Anmerkung: Offen bleibt, ob das Mobiltelefon - was aber Voraussetzung für eine Beschagnahme nach § 7a wäre - überhaupt verwertbares Vermögen darstellt, was hier scheinbar nicht der Fall ist, da das Handy vom Sozialamt tatsächlich gar nicht verwertet wurde - zumindest fehlen im VG-Beschluss Angaben zum vermuteten Wert des Handys und zum Ergebnis der Verwertung. Offen bleibt auch, weshalb die Antragstellerin ihren Barbetrag nicht dafür nutzen soll, mit ihrem Mobiltelefon zu telefonieren, stattdessen aber auf öffentliche Fernsprecher verwiesen wird.
Das Gericht übersieht, dass - anders als der öffentliche Fernsprecher - für Asylbewerber ein Mobiltelefon in der Regel die einzige Möglichkeit darstellt, selbst telefonisch erreichbar zu sein, und Anrufe entgegenzunehmen, ohne dafür zusätzliche Kosten aufzuwenden. Die - auf Dauer? - verfügte Beschlagnahme des Mobiltelefons beinhaltet deshalb auch - was das Gericht offenbar übersieht - einen schwerwiegenden Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Antragstellerin (Art. 2 GG).
Dies gilt umso mehr, als mit dem Telefon auch die SIM-Karte und damit auch das persönliche Adressbuch sowie der persönliche Nachrichten- (SMS) und Anrufspeicherdatei der Antragstellerin beschlagnahmt wurde, insoweit dürfte durch die Beschlagnahme auch das Brief-, Post und Fernmeldegeheimnis verletzt sein (Art 10 GG).
Zu bedenken ist auch, dass die Betreiber von Asylbewerberunterkünften den Bewohnern meist die Einrichtung eines Festnetzanschlusses in verfassungsrechtlich fragwürdiger Weise und mit oft vorgeschobenen Gründen untersagen (das Gebäude würde beschädigt; die Asylbewerber könnten ihre Telefonrechnung sowieso nicht bezahlen, davor müsse man sie in ihrem eigenen Interesse schützen...), ähnliches gilt ggf. auch für Telefongesellschaften. Angesichts hoher Einrichtungs- und Grundgebühren, der vielfach geltenden 2jährigen Mindestvertragsdauer sowie der nicht absehbaren, oft nur kurzen Wohndauer ist ggf. aber auch aus Sicht des Flüchtlings ein Mobiltelefon dem Festnetzanschluss vorzuziehen. Schließlich stellt sich die Frage, ob - analog dem Mobiltelefon - auch der Festnetzapparat der Beschlagnahmung durch das Sozialamt unterliegt?
Weiter bleibt offen, ob die zur Benutzung der - immer seltener werdenden, in vielen Ortschaften inzwischen ganz fehlenden - öffentlichen Fernsprecher erforderlichen Telefonkarten (für die vermutlich - da der nicht anrufbare Flüchtling alle Anrufe selbst tätigen zahlen muss - deutlich höhere Kosten als für das Handy aufzuwenden wären) nicht ebenso der Beschlagnahme unterliegen müssten. Und was gilt für zur schriftlichen Kommunikation benötigte Briefmarken? Was ist, wenn der Antragsteller einen Fahrschein, eine Zehnerkarte, eine Monatskarte für die Straßenbahn besitzt?
Handelte es sich bei dem Handy tatsächlich um Vermögen von leistungsrechtlich relevantem Wert, stünde dies gemäß § 7 AsylbLG ohnehin dem Leistungsanspruchs der Antragstellerin entgegen, bis sie ihr verwertbares Vermögen aufgebraucht hat. Das Sozialamt hätte also nicht das Handy beschlagnahmen, sondern mangels Bedürftigkeit den Sozialhilfeantrag ablehnen können. Dass das Sozialamt anders gehandelt hat spricht dafür, dass auch das Sozialamt davon ausgeht, dass das Handy realistischerweise keinen relevanten Wert hat.
Offensichtlich ist die Beschlagnahme des Handys weder geeignet, das damit bezweckte Ziel (Sicherung eines Kostenersatzanspruchs des Sozialamts) zu erreichen, noch ist sie verhältnismäßig, weil sie die Persönlichkeitsrechte der Antragstellerin erheblich beeinträchtigt. Der Zweck der vom Gericht gebilligten Beschlagnahme bleibt damit letztlich im Dunklen.
Im Ergebnis handelt es sich um einen zum Erreichen des vorgeblichen Ziels offensichtlich ungeeigneten, wohl nur mit rassistischen Motiven erklärbaren Verwaltungsakt, der allerdings durch eine vom VG zitierte Auffassung in der Kommentierung gedeckt wird (Deibel ZFSH/SGB 1998, 707ff.). Das auch anderswo zu beobachtende, auf § 7a gestützte, problematische Vorgehen mancher Sozial- und Polizeibehörden bei der Beschlagnahme von Schmuck, persönlichen Gegenständen und Bargeldbeträgen von Asylsuchenden weckt zudem ungute Erinnerungen an die Beschlagnahme und Verwertung der persönlichen Habe in den 30er Jahren zur Ausreise gezwungener jüdischer Mitbürger.
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