionen!
15.20. Nachdem sich Ivan von Blagaj hatte zusammenstauchen lassen, er wolle vom Mittelpunkt der Welt nichts mehr hören, er hätte genug zu tun, habe mit seinem Bruder bald 20 000 DM in die Sache gesteckt, mit dem Ende, das man andere Arbeiter bestalle und man solle geflissentlich Sponsor Kain mit dem Gusskram bemühen -, Kain aber in Deutschland ist und der Bürgermeister pausenlos besetzt, ging ich selbst zu letzterem, ihn manu armata herauszutrommeln, liess mir die Leute und Telefonnummern in Varaždin heraussuchen, lud Ivan in den Wagen und fuhr kurz vor Fabrik-Torschluss in die Giesserei. (So ein Torschluss ist gespenstig, wenn Hunderte höchlich primitiver Untermänner auf Dich losdrängen, auf die Minute das kafkasche Areal zu verlassen!) Gott sei Dank: wir brauchen nur noch Montag in der Früh unseren Gips hinzubringen und alles andere entwickle sich von selbst. Ivan hätte so ein Wochenende Schweiss gespart. Zurück ermunterte ich die Maurer unter ihrem Zelt, die gerade die obersten Stufenplatten einsetzten. 5000 DM hätten nur die Marmorstücke für den Goldfischteich gekostet, monierte Blagajs Bruder und rechtfertigte das weisse, billigere Material, das der Anlage den Aspekt eines römischen Bürgernymphäums zweiter Klasse oder eines öffentlichen Miniatur-Badebeckens gibt. Ein Mittelplumps der Welt. Immerhin es steht und Montag kann man die roten Kunstkopfsteine anböschen und Petrac seine Tasselli hineinpflastern. Die Kirchenpforte sei fertig und warte nur noch auf den Einbau. Anschliessend zeigte ich dem Verwalter des 'Putnik' die Kataloge Paul Wiedmers, um die Lust auf den Feuerbrunnen zu entfachen. Seit Ivan mein Bonmot – allerdings ohne Urhebernennung – dem Besitzer zum besten gegeben hat, hat Cindori jegliche Freud am 'Kaputnik' verloren und meint, den Namen müsse man ohnehin ändern, er wäre unzeitgemäss und verbraucht; wahrscheinlich liebäugelt er inzwischen mit der marktfähigeren 'Ludberga' oder dem 'Centrum Mundi' (Mit 'Caput Mundi', dem Haupte der Welt, das bisher Rom reserviert war, liesse er sich wohl kaum ködern! ebensowenig wie mit Capote, Al Caputo oder Al Capone, die sich wohl schon alle zum Caput mortuum gemodelt oder gemodert haben... und wenn’s noch so sehr auf den Padrone passte). Mir soll’s egal sein, wer sich nun welchen Namen stibitzt, und wenn sie dafür vor Gericht gehen müssten als gute 'mejasi'; ich habe ja meinen Spass gehabt und wie Till Eulenspiegel ein Weltdorf zum Narren gehalten. (Merkwürdig, dass ich gerade jetzt erst Koesters ‘Till’ erstanden hatte; leider ist er in V. geblieben...)

Um sechs bin ich mit Ivan in Toplice zur Vernissage eines Reprowerkes von Stichen aus dem 17. Jh. eingeladen. so werde ich erst, wenn ich zurückbin, Dir Deinen Schlummerkuss verabfolgen und kurz vorher meine immerhin zwei Seitchen abliefern, die es hier gilt, noch vollzuschreiben. Ich denke, vom Tagebuch des M.d.W. wirst Du inzwischen genug haben und der Name Ludberga dürfte Dir zum roten Tuch werden, oder? Bist Du noch nicht eifersüchtig auf sie? Nun, bald hat die Gute ihre Ruhe und Du wie ich auch. Ich bekomme sonst noch einen Mutterkomplex oder sie hängt mir als echte Ludbürgerin wegen meines grenzüberschreitenden Wirkens einen Vaterschaftsprozess an. Jacobus de Voragine hat eh schon ein Huhn mit mir zu rupfen und Priester Schurke scheuerte seine Soutane an der Kirchhofmauer, als er mich vor dem M.d.W. herumlungern sah. Bald wird er doch noch von der Kanzel das Interdikt auf mich herabschmettern, wenn er merkt, dass Petracens Mosaik nicht den ersten Schöpfungstag versinnbildlicht, sondern den direktesten Weg zum Antipodex dieser verworfenen Welt, unter dem Matronat einer Felizitas Krull, Buhlerin, Weinpanscherin, Grundstückmoglerin, Giftmischerin und Elementarhexe hihihihi....!

und doch so heilighaft sympathisch.... Živjeli!
17.15. Bald wird mich Ivan nach Toplice entführen; dann also Schluss fürs erste und lass Dich später noch mal annaschen, Nymphli mis, das mich der Frühling noch mehr entfernt als die 1111 km. Wenn nur die Schauerwoche schon vorbeiwäre, die vor der Tür steht! Krank bin ich übrigens gestern nicht mehr geworden, obwohl alle Anzeichen auf Halbmast standen; meine Rossnatur hat's vielleicht noch mal wieder geschafft, obwohl der Nacken knirscht und erst jetzt, mit der Rückkehr der Abendsonne, mein Kopfweh die Waffen streckte. Küsschen, Faun.


(199) Ludbreg, Samstag 23.3.1996; 6.30

Nymph, meinster,

Die Ausstellungseröffnung in der Vorhalle eines der Badekomplexe von Varaždinska Toplice, mastodontisches Konzept eines noch titolitären Jugoslawien ist erzählenswert: der alte Badeort liegt, wie Du weist, in einer geschützten Hügelkuhle und wäre mal ein hübsches Nest gewesen. Die Römer nutzten längst das heisse und heilende Wasser, das man jetzt Kriegsversehrten und Sozialfällen, Alten und Kranken jeder Art verschreibt. Vorgestellt wurden 14 Folioblätter einer 1664 von Gregoire Huret (einem schwülstigen Lyoner Akademisten) gestochenen Christuspassion, die ein ländlicher, nichts zusätzliches als russisch parlierender Historiker präsentierte und ein wackliger Priester, vielleicht der Sammler aus Marov selbst, mit einem gebetartigen von weiblichen hutzligen Sängerinnen umrahmten Zeremoniell buchstäblich einweihte. Die Halle hatte sich angesichts eines opulenten Büfetts und ungezählter mit unterschiedlichsten Tranksamen gefüllter Gläser, sowohl mit Honoratioren des Umlandes, aber auch der Krankenbelegschaft der Spitäler gefüllt, die auf nichts anderes als den Startschuss zum Rennen auf Lachscremetörtchen, Fleischbällchen, salzig Fritiertes und zuckrig Frisiertes zu warten und dies anschliessend ausgiebigst zu verdünnen. Dieweil hingen die Graphiken einsam von den Wänden und spiegelten im Gewühl von Schächern, Pharisäern, Soldaten, Klageweibern und ungekämmten Jüngern nicht wenig die Nachkommen des 20.Jahrhunderts im Kampf um die Fleischtöpfe Toplizes. Nur die ganz Fleissigen wie wir gingen den Rest der Blätter, die keinen Platz gefunden hatten, im Dorfmuseum besichtigen: eine jener Kunterbuntsammelsurien, wo die üblichen Mammutzähne neben kopflosen Göttinnen und römischen Soldatengrabsteinen liegen und Dokumente gilben, Türkensäbel rosten, Buttermodel vom Zahn der Holzwürmer benagt, Spitzen und Filzpantoffeln des Grafen von Motten gelöchert werden und die Porträts geschenkter Amtsgäule Gänge und Treppen tapezieren. Zum Schiessen war die trapezschlauchige Direktorsbude voller Bücherstapel und zeitgenossenschaftlichen Gemälden lokaler Amateurdonatoren – unter anderen eines von Ivan, das er mir stolz bezeichnete, ist er doch ein alter Bekannter des Museumsleiters. Sehenswert war allerdings die stattliche Altarfront eines den Gesundheitsnymphen geweihten Bade-Tempels, die sich irgendwann einmal in eine Pariser Ausstellung verirrt hatte, was mir, hohem Gaste, der Direktor stolz in einem abgegriffnen Katalog zu beweisen suchte.

Waren auch Ludbregs Thermen nicht so bedeutend wie die Toplices, so waren doch beide Orte wichtige Meten der Romanität: ersteres wegen seiner Lage an einer der begangensten Strassen gen Byzanz, das zweite wohl, um die auf jenen wundgelaufnen Füsse der kaiserlichen Kuriere zu kurieren.
8.00. Zum ersten Mal in einem Jahr hab ich mir zwei Frühstücks-Eier in die Pfanne geschlagen; was einen so anwandelt!
10.00. Ivan erscheint triumphierend mit der gelungenen Gipshaube und dem Silikonabdruck; es ist vollbracht! er wird wohl gleich einen Probe-Positivguss veranstalten wollen. Seine Neugier ist unbezähmbar...
13.00. Ivan ging Gips und seine Amateurkünstlerfreundin (zur Hilfe) holen um einen ersten Guss (wohlgemerkt mit ‘G’) zu wagen. Da ich am Quiz schreibe, bin ich fürs Handwerk unbrauchbar.
Schliesslich muss ich mir Mühe geben, Dir was Seetüchtiges mit auf die Seereise gen Malmö zu geben, auf dass Du nicht auf See seekrank würdest vor Seesucht nach den letzten Ludbürger Seensationen; allerdings musst Du Dich bei der Beantwortung der Fragen grösster Präzision und Seerosität befleissigen: das geringste Verseeen, jede Nach-, Fahr-, Unzuver-, Auslässigkeit könnte die Seelen-Analyse zu negatiefst beeinflussen, was verheerende und unvorausseebare Konsequenzen für Deinen Charakter zeitigen könnte. Ich würde Dich, bisher unverseertes Glückseelchen, noch so seensüchtig Erseente, unverseens nicht mehr erkennen und anerkennen wie eine Seemövin ihr fremdgewordnes Küken, eine Seehündin ihren Welpen, eine Seekatze ihren Laich, eine Seemaus ihr Würmchen, eine Seekuh ihr Kalb, eine Seestute ihr Fohlen, eine Seeelephantin ihren Infanten, eine Seewalze ihr Gürkchen, eine Seeteufelin ihren Wechselbalg, eine Seenadel ihr Öhrchen, ein Seestern seinen Planetoiden, eine Seespinnerin ihren Bankert, und Lucy ihr Baby.
Yüklə 2,86 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   46   47   48   49   50   51   52   53   ...   56




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©muhaz.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

gir | qeydiyyatdan keç
    Ana səhifə


yükləyin