Evangelische Impulse Band 3 Mit Gott reden



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ist kein »Backofen«. Dennoch bewegt uns eine derart ungewöhnliche Metapher. Sie teilt uns etwas Anrührendes von Gott mit und intensiviert sprachlich unser Verstehen und Erleben Gottes. In vergleichbarer Weise gilt das für alle Bildworte für Gott, die wir unserer menschlichen Erfahrungswelt und insbesondere der personalen Erfahrungswelt entnehmen. Sie intensivieren unser Erleben Gottes. Sie lassen uns an Gottes Geschichte mit uns teilnehmen. Sie gehören darum nicht an erster Stelle in die abstrakte Reflexion darüber, wer Gott ist. Wenn aber Menschen in der Kommunikation mit anderen Menschen ihre Gotteserfahrung aussprechen und - wie im Falle der Verkündigung - andere Menschen von Gott her anreden, dann sind Metaphern notwendig. Eine Verkündigung Gottes, die auf Metaphern, vor allem auf personale Metaphern verzichtet, vermag kaum mitzuteilen, wer Gott ist und wie er das Leben von Menschen existenziell betrifft. Für das biblische Gotteszeugnis ist diese Einsicht fundamental. Eine Konzentration metaphorisch-personalen Redens von Gott finden wir im biblischen Reden vom Namen Gottes.

3.2 Gott als Person und der Name Gottes

Um die Bedeutung des Gottesnamens für das christliche und jüdische Gottesverständnis zu ermessen, ist es geraten, grundsätzlich den Gebrauch von Namen in der biblischen Tradition im Auge zu behalten. Der Name eines Menschen wird hier nicht nur als eine Bezeichnung verstanden, die einen Menschen von anderen Menschen unterscheidet. Im Namen begegnet vielmehr ein Mensch selbst mit einer unverwechselbaren Geschichte und mit seinen charakteristischen Eigenschaften. Viele biblische Namen haben darum eine Bedeutung: Daniel heißt »Gott richtet«, Elia »mein Gott ist JHWH«, Jonathan

»JHWH hat (Nachkommen) gegeben«. Wenn Eltern ihren Kindern solche Namen gegeben haben, dann taten sie das nicht um des Wohlklangs des Namens willen. Sie hatten die Erwartung, dass ein besonderer Segen Gottes, der auf Trägern solcher Namen ruhte, auch das Leben ihrer Kinder bestimmen möge. Im Laufe eines Lebens kann ein derartiger Name aber seine besondere Prägung durch das Handeln und Ergehen eines Menschen bekommen. So ist es auch mit dem Namen »Jesus«, der griechischen Namensform für Jehoschua (»JHWH rettet«): Wo dieser Name genannt wird, wird in ihm Jesus in der ganz besonderen Geschichte seines Lebens, seines Auftretens, Erleidens und Sterbens gegenwärtig.

In vergleichbarer Weise gilt das für alle Personen, auch wenn die Bedeutung des Namens, den sie tragen, gar nicht bekannt ist. Kaum jemand denkt daran, dass der Vorname »Angela« die weibliche Form des griechischen Wortes für »Engel« ist. So ist »Angela Merkel« ein Name, der seine Prägung durch den politischen Weg dieses Menschen bekommen hat. Auf die Frage: »Wer ist Angela Merkel«? würden wir antworten, indem wir von diesem Weg und den menschlichen Eigenschaften, die wir dabei bemerkt haben, erzählen. Andere Namen erhalten dementsprechend durch andere Lebenswege ihren Klang und ihr Gewicht.

Allerdings kann dieser gebräuchlichen, »konventionellen« Konkretisierung von Namen durch einen realen, nachprüfbaren Lebensweg auch ein Gebrauch von Namen zur Seite treten, die sich auf fiktive Lebensgeschichten wie z.B. auf die von Harry Potter oder Romeo und Julia beziehen. Namen, die für erfundene Geschichten von Gefahren und Siegen, von Liebe und ihrem Scheitern stehen, können Menschen durchaus mehr bewegen als die von historischen Personen. Das gilt schließlich auch, wenn in den Namen von Personen öffentlichen Interesses - wie Lady Di oder Kaiserin Sissi - historische

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Realitäten und fiktive Ausmalungen, Lebenslauf und öffentliches Image verschmelzen. In diesem Fall entsteht eine wirkmächtige Schein-Realität, in der sich kollektive Projektionen, Sehnsüchte und Identifikationen bündeln können.

Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass auch der Name »Jesus« von dieser Gefahr bedroht ist, zumal ihm eine Bedeutung zugewachsen ist, die das Gewicht des Gebrauchs von Namen im Zusammenleben von Menschen überschreitet. Indem Jesus z.B. der Titel »Christus« (= Messias Israels) zugelegt wurde, konnte das so missverstanden werden, dass sein Dasein eine Projektionsfläche für politische und geschichtliche Erwartungen sei, die in seiner Zeit verbreitet waren. Der Name dieses irdischen Menschen wird im neutestament-lichen Zeugnis sogar mit dem Namen verbunden, der im Alten Testament allein Gott zukommt. Wie schon dargestellt wurde (vgl. Teil 2.1.1 und 2.2.2), ist der alttesta-mentliche Gottesname »JHWH« in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments mit »Kyrios« (»Herr«) wiedergegeben worden. So begegnet er auch im Neuen Testament. Er steht für den Gott Israels, den der irdische Jesus »Herr« nennt, wenn er das »Höre Israel« zitiert (vgl. Mk 12,29). Das darf nicht aus dem Blick verloren werden, wenn sich die christliche Gemeinde zu Jesus selber als »Kyrios« bekennt.



3.2.1 Jesus im Gebet zu Gott als Vater

Die Rede von Gott als »Vater« zeichnet die Verkündigung Jesu aus (vgl. Abschnitt 2.2.2). Durch das Gebet Jesu zum »Vater« ist sie der Ausdruck seines personalen Gottesverhältnisses schlechthin. Wenn Jesus Gott als »Vater« anruft, versteht er ihn als eine Person, als ein »Du«, das hört und antwortet. »Vater« ist hier keine bloße Funktionsbezeichnung, sondern der Name dessen,

dem ein Mensch sein Leben verdankt, der für ihn sorgt, für ihn eintritt. Wo Gott als »Vater« angerufen wird, ist vorausgesetzt, dass er schon immer in einer durch Liebe geprägten Beziehung zu denen steht, die ihn anrufen. Sie dürfen und sollen zu ihm deshalb in intimer Weise als zu ihrem Vater beten. Das Vaterunser ist der Inbegriff solchen Betens. In ihm verdichten sich die Charakteristika christlicher personaler Rede von Gott.

Grundlegend für diese Rede ist, dass sie die Merkmale des Vaterseins, die wir aus menschlicher Erfahrung kennen, nicht zum Maßstab für Gottes Vatersein erhebt. In der Bitte »Geheiligt werde dein Name«, die allen anderen Bitten vorangeht, wird der Name »Vater« als Name des einzigen Gottes identifiziert. »Vater« steht also auch für den Namen JHWH, der zur Zeit Jesu schon unausgesprochen blieb. Der einzige Gott wird also gebeten, das Vatersein mit seinem göttlichen Leben, mit sich selbst und seinem Handeln zu erfüllen und zu erweisen. Die Anrufung des Vaters als unseres Vaters ist dabei getragen von der Gewissheit, dass dieser Selbsterweis seines Vaterseins denen, die ihn anrufen, ja allen Menschen zugute kommen wird. Sie verdankt sich bestimmten Erfahrungen mit dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, die Menschen dazu veranlassten, Gott mit einem Bildwort aus der menschlichen Erfahrungswelt »Vater« zu nennen. In diesem Sinne kommt der Vater Menschen als seinen »Kindern« nahe. Diejenigen, die das Vaterunser beten, wissen sich darum in der Nähe des Vaters. Indem sie Gott aber um die Heiligung seines Namens bitten, ist ihnen zugleich bewusst, dass dieser Vater mit seinen Möglichkeiten mehr ist und zu tun vermag, als aufgrund menschlicher Erfahrungen von Vaterschaft zu ermessen ist, dass er aber doch niemals hinter dem zurückbleibt, was uns berechtigt, ihn Vater zu nennen.

Das gilt auch dann, wenn das Vaterunser in Situationen gebetet wird, in denen Menschen der Zweifel daran

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überfällt, dass Gott ihnen nahe ist. Indem sie auch in solchen Situationen nicht aufhören, den Namen Gottes anzurufen, wie Jesus es selbst gebetet und gelehrt hat, werden sie von ihm mit auf einen Weg genommen, auf dem sie auf den Erweis der Vatergüte Gottes und ein Verstehen seines Handelns warten können. Die Anrufung des Vaters befähigt darum zu der Bitte »Dein Wille geschehe« und verbürgt ihren Hoffnungssinn, auch wenn dieser Wille Menschen verborgen ist. Das wird besonders am Gebet Jesu zum Vater im Garten Gethsemane deutlich, von dem die neutestamentlichen Erzählungen berichten (Mk 14,32-42; Mt 26,36-46; vgl. Hebr 5,7f). Hier gibt Jesus nicht ein Gebet an seine Jünger lehrend weiter, sondern er bittet Gott: »Lass diesen Kelch an mir vorübergehen«, doch er fügt hinzu »Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst« (Mk 14,36). In Mt 26,42 bittet er mit einem Wort des Vaterunsers für sich selbst: »Vater! [...] Dein Wille geschehe« (Mt 26,42). Jesu Gebet spricht sein Zurückschrecken vor dem »Kelch« des Kreuzestodes aus, der seine Botschaft von der Vaterliebe Gottes in Frage stellte. Aber betend vertraut sich Jesus in der Todessituation dem Geheimnis der Gegenwart des Vaters an.

Die Evangelien erzählen davon im Wissen um die Auferstehung Jesu. In diesem Lichte wird das letzte Gebet Jesu zum stellvertretenden Gebet für alle, die aufgehört haben und aufhören, den Vater anzurufen, wenn die Heiligung seines Namens in der Welt tief verborgen ist. Jesus bittet aber auch für diejenigen, die als Jünger und Gegner Jesu allzu sicher wussten und wissen, was der Wille Gottes ist und nicht ist. In diesem Lichte kann das Johannesevangelium das Sterben und den Tod Jesu sogar als Verherrlichung des »Namens« des Vaters verstehen, der seine Liebe in Jesu Tod und durch Jesu Tod hindurch erweist (vgl. Joh 12,27f). Aber auch sonst gilt: Das Gebet, welches Jesus die Jünger lehrte, wird durch die neue Er-

fahrung, wie der Vater seine Liebe zu ihm durch den Tod hindurch erwiesen hat, zu dem Gebet, das sie lehrt, wer Jesus für sie ist. Und das sie lehrt, wer der Vater für sie ist. So enthält der Name »Vater« die innere Spannung des Weges Jesu: seines Vertrauens, seiner Armut und Hingabe, aber auch der unvorhersehbar überraschenden Erhörung, die sein Beten an Ostern findet.

Für das personale Gottesverständnis, das mit Jesu Anrufung des Vaters unlöslich verbunden ist, bedeutet das zunächst: Jesus ist mit der Verkündigung des Vaters und in der Anrufung des Namens Gottes als Vater der bleibende Bürge personaler Gottesrede. Auf Jesus kann sich niemand berufen, der Jesu Reden vom Vater und sein Beten zum Vater ausblendet. Es ist denn im Neuen Testament auch nicht ausgeblendet worden, als es galt, diesen Menschen im Licht der Auferstehungserfahrung neu zu verstehen. Durch Jesus ist »Vater« als Konkretion des Namens des einzigen Gottes zu der Konstante des christlichen Gottesverständnisses geworden.



3.2.2 Der Name Jesus Christus

Während das Reden Jesu von Gott und sein Beten zu Gott in Kontinuität mit der alttestamentlichen Gottesanrede gewürdigt werden kann, löst die Erfahrung der Auferstehung Jesu eine neue Akzentuierung dieses Gottesverständnisses aus: Jesus selbst wird mit der Chiffre für den alttestamentlichen Gottesnamen angerufen. Er erhält den Gott vorbehaltenen Namen »Herr« (1 Kor 12,3; Rom 10,9; Phil 2,11; Joh 20,28). »Herr« hat deshalb eine andere Bedeutung als im Judentum. In der jüdischen Gottesrede tritt der Name »Herr« traditionell für den göttlichen Eigennamen »JHWH« ein, der als unaussprechlich gilt. Aufgrund der Herkunft dieses Namens bleiben zwar seine jüdische und christliche Verwendung miteinander verwandt. Sie bringen in der Sicht

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des christlichen Glaubens die bleibende Verwurzelung des Gottesnamens, der Jesus zugesprochen wird, in der Geschichte Gottes mit Israel zum Ausdruck. Es wird kein anderer Gott angerufen, wenn Jesus mit dem altte-stamentlichen Gottesnamen angerufen wird. Aber die christliche Verwendung des Gottesnamens erhält doch eine andere Prägung, die sich daran zeigt, dass der Name Gottes jetzt unlöslich mit dem Namen des Menschen Jesus verbunden ist. Die Ehre Gottes, welche im Judentum durch das Nichtaussprechen des Gottesnamens gewahrt werden sollte, wird im christlichen Bekenntnis durch das Aussprechen des Namens »Herr Jesus« bzw. »Jesus Christus« gewahrt.



Der Grund dafür ist, dass in diesem Namen das Geheimnis der unlöslichen Verbindung Gottes mit dem Menschen Jesus gegenwärtig wird, wie es sich den neu-testamentlichen Christuszeugen durch ihre Erfahrungen des auferstandenen Jesus erschloss. In ihnen begegnete Jesus gegenüber seiner irdischen Existenz in einer neuen, alles Irdische sprengenden Art und Weise. Dieses Begegnen machte das Reden von ihm mit einem neuen Namen, der Gottes intime Verbindung mit ihm aussagte, unausweichlich. Der neue Name ist darum kein Werk menschlicher Namensgebung. Besonders eindrücklich unterstreicht das z.B. der Christushymnus von Phil 2,6-11. Seinen Namen verdankt Jesus Christus Gott selbst, der ihn durch die Auf erweckung von den Toten »erhöht« hat. Er »hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist«, weil in ihm das Geheimnis der einzigartigen Beziehung zwischen dem den Kreuzestod erleidenden Jesus Christus und Gott gegenwärtig ist. Deshalb kann und soll er »zur Ehre Gottes des Vaters« als der >Herr< angerufen werden (Phil 2,9f).

Auf den Ansatz zum trinitarischen Gottesverständnis, der in dieser Aussage erkennbar ist, d.h. auf die Unterscheidung zwischen dem »Vater«, zu dem Jesus gebetet

hat, und dem »Herrn« (Kyrios) Jesus Christus, wird unten noch einzugehen sein (vgl. Kapitel 4). Entscheidend in unserem Zusammenhang ist, dass ein irdischer Mensch - Jesus von Nazareth - durch eine Aktion göttlicher Namensgebung nun zu allen Zeiten lebendig gegenwärtig ist und mit dem Namen »Kyrios« und »Christus« angerufen werden kann wie der Name Gottes im Judentum. Deshalb muss die christliche Theologie darlegen, dass dieser Gebrauch des Gottesnamens keineswegs auf der Linie eines von Menschen beförderten Anthro-pomorphismus, einer unangemessenen Vermenschlichung Gottes, zu verstehen ist. Im Namen »Jesus Christus« hat die Aktion des sich mit dem Menschen Jesus verbindenden Gottes, über die kein Mensch verfügt, bleibend das erste Wort. Wenn »Jesus Christus« über allen konventionellen Namensgebrauch hinaus geradezu zum Eigennamen Jesu von Nazareth wurde, dann ist dieser Eigenname nicht menschlichen Namensgebungsverfahren zuzuordnen, die in einen Menschen bestimmte Erwartungen und Vorstellungen hineinzuprojizieren pflegen. Im Namen »Jesus Christus« bewahrheitet sich vielmehr Gott selbst.

Das bedeutet nicht, dass der irdische Mensch Jesus in seinem Leben und Sterben nivelliert und gleichsam von der Wucht des namengebenden Gottes verschlungen wird. Die Evangelien, welche die Geschichte dieses Lebens und Sterbens erzählen, sind dafür Zeugen. Sie lassen Jesus in der Verkündigung und Anrufung des Namens Gottes zur Geltung kommen. In ihnen wird darüber hinaus alles, was das irdische Dasein Jesu ausmachte, zum menschlichen Gleichnis, zum von Gott legitimierten »Bild« (2 Kor 4,4) seines lebendigen Gottseins. Der Mensch Jesus kann insofern selber als »Metapher Gottes« verstanden werden. Er verleiht uns nicht nur durch sein eigenes Reden von Gott und sein Anrufen Gottes die Sprache, mit der wir bildhaft von Gott zu re-

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den vermögen. Er wird in seinem Dasein, in seinem Leben und Sterben selbst zum Wort, zum Wort des Evangeliums, das von Gott nicht anders denn als »Person« reden kann und dieses Reden in der Anrufung und Verkündigung seines Namens konzentriert. Die Person des Menschen Jesus, mit dem sich Gott verbunden hat, blockiert deshalb alle religiösen Versuche, den Namen Gottes in ein unpersonales Jenseits zu schieben. Sie verleiht der personalen Rede von Gott Festigkeit.



Der Name Gottes ist nie nur »Schall und Rauch, sondern Wort und Feuer. Den Namen gilt es zu nennen und zu bekennen« (Franz Rosenzweig). Darin weiß sich die Christenheit mit dem Judentum trotz der Differenz einig, welche die christliche Konkretion des Gottesnamens durch den Namen Jesus darstellt. In ihm kommt eine fundamentale, in unserer menschlichen Geschichte bewahrheitete Gotteserfahrung zum Ausdruck. In ihm ist das Ereignis der Geschichte konzentriert, die Gott nach christlichem Verständnis mit Israel begonnen hat, in Jesus Christus zur Erfüllung bringt und am Ende aller Tage endgültig vor aller Augen bewahrheiten wird - wie wir es noch nicht vorstellen und aussagen können. »Das letzte Wort, das ich als Theologe und auch als Politiker zu sagen habe«, hat Karl Barth darum sein lebenslanges Bemühen um ein Verstehen Jesu Christi zusammenge-fasst, »ist nicht ein Begriff wie >Gnade<, sondern ist ein Name: Jesus Christus.«

3.3 Die Reflexion metaphorischer Rede von Gott und das Anliegen negativer Theologien

Die Würdigung der hervorgehobenen Bedeutung der Metapher für das christliche Verständnis des Namens Gottes und für das christliche Reden von Gott darf uns nicht für die Gefahren und Probleme des metaphorisehen und damit auch des personalen Redens von Gott blind machen. Die Vielfalt religiöser Erfahrungen, die Menschen nicht nur im Christentum machen, kann auch zu einer wild wuchernden Metaphorik der Gottesrede und zu einem fragwürdigen Gebrauch personaler Metaphern für Gott führen. Im Zeitalter des religiösen Pluralismus und der Privatisierung des Glaubens an Gott gibt es dafür hinreichende Belege. Wenn die vom Neuen Testament her unvermeidlich metaphorisch-personale Gottesrede nicht zu willkürlichen Redeweisen von Gott führen soll, bedarf sie eines Kriteriums für das verantwortbare metaphorisch-personale Reden von Gott. Da dieses Reden in der Gefahr ist, Gott allzu menschlich zur Sprache zu bringen oder gar Gott und Mensch zu vermischen, wird es daran zu messen sein, ob es der Unterscheidung von Gott und Mensch, von Göttlichem und Menschlichem, hinreichend Rechnung trägt. Das geschieht, indem der Gehalt dessen, was personale Metaphern von Gott aussagen, kritisch reflektiert wird.

Die unmittelbare metaphorische Rede von Gott in menschlichen Kommunikationszusammenhängen kommt dadurch auf eine andere sprachliche Ebene. Sie wird reflektiert metaphorische Rede, welche die konkret anredenden Metaphern in die Sprache von Begriffen überführt. Die Aussage »Gott ist eine Person« ist z.B. deutlich auf einer anderen sprachlichen Ebene angesiedelt als das unmittelbare metaphorische Reden von Gottes konkretem Handeln und Verhalten. Hier aber entsteht ein Problem. Die reflektiert-metaphorische Rede von Gott kommt, indem sie Gott begrifflich definiert, in den Verdacht, die Unterscheidung von Gott und Mensch erst recht zu verletzen. Definitionen sind Eingrenzungen. Im Satz »Gott ist eine Person« wird mit dem Begriff »Person« eingegrenzt, wer Gott ist. Da der Begriff »Person« aber der menschlichen Vorstellungswelt entnommen ist, ist der Verdacht naheliegend, dass Gott in der begrifflich

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reflektiert-metaphorischen Rede erst recht von der menschlichen Vorstellungswelt begrenzt wird.

Dieses Problem hat die christliche Theologie seit den Zeiten der frühen Kirche bewegt. Es steht im Grunde in allen Fragen wieder auf, die heute an das personale Reden von Gott gestellt werden. Es hat seine sehr einflussreiche Antwort in der mittelalterlichen Lehre von der Analogie, von der Entsprechung zwischen Gott und Mensch gefunden. Diese Lehre geht von der biblischen Glaubenswahrheit aus, dass Gott der Schöpfer des Menschen ist. Sie folgert daraus, dass das Geschöpf eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Schöpfer aufweisen muss, die auch in seinem sprachlichen Vermögen, Gottes Wirklichkeit zu artikulieren, zum Ausdruck kommt. Was Gottes Geschöpfe von Gott als Person sagen, kann deshalb dem Personsein des Schöpfers durchaus ähnlich sein; aber eben nur ähnlich und nicht deckungsgleich. Das 4. Laterankonzil von 1215 hat deshalb gelehrt, dass zwischen Schöpfer und Geschöpf keine Ähnlichkeit ohne eine noch größere Unähnlichkeit zwischen beiden besteht. Auf sprachlicher Ebene bedeutet das: Die »Ähnlichkeit« von Gott und Mensch muss ständig unter den Vorbehalt ihrer »Unähnlichkeit« gestellt werden. Dieser Grundsatz hat der sogenannten »negativen Theologie« in der christlichen Gotteslehre Auftrieb gegeben.

»Negative Theologie« leitet das Reden von Gott dazu an, nur das auszusprechen, was Gott nicht ist. Ihr Anliegen ist es, das Geheimnis des unendlichen Gottes, der »ganz anders« ist als wir, zu wahren. Sie hat deshalb auch die Funktion eines kritischen Korrektivs vermenschlichender Rede von Gott. In der Frömmigkeitsgeschichte des Christentums hat sie immer wieder daran erinnert, dass Gottes Geheimnis all unser Begreifen und Nennen übersteigt. Sie hat den glaubenden Menschen zu schweigender Andacht im Nennen und Beten geführt. Negative Theologie, die das unterstreicht, steht nicht im Widerspruch zur personalen Rede von Gott. Vielmehr entspricht sie einem Gebrauch des Namens Gottes, der sich dessen bewusst ist, dass Gottes Wirklichkeit aller menschlichen Verfügung entzogen ist. Sie weist auf die Grenze alles menschlichen, durch die Verwechslung von Gott und Mensch bedrohten Redens von Gott hin, an der sich die christliche personale Rede von Gott bewährt, indem sie Gottes unverfügbares Begegnen einübt.

Ein anderes aber ist es, wenn »negative Theologie« beansprucht, die einzige Form des Redens von Gott darzustellen, und wenn sie die der Kirche von der Bibel her gestellte Aufgabe personalen Redens von Gott grundsätzlich bestreitet. Das führt dazu, dass wir alles, was wir positiv über Gott aussagen, am Ende relativieren und wieder verneinen müssen.

Machen wir uns das am Beispiel der Rede von Gott als »Person« klar, dann bedeutet dies: Menschen sind als Gottes Geschöpfe durchaus berechtigt, von ihrem Schöpfer, der sie als Personen geschaffen hat, als »Person« zu reden. Sie müssten aber hinzufügen, dass seine Wirklichkeit alles sprengt, was wir Menschen uns unter einer »Person« vorstellen. Sie müssten ihn deshalb auch eine »Nicht-Person« nennen. Ja, es geht noch weiter: Auch diese Aussage müsste noch einmal verneint werden, da Gott noch einmal anders ist als so, wie wir uns eine »Nicht-Person« vorstellen. Das bedeutet aber: Bei dieser sich in Negationen steigernden Betrachtungsweise wird Gott letztlich unaussprechlich. Das Reden von ihm als Person gerät in einen Horizont, in dem Gott am Ende gar nicht mehr personal verstanden werden kann. Wer sich auf diesen Horizont fixiert, muss das personale Reden von Gott unweigerlich als uneigentliches Reden disqualifizieren.

Diese Übersteigerung »negativer Theologie« hat ihr in der religiösen Situation unserer Zeit großen Einfluss verschafft. Denn diese religiöse Situation scheint da-

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durch charakterisiert zu sein, dass der personale Gottesglaube höchst bedenkliche Auswirkungen für das Verhältnis der Religionen untereinander hat. Der Gottesglaube ziehe - so wird behauptet - Unfrieden, ja Gewalt zwischen den Menschen verschiedener Religionen nach sich und stürze unsere Welt in Hass und Elend. Der Glaube an Gott als Person verführe die Glaubenden dazu, sich auf ein bestimmtes, konkretes Gottesverständnis als allein wahres Gottesverständnis zu versteifen, andere bestimmte, konkrete Gottesverständnisse zu bestreiten und die Menschen, die sie vertreten, gewalttätig zu bekämpfen.



Die »negative Theologie« - so wird behauptet - könne aus dieser zwanghaften Situation befreien. Sie ermuntere alle Religionen, Konfessionen oder religiös orientierten Menschen, ihre personal-verfestigten Gottesvorstellungen als uneigentliche, relative »Wahrnehmungsgestalten« Gottes anzusehen. Man solle anerkennen, dass hinter jeder menschlich-personalen Gottesvorstellung eine Gottheit waltet, welche in diesen Wahrnehmungsgestalten niemals aufgeht. Darum brauche keine einzelne Religion auf den besonderen Personmerkmalen Gottes zu bestehen, die gerade für ihren Glauben wichtig sind. Jede Religion könne anerkennen, dass andere Gottesverständnisse genau so relativ wahr seien, wie ihr eigenes Gottesverständnis auch.

Wenn die personale Rede von Gott ihn selbst sowieso nicht trifft, dann entsteht ein Spielraum der Gleich-Gül-tigkeit für alle denkbaren personalen und nicht-personalen Weisen des Glaubens an Gott. Die Empfehlung, das personale Gottesverständnis auf das Maß eines uneigentlichen Verständnisses zurückzuschrauben, läuft auf die Forderung hinaus, den Anspruch auf die Wahrheit des Redens von Gott und damit des Gottesglaubens aufzugeben. Das Problem dieser Forderung ist jedoch, dass sie dem Wesen des Glaubens an Gott und dem Leben aus


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