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Bedeutung des Informationseinsatzes im liberalisierten Stromhandel



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1.4Bedeutung des Informationseinsatzes im liberalisierten Stromhandel


In den Ausführungen zu GP 1.3.3 wurde dargestellt, dass insbesondere für etablierte Versorgungsunternehmen die Teilnahme am Handel von wesentlicher Bedeutung ist. Zum einen um ihre betriebliche Funktionen (v.a. Erzeugung und Vertrieb) zu optimieren, zum anderen um Zusatzerträge zu generieren. Allerdings müssen sich diese Unternehmen fragen, wie sie in einem liberalisierten Marktumfeld mit neuen Anforderungen an das Know-how, knappen Margen und hoher Wettbewerbsintensität Stromhandel dauerhaft bestehen können. Aus Sicht der vorliegenden Arbeit stellt sich die Frage, welchen Beitrag der Informationseinsatz als Teilbereich des Informationsmanagements zum Handelserfolg leisten kann. Nachfolgend wird die Antwort gegeben, indem gezeigt wird, dass der effiziente Informationseinsatz eine Voraussetzung für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen und damit von Handelsmarge auf einem liberalisierten Strommarkt ist.

1.4.1Wettbewerbsvorteile als Voraussetzung für den Handelserfolg auf einem liberalisierten Strommarkt


Nach Hayek liegt das Grundproblem der Koordination wirtschaftlicher Aktivitäten in der asymmetrischen Informationsverteilung.104 Die Logik des Wettbewerbs beruht demnach auf der Ungleichverteilung von Information und der Entdeckung neuen Wissens. Unternehmertum besteht wesentlich aus der Ausnutzung von Informations­vorsprüngen und der Realisierung unternehmerischer Arbitragegewinne zwischen Beschaffungs- und Absatzmärkten.105 Dauerhafte Gewinne sind nur zu erwirtschaften, wenn es ein Unternehmen schafft, Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Ohne Wettbewerbsvorteile werden anfangs bestehende Arbitragegewinne durch den Eintritt immer neuer Wettbewerber auf Dauer schwinden. Bezogen auf den Stromhandel würde dies zum einen bedeuten, dass Handelsgewinne eines Unternehmens ohne Wettbewerbsvorteile langfristig nicht möglich sind und auch in der Optimierung betrieblicher Funktionen gegenüber anderen Versorgern komparative Nachteile bestünden. Langfristig würde eine solche Situation unweigerlich zu einem Marktaustritt führen. Dies führt zur Frage, wo die Quellen möglicher Wettbewerbsvorteile für ein Handelsunternehmen liegen, welches keinen gesamtwirtschaftlichen Beitrag in Form produzierter Güter leistet, sondern sich letztlich darauf beschränkt zwischen Produktions- und Absatzmärkten zu vermitteln. Nachfolgend werden Ansatzpunkte aus Sicht der Handelsbetriebslehre analysiert.

1.4.2Wettbewerbsvorteile und Ansätze der Handelsbetriebslehre


Um die Existenz und Legitimation des Handels zu erklären, wurden in der traditionellen Handelsbetriebslehre die Handelsfunktionen als wirtschaftswissenschaftlicher Bezugsrahmen verwendet.106 Eine Übersicht hierzu gibt Müller-Hagedorn. Danach kann der Handel als Träger folgender Funktionen beschrieben werden:

  • Der Handel als Träger von Distributionsfunktionen.

  • Der Handel als Träger von Risiko.

  • Der Handel als „Transaktionskosten-Rationalisierer“.

Folgt man der Erkenntnis, dass Wettbewerbsvorteile die Voraussetzung für Handelserfolg sind, so kann man schließen, dass komperative Vorteile in der Erfüllung dieser Funktionen die Quelle potenzieller Wettbewerbsvorteile bilden. Im Folgenden sollen daher die Handelsfunktionen detailliert werden, mit dem Ziel potenzielle Wettbewerbsvorteilen abzuleiten.

1.4.2.1Handel als Träger von Distributionsfunktionen


Die Distributionsfunktion wurde in den frühen Arbeiten herausgestellt, um den Handel „von dem Makel der Gewinnsucht zu reinigen“.107 Wesentliches Kennzeichen ist die Güterumgruppierung von der produktionsorientierten Güterkombination in eine bedarfsorientierte Ge- und Verbrauchsgüterkombination nach Art und Menge.108 Die Überbrückung von Raum und Zeit, die Zusammenstellung von Sortimenten, die Quantitätsfunktion und Maßnahmen der Qualitätssicherung sind typische Teilbereiche der Güterumgruppierung.109 Dies enthält auch solche „…Objekt- und Subjektsicherungsleistungen, die nicht nur der Qualitätssicherung der Produkte dienlich sind, sondern darüber hinaus auch solche Leistungen gegenüber Marktteilnehmern einschließen, die durch Beratungs- und Umtauschleistungen das ökonomische, technische und soziale Risiko des Kaufs reduzieren.“110

Ein Händler, der auf Distributionsvorteile fokussiert, muss daher Produkt- und Zusatzleistungen derart kombinieren, dass diese am Markt einen höheren Verbrauchernutzen schaffen, als dies bei vergleichbaren Angeboten des Wettbewerbs der Fall ist. In Zusammenhang mit der Handelsware Strom sind diese Möglichkeiten durch die hohe Standardisierung und die Nicht-Lagerfähigkeit begrenzt. Zu denken wäre beispielsweise auf der Absatzseite an Beratung hinsichtlich Versorgungssicherheit oder Verbrauchseffizienz, an Finanzierungsleistungen oder an Strom aus regenerativen Energien. Diese Maßnahmen richten sich mehrheitlich an den Verbrauchermarkt. Auf einem Großhandelsmarkt mit Absatz an Wiederverkäufer hat Strom „Commodity-Charakter“ mit dem Preis als dominierendes Kaufkriterium. Folglich können im Großhandel lediglich bei der Belieferung von Großverbrauchern Distributionsvorteile geschaffen werden, indem entsprechend eines definierten Lastprofils, ein maßgeschneidertes Produkt zu günstigeren Konditionen als ein offener Liefervertrag erbracht wird. Wesentlicher Wettbewerbsvorteil ist die Umsetzung der Verbraucherbedarfe in strukturierte Handelsprodukte.111


1.4.2.2Handel als Träger von Risiko


Ein Kennzeichen des Handels liegt darin, dass der Zusammenhang zwischen seinem Leistungsangebot und dem Markterfolg unsicher ist.112 Insbesondere ist es fraglich, ob eine bereits eingekaufte Ware zum Verkaufspreis wieder abgenommen wird oder ob eine bereits verkaufte Ware zum geplanten Einstandspreis beschafft werden kann. Dieses Risiko ist weitestgehend vom Verhalten der Geschäftspartner abhängig und variiert deshalb zwischen Kunden und Branchen.113 Eine Funktion des Handels kann darin gesehen werden, dieses Risiko den Erzeugern und Verbraucher abzunehmen, die dem Handel dafür eine Handelsmarge zugestehen.114 Spekulative orientierte Handelsbetriebe werden das Risiko größtenteils übernehmen, risikoaverse Betriebe werden versuchen, das Risiko durch Steuerungsmaßnahmen zu bewältigen.

Im Handel mit Strom sind Wettbewerbsvorteile durch die Übernahme von Risiken auf zweierlei Arten denkbar.

Zum einen kann der Händler spekulativ Strommengen an- oder verkaufen, ohne eine entsprechende Gegenposition zu halten. In diesem Fall wird er nur dann am Markt Erfolg haben, wenn er besser als andere Marktteilnehmer in der Lage ist, die künftige Entwicklung des Strommarktes zu antizipieren und entsprechende Positionen einzugehen. Ohne komparative Vorteile in der Marktprognose wird seine Markteinschätzung bestenfalls der des Großteils anderer Marktteilnehmer entsprechen, welche sich bereits im aktuellen Marktpreis widerspiegelt. Der Wettbewerbsvorteil liegt hier vor allem in Informationsvorsprüngen, überlegenen Prognosesystemen oder einer schnellen Verarbeitung von Marktinformationen.

Zum anderen kann der Händler versuchen, die übernommenen Risiken durch Risikomanagement zu bewältigen und eine geringere, aber sichere und dauerhafte Handelsmarge zu erwirtschaften.115 Die Wettbewerbsvorteile liegen hier vor allem in Wissensvorteilen zu Methoden des Risikomanagements und deren effizientere und effektivere Anwendung.


1.4.2.3Handel als „Transaktionskosten-Rationalisierer“


Gümbel und Picot erklären auf Basis des von Coase formulierten Transaktionskosten­ansatzes die Existenz von Handelsbetrieben.116 Diese entstehen, wenn durch die Handelsfunktion dem Verbraucher die Ware zu geringeren Kosten als bisher zur Verfügung steht. Die relevanten Kostenkomponenten sind dabei je nach Stand­punkt unterschiedlich abzugrenzen. Aus Sicht der erzeugenden Unter­nehmung bestehen die Kosten in den Produktionskosten und ihren Transaktionskosten, aus Sicht des Handelsunternehmens aus seinem Einstandspreis und seinen Transaktions­kosten und aus Sicht des Nachfragers aus seinen Transaktionskosten und dem Nettoverkaufspreis.117 Als Transaktions­kosten werden die Kosten für Information und Kommunikation verstanden. Sie setzen sich aus folgenden Kostenarten zusammen:118

  • Anbahnungskosten, z.B. infolge der Informationssuche und -beschaffung über potenzielle Anbieter bzw. Abnehmer und deren Konditionen.

  • Vereinbarungskosten, z.B. infolge der Intensität und zeitlichen Ausdehnung der Vertragsverhandlungen und -formulierung.

  • Kontrollkosten, z.B. infolge der Überwachung von Termin-, Mengen-, und Preisvereinbarungen.

  • Anpassungskosten, z.B. infolge von Termin-, Mengen- oder Preisänderungen.

Im Prinzip ergibt sich für jede Lieferbeziehung ohne Handelsstufen der in Abbildung 8 illustrierte Zusammenhang.

Abbildung 8: Gesamtkosten der Ware Strom





Quelle: Modifiziert nach Picot (1986) S. 3.

Die Gesamtkosten ergeben sich aus den Erzeugungskosten und den Transaktionskosten des Anbieters und den Transaktionskosten des Nachfragers. Die ökonomische Legitimation des Handels liegt darin, diese Gesamtkosten zu senken. Nachdem dies bei den Produktionskosten per se nicht möglich ist, wird der Fokus auf die Transaktionskosten gerichtet. Der Handel wird nur eingeschaltet, wenn die Summe der Transaktionskosten von Erzeugern, Handel und Verbrauchern kleiner ist als ohne Einschaltung des Handels. Picot bezeichnet in diesem Zusammenhang den Handel als „Transaktionskostenrationalisierer“.119 Die Einsparung liegt u.a. in reduzierten Kontakt- und Verhandlungskosten (Abbildung 9) auf Seite der Erzeuger und Verbraucher. Als Gegenleistung behält der Handel die so genannte Handelsmarge ein, die ihm maximal in Höhe der eingesparten Transaktionskosten zugebilligt wird.

Abbildung 9: Kontaktökonomie des Handels



Quelle Picot (1986) S. 4.

Um eine überlegene Lösung hinsichtlich der Transaktionskostenrationalisierung zu verwirklichen, müssen komparative Vorteile bei der Senkung der eigenen Transaktionskosten sowie der von Erzeugern und Verbrauchern existieren.120

Hier gilt es, die Kosten der Information und Kommunikation auf Stellen- und Bereichs­ebene sowie auf betriebsübergreifender Ebene zu reduzieren. Wettbewerbs­vorteile lassen sich hier zum einen durch überlegene organisatorische oder system­technische Lösungen erzielen. Zum andern wird Größe bzw. Handelsvolumen zu einem entscheidenden Wettbewerbsvorteil, da der Großteil der Transaktionskosten fixe oder zumindest sprungfixe Kosten sind (z.B. Personalkosten, Lizenzkosten für Software, Infrastruktur etc.). Jede zusätzliche Transaktion mit positiver Handelsmarge generiert somit einen positiven Deckungsbeitrag und damit zusätzlichen Gewinn. Dies erklärt auch das in GP 1.3.3.1 dargestellte Streben amerikanischer Händler nach Marktanteilen unter Inkaufnahme kurzfristiger Verluste.

1.4.3Informations- und Transaktionskostenvorteile als Beitrag des Informationseinsatzes


Um die Bedeutung des Informationseinsatzes für den Handelserfolg zu bestimmen, ist nun noch die Frage zu klären, wie er zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen beitragen kann. Tabelle 5 zeigt wesentliche Beiträge des Informationseinsatzes anhand der zuvor erläuterten Funktionen des Stromhandels.

Tabelle 5: Beiträge des Informationseinsatzes für die Schaffung von Wettbewerbsvorteilen im Großhandel mit Strom



Handels­funktion

Wesentlicher Wettbewerbsvorteil

Mögliche Beiträge des Informationseinsatzes
(Auswahl)


Handel als Träger von Dis­tri­butions­funktionen

  • Individuelle Produkterstellung

  • Kanalisierung der Informationen über Kundenbedarfe als Voraussetzung für individuelle Produkterstellung

Handel als Träger von Risiken

  • Treffsichere Marktprognose

  • Effizientes und effektives Risiko­management

  • Informationsvorteile und schnelle Informationsverfügbarkeit als Voraussetzung für eine treffsicheren Marktprognose

  • Marktdaten und Methodikwissen als Voraussetzungen für die Anwendung von Risiko­managementmodellen

Handel als Transaktions­kosten­rationalisierer

  • Handelsvolumen bzw. Größe

  • Effiziente Organisations­gestaltung und systemtechnische Lösungen

  • Informationsverfügbarkeit, als Voraussetzung für effiziente Aufgaben­er­füllung

  • Informationsfluss als Voraussetzung für effiziente stellen-, bereichs- und betriebsübergreifende Aufgabenkoordination

Quelle: Eigene Darstellung

Zur Schaffung von Distributionsvorteilen ist die Aufnahme und Kanalisierung von Informationen über externe Kundenbedürfnisse Voraussetzung für die Entwicklung bedarfsgerechter strukturierter Produkte.

Risiken können übernommen werden, wenn Vorteile in der Marktprognose oder im Risikomanagement bestehen. Marktprognosen basieren auf Informationen, z.B. über Erzeugung, Übertragung, Verbrauch von Strom oder Gesamtwirtschaft (Konjunkturelle Situation etc.), die vom Handel verarbeitet werden müssen. Informationsvorteile und schnelle Verfügbarkeit können einen bedeutenden Betrag zu einer überlegenen Marktprognose leisten. Risikomanagement besteht im Prinzip aus der Aufnahme von Marktdaten und deren Verarbeitung in mathematischen Modellen.121 Die Bereitstellung der Daten und von Wissen über die Modelle determinieren wesentlich die Qualität des Risikomanagements.

Vorteile in der Transaktionskostenrationalisierung entstehen im Wesentlichen durch effiziente Organisation und systemtechnische Unterstützung der arbeitsteiligen Aufgabenerfüllung. Die Verfügbarkeit von Informationen und der Informationsfluss hat wesentliche Bedeutung zur Erfüllung von Aufgaben auf Stellenebene und der Abstimmung zwischen den Organisationsbereichen einer Stromhandelseinheit, des VUs und anderen Marktteilnehmern.

Die bisherigen Ausführungen lassen die Bedeutung von Informationsbedarf und –bereit­stellung als Teilaufgaben des Informationseinsatzes erkennen. Informationseinsatz schafft die Voraussetzung für Wettbewerbsvorteile, welche durch entsprechende Informationsverarbeitung und Marktaktivitäten erst noch realisiert werden müssen. Der Informationseinsatz ist somit ein notwendiger, aber nicht hinreichender Faktor für Handelserfolg auf einem liberalisierten Handelsmarkt. Aus obigen Beiträgen lassen sich zwei wesentliche Möglichkeiten zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen durch Informationseinsatz ableiten.

Die erste Möglichkeit liegt in der Schaffung von Informationsvorteilen durch exklusive Informationen oder schnellere Verfügbarkeit im Vergleich zum Wettbewerb. Dies bedeutet für den Informationseinsatz konkret, dass die Informationen zu identifizieren und bereitzustellen sind, die einerseits notwendig sind, um Handel zu betreiben und andererseits Informationsvorteile zu ermöglichen. Dies gilt insbesondere in Zusammenhang mit der Marktprognose und dem Risikomanagement.

Die zweite Möglichkeit liegt in der Schaffung von Transaktionskostenvorteilen, d.h., komparative Vorteile hinsichtlich Informations- und Kommunikationskosten gegenüber anderen Marktteilnehmern. Für den Erfolg eines Händlers auf dem liberalisierten Strommarkt ist es daher unerlässlich, Informationsbedarf und –bereitstellung unter streng ökonomischen Gesichtspunkten, d.h., unter Abwägung von Kosten- und Nutzenaspekten zu planen und zu gestalten. Für den Informationseinsatz bedeutet dies, dass in den verschiedenen Teilprozessen der Bereitstellung die Potenziale zur Einsparung von Transaktionskosten rigoros genutzt werden müssen. Die Ansatzpunkte liegen vor allem in der Beschränkung der Bereitstellungsaktivitäten sowie deren organisatorische Gestaltung und systemtechnische Unterstützung. Durch das Weglassen unnötiger Bereitstellungsaktivitäten werden per Definition Transaktionskosten vermieden. Allerdings ist sicherzustellen, dass durch die Beschränkung die Aufgabenerfüllung nicht leidet oder Informationsvorteile verloren gehen. Weitere Transaktionskosten können eingespart werden, wenn die verbleibenden Bereitstellungsaktivitäten in adäquater Weise organisatorisch gestaltet und systemtechnisch unterstützt werden. In Anlehnung an Stock stellt sich aus organisatorischer Sicht vor allem die Frage nach dem Outsourcing, der Zentralisierung oder der Dezentralisierung dieser Aktivitäten.122 Aus technischer Sicht bietet eine Automatisierung bzw. Teilautomatisierung123 von Bereitstellungs­aktivitäten aufgrund der vergleichsweise hohen Personal­kosten Ansatzpunkte zur Reduktion von Transaktionskosten.124 Hier stellt sich vor allem die Frage nach dem richtigen Automatisierungsgrad.125

1.4.4Die besondere “informatorische Situation” der Verbundunternehmen


Als Verbundunternehmen (VU) werden die deutschen Unternehmen bezeichnet, die einen bestimmten Teil des Höchstspannungsnetzes betreiben (Regelzone) und in diesem Bereich für die Frequenz-Leistungsregelung verantwortlich sind. Mit der Frequenz-Leistungsregelung verbunden ist der koordinierte Einsatz eigener und fremder Kraftwerke im Regelkreis sowie der immer bedeutsamere Austausch mit benachbarten Regelkreisen im Rahmen des europäischen Netzverbundes UCTE. Abbildung 10 zeigt die Regelzonen der deutschen VU zum derzeitigen Stand.

Abbildung 10: Regelzonen deutscher Übertragungsnetzbetreiber (Stand 01.10.2001)



Quelle: http://www.dvg-heidelberg.de.

Für jeden Leistungsbereich setzen die VU unterschiedliche Kraftwerksarten ein.126



  • Grundlastkraftwerke sind technisch und hinsichtlich der Kostenstruktur (niedrige variable Kosten) so ausgelegt, dass sie durchgehend eingesetzt werden können. Es handelt sich typischerweise um Anlagen auf Basis von Laufwasser, Braunkohle und Kernenergie.

  • Mittellastkraftwerke sind Anlagen mit hoher flexibler Leistung, die den wechselnden Strombedarf über den Grundbedarf hinaus decken. Es handelt sich weitestgehend um Steinkohle- und teilweise auch um Gaskraftwerke.127

  • Spitzenlastkraftwerke sind technisch so ausgelegt, dass sie in kurzer Zeit und mehrmals täglich angefahren werden können und hohe Leistungsänderungen zulassen. Sie sind von meist geringer Auslastung und hohen variablen Kosten gekennzeichnet. Es handelt sich typischerweise um Gasturbinen- und Pumpspeicherkraftwerke, mit Abstrichen auch um Ölkraftwerke.

Neben der Frequenz-Leistungsregelung beliefern die VU regionale und lokale Versorgungsunternehmen sowie Endverbraucher128. Die ca. 80 regionalen deutschen Stromversorger geben ihrerseits den bezogenen Strom, aber auch eigenen erzeugten Strom an lokale Versorger oder große Endverbraucher ab. Rund 800 lokale Versorgungsunternehmen beliefern Verbraucher eines Gemeindegebietes meist im Querverbund mit Gas, Wasser und Fernwärme. Ihren Bedarf decken diese Unternehmen durch Bezug von den vorgelagerten Stufen und durch eigene Erzeugung.129 Abbildung 11 stellt die Struktur der öffentlichen Elektrizitätsversorgung dar.

Abbildung 11: Struktur der öffentlichen Elektrizitätsversorgung





Quelle: Schiffer (1999) S. 160.

Als Fazit kann festgehalten werden, dass den VU eine tragende Rolle in der Stromversorgung zukommt. Zum einen kontrollieren sie den überwiegenden Teil der Erzeugungskapazität, des Weiteren sind sie für die Höchstspannungsnetze und damit für den Kern des gesamten Netzsystems verantwortlich und zuletzt sind sie auch direkt oder indirekt wesentlich am Absatz beteiligt.

Wie später noch gezeigt wird, ist eine wesentliche Aufgabe eines Stromhändlers die Prognose des künftigen Strompreises, um daraus entsprechende Handelstransaktionen abzuleiten. Dies wiederum erfordert eine exakte Analyse vorhandener Informationen zur Angebots – und Nachfragesituation.130 Wie erläutert sind die VU durch ihre Erzeugungskapazitäten in der Angebotsseite und durch ihre Vertriebsaktivitäten in der Nachfrageseite stark involviert. Durch den Betrieb des Höchstspannungsnetzes sind die VU zudem in die Vermittlung von Angebot und Nachfrage integriert. Es ist daher anzunehmen, dass den VU durch ihre Erzeugungs-, Netz- und Vertriebsaktivitäten Informationen vorliegen, die andere Großhändler nicht zur Verfügung haben. Verstärkt wird dieser Effekt durch die zunehmende Fusionsbereitschaft, durch den Druck zu Kostensenkungen als Folge der Liberalisierung. Im Jahre 1998 waren noch acht unabhängige Verbundunternehmen tätig, von denen insbesondere die Bayernwerke, RWE und PreussenElektra bereits einen tiefen Einblick in die Angebots- und Nachfragesituation am Strommarkt gehabt haben sollten. Tabelle 6 zeigt dies für die einzelnen VU.

Tabelle 6: Kennzahlen zu Vertrieb und Erzeugung deutscher VU im Jahre 1998



Verbundunternehmen

Länge der Stromkreise über 100 kV (in km)

Stromabgabe
(in TWh)


Abnehmerstruktur in % der Abgabe

Sonder­vertrags­­kunden

Tarif­kunden

Absatzmittler

Bayernwerke AG

15.000

40,8

8%

0%

92%

Bewag AG

892

13,1

53%

47%

0%

Energie Baden-Württemberg AG

9.680

44,4

22%

20%

58%

Hamburgische Elektrizitätswerke AG

1.391

13,8

62%

27%

11%

Preussen Elektra AG

18.580

66,2

16%

0%

84%

RWE AG

21.000

132,5

35%

12%

53%

VEAG

11.491

47,4

0%

0%

100%

VEW Energie

5.340

34,0

29%

14%

57%

Gesamt

83.374

392,2

24%

10%

66%

Quelle: Schiffer (1999) S. 166.

Mittlerweile haben die Bayernwerke und PreussenElektra (E.ON-Konzern) sowie RWE und VEW fusioniert. Den vorläufigen Schlusspunkt setzte die HEW zusammen mit dem schwedischen Eigentümer Vattenfall, indem sie im Mai 2001 eine 75%-Mehrheit an der VEAG sowie einen 63,5%-Anteil an der Bewag erwarb.131 Bis Ende 2001 wird eine gemeinsame Vertriebsstrategie vorbereitet, bis August 2002 sollen die verbundwirtschaftlichen Aktivitäten in einer gemeinsamen Netzgesellschaft VEAG/HEW zusammengeführt werden.132 Die Fusion soll endgültig im Juli 2003 abgeschlossen sein. Somit sinkt de facto die Zahl der VU in Deutschland auf fünf. Offen ist derzeit noch, ob die Bewag ebenfalls in den HEW-Verbund integriert wird. Diese Integration mit HEW/VEAG war bereits beschlossen, bis Streitigkeiten über die operative Führung der neuen Gesellschaft mit dem Bewag-Miteigentümer Mirant das Vorhaben vorerst scheitern ließen. Die Zukunft der Bewag ist daher derzeit noch offen, alle Beteiligte sind sich jedoch einig, dass das Unternehmen alleine zu klein ist, um langfristig zu überleben.133 Eine weitere Fusion ist daher zu erwarten. Danach sollte eine weitere Konsolidierung innerhalb Deutschlands angesichts kritischer Kartellbehörden schwieriger werden. Insbesondere aber mit Europäischen Verbundpartner sind weitere Fusionen zu erwarten. Förderlich sind hier die bestehenden Kapitalverflechtungen. Weitere Konsolidierungen sind auf europäischer Ebene mit den Verbundpartnern zu erwarten. Als förderlich sollten sich hier die bestehenden Kapitalverflechtungen erweisen. So ist der neue HEW/VEAG/Bewag-Konzern bereits mehrheitlich in der Hand der schwedischen Vattenfall-Grupp, der französische Konzern Electricité de France (EDF) ist Großaktionär der EnBW (25%), E.ON u.a. mit Beteiligungen an Sydkraft (SWE) und RWE verfolgt ihrerseits Internationalisierungsstrategien.134 Blickt man in die Zukunft, so kann man realistisch davon ausgehen, dass die Verbundstufe in Deutschland in Zukunft von maximal vier international agierenden Unternehmen beherrscht werden wird. Die Konsequenz dieser Konsolidierung ist, dass die verbleibenden Unternehmen einen umfassenden Einblick in Angebot und Nachfrage des europäischen Strommarktes haben werden, der ihnen deutliche Informationsvorsprünge im Stromhandel bringen kann.



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