LSG NRW L 20 B 15/05 AY ER, B. v. 23.01.06, www.asyl.net/dev/M_Doc_Ordner/7796.pdf www.sozialgerichtsbarkeit.de Keine Rechtsmissbräuchlichkeit i.S.v. § 2 AsylbLG bei weiteren Verbleib in Deutschland wegen ärztlicher Behandlung. Die Antragsteller sind geduldete Roma aus Serbien-Montenegro [Anmerkung G.C.: aus dem Beschluss ergibt sich nicht, ob aus dem Kosovo oder dem übrigen Serbien-Montenegro] und befinden sich seit 1999 in Deutschland. In mehreren Verfahren vor dem VG wehren sie sich gegen ihre Abschiebung, im diesem Eilverfahren hat der Antragsgegner zugesagt, von der Abschiebung bis zur gerichtlichen Entscheidung abzusehen. Sämtliche Antragsteller machen Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG wegen in ihrer Heimat nicht gesicherter Krankenbehandlung geltend, u.a. wegen chronischen Diabetes Typ I mit Insulintherapie.
Die einstweilige Anordnung kann nicht deshalb abgelehnt werden, weil kein Anordnungsgrund besteht. Zwar hat das LSG in einem anderen Verfahren die Frage, ob der Antragsteller die Dauer seines Aufenthalts i.S.v. § 2 AsylbLG rechtsmissbräuchlich beeinflusst hatte, mit Blick auf mögliche Ausreisehindernisse als schwierig und deshalb im Eilverfahren nicht beantwortbar angesehen, und hinsichtlich des Anordnungsgrundes festgestellt, die Leistungen nach § 3 ff. AsylbLG stellten (vorläufig) eine ausreichende Existenzsicherung dar. Dem könne nicht entgegen gehalten werden, die Sozialhilfe nach SGB XII sichere einen nicht unterschreitbaren Grundbedarf dar. Die Leistungen nach § 3 ff. AsylbLG hielten sich auch im Rahmen der Asylaufnahmerichtlinie (RL 2003/9/EG), die in Art. 13 Abs. den Mitgliedsstaaten die Sicherung eines Lebensstandards aufgebe, der die Gesundheit und den Lebensunterhalt gewährleiste (LSG NRW L 20 (9) B 37/05 SO ER, B.v. 21.12.05)
Im hier zu entscheidenden Fall erweist sich nach summarischer Prüfung der Anordnungsanspruch als glaubhaft gemacht. Im Hauptsacheverfahren wird festzustellen sein, ob der Anspruch auch unter Berücksichtigung der anhängigen VG-Verfahren besteht. Soweit die Antragsgegnerin darauf verweist, dass die Antragsteller freiwillig ausreisen könnten, ist ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht erkennbar. Ein solches liegt auch nicht in der Beanspruchung verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes zur Durchsetzung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG.
Zum Begriff der Rechtsmissbräuchlichkeit verweist der Senat auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 15/1420, S. 121). Darin heißt es u. a., die Anwendung des BSHG solle grundsätzlich für alle Fälle des § 1 nach 36 Monaten erfolgen. Ausgenommen seien nur die Fälle, in denen der Ausländer rechtsmissbräuchlich die Dauer seines Aufenthalts (z. B. durch Vernichtung des Passes, Angabe einer falschen Identität) selbst beeinflusst habe. Dies entspreche auch der Intention des Gesetzes, zwischen denjenigen Ausländern zu unterscheiden, die unverschuldet nicht ausreisen könnten und denjenigen, die ihrer Ausreisepflicht rechtsmissbräuchlich nicht nachkämen.
Die Antragsteller begründen ihren Wunsch auf ein Verbleiben in Deutschland damit, dass im Falle der Rückkehr nach Serbien-Montenegro insbesondere die Erkrankung der Antragstellerin zu 3) nicht adäquat behandelbar wäre. In der Durchsetzung eines Abschiebeverbots gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG liegt kein von der Rechtsordnung missbilligtes, subjektiv vorwerfbares Verhalten eines Ausländers (vgl. OVG Bremen S 3 B 199/05, B.v. 06.09.05). Dass nicht jedes auf Verbleib in Deutschland gerichtete Verhalten als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren ist, ergibt sich bereits aus den in der Gesetzesbegründung (a.a.O.) aufgeführten Beispielen.
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