Evangelische Impulse Band 3 Mit Gott reden



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Wer an Gott glaubt, so wie er uns durch das biblische Zeugnis begegnet, wird Gott selbstverständlich in den drei beschriebenen Konkretionen seiner Beziehung auf

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uns Menschen verstehen. Gott gewinnt für ihn in dreifacher Zuspitzung seines Handelns mit der Welt und an den Menschen Gestalt. In unserem Zusammenhang ist aber wichtig, dass das Neue Testament sich nicht damit begnügt, von einem zu unterscheidenden Handeln Gottes zu reden. Es verwendet vielmehr für Gott als Schöpfer, für Gott, der Mensch geworden ist, und für den Glauben weckenden Gott unterschiedliche Namen. Darin kommt zum Ausdruck, dass das unterschiedliche Handeln Gottes nicht nur uns betrifft, sondern auch für ihn selbst Bedeutung hat. So wie uns Vater, Sohn und Heiliger Geist begegnen, haben sie je ein besonderes Profil. Deshalb legt sich für Menschen, die von diesem Gott reden wollen, die Frage nahe, ob das unterschiedliche Handeln Gottes nicht mit den Unterschieden dieses Profils in Gott selbst zu tun haben könnte. Eine Antwort auf diese Frage könnte in dem liegen, was jenen Namen gemeinsam ist. Sie verstehen Gott in jedem seiner Profile als personalen Gott. Bei den Bildern des »Vaters« und des »Sohnes« leuchtet das unmittelbar ein. Aber auch der Heilige Geist, den das Johannesevangelium auch den »Parakleten« (d.h.: Beistand, Helfer und Tröster) nennt (vgl. Joh 15,26), ist im Neuen Testament nicht bloß eine Wirkkraft, sondern Gott, der in Beziehung zu uns tritt, der im Gebet angerufen wird und insofern personal zu verstehen ist wie der Vater und der Sohn.

Wenn aber Vater, Sohn und Heiliger Geist jeweils als Person begegnen, dann könnten wir geneigt sein, aus dem Zusammenhang der einen Geschichte von Schöpfung, Menschwerdung und Geistwirken heraus zu verstehen, dass er eine Person ist, die in verschiedenen Rollen handelt.

Das griechische Wort für Person (prosopon), das lateinisch mit »persona« übersetzt wurde, meint ursprünglich die Maske des Schauspielers, aber auch den Schauspieler selbst, der durch diese Maske hindurch spricht (per-sonare - hindurchtönen). Es verweist auf eine Rolle, die ein Mensch spielt. Das hat im römischen Recht einen Gebrauch des Begriffs »Person« befördert, der bis heute wirksam ist: Eine Person ist ein Mensch, der eine bestimmte Rolle in der Gesellschaft spielt und bestimmte Rechte hat. Sklaven, die keine Rechte haben, konnten darum nach diesem Verständnis auch keine Personen sein. Personalität ist demnach kein naturgegebener Zustand. Sie wird erworben oder zugesprochen und bedeutet, dass einem Menschen ein bestimmter Wert, eine bestimmte Auszeichnung zukommt, die ihn verhandlungsfähig, damit aber auch zugleich verantwortlich für sein Tun und Lassen macht. In unserem Sprachgebrauch wirkt das nach, indem wir auch unabhängig von der Individualität eines Menschen z.B. von einer »juristischen Person« oder »Kollektivperson« reden.

So wie eine menschliche Person etwa in den Rollen des Vaters oder der Mutter, des Staatsbürgers oder der Staatsbürgerin, des oder der Berufstätigen usw. handelt, so ist es auch mit Gott. Er begegnet uns im Glauben als eine Person, die als Vater die Rolle des Schöpfers, als Sohn die Rolle des in unsere Welt kommenden und als Heiliger Geist die Rolle des Glauben erweckenden Gottes wahrnimmt. Wem Gott so vor Augen steht, der wird mit dem biblischen Glauben erwarten, dass Gott fähig ist, in verschiedenen Hinsichten zu uns in Beziehung zu treten und in jeder seiner Rollen ganz für uns Gott zu sein. Er versteht ihn auch so, dass er fähig ist, uns in jeder seiner Rollen mit einer anderen Seite seines göttlichen Geheimnisses vertraut zu machen. Er ist der souveräne Schöpfer der Welt (Vater). Er ist der mit uns bis in Leiden und Tod hinein solidarische Gott (Sohn) und der uns belebende, wahres Leben stiftende und Zukunft eröffnende Gott (Geist). In keiner dieser Rollen gerät er für unser glaubendes Verständnis mit sich in Konflikt. Weil er seine Rollen als die eine göttliche Person wahr-

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nimmt, verweisen alle seine Rollen aufeinander. Gott kann ganz majestätisch (Schöpfer) und ganz niedrig (Menschgewordener) sein. Er wendet sich der Menschenwelt zu in universaler Weite (Schöpfer), in geschichtlicher Konkretion (Sohn) und jeden Menschen ganz intim berührend (Geist).



Insofern können wir sagen: Zu dem, was die traditionelle Trinitätslehre zum Ausdruck bringen wollte, können wir heute durchaus einen Zugang haben, indem wir Gott im Glauben als die eine göttliche Person verstehen, die uns - ohne mit sich in Konflikt zu geraten - in drei Rollen begegnet. In jeder von ihnen ist er ganz Gott und lehrt uns verstehen, dass er um unsertwillen mächtig und ohnmächtig, universal, konkret und intim Gott ist. Dennoch gibt es einen Grund, der uns nötigt, die Personalität des drei-einen Gottes in den Spuren der Trinitätslehre der Kirche nicht nur als das Rollenspiel einer Person zu verstehen.

4.2 Der eine Gott in den Beziehungen von Vater, Sohn und Heiligem Geist

Das Zentrum des christlichen Glaubens an Gott ist der Glaube an Jesus Christus. Dieser Glaube wird jedoch unter dem Gesichtspunkt, dass Gott hier eine bestimmte Rolle in unserer menschlichen Geschichte wahrnimmt, nicht hinreichend verstanden und beschrieben. Eine solche Aussage bringt zwar zum Ausdruck, dass Gott sich uns im Leben und Sterben eines Menschen zuwendet. Sie erfasst aber nicht die Tragweite dieses Geschehens für uns und für Gott selbst. Sie führt nicht aus, was es für das christliche Gottesverständnis bedeutet, dass Gott in Jesus Christus nach dem Zeugnis des Neuen Testaments Mensch geworden ist. Das jedoch ist von den Zeiten der frühen Kirche an bis heute der entscheidende Anstoß für

den trinitarischen Glauben unserer Kirche, der sich nicht nur auf eine göttliche Person in verschiedenen Rollen bezieht. Er versteht vielmehr Gott Vater, Sohn und Heiligen Geist als drei Personen, die in dem einen Gott schon immer in Beziehung zueinander stehen und deshalb auch in verschiedenen Rollen handeln und wirken können.

Um zu verstehen, warum es zu diesem außergewöhnlichen Gottesverständnis kommen muss, ist es erforderlich, dass wir einen Moment lang bei dem christlichen Zentralbekenntnis zur Menschwerdung Gottes verharren und uns fragen, was dieses Bekenntnis eigentlich bedeutet. Gott wird ein Mensch und ein Mensch wird Gott. Wie sollen wir uns das vorstellen? Es sprengt im Grunde unsere Vorstellungskraft. Wir kennen keinen anderen Menschen, von dem man etwas Derartiges sagen kann. Zu allen Zeiten hat es deshalb Versuche gegeben, das christliche Bekenntnis zur Menschwerdung Gottes unserem Vorstellungsvermögen anzupassen. So wurde etwa behauptet, Jesus sei gar kein wirklicher Mensch gewesen, sondern nur ein Scheinmensch, in dem Gott sich uns mitgeteilt hat. Oder es wurde vermutet, es sei gar nicht Gott selbst, der hier Mensch wird, sondern nur ein göttliches Geschöpf, höher als der Mensch, das sich mit einem Menschen zu vermischen vermag. Beides sind keine ausgedachten Deutungen der Menschwerdung Gottes. Sie traten in der Alten Kirche auf. Sie finden auch heute Anhänger, wenn Jesus als erfundenes Ideal und Fiktion eines Menschen oder als ein außergewöhnlicher Mensch mit besonderen göttlichen Gaben verstanden wird.

Demgegenüber hat das Nizänische Glaubensbekenntnis mit Recht festgehalten, dass solche Deutungen der Menschwerdung Gottes den Sinn des neutestamentli-chen Bekenntnisses zu Jesus als »Gottes Sohn«, als »Christus« (=»Messias«) und als »Herr« nicht treffen. Das »Nizänum« und die sich daran anschließenden Be-

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kenntnisse haben die Jesus im Neuen Testament zugelegten Hoheitstitel deshalb so verstanden, dass sie sagen wollen: Der wahre Gott in der »Fülle der Gottheit« (Kol 2,9) hat sich mit einem wahren, wirklichen Menschen unlöslich verbunden und ist so in die Geschichte von uns Menschen gekommen. Wir können die Begriffe, mit denen das in den Zeiten der Antike einmal ausgedrückt wurde, hier auf sich beruhen lassen. Was aber gemeint ist, können wir als Glaubensaussage auch heute nachvollziehen. In Jesus begegnet uns ein Mensch, mit dem sich Gott auf seine unsichtbare göttliche Weise unlöslich verbunden hat. Diese Verbundenheit ist vor der Welt verborgen. Man bekommt Gott im Menschen Jesus darum nicht »zu fassen«. Zu seiner Anwesenheit in diesem Menschen gehört, dass er ihn in seiner Menschlichkeit frei gibt. Gott wird vorsichtig Mensch, indem er diesen Menschen nicht mit seinem göttlichen Glänze verschlingt. Aber er wird tatsächlich Mensch, indem er sich mit ihm selbst und mit allen seinen Wegen bis zum Tode am Kreuz verbindet.

Wenn wir das so sagen, reden wir nicht mehr nur von einem verschiedenen Handeln des einen Gottes. Wir sprechen damit vielmehr von einem Unterschied zwischen Gott und Gott in dem Einen Gott. Denn Jesus, den wir als »Sohn Gottes« bekennen, begegnet uns im Neuen Testament ja in deutlichem Gegenüber zu seinem »Vater«. Er verkündigt diesen Vater. Er ruft ihn im Gebet an. Sein Weg ist über die Bedeutung hinaus, die er für uns hat, deshalb auch als eine Geschichte zwischen Gott und Gott zu verstehen. Diese Einsicht wird besonders angesichts des Kreuzestodes des Sohnes Gottes unausweichlich. Denn diesen Tod erleidet nicht nur der Mensch Jesus, sondern auch der mit ihm verbundene Gott. »O große Not! Gott selbst liegt tot. Am Kreuz ist er gestorben«, hieß es ursprünglich in dem Kirchenlied von Johann Rist (1641). Wenn das aber so wäre, dann wäre das Ende des irdischen Lebens Jesu zugleich das Ende Gottes. Dagegen steht die Oster-Erfahrung der neutestamentlichen Zeugen. Sie haben die Begegnungen mit dem auferstandenen Sohn Gottes so verstanden, dass Gott der Vater ihn vom Tode erweckt habe. Wir müssen deshalb zwischen Gott, der im Menschen Jesus den Tod erleidet, und Gott, der ihm mit seinem göttlichen Leben die Treue hält und ihn auferweckt, unterscheiden.

In diesem Sinne ist Johann Rists Lied in der Fassung, in der es in unserem Gesangbuch steht, auch korrigiert worden. »O große Not! Gott's Sohn liegt tot«, heißt es jetzt (vgl. EG 80,2) und hält damit den Horizont für den auferweckenden Vater offen. Was in Kreuz und Auferstehung geschah, lässt sich also glaubend nur verstehen, weil uns Gott hier in einer Selbstunterscheidung begegnet. Er begegnet uns als Sohn, der fähig ist, um unseretwillen in weltlicher Ohnmacht, Leiden und Tod das Leben eines Menschen zu teilen. Und er begegnet uns als Vater, der mit der erweckenden Kraft seines göttlichen Lebens die Beziehung auf den Sohn durchhält. Der Glaube ist darum gewiss: Wäre Gott nicht Einer und ein Anderer, dann könnte er weder Mensch werden noch Leiden und Tod eines Menschen auf sich nehmen. Die Gotteserfahrung, die wir vom Leben, Sterben und Auferwecktwerden Jesu Christi her machen, nötigt darum dazu, auch den ewigen Gott in sich selbst so zu verstehen, wie er uns in der Christusgeschichte in der Zeit begegnet. Das ist der Grund, warum die christliche Trinitätslehre nicht nur von einem dreifachen Handeln Gottes reden konnte, sondern eine so genannte »immanente« Trinitätslehre werden musste, nämlich die Lehre von der Beziehung zwischen Vater und Sohn, in der Gott schon immer Gott ist. Sie gibt der Glaubenserfahrung Ausdruck, dass uns der begegnende Gott an seinem göttlichen Leben Anteil haben lässt, ja uns in sein göttliches Leben einbezieht.

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Eine solche Aussage wäre jedoch nicht möglich, wenn Gott als Vater und Sohn ihre Beziehung aufeinander gewissermaßen nur für sich selbst leben würden. Wir könnten dann wohl im Glauben wahrnehmen, dass Gott uns in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi in einer Selbstunterscheidung begegnet. Aber diese würde sich für uns in das Geheimnis des göttlichen Lebens hinein entziehen und bliebe so etwas wie Gottes eigene, unverstehbare Sache, die uns nichts angeht. Das aber widerspricht der ganzen Aktion, in der uns Gott in Jesus Christus nahe kommt, Gemeinschaft mit uns haben will und sich als Gott, dem wir vertrauen können, erschließt. Wie wir schon gesehen haben, wird dieses Sich-Erschließen Gottes für unseren Glauben im Neuen Testament dem Wirken des Heiligen Geistes zugeschrieben. Er berührt mit dem, was in Jesus Christus und damit auch in der Beziehung zwischen Vater und Sohn geschah, unsere »Herzen«. Damit widerfährt uns in Hinblick auf den begegnenden Gott so etwas wie eine Erleuchtung. Wir verstehen jetzt zutiefst, warum es für uns schlechthin gut ist, dass Gott nicht eine von uns unendlich unterschiedene, im Grunde einsam in der Transzendenz thronende Gottheit ist. Die Beziehung von »Vater« und »Sohn«, in welcher der begegnende Gott immer schon lebt und die ihn im »Sohne Gottes« zum Mensch werden befähigt, hat ihren tiefsten Grund darin, dass Gott als Vater und Sohn in sich selbst zu einer Geschichte fähig ist. Diese Geschichte ist durch das Anerkennen und das zu Ehren bringen eines Anderen geprägt. Gott lebt als Vater und Sohn in der gegenseitigen Offenheit füreinander und ist deshalb in der Lage, Anderen außerhalb seiner selbst -uns Menschen - an den Möglichkeiten und am Reichtum dieser seiner göttlichen Gemeinschaft Anteil zu geben.

Das alles sind im Rahmen sonstiger Gottesvorstellungen in der antiken wie der heutigen Welt grundlegend neue Glaubenseinsichten über den begegnenden Gott. Die Alte Kirche wie auch wir heute können uns darum nicht damit begnügen, das Werk des Heiligen Geistes, der diese Glaubenseinsichten vermittelt, nur als ein Gott äußerliches Wirken zu verstehen. Der Geist, der uns Glauben weckend Gott in der Beziehung von Vater und Sohn nahe bringt, muss vielmehr selbst als Heiliger Geist verstanden werden, der zum Leben Gottes gehört. Er sorgt dafür, dass die Beziehung zwischen Vater und Sohn auf uns Menschen ausstrahlt. Er klärt uns auf, dass Gott sich als Vater nicht nur auf den Sohn und der Sohn sich nicht nur auf den Vater bezieht, um in dieser Beziehung zu verschwinden. Er teilt uns die Kraft zur Begegnung, die in dieser Beziehung waltet, mit. Zusammen mit dem Vater und dem Sohn ist der Heilige Geist, wie Karl Barth das ausgedrückt hat, in der Intention, Gemeinschaft mit uns zu haben, »schon im voraus der unsrige«.

Das Bekenntnis zur Gottheit des Heiligen Geistes spricht die Erfahrung aus, die der von Jesus Christus erweckte Glaube schon immer macht, nämlich dass Gott in der Beziehung auf sich zugleich über sich hinaus geht und uns in sein göttliches Leben einbezieht. Das Bekenntnis zur Gottheit des Heiligen Geistes ist deshalb ganz und gar keine unnötige Verkomplizierung des christlichen Gottesverständnisses. Gott gibt uns auf seine göttliche, unsichtbare Weise an den Beziehungen Anteil, in denen er Gott ist. Er lässt uns durch den Heiligen Geist an sein beziehungsreiches Gottsein glauben. Er bringt sich uns als für uns offenen Gott nahe, der mit uns als Schöpfer, als Mensch unter uns und als Geist eine Geschichte haben kann und hat. Für den, der in Jesus Christus unter dem Wirken des Heiligen Geistes zum Glauben an Gott kommt, ist das, was die kirchliche Tri-nitätslehre auszusagen versucht, darum überhaupt kein Problem. Sein Glaube an den dreieinigen Gott ist Lebensnerv seiner Gottesbeziehung. Er besteht in der wun-

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derbaren Gewissheit, dass Gott selbst aus dem Reichtum seiner Möglichkeiten als Vater, Sohn und Heiliger Geist heraus mit jedem Menschen zusammen sein möchte. »Zusammensein mit Gott« ist darum die Pointe des Glaubens an den dreieinigen Gott für unser Dasein auf der Erde.

Von dieser Beschreibung der Grundzüge des Glaubens an den dreieinigen Gott her kann nun auch geklärt werden, in welchem Sinne es gerechtfertigt ist, von Vater, Sohn und Heiligem Geist als von »drei Personen« zu reden. Dass keine absolute Notwendigkeit besteht, diese Terminologie zur verwenden, dürfte bei dieser Beschreibung deutlich geworden sein. Es gibt dementsprechend auch Entfaltungen der Trinitätslehre, die auf diese Terminologie verzichten, weil sie beständig das Missverständnis heraufzubeschwören scheint, es handle sich beim trinitarischen Gott um so etwas wie einen »Götterverein«, zu dem sich drei »Personen« zusammenschließen.

Der Verzicht auf die Rede von den »drei Personen« kann sich sogar auf die »klassische« Trinitätslehre berufen. Denn der Begriff der »Person«, der in ihr verwendet wurde, bedeutet etwas ganz anderes als das, was wir uns heute darunter vorstellen. Er sagt aus, dass der eine Gott in drei verschiedenen Daseinsweisen existiert, so dass z.B. Karl Barth in seiner Trinitätslehre von Vater, Sohn und Geist als von drei »Seinsweisen« redet.

Andererseits ist aber auch klar, dass Vater, Sohn und Geist nicht als unpersonale Kräfte oder Ausstrahlungen des einen Gottes verstanden werden können. Jedem von ihnen kommen Person-Merkmale zu, so dass der Personbegriff gar nicht zu vermeiden ist, wenn wir davon zu reden haben, wer Vater, Sohn und Heiliger Geist sind. Es fragt sich nur, in welchem Sinne das geschieht.


4.3 Das Person-Geheimnis des dreieinigen Gottes: Gott in der Klarheit der Liebe

Nach unserem heutigen Verständnis kann eine »Person« nicht als ein für sich existierendes Einzelwesen (»Individuum«) verstanden werden, das bestimmte Eigenschaften wie Vernunft und Freiheit besitzt. Dieses Verständnis einer »Person« hat durch den spätantiken Philosophen Boethius (480-523) großen Einfluss auf die Geistesgeschichte und so auch auf die Theologie gewonnen. Es ist insofern auch berechtigt, als die genannten Eigenschaften zu einer einzelnen Person gehören. Wir Menschen können durch ihren Gebrauch im Laufe unseres Lebens zu verschiedenen individuellen »Persönlichkeiten« werden. »Person« aber sind oder werden wir dadurch nicht. Denn »Personalität« ist nichts, was wir uns selbst erwerben können. Sie wird uns vielmehr - angefangen bei der Annahme eines Kindes durch die Eltern - in der Beziehung auf andere Menschen von diesen Menschen zuerkannt. Menschen sprechen sich dabei gegenseitig die Würde eines unverwechselbaren und unantastbaren Du zu. Eine Person ist demnach ein schon vor allem Vernunft- und Freiheitsgebrauch anerkannter und bejahter Mensch. Seine Personalität verdankt sich kommunikativen Beziehungen und wird in kommunikativen Zusammenhängen gelebt. Sie ist ein Sozialphänomen, weil das Personsein eines Menschen nicht durch sich selbst begründet wird, sondern durch die soziale Mitwelt. Personsein heißt demnach immer »Mitsein«. Keine Person kann für sich allein existieren.

Reden wir - unter der Voraussetzung der strikten Unterscheidung von Gott und Mensch - von Vater, Sohn und Heiligem Geist als »Personen«, dann kann mit dem dargestellten »kommunikativen« Personbegriff ein wesentliches Charakteristikum des dreieinen Gottes zur Sprache kommen. Mehr noch: Es zeigt sich dann auf-

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grund des trinitarisch-personalen Begegnens Gottes, dass unser menschliches Personsein im Personsein Gottes gründet. Als unser Schöpfer will er mit uns zusammen sein; er ist der »Immanuel«, der Mit-uns-Gott. Denn Gott begegnet als Vater, Sohn und Heiliger Geist so, dass er schon immer in gegenseitigen Beziehungen aufeinander Gott ist. Sein göttliches Personsein ist Mitsein. Ohne dass der Vater sich auf den Sohn bezieht und der Sohn auf den Vater und beide in der Beziehung auf den Heiligen Geist und des Heiligen Geistes auf sie eine innige Gemeinschaft haben, wäre Gott gar nicht Gott. Es ist darum nicht möglich, eine der trinitarischen Personen von der anderen zu isolieren oder gar in anmaßendem Zugriff aus Gott ausscheiden zu wollen. Die drei Personen sind der eine Gott in unablässiger und intensivster Persongemeinschaft.

Der Verdacht des Dreigötterglaubens ist darum unbegründet. Die Personalität Gottes im gegenseitigen Angewiesensein der trinitarischen Personen aufeinander stellt die Einheit Gottes als fortwährende Einigung nicht in Frage, sondern bestätigt sie. Alles, was die trinitarischen Personen sind und tun, vollziehen sie im Angewiesensein aufeinander. Schon die alte Trinitätslehre hat das zum Ausdruck gebracht, indem sie von der gegenseitigen Durchdringung (»Perichorese«) der drei (von ihr so genannten) »Seinsweisen« sprach. Wir können diese Aussage durchaus aufnehmen. Vater, Sohn und Heiliger Geist sind ausschließlich in intensiver Anteilnahme aneinander der eine Gott, so dass wir auch ihr Handeln »nach außen« als Schöpfer, Versöhner und Erlöser niemals voneinander trennen dürfen. Beim schöpferischen Handeln des Vaters sind der Sohn und der Heilige Geist ebenso dabei, wie der Vater und der Heilige Geist das Leiden des Sohnes mitleiden und der Heilige Geist auch Schöpfer- und Versöhnergeist ist. Insofern bestärkt uns jede der trinitarischen Personen im Glauben an den einen Gott.

In diesem Glauben aber kann es beim beschriebenen Verständnis des einen Gottes, der in drei Personen Gott ist, nicht darum gehen, das Geheimnis, in dem Gott Gott ist, auf allzu menschliche Weise aufzuschlüsseln oder gar denkend sein Zustandekommmen zu konstruieren. Wenn die Trinitätslehre der Kirche und heutige Triniätstheologien den Eindruck erwecken, das tun zu wollen, dann machen sie sich einer Grenzüberschreitung schuldig. Schon unter uns Menschen gilt, dass wir in der Beziehung aufeinander das Person-Geheimnis eines jeden Menschen, in dem er unvertretbar ein besonderer Mensch ist, nur respektieren können und den Versuch unterlassen müssen, ihn dieses Geheimnisses zu entkleiden. Um wieviel mehr gilt das für unsere Beziehung zu Gott. Sein Person-Geheimnis besteht darin, dass er in drei Personen der Eine Gott ist. Dazu gibt es keine Analogien in der Welt. Dieses Geheimnis können wir uns nur begegnen lassen und es respektieren. Es wird uns damit aber nicht zum dunklen »transpersonalen« Rätsel. Gott teilt sich uns in den drei Personen ja mit und handelt an uns so, dass wir das Zusammensein mit dem personalen Gott im Glauben als Wohltat und Bereicherung unseres Daseins erleben.

Sowohl in der evangelischen wie in der römisch-katholischen Trinitätstheologie der Gegenwart besteht deshalb eine breite Übereinstimmung darin, dass diese Wohltat nicht nur formal mit dem kommunikativen Personbegriff zum Ausdruck gebracht werden sollte. Die Beziehungen aufeinander, in denen Gott Gott ist, erlauben es vielmehr, das Wesen des dreieinigen Gottes als Liebe zu verstehen. »Gott ist die Liebe« - diese Aussage von 1 Joh 4,8 wird darum so interpretiert, dass die Beziehung von Vater und Sohn als liebende Hingabe aneinander verstanden wird. Vater und Sohn sind Liebende und Geliebte, die wechselseitig für den anderen da sind. In dieser Liebesgemeinschaft ist jeder darauf angewie-

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sen, vom anderen bestätigt, gehalten und bejaht zu werden. Beim Handeln Gottes in der Geschichte kommt diese Kraft der Liebe zwischen Vater und Sohn am Prägnantesten im Kreuzestod Jesu Christi zum Ausdruck. Der Sohn vermag in der Liebe zum Vater, die auch den Schrei nach ihm einschließt, den Weg in den Tod auf sich zu nehmen, und der Vater hält seine Liebe zum Sohn durch, indem er ihn dem Tode entreißt. Die Liebe, die sich sogar der Macht des Todes aussetzen kann, erweist sich darin stärker als der Tod.



Allerdings rechtfertigt das noch nicht die Aussage, dass Gott die Liebe ist, sondern nur die, dass Gott als Vater und Sohn sich gegenseitig liebt. Um das Wesen des dreieinigen Gottes als Liebe zu verstehen, ist es nötig, auf das Werk des Heiligen Geistes zu achten. Er lässt die Liebe, die zwischen Vater und Sohn waltet, nach außen ausstrahlen und bezieht so uns Menschen in das göttliche Liebesgeschehen ein. Die Liebe zwischen Vater und Sohn ist nicht exklusiv; sie zielt darauf, uns Menschen in ihre Liebe einzubeziehen. Gott ist die Liebe, weil sein Lieben niemanden ausschließt, sondern in überströmendem Reichtum darauf zielt, alle Menschen an seiner Liebe teilhaben zu lassen. Indem Gott als Vater, Sohn und Geist die Liebe von Ewigkeit her ist und im Glauben so wahrgenommen wird, lebt der Glaube an Gott aus der Unerschöpflichkeit der Liebe und ist damit aller Resignation an den Möglichkeiten der Liebe voraus, welche eine Welt voller Lieblosigkeit auslöst. Menschen können aus der Liebe fallen und das geschieht im Übermaß. Der dreieinige Gott, der die Liebe ist, kann das nicht. Wo immer er begegnet, eröffnet er kraft seines Liebens Wege der Liebe und niemals Wege kalter Übermacht.


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