Resümee aus vorliegenden empirisch-analytischen Arbeiten zu vertikaler Marktmacht
Bei den angetroffenen Kernhypothesen zur vertikalen Marktmacht sind Bestimmungen von Marktstrukturen durch vertikale Marktstrukturen (Hypothese 4 und 5) im Gegensatz zur Bestimmung von Performance (Hypothese 1 bis 3) von vornherein nicht sehr begründet. Für einen statischen Zusammenhang von Angebots- und Nachfragekonzentration (Hypothese 4) ist auch kein überzeugender Beleg gefunden worden. Der dynamische Zusammenhang (Hypothese 5) dürfte – wenn gegeben - sehr schwach sein und kann auch mangels entsprechender Daten schwerer bearbeitet werden.
Hypothese 3 (Bestimmung von Performance durch nachgelagerte Performance) wurde kaum getestet, dürfte jedoch sowohl leichter machbar sein wie auchweitere Anregungen geben, da unterschiedliche Erwartungen je nach Annahmen vorliegen.
Somit bleiben Bestimmungen von Performance durch vor- und nachgelagerte Strukturen, grundsätzlich (Hypothese 1) und etwas elaborierter mit Schwellenwert (Hypothese 2). Die Anzahl der Tests bezüglich Hypothese 2 sowie für die Inputseite von Hypothese 1 ist wie erwähnt nicht sehr ausgeprägt und daher sind weiterreichende Schlussfolgerungen nicht zweckmäßig.
Werden nun alle vorliegenden Arbeiten mit allen unterschiedlichen Indikatoren im Zusammenhang mit der Überprüfung vertikaler Marktmacht zusammenbetrachtet, so ergibt sich insgesamt eigentlich ein relativ konsistentes Bild: Nämlich eine insgesamt weitgehende Bestätigung für die negative Wirkung von Indikatoren der vertikalen Marktmacht und gleichzeitig eine positive Wirkung der horizontalen Konzentration.
Bemerkenswert ist, dass in keiner einzigen der 31 Arbeiten das Konzept der vertikalen Marktmacht insgesamt verworfen wird, wenngleich in manchen Publikationen einige Arbeiten davon als negativ bezüglich vertikaler Marktmacht insgesamt angeführt werden. In etlichen Arbeiten werden zwar tatsächlich einzelne Indikatoren, Methoden und Ergebnisse kritisch beleuchtet, jedoch dafür dann Alternativen vorgeschlagen und gefunden.
Als relevante Schlussfolgerung erscheint die Wichtigkeit der Verknüpfung von Variablen der Nachfrage- bzw. Lieferantenkonzentration mit Variablen der Branchenanteilskonzentration des In- und Outputs (Dispersität der Lieferbeziehungen) als zwei getrennten Variablen ( eventuell plus einem Interaktionsterm), da nur beide Indikatoren zusammen dem Phänomen vertikaler Marktmacht bei Branchendaten gerecht werden.
Forschungsmethodologie zur empirischen Überprüfung vertikaler Marktmacht mit österreichischen Daten
Überblick
Ausgangspunkt sind die bisherigen Kapitel der Arbeit und insbesondere die Systematik der Indikatoren vertikaler Marktmacht (siehe vor allem Abschnitt 1.1 und Abbildung 1 Schema Vertikale Marktmachtindikatoren).
Um vertikale Beziehungen zwischen Branchen abbilden zu können, werden – wie in ähnlichen Arbeiten üblich – Daten aus Input-Output-Tabellen verwendet: In empirischen Arbeiten verwendete Messkonzepte für Nachfragemacht beruhen auf aus vertikalen Lieferbeziehungen entsprechend Input-Output-Tabellen gewichteten Angebotskonzentrationsmaßen.
Dabei werden einerseits österreichische Daten aus Input-Output-Tabellen aus 3 verschiedenen Jahren verwendet, und andererseits diese mit den ebenfalls sehr umfangreichen Datensätzen aus den „(nichtlandwirtschaftlichen) Bereichszählungen“ (1976, 1983 und 1988) verknüpft.
Um die Daten aus den verschiedenen Jahren vergleichbar zu machen, wird ein harmonisiertes Sample für alle 3 Jahre gebildet.
Die Analyse vertikaler Marktmacht ist zweckmäßig innerhalb eines Gesamtkonzepts von Marktmacht zu sehen. Daher ist die horizontale Konzentration, die „old story“ der Industrieökonomie einzuschließen.
Die Besonderheit der Datenbearbeitung in dieser Arbeit besteht darin, dass umfangreiche österreichische Branchendaten einschließlich Konzentrationsdaten („Bereichszählungen“ für 1976, 1983 und 1988 ), auf Dreisteller-Ebene mit Input-Output-Daten für 1976, 1983 und 1990 verknüpft werden. Gleichzeitig sind dabei statistische Daten der „Gemeinwirtschaft“ verfügbar.
So können Branchenindikatoren und insbesondere Branchenstrukturindikatoren mit den zugehörigen Strukturindikatoren der vor- und nachgelagerten Branchen verknüpft werden.326
Zur Vergleichbarkeit der Daten für die Jahre 1976, 1983 und 1988
Der Zeitraum von 1976-1988 bzw. 1990, aus dem die Daten stammen, ist durchaus einer Periode zuzuordnen, die gemeinsame Merkmale aufweist:
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Das Aussenhandelsregime wurde zwar tendenziell laufend liberalisiert, allerdings erst zu Beginn der 90er Jahre mit den Vorbereitungen zum österreichischen EWR- und EU-Beitritt vollständig.
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Der Zeitraum liegt auch noch vor den grundlegenden Veränderungen in den Beziehungen zu den mittel- und osteuropäischen Wirtschaften, durch die Österreichs Wirtschaftsstruktur in den 90er Jahren wesentlich beeinflusst worden ist.
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Der Zeitraum ab Mitte der 70er Jahre ist nach dem Ende des „Goldenen Zeitalters“ einzuordnen: ab Mitte der 70er Jahre sind deutliche Strukturbrüche in der wirtschaftlichen Entwicklung zu beobachten und es ist an zu nehmen, dass bis dahin stabile ökonomische Zusammenhänge weniger strikt geworden sind.
Es sind somit im Zeitraum 1976-1990 nationale Märkte, wie sie von den vorliegenden Statistiken mit ihren Branchenabgrenzungen nahe gelegt werden, in sehr vielen Bereichen eher (noch) gerechtfertigt – vermutlich im Gegensatz zur Zeit ab den 90er Jahren. Mit dem Beitritt zu EWR und EU sowie den WTO-Liberalisierungen in den 90er Jahren ist die Relevanz nationaler Märkte deutlich weiter zurück gegangen. die Annahme nationaler Märkte ist daher bei späteren Daten deutlich weniger gerechtfertigt.
Ein gewisses Problem existiert für die Daten von 1988 bzw. 1990: Für die Jahre 1976 und 1983 sind die Zeitpunkte der Erhebung von Bereichszählung und Input-Output-Tabelle gleich; allerdings wurde 1988 eine Bereichszählung (mit Konzentrationsdaten) durchgeführt wurde und erst 1990 eine Input-Output-Erhebung. In dieser Arbeit werden die Werte der Input-Output-Tabelle aus 1990 in die Bereichszählungsdaten 1988 integriert. Dies erscheint vertretbar, da sich zumindest von der makroökonomischen Entwicklung her keine wesentlichen Unterschiede bezüglich 1988 und 1990 ergeben, die Input-Output-Strukturen sich im Zeitablauf insgesamt eher nur langsam ändern und auch in einigen Arbeiten der Literatur ähnliche Vorgehensweisen anzutreffen sind. - Die empirischen Ergebnisse bei Verwendung der kombinierten Daten sind allerdings tatsächlich schwächer anders als für die Jahre 1983 und 1976.
Für die 3 genannten Jahre liegen in Form der Input-Output-Tabellen und der Bereichszählungen auf 3-Steller-Ebene Daten vor, die weder vorher noch nachher existieren. In den 90er Jahren wurde im Sinne der Harmonisierung mit der EU bei der Input-Output-Tabelle erneut auf die 2-Steller-Gliederung zurückgegriffen, wie sie auch in den 60er Jahren für Österreich anzutreffen war.
Des weiteren wurde 1995 im Sinne der Harmonisierung der statistischen Systeme in der EU eine neue Branchengliederung in der österreichischen Statistik ein geführt, die nur teilweise eine Fortführung der früheren Branchensystematik ist, wodurch die Vergleichbarkeit entscheidend eingeschränkt ist.
Nach 1988 wurden für die österreichische Wirtschaft keine vergleichbaren disaggregierten Strukturindikatoren mit den jeweils vier, acht und zwölf größten Unternehmen auf Dreistellerebene erhoben. Die Daten wurden in späteren Jahren zwar nach Größenklassen der Beschäftigen und der Bruttoproduktionswerte ausgewiesen, doch bei der Gliederung nach Größenklassen ist die Querschnitts-Vergleichbarkeit der Branchen – auch abgesehen vom Problem der sehr zahlreichen nicht ausgewiesenen Klassen, das erheblich ist – wesentlich weniger gegeben, als bei den Daten der Bereichszählungen 1976, 1983 und 1988, bei denen jeweils die vier, acht und zwölf größten Unternehmen auf Dreistellerebene gesondert ausgewiesen wurden.327
Des weiteren gibt es für die genannten Jahre 1976, 1983 und 1988 im Rahmen der Bereichszählung auf 3-Steller-Ebene auch ausgegliederte Daten für die „Gemeinwirtschaft“, die für Österreich nicht unwichtig sind.
Die Jahre 1976, 1983 und 1988 können, wie Tabelle 12 zu entnehmen ist, als Jahre einer mäßigen Expansion gekennzeichnet werden, d. h., es gibt in allen Jahren ein Wirtschaftwachstum in einer Aufschwungphase nach einer Stagnation bzw. Rezession. Diese Gemeinsamkeit ist für die Analyse vorteilhaft, da durchaus – auch nach den Ergebnissen der Literatur - erwartet werden kann, dass Marktmacht und speziell vertikale Marktmacht je nach der Dynamik der Nachfrage entsprechend der Zyklusphase in deutlich unterschiedlichem Grad wirkt. Zwar schwächt die Aufschwungphase durch die Nachfragedynamik die Wirkung von Marktmacht eher ab, die Gemeinsamkeit der Zyklusphase der 3 Datenjahre begünstigt jedenfalls Vergleiche zwischen diesen Zeitpunkten.
Insgesamt hat damit die Bearbeitung der genannten Daten auch einen gewissen historischen Charakter, da er eine Etappe in der wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs abdeckt.
Tabelle 12 BIP-Wachstumsraten in Österreich im betrachteten Zeitraum von 1976 bis 1990
JahrBIP-Wachstumsrate743,975,4764,6774,4780,5794,7803,081-,3821,1832,0841,4852,5861,2871,7884,1893,8904,2912,7921,693-0,3(Die Jahre, aus denen die verwendeten Daten der Bereichzählungen stammen, sind in Fettschrift)
Quelle: Wirtschafts- und sozialstatistische Taschenbücher der AK, jährlich
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