LSG Berlin-Brandenburg L 18 B 772/06 AS ER, B.v. 07.09.06 Liegt noch keine bestandskräftig abgelehnte Arbeitsgenehmigung nach § 284 SGB III vor, dürfte die Erwerbsfähigkeit eines neuen Unionsbürgers im Hinblick auf § 8 Abs. 2 SGB II zu bejahen sein.
LSG Rh-Pfalz L 3 ER 175/06 AS, B.v. 17.10.06, www.sozialgerichtsbarkeit.de zu § 8 Abs. 2 SGB II. Kein Anspruch auf ALG II für neue Unionsbürger mit nur nachrangigem Arbeitsmarktzugang, die keine qualifizierte Berufsausbildung haben.
LSG Berlin-Brandenburg L 19 B 116/07 AS ER, B.v. 25.04.07, InfAuslR 2007, 317
www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/docs/C2009.pdf
Sachverhalt: Der 16jährige Antragsteller ist schwedischer Staatsbürger bosnischer Herkunft. Er reiste zusammen mit seinem für ihn sorgeberechtigten Großvater im Juli 2006 nach Deutschland ein und besucht eine allgemeinbildende Schule. Sein Großvater erhält eine Rente von 56 € sowie Leistungen nach SGB XII. Der Antragsteller besitzt eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Er (bzw. sein Großvater für ihn) erhält Kindergeld. Leistungen nach SGB II lehnte das Jobcenter ab, da er ein Aufenthaltsrecht nur zur Arbeitsuche habe, § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Der Antragsteller machte geltend, dass er als Schüler kein Arbeitsuchender sei, sich beim Jobcenter nur aus formalen Gründen arbeitsuchend gemeldet habe, und ein Aufenthaltsrecht unmittelbar aus Art 18 EGV besitze. Das LSG sprach im ALG II unter Anrechnung des Kindergeldes zu.
Gründe: Der Anspruch ist nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat nach der Begründung des Ausschuss für Arbeit und Soziales, BT-Drs. 16/688, S. 13, mit dieser Regelung Art. 24 Abs. 2 i.V.m. Art 14 Abs. 4 b der RL 2004/38/EG umgesetzt. Abweichend vom Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 24 Abs. 1 Satz 1 RL 2004/38/EG ist der Aufnahmestaat nach Abs. 2 dieser Norm nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbständigen, Personen denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthaltes oder ggf. während eines längeren Aufenthaltes nach Art. 14 Abs. 4 b einen Anspruch auf u.a. Sozialhilfe zu gewähren. Nach Art 14 Abs. 4 b darf unbeschadet des Kapitel IV auf keinen Fall eine Ausweisung verfügt werden, wenn Unionsbürger eingereist sind, um Arbeit zu suchen.
Zwar ergibt sich das Aufenthaltsrecht des Antragstellers aus Gründen der Arbeitsuche, § 2 Abs. 2 Nr. 1 2. Alt. FreizügG/EU, er kann sein Aufenthaltsrecht nicht aus einer anderen Regelung des § 2 Abs. 1 bis 5 FreizügG/EU ableiten. Ob sich sein Aufenthaltsrecht unmittelbar aus Art 18 EGV ergibt, kann dahingestellt bleiben
§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ist gemeinschaftsrechtlich auszulegen. Aufgrund der nach Art. 12 EGV verbotenen Diskriminierung besteht wegen der Staatsangehörigkeit kein Leistungsausschluss, jedenfalls nicht nach Ablauf eines dreimonatigen Aufenthaltes (Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG). Der EuGH hat mit U.v.07.09.04 (C-456/02 Trojani) ausgeführt, Art 18 EGV erkenne jedem Unionsbürger das Recht auf Aufenthalt in den Mitgliedsstaaten unmittelbar zu. Zwar könnten die Mitgliedsstaaten dieses Recht vom Vorhandensein ausreichender Existenzmittel abhängig machen. Derartige Beschränkungen seien jedoch im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, anzuwenden. Hält sich allerdings der Betroffene (im von EuGH entschiedenen Fall durch eine amtliche Aufenthaltserlaubnis bescheinigt) rechtmäßig in dem Mitgliedsstaat auf, so sei das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV zu beachten. Ein nicht wirtschaftlich aktiver Unionsbürger könne sich beim Bezug von Sozialhilfeleistungen auf Art. 12 EGV berufen, wenn er sich im Aufenthaltsstaat für eine bestimmte Dauer rechtmäßig aufhalte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitze. Daraus ergibt sich bei rechtmäßigem Aufenthalt ein Anspruch auf Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmemitgliedsstaates. Der EuGH hat mit U.v. 23.03.04 (C 138/02 - Collins) ausgeführt, dass Unionsbürger, die sich rechtmäßig im Aufnahmemitgliedsstaat aufhalten, sich auf Art. 6 EGV (jetzt Art. 12 EGV) berufen können. Angesichts der Einführung der Unionsbürgerschaft und angesichts der Auslegung, die das Recht der Unionsbürger auf Gleichbehandlung in der Rechtsprechung erfahren habe, sei es nicht mehr möglich, vom Anwendungsbereich des Art. 48 Abs. 2 EGV (jetzt Art. 39 Abs. 2 EGV), der eine Ausprägung des in Art. 6 EGV (jetzt: Art. 12 EGV) garantierten tragenden Grundsatzes der Gleichbehandlung sei, eine Leistung auszunehmen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedsstaates erleichtern solle.
Bei gemeinschaftsrechtlicher Auslegung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ergibt sich daher für Unionsbürger aufgrund der nach Art. 12 EGV verbotenen Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit kein Leistungsausschluss, jedenfalls nicht nach Ablauf eines dreimonatigen Aufenthaltes.
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