70 dann folgt in 4,25 eine von Paulus wohl schon vorgefundene Formel, die im Passiv formuliert ist und dabei wohl indirekt auf Gott als den an Jesus Handelnden verweist: »Wegen unserer Verfehlungen wurde er [Jesus] dahinge-geben [von Gott] und um unseres Freispruchs willen wurde er auferweckt [von Gott].«
Von Gottes Schöpferhandeln spricht Paulus in 1 Kor 12,18, wenn er daran erinnert, dass Gott im menschlichen Körper »alle Glieder an ihre Stelle gesetzt hat, ein jedes von ihnen an die Stelle des Leibes, an der er es haben wollte«. Ähnlich heißt es im Zusammenhang der Aussagen zur Auferstehung der Toten (15,37f): »Nicht den zukünftigen Leib säst du, sondern ein nacktes Korn, ein Weizenkorn etwa oder ein anderes Korn. Gott aber gibt ihm einen Leib, wie er es gewollt hat, jedem Samen seinen besonderen Leib.« Im Sinne einer »fortdauernden Schöpfung« (creatio continua) handelt Gott beständig so, nicht etwa nur einmal im ursprünglichen Schöpfungsakt.
Der den Sünder rechtfertigende Gott
Besonders deutlich wird der Gedanke, dass Gott Person ist, in der Rechtfertigungstheologie des Paulus. Vor allem an den Stellen, wo er das Verb »rechtfertigen« verwendet und sagt, dass Gott den an Jesus Christus glaubenden Menschen »rechtfertigt«, wird Gott als der Handelnde verstanden, der sich dem Menschen rechtfertigend zuwendet - von Person zu Person. So heißt es in Rom 3,26.30:
Gott zeigt seine Gerechtigkeit jetzt, in dieser Zeit: Er ist gerecht und er macht gerecht den, der aus dem Glauben an Jesus lebt ... Ist es doch der eine Gott, der die Beschnittenen aus Glauben und die Unbeschnittenen durch den Glauben gerecht macht.
In Rom 4,5 wird Abraham von Paulus als biblisches Beispiel dafür verstanden, dass jemand zwar »keine Lei-
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stung vorzuweisen hat, aber an den glaubt, der de Gottlosen gerecht macht«, wobei er selbstverständlic an Gott denkt, der Abraham gerecht gemacht hat. Wen es dann weiter heißt: »dem wird sein Glaube als Gerecr tigkeit angerechnet«, dann ist auch hier Gott diejenig Person, auf die diese »Anrechnung« der Gerechtigke zurückgeht.
Überhaupt spricht Paulus häufiger davon, dass Mer sehen »gerechtfertigt werden«, ohne dass er in dieser Zusammenhang ausdrücklich Gott erwähnt. Aber auc in diesen im Passiv formulierten Aussagen wird deutlici dass Gott die handelnde Person ist, der sich die Rechi fertigung des glaubenden Menschen verdankt.
Gott und die Geschichte
Wo Paulus Gottesworte aus dem Alten Testament zitier leitet er sie nicht mit der Aussage ein, dass hier Gott »ge sprochen« habe. So führt er in Rom 9,13 die Gottesred aus dem Maleachi-Buch: »Jakob habe ich geliebt, Esa aber gehasst« mit der Formel ein: »wie geschriebe steht« und nicht mit einer Wendung wie etwa: »Gott ha gesagt«. In Rom 9,17 zitiert Paulus das Gotteswort au 2Mose 9,16, das Mose dem Pharao ausrichten sol »Eben dazu habe ich dich auftreten lassen, dass ich a dir meine Macht zeige und mein Name verkündigt wei de in der ganzen Welt«; aber die hier von Paulus verwer dete Einleitungsformel für das Zitat lautet parado? » Denn die Schrift sagt zu Pharao ...«
Paulus scheint es sogar zu vermeiden, von Gott direk als dem Geber des Gesetzes, der Tora, zu sprechen. S< schreibt er in Gal 3,19, dass das um der Übertretunge: willen gegebene Gesetz verordnet worden sei »mit Hilf von Engeln, gelegt in die Hand eines Vermittlers«, uni er gibt dazu in Vers 20 eine überraschende Erläuterung »Ein Vermittler vertritt nicht einen Einzigen, Gott abe ist ein Einziger.« Das kann in diesem Zusammenhang ei
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gentlich nur bedeuten, dass die Tora, das am Sinai gegebene Gesetz, nicht unmittelbar auf Gott zurückgeht. Und eben deshalb kann Paulus die Frage, ob denn das Gesetz im Widerspruch steht zu den viel früher dem Abraham gegebenen Verheißungen Gottes (V. 21), mit einem klaren: »Gewiss nicht, das sei ferne« beantworten; Gottes Verheißungen werden durch die Tora nicht gefährdet.
In metaphorischer Weise spricht Paulus vom Handeln Gottes in dem Gleichnis vom Ölbaum (Rom 11,17-24): Gott hat - ähnlich wie es ein Gärtner tut, aber gerade im Kontrast zur üblichen Praxis der Veredelung - wilde Zweige auf einen edlen Ölbaum aufgepfropft, indem er Menschen aus den (Heiden-)Völkern zu sich rief; zugleich hat er einige der ursprünglich zu dem Baum gehörenden Zweige herausgebrochen »wegen ihres Unglaubens«. Aber, so betont Paulus, Gott besitzt die Macht, diesen Vorgang wieder rückgängig zu machen; deshalb dürfen die Heidenvölker sich nicht überheben (V. 18). Darum kann Paulus abschließend in Rom 11,32 feststellen: »Denn Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, um allen seine Barmherzigkeit zu erweisen.«
In 2 Kor 4,5 spricht Paulus von seinem Verkündigungsauftrag; dieser besteht darin, dass »wir uns nicht selbst verkündigen, sondern Jesus Christus als den Herrn«. Paulus erläutert das, indem er an die Schöpfungserzählung erinnert (»Gott, der gesagt hat: Aus der Finsternis soll Licht aufstrahlen«) und dann auf Gottes Offenbarung in Christus hinweist: Gott »hat es aufstrahlen lassen in unseren Herzen, so dass die Erkenntnis aufleuchtet, die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes auf dem Angesicht Jesu Christi«. Offenbar zitiert Paulus das Gottes wort bei der Erschaffung des Lichts (lMose 1,3: »Da sprach Gott: Es werde Licht! Und es wurde Licht.«), und hier schreibt er ausdrücklich: »Gott spricht«, ohne dass er einen Bezug auf die Schrift her-
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stellt. Möglicherweise wählt er diesen Weg hier deshalb, weil er so die Entsprechung des Gotteshandelns in der Schöpfung und des Gotteshandelns in der Christusoffenbarung am eindeutigsten aussagen kann. Dazu passt es, dass der Verfasser des Hymnus Kol 1,15-20 von Christus als dem »Bild des unsichtbaren Gottes« spricht (1,15).
2.2.5 Anfänge trinitarischen Denkens im Neuen Testament: Gott, Jesus Christus, der Geist
Die Taufe
Das christliche Bekenntnis spricht vom dreieinigen Gott, es spricht von der Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Eine ausgeführte Lehre von der Dreieinigkeit Gottes ist im Neuen Testament noch nicht belegt; aber es gibt in den neutestamentlichen Schriften einige Aussagen, die zu dem erst im vierten Jahrhundert formulierten trinitarischen Bekenntnis hinführen. Die am Ende des Matthäusevangeliums (28,19) ergehende Weisung Jesu an die Jünger, sie sollten »alle Völker zu Jüngern zu machen«, wird ergänzt durch den Taufbefehl, der von der Taufe »auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes« spricht. Das ist offenbar eine Erweiterung des älteren Redens von der christlichen Taufe, die »auf den Namen Jesu« erfolgte (Apg 2,38 u.ö.; vgl. IKor 1,13). Die Taufformel sagt nichts über die Beziehung zwischen »Vater«, »Sohn« und »heiligem Geist«; aber die Wendung: »tauft sie auf den Namen« (Singular) zeigt doch an, dass es nicht etwa um drei »Namen« geht, sondern um den einen Namen Gottes, dem die Täuflinge zugeordnet werden.
Im Markusevangelium wird in 1,9-11 von der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer erzählt. Bei dieser Taufe empfängt Jesus den Geist, und er wird zugleich durch die »Himmelsstimme« (vgl. o. S. 64) von Gott als »mein
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Sohn« bezeichnet. Dies ist nicht »trinitätstheologisch« gemeint; dennoch macht die Szene deutlich, dass Gott (als der »Vater«), Jesus als der Sohn und der von Gott gesandte Geist in einer bestimmten Beziehung zueinander stehen; das wird allerdings im Markusevangelium nicht weiter entfaltet.
Gottes Gaben
Im 1. Korintherbrief des Paulus ist eine unmittelbare Zuordnung von Gott, Christus und Geist in den Aussagen über die Gnadengaben in Kap. 12 zu erkennen: In 12,4-7 spricht Paulus von dem einen Geist, dem wir die Vielfalt der Gnadengaben verdanken (V 4), er spricht von dem einen Herrn, mit dem die verschiedenen »Dienste« verbunden sind (V. 5), und er spricht besonders ausführlich in V. 6 von den »Wirkkräften«, die auf den einen Gott zurückgehen, der, wie Paulus mit einem traditionellen Gottesprädikat sagt, »alles in allem wirkt«. Eine innere Zuordnung von »Vater«, »Sohn« und »Geist« geschieht freilich auch hier nicht, aber es fällt doch auf, dass es sehr genau definierte Wirkungen sind, die dem Geist, dem Herrn und dem einen Gott zugeschrieben werden.
Der Segenswunsch zum Abschluss des 2. Korintherbrief es (13,13) lautet: »Die Gnade des Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen.« Das bedeutet: Christus als der Herr gewährt die Gnade, Gott gewährt Liebe, der Geist schenkt Gemeinschaft; in den drei Aussagen kennzeichnet also jeweils der Genitiv in besonderer Weise den Geber der betreffenden Gabe. Auch diese Formel zielt noch nicht auf eine entfaltete Trinitätslehre; aber sie zeigt doch, dass und wie Gott, Jesus Christus und der Heilige Geist von Paulus einander zugeordnet werden und wie der Apostel sie zugleich als eine Einheit versteht.
In Gal 4,4-6 schreibt Paulus (nach der Übersetzung der Luther-Bibel):
Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und unter das Gesetz getan, damit er die, die unter dem Gesetz waren, erlöste, damit wir die Kindschaft empfingen. Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsere Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater!
Paulus spricht hier zuerst von Gottes Souveränität, denn die Sendung des Sohnes ist die freie Entscheidung Gottes. Die Sendung des Sohnes führt zur »Kindschaft« (wörtlich: »Sohnschaft«) der Glaubenden; und da wir nun »Kinder« (wörtlich: »Söhne«) sind, ermöglicht es der Geist Christi den Glaubenden, Gott als »Vater« anzurufen. In dieser Aussage des Paulus kommt die Beziehung zwischen den drei »Personen«: Gott, Christus und dem Geist zum Ausdruck, ebenso zugleich auch ihre Einheit.
Der Vater, der Sohn und der Geist: Das Johannesevangelium
Erste Anfänge eines expliziten trinitarischen Denkens begegnen im Johannesevangelium. Zu Beginn steht die an die Schöpfungsgeschichte erinnernde Aussage zu der Gottesbeziehung des Logos, des »Wortes«: »Im Anfang war das Wort (vgl. lMose 1,1: »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde«), und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort (genauer übersetzt: »und der Logos/das Wort war Gott«, also »von Gottes Wesen«). Dasselbe (das Wort) war im Anfang bei Gott.« Das bedeutet: Der Logos, das »Wort« ist nicht mit Gott identisch, sondern von Gott unterschieden. Aber dann wird in Joh 1,3-4 gesagt, dass das Wort/der Logos der Mittler der Schöpfung ist:
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Alles ist durch ihn geworden,
und ohne ihn ist auch nicht eines geworden,
das geworden ist. In ihm war Leben,
und das Leben war das Licht der Menschen.
Hier wird deutlich, dass das »Wort«, der Logos, nicht selber ein Geschöpf ist, sondern dass das Wort/der Logos Gott, dem Schöpfer, in dessen Schöpferhandeln unmittelbar zugeordnet ist. Das erinnert an die in Teil 2.1.6 erwähnten alttestamentlichen Aussagen, die von der »Weisheit« als dem ersten aller Schöpfungswerke, ja, als der Mittlerin der Schöpfung, sprechen.
Auch das Johannesevangelium meint, wenn es von Gott spricht, selbstverständlich den Gott Israels. Die Leser des Prologs werden aber von Anfang an verstanden haben, dass das »Wort« (der »Logos«) mit Jesus von Nazareth in eins gesetzt wird; in 1,14-18 wird das dann ja auch klar zum Ausdruck gebracht, vor allem in der Aussage (V. 14): »Und das Wort, der Logos, wurde Fleisch«. So spricht der Prolog des Johannesevangeliums also von zwei Personen: Die eine dieser Personen ist Gott, die andere ist der »Logos«, das Wort. Es heißt dann am Ende des Prologs (V. 18): »Niemand hat Gott je gesehen«, was eine angesichts mancher biblischer Aussagen durchaus überraschende Feststellung ist. Aber entscheidend ist die Fortsetzung: »Als Einziggeborener, als Gott, der jetzt im Schoß des Vaters ist, hat er Kunde gebracht.« Es ist also der Fleisch gewordene Logos, das Mensch gewordene Wort, das von Gott »Kunde gebracht« hat, das Gott geradezu »ausgelegt« (wörtlich: »exegesiert«) hat.
Wird in Joh 1,18 Jesus als Gott bezeichnet? In der handschriftlichen Textüberlieferung ist das nicht eindeutig; denn viele Handschriften lesen statt »Gott« (theos) an dieser Stelle »Sohn« (hyios). In der Osterszene spricht Thomas bei seiner Begegnung mit dem Auferstandenen das Bekenntnis aus: »Mein Herr und mein Gott« (Joh
20,29). Aber unmittelbar darauf schließt der Evangelist sein Buch betont mit der Aussage, er habe dieses Werk geschrieben, »damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes«.
Jesus ist im Johannesevangelium nicht mit Gott identisch; aber er ist Gott so nahe, dass man ihn nicht von Gott trennen kann. Johannes der Täufer nennt ihn bei der ersten Begegnung »das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt« (1,29). Er weiß auch, dass Jesus den Geist empfangen hat (l,32f), und er bezeugt schließlich, dass Jesus »der Sohn Gottes« ist (1,34). So besitzen Jesu Worte und Taten eine einzigartige Vollmacht, und die Beziehung zwischen Vater und Sohn ist von einer nicht zu überbietenden Nähe (vgl. 10,30; 14,10).
Deshalb spricht Jesus vom Wesen und vom Handeln Gottes in seinem nächtlichen Dialog mit Nikodemus:
Denn so hat Gott die Welt geliebt, dass er den einzigen Sohn gab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde (3,16f).
In der Wendung »Gott hat geliebt« wird eine »menschliche« Regung Gottes ausgesagt; zugleich spricht der Text von einem konkreten, mit einem bestimmten Ziel verbundenen Handeln Gottes: Gott hat den Sohn »in die Welt gesandt«, damit diese gerettet werde.
In manchen Aussagen des Johannesevangeliums wird ein ganz enger Zusammenhang von Gott, von Jesus und vom Geist ausgesprochen. Als die Samaritanerin im Gespräch mit Jesus indirekt die Frage nach dem richtigen Ort der Gottesverehrung stellt (Joh 4,20: »Unsere Väter haben auf diesem Berge - gemeint ist der Garizim - angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll«), da antwortet Jesus ihr: »Glaube mir,
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Frau, die Stunde kommt, da ihr weder auf diesem Berg noch in Jerusalem zum Vater beten werdet« (V. 21), und er fügt hinzu: »Ihr betet zu dem, was ihr nicht kennt; wir beten zu dem, was wir kennen - denn das Heil kommt von den Juden« (V. 22). Jesus bestätigt also die Überlegenheit der jüdischen Gottesverehrung gegenüber der samaritanischen; doch dann fährt er fort: »Aber die Stunde kommt, und sie ist jetzt da, in der die wahren Beter in Geist und Wahrheit zum Vater beten werden; denn auch der Vater sucht solche, die auf diese Weise zu ihm beten«, und Jesus schließt mit dem Satz: »Gott ist Geist, und die zu ihm beten, müssen in Geist und Wahrheit beten« (V 23f). Als die Frau daraufhin ihre Erwartung ausspricht, der kommende Messias werde »uns alles kundtun«, da offenbart sich Jesus ihr: »Ich bin es, ich, der mit dir spricht« (V. 26). Durch Jesus geschieht also die Ansage der durch den Geist ermöglichten neuen Gottesverehrung. Damit bringt das Johannesevangelium eine einzigartige Beziehung von Vater, Sohn und Geist zum Ausdruck, und es betont damit vor allem deren Einheit.
Eine unmittelbare Verbindung von Aussagen über Gott als »Vater«, Jesus als »Sohn« und den Heiligen Geist zeigt Jesu Rede vom kommenden »Parakleten« (die Zürcher Bibel übersetzt dieses griechische Wort mit »Fürsprecher«, in der Lutherbibel heißt es »Tröster«). In Joh 14,16 sagt Jesus den Jüngern: »Ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit«, und dann wird in 14,17 dieser »andere Paraklet« als »der Geist der Wahrheit« konkretisiert, »den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein«. Dieser Geist der Wahrheit wird in 14,26 als »der Heilige Geist« bezeichnet, und von ihm wird gesagt:
Der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
Hier wird im personalen Sinn vom Heiligen Geist gesprochen: Der vom Vater im Namen des Sohnes gesandte »Tröster«, der »Fürsprecher«, der Heilige Geist stellt die fortdauernde Gegenwart Christi bei den Jüngern und also in der Gemeinde dar. In Joh 15,26f heißt es:
Wenn aber der Tröster kommen wird, den ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird Zeugnis geben von mir. Und auch ihr seid meine Zeugen, denn ihr seid von Anfang an bei mir gewesen.
Die Wendung »der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht« steht auf den ersten Blick in Spannung zum Glaubensbekenntnis der westlichen Kirche, wonach der Heilige Geist »vom Vater und vom Sohn ausgeht« (filio-que). Aber Jesus sagt zugleich: »den ich euch senden werde«. Der johanneische Christus macht keine definitiv-präzisen Aussagen über die »Herkunft« des Geistes, sondern er betont im Gegenteil die Zusammengehörigkeit, die Einheit von Vater, Sohn und »Geist der Wahrheit« in der Gemeinde (»bei euch«).
Der dreieinige Gott im Neuen Testament?
Über die besondere Beziehung zwischen Vater und Sohn und Heiligem Geist im Sinne einer ewigen Zusammengehörigkeit wird im Neuen Testament noch nicht nachgedacht. Auch die Aussagen des Johannesevangeliums über den Geist sind im Sinne einer ausgebildeten Trini-tätslehre noch sehr vorläufig, doch konnte die spätere kirchliche Trinitätslehre daran anknüpfen, ohne den neutestamentlichen Aussagen zu widersprechen.
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2.2.6 Das Gotteszeugnis des Neuen Testaments
Gott ist im Neuen Testament als Person gedacht: Es wird von seinem Handeln gesprochen; der Mensch redet Gott im Gebet als Person an; Gott werden personale Eigenschaften zugesprochen.
Die im Neuen Testament verwendeten Gottesbezeichnungen (»Namen«) sind durchweg metaphorisch; es handelt sich also nicht um Begriffe, die ausschließlich und exklusiv nur im Blick auf Gott Verwendung finden können. Offenbar geht es den neutestamentlichen Autoren nicht darum, für Gott eigene »Namen« zu finden, wohl aber geht es um die Angemessenheit bestimmter bereits vorgegebener Metaphern.
Als spezifischer »Name« Gottes legt sich vom Neuen Testament her die Metapher der Vater nahe; das gilt im Blick auf die Beziehung Gottes zu Jesus Christus wie auch im Blick auf die Beziehung Gottes zu den Glaubenden. Selbstverständlich ist dieser »Name« nicht von einem bestimmten menschlichen Vater-Bild her zu explizieren. Angesichts des Redens des Apostels Paulus von der »Sohnschaft« der Glaubenden könnte deren Gemeinschaft, also die Kirche, durchaus als »Familie« des als »Vater« verstandenen Gottes gedacht werden. Dabei können auch diejenigen Gottesprädikate, die sich auf Gottes Handeln an Jesus beziehen, auf die Beziehung Gottes zum Menschen übertragen werden. Das gilt insbesondere für die Hoffnung darauf, dass Gott so, wie er Jesus von den Toten auferweckt hat, auch die Toten auferwecken wird. Insofern scheint auch die neutestament-liche Eschatologie von der Vorstellung der Personalität Gottes bestimmt zu sein.
Die neutestamentlichen Autoren kennen die Lehre von der Dreieinigkeit Gottes im Sinne späterer Dogma-tik noch nicht; aber bestimmte gedankliche Vorstellungen weisen doch in diese Richtung.
3. »Person« als Bildwort für Gott
3.1 Personale Rede von Gott als metaphorische Rede
Die Bibel verwendet den Begriff »Person« nicht, wenn sie von Gott redet. Sowohl im Alten wie im Neuen Testament vollzieht sich dieses Reden aber durchgehend so, dass sich uns der Begriff »Person« geradezu aufdrängt, wenn wir das biblische Gottesverständnis charakterisieren möchten. Gott handelt, Gott redet, Gott liebt und zürnt, er erwählt und verwirft, er hört und sieht usw. Gott hat einen Namen, bei dem man ihn rufen kann. Das alles sind Merkmale, die in unserem Verständnis eine Person auszeichnen. Wenn wir Gott eine »Person« nennen, um auszudrücken, wer er ist, dann ziehen wir gewissermaßen eine Summe aus der biblischen Gottesrede und damit aus der biblischen Gotteserfahrung. Unser Durchgang durch das breite Spektrum der biblischen, personalen Rede von Gott hat gezeigt, dass wir dabei ein gutes Gewissen vor den Texten haben können, in denen die Gotteserfahrung Israels und der Kirche ausgedrückt ist. Denn gemäß dieser Erfahrung erlaubt es Gott nicht nur, ihn als Person zu verstehen und auszusagen. Er nötigt vielmehr regelrecht dazu. Ein Gott, der nicht handeln, nicht reden, nicht lieben und zürnen, nicht erwählen und verwerfen kann, ein Gott, der keinen Namen hat, ist nicht der Gott, von dem die Bibel spricht (vgl. Psalm 115,1-7).
Doch die Orientierung des christlichen Glaubens und nicht zuletzt der christlichen Verkündigung an der biblischen Gottesrede bedeutet nicht, ihre Redeweisen ein-
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fach bloß zu wiederholen oder gar die mit diesen Redeweisen verbundenen Vorstellungen von der Welt und vom Menschen zu zementieren. Der Glaube an Gott und das Reden von Gott heute haben den Anschluss an das biblische Reden von Gott vielmehr inmitten der Erfahrungswelt unserer Zeit zu verantworten. Sie müssen sich den Fragen aussetzen, die von dort her an das biblischpersonale Reden von Gott gestellt werden. Diese Fragen kann man in einer Grundfrage bündeln, die freilich nicht erst heute gestellt wird. Sie lautet, wie in der Sache schon eingangs deutlich wurde (vgl. Teil 1.2): Ist das »personale« Reden von Gott nicht einfach eine religiöse Vermenschlichung Gottes bzw. Ausdruck menschlicher Gottesvorstellungen? Menschen, die diese Frage stellen, ziehen es deshalb vor, sich an einer Religiosität zu orientieren, die Gott als unpersonale Kraft versteht. Für Atheisten reicht diese Frage, um Gott als eine »Projektion« menschlicher Vorstellungskraft überhaupt zu verneinen.
Der religiösen oder atheistischen Absage an den »personalen Gottesglauben« und der »personalen Gottesrede« liegt freilich ein echtes Problem zugrunde. Es ist das Problem des Anthropomorphismus, der Vorstellung von Gott in menschlicher Gestalt.
Die Bibel ist voll von Anthropomorphismen. Gleich an ihrem Anfang ist die Rede davon, wie Gott in der Abendkühle im Garten Eden spazieren geht (lMose, 3,8). Auf Belege für solche mehr oder weniger weitgehenden Vermenschlichungen Gottes in der Bibel ist oben hingewiesen worden. Sie weisen eine Nähe zu mythologischen Gottes- und Weltvorstellungen aus. Unter »Mythen« sind Geschichten zu verstehen, die den Zustand der Welt mit archaischen Göttergeschichten erklären, in denen sich die Götter wie Menschen verhalten. Obwohl sich das Israel des Alten Testaments von der polytheistischen Vorstellung der Durchwaltung der Welt durch Götter im Glauben an den einen außerweltlichen Gott
emanzipiert hat, finden sich mythologische Nachklänge auch in seinen Gotteszeugnissen. Gott wird mit Gemütsregungen und Verhaltensweisen, wie sie für Menschen alltäglich typisch sind, geschildert. Zugleich aber bemerken wir ein Abstandnehmen von den anthropomorph-mythischen Gottesvorstellungen. Die Rede von Gott wird konzentriert auf prägnante Merkmale seiner Göttlichkeit: auf seine Liebe, seine Barmherzigkeit, seine Gerechtigkeit, seine Gnade usw. Im Neuen Testament finden wir dieses prägnante Reden von Gott in großer Breite.
Doch auch in dieser den Mythos reduzierenden Gestalt behalten die prägnanten Gottesaussagen der Bibel eine nicht zu übersehende Beziehung auf unsere menschliche Vorstellungswelt. Wenn von personalen Regungen und Verhaltensweisen Gottes geredet wird, dann verstehen wir das nur, weil wir personale Regungen und Verhaltensweisen von menschlichen Personen kennen. Das Problem des Anthropomorphismus lebt deshalb fort. Wenn wir z.B. von Gottes hingebungsvoller Liebe zu Menschen oder von seiner Vergebung der Sünde reden, dann spielen die Vorstellungen hinein, die wir von menschlicher Liebe und menschlichem Vergeben haben. Das nötigt uns, uns dem Sprachproblem zu stellen, das mit aller menschlichen Rede von Gott verbunden ist. Denn es ist nicht in Abrede zu stellen, dass die Aussagen, welche wir von Gott machen, in der Tat bildhafte Übertragungen aus unserer menschlichen Erfahrungswelt auf Gott sind. Es sind »Metaphern«, wie das griechische Wort für solche »Über-Tragungen« heißt. Darum müssen wir verstehen, welche Bedeutung Metaphern grundsätzlich für unsere Sprache haben.
Im alltäglichen Sprachgebrauch ist uns der Gebrauch von Metaphern vertraut. Wir nennen einen geliebten Menschen mit einem Begriff aus der Pflanzenwelt eine »Rose« oder einen ungeschickten Menschen mit einem
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Begriff aus der Tierwelt ein »Trampeltier«. Wir übertragen in diesem Falle also unsere Erfahrungen mit Pflanzen oder mit Tieren auf unsere Erfahrungen mit Menschen. Im Sinne von Definitionen sind solche bildhaften Übertragungen falsch. Kein Mensch ist eine Rose und kein Mensch ist ein Trampeltier. Das Bildwort verstärkt jedoch den Eindruck, den wir von einem Menschen haben, indem es ihn oder sein Verhalten mit Phänomenen aus einem anderen, in diesem Falle nicht-menschlichen Wirklichkeitsbereich vergleicht und illustriert. Es ist darum in der Redekunst ein regelrechtes Stilmittel, um - im Unterschied zu »trockenen« Begriffen und Definitionen - die Aufmerksamkeit der Hörerinnen und Hörer zu fesseln. Es beteiligt sie emotional an dem, wovon die Rede ist. Es regt die Phantasie und die Vorstellungskraft an. Es beunruhigt, erfreut oder kränkt diejenigen, die in Lobesoder Schimpfworten mit Metaphern wie »fleißige Biene« oder »fauler Hund« angeredet werden. Das Bildwort ist also keinesfalls eine uneigentliche Redeweise ohne Wirklichkeitsgehalt. Es intensiviert vielmehr unser Wirklichkeitserleben. Es lässt eine Geschiebte aufleben und ruft nach der Erzählung dieser Geschichte, die durch die sprachliche Verschränkung zweier Wirklichkeitsbereiche und durch überraschend hergestellte Ähnlichkeiten zwischen ihnen neu zugespitzt und pointiert zur Sprache gebracht werden kann. Eine Metapher ist insofern immer die Kurzfassung einer Geschichte, die nach Entfaltung ruft. Je überraschender die Verbindung ist, die sie zwischen zwei Wirklichkeitsbereichen herstellt, desto mehr Sprachmöglichkeiten schlummern in ihr. Sie können entfaltet werden, wenn es etwa darum geht, uns einen Menschen in ganz neuem Licht begegnen zu lassen.
Die biblische Sprache ist voll von solchem bildhaften Reden. Wenn Jesus z.B. die Fischer Simon und Andreas am Galiläischen Meer mit dem Bildwort »Ich will euch
zu Menschenfischern machen!« in die Nachfolge ruft (Mk l,16f; Mt 4,18f), dann stellt er die alltägliche Arbeit des Fischers plastisch vor Augen. Das Bildwort charakterisiert zugleich in lebendiger Weise die missionarische Existenz, zu der die Apostel vom auferstandenen Jesus Christus berufen wurden. Der Ungewissheit, ob das »Fischen« Erfolg hat, stellt der Jesus der Evangelien aber auch ein vergewisserndes Bildwort zur Seite: »Du bist Petrus (Fels), und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen ...« (Mt 16,18). Dieses Bildwort bringt die Festigkeit und Unerschütterlichkeit zum Ausdruck, die Jesus dem »Menschenfischer« Simon zutraut und zusagt. Es wird zum neuen Namen des Simon, in dem die Geschichte dieses »Menschenfischers« trotz seines Versagens als eine Geschichte der Treue und Beständigkeit, die Jesus Christus seinen Zeugen verleiht, gegenwärtig ist.
Solche Beispiele biblischen metaphorischen Redens für das Geschick und die Geschichte von Menschen im Dienste Jesu Christi lassen sich beliebig vermehren. Sie unterstreichen die Leistungsfähigkeit von Metaphern, wenn es gilt, Menschen zu verstehen, die in der Nachfolge Jesu Christi stehen. Bildworte sind aber nicht weniger bedeutsam, wenn wir auf der Grundlage des biblischen Gotteszeugnisses von Gott zu sprechen haben, wie wir ihn im Glauben wahrnehmen und erfahren, wie er unser Leben verändert. Denn wir sprechen dann von Gott so, wie er uns in unserer Erfahrungswelt nahe kommt. Damit übertragen wir Elemente unserer Erfahrungswelt wie das Verhalten von »Personen« auf Gott. Wir tun das, um anderen Menschen mitzuteilen, wer Gott für uns und für jeden Menschen ist. Wie bei allem Gebrauch von Metaphern intensivieren und verlebendigen wir mit dieser Übertragung eine Wirklichkeitserfahrung. Martin Luther hat Gott einen »Backofen voller Liebe« genannt. Im Sinne einer Definition ist das wiederum falsch. Gott
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