Evangelische Impulse Band 3 Mit Gott reden



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Glauben widerspricht. Kein Mensch könnte »im Leben und im Sterben« sein Vertrauen auf Gott setzen, wie er sich der Christenheit in Jesus Christus erschlossen hat (vgl. These I der Theologischen Erklärung von Barmen), wenn dieses Vertrauen lediglich einer uneigentlichen Gottesvorstellung gilt, die noch dazu unzuverlässig ist und unwahr sein könnte. Das unbestreitbare Problem der Intoleranz zwischen den Religionen muss anders angegangen werden.

3.4 Personale und transpersonale Redeweisen von Gott im Dialog der Religionen und Weltanschauungen

Hilfreich können Dialoge zwischen den Religionen sein, die dazu beitragen, die eigene wie die andere Religion besser zu verstehen und gegenseitige Vorurteile abzubauen. Im Dialog zwischen den monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam wird notwendig die Frage im Vordergrund stehen, welche Berührungen und Beziehungen des Gottesverständnisses sich daraus ergeben, dass diese Religionen ein personales Gottesverständnis teilen und sich dabei auch auf biblische Traditionen stützen. Das Hervorheben solcher Berührungen und Beziehungen setzt die Verschiedenheit des Glaubens an einen personalen Gott nicht außer Kraft. Es vermag aber zu einem friedlichen Zusammenleben der Religionen zu motivieren und zum Erreichen gemeinsamer Ziele zu ermutigen. So kann der Glaube an Gott als Schöpfer zu gemeinsamer Weltverantwortung führen. Das christliche Verständnis des personalen Gottes muss sich im Gespräch zwischen Judentum, Christentum und Islam daran messen lassen, wie es die Elemente des personalen Gottesglaubens bei den anderen ernst nimmt. Solche Elemente können als Brücke zwischen den unbestreitbaren Unterschieden zwischen diesen Religionen in

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Anspruch genommen werden und Menschen dazu bewegen, sich auf dieser Brücke in Offenheit füreinander und friedlich zu begegnen.



Der Bau solcher Brücken in der Theologie und der Religionsphilosophie bewegt sich immer auf einer gewissen Abstraktionsebene gegenüber dem konkret gelebten Gottesglauben. Es kommt dabei auch zu Aussagen, welche das Wesen Gottes in nicht-personal zugespitzten Begriffen kennzeichnen. Für die christliche Gotteslehre ist das nichts Ungewöhnliches: Unpersonal akzentuierte Aussagen über Gott wie »die Weisheit« oder »die Wahrheit« sind als Interpretationen des göttlichen personalen Seins in der Geschichte der christlichen Gotteslehre immer getroffen worden. Sie dienten der Einübung des Verstehens seiner Personalität. Vergleichbares gilt auch, wenn das Wesen des personalen Gottes im Dialog der Religionen mit solchen Begriffen interpretiert wird, die methodisch und begrenzt zunächst vom Personalen abstrahieren, um dann mit einem präzisierten und vertieften Verstehen darauf zurückzukommen.

Im Dialog mit solchen Religionen, für welche »Gott« letztlich eine unpersonale Kraft ist, ist eine derartige Explikation des christlichen personalen Gottesverständnisses mit einer nicht im Personalen verankerten Begrifflichkeit geboten. Sie kann aber nicht die Pointe des christlichen Beitrags in diesem Dialog sein. Sie ist vielmehr im Sinne einer Einladung an die Dialogpartner zu verstehen, im personalen Gottesverständnis gemeinsame Anliegen - wie die Unverfügbarkeit Gottes für den Menschen - zu entdecken.

Nicht nur in diesen Dialogen, sondern auch im Gespräch mit Repräsentanten eines säkularen Wirklichkeitsverständnisses kann darüber hinaus ein zunächst funktional gedachter Gottesbegriff für die gegenseitige Verständigung hilfreich sein. Ein solcher Gottesbegriff wird von der Funktion her gebildet, die Gott für das menschliche Leben oder für das irdische Sein überhaupt hat. Friedrich Schleiermachers Charakterisierung Gottes als »Woher unseres empfänglichen und selbsttätigen Daseins« oder Paul Tillichs Rede von Gott als »Grund und Abgrund« des Seins und von dem, »was uns unbedingt angeht«, sind solche funktionalen Gottesbegriffe. Sie versuchen auf anthropologischer oder seinsphilosophischer (»ontologi-scher«) Ebene zu erklären, was die Gottesidee für das menschliche Dasein und das Verstehen der irdischen Wirklichkeit bedeutet. Solche »transpersonalen« Redeweisen von Gott zielen darauf, die personal-metaphorischen Gottesaussagen des christlichen Glaubens so zu fassen, dass ihr Gehalt im Prozess der dialogischen Verständigung der Religionen sowie gegenüber der Kritik am Gottesglauben argumentativ vertreten werden kann. Sie können die prägnant-metaphorische personale Rede von Gott nicht ersetzen. Sie tragen aber dem Sachverhalt Rechnung, dass das personale Reden von Gott an seine Grenzen kommt, wenn es das Verstehen des christlichen Glaubens bei Menschen mit einer anderen Religion oder mit atheistischen Überzeugungen blockiert. Transpersonale Redeweisen von Gott können dann die Aufgabe einer »Wegbereitung« (Dietrich Bonhoeffer) des Verstehens der christlich-personalen Gottesrede übernehmen.

3.5 Die Unterscheidung von Gott und Mensch im »Reden aus Glauben«

Zur Verständigung über die personale Rede von Gott im Dialog der Religionen und im Selbstverständnis der Kirche gehört Klarheit darüber, welche Bedeutung dem Glauben bei diesem Reden zukommt. Glaube im biblischen Sinne hat nämlich nichts mit dem Versuch von Menschen zu tun, Gott in ihre dem Irdischen verhaftete Vorstellungswelt hineinzuziehen. Er ist nicht mit dem

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Für-wahr-Halten von unbeweisbaren Annahmen und unwahrscheinlichen Ereignissen zu verwechseln. Glaube im biblischen Sinne unterscheidet sich vom Glauben an menschliche Vermutungen und Hypothesen, an die Allmacht der Wirtschaft, an irgendein Geschick, aber auch an »Ufos«, an Stimmen aus dem Jenseits, an Feen, Geister und dergleichen mehr. Die »neuen Atheisten« geben sich alle Mühe, den christlichen Glauben mit solchen Erscheinungen in einen Topf zu werfen und lächerlich zu machen. Aber mit dieser Art von »Glauben« hat das, was die Bibel Glauben nennt, nichts zu tun.



Glaube - wach gerufen durch Gott, der in Jesus Christus und im Gotteszeugnis Israels Menschen in ihrer Welt nahe kommt (vgl. Rom 10, 8) - ist vielmehr ganz auf Gott selbst gerichtet und nicht auf ein mit menschlicher Vorstellungskraft produziertes Gemisch aus Gott und Welt. Er ist reiner Glaube, ganzes Vertrauen zum unsichtbaren, dem menschlichen Zugriff entzogenen Gott. Glaube macht Menschen dessen gewiss, dass Gott, der ihnen immer unverfügbar bleibt, sich ihnen zuwendet. »Gott und Glaube gehören zuhaufe« (= zusammen), hat Martin Luther in seiner Erklärung des Ersten Gebotes im Großen Katechismus deshalb gesagt. Wenn man das christliche Reden von Gott verstehen möchte, muss man berücksichtigen, dass es immer ein Reden aus Glauben ist. Denn der Glaube hat entscheidende Bedeutung für die Unterscheidung von Gott und Mensch im menschlichen Reden von Gott. Er vertraut wesenhaft einer den Menschen unverfügbaren, für sie un-sichtbaren Wirklichkeit. Deshalb leben glaubende Menschen in einem beständigen Unterscheiden zwischen Gott und uns Menschen. Sie haben ein brennendes Interesse daran, Gott Gott sein zu lassen und darauf zu achten, dass Gott durch ihr Reden nicht mit irgendwelchen menschlichen Vorstellungen von Gott verwechselbar wird.

Die Unterscheidung von Gott und Mensch ist keine Hinzufügung zu diesem Glauben und Reden. Sie wird vielmehr ständig vollzogen, indem aus dem Glauben heraus geredet wird. Sie prägt das Reden von Gott aus Glauben. Sie verhindert das sprachliche Verfügen über das, was von Gott gesagt wird. Dem Reden aus Glauben kommt dabei eine charakteristische Eigenart unserer Sprache zur Hilfe - die Fähigkeit, Unverfügbares, Unsichtbares und Unvorstellbares begegnen zu lassen. Jedes Gedicht, aber auch jedes Aussprechen von Gedanken, Gefühlen und Empfindungen nimmt diese Fähigkeit in Anspruch. Im unmittelbar metaphorischen Reden von Gott geschieht das so, dass das Geschehen des Nahekommens Gottes in den Konkretionen seiner Liebe, seiner Gerechtigkeit, seiner Gnade usw. angesagt wird. Die Gottesanreden des Gebets wie »Vater« oder »Herr« sind Bitten darum, dass Gott uns begegnet (vgl. Abschnitt 3.2.1). Sie sind grundlegende Vollzüge eines über Gott nicht verfügenden, Gott und Mensch unterscheidenden metaphorischen Redens von Gott.



3.6 Die Freiheit Gottes als Person

Die reflektiert-metaphorische Rede von Gott, die nötig wird, um das ansagende und anredende Sprechen von Gott in Hinblick auf die christliche Verkündigung und inmitten ihrer Infragestellung in ihrem gesellschaftlichen Umfeld zu verantworten, lebt von der Dynamik jenes Ansagens und Anredens. Sie wird bei ihrer Selbsterklärung an erster Stelle deutlich machen, dass sie Auslegung der Worte und Metaphern ist, die sich der Glaubenserfahrung des den Menschen nahe kommenden Gottes verdanken. Ihr unvermeidlich definierendes Reden ordnet sich dem »Reden aus Glauben« zu und entspricht ihm in einer anderen Weise des sprachlichen Ausdrucks. Es legt dar, in welcher Weise das unmittelbar metaphori-

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sehe Reden von Gott die Unterscheidung von Gott und Mensch wahrt. Ihr definierendes Reden verdeutlicht diese Unterscheidung und kann deshalb nicht als menschlich-sprachliche Eingrenzung Gottes missverstanden werden.



Im Falle der Rede von Gott als »Person«, welche die biblischen Erfahrungen und ihre unmittelbar-metaphorischen Redeweisen summiert, bedeutet das: Es muss dargelegt werden, warum dieser Begriff besonders geeignet ist, das Wesen des biblischen Gottes zu charakterisieren. Wie bei der Entfaltung des trinitarischen Gottesverständnisses der Kirche noch näher auszuführen sein wird (vgl. Teil 4.3), bringt dieser Begriff als Charakterisierung von Menschen die eigentümliche Würde eines jeden Menschen zum Ausdruck. Sie besteht darin, dass jedem Menschen das Recht auf Selbstentfaltung und Selbstbestimmung zugebilligt werden muss. Dieses Recht und damit diese Würde ist »unantastbar«. Jeder Mensch kann von anderen Menschen die Respektierung dieser Würde erwarten. Die gegenseitige Achtung vor dem Selbstsein anderer Menschen ist konstitutiv für eine »menschlich« zu nennende Gesellschaft. Sie räumt jedem Menschen das Recht auf sein eigenes »Persongeheimnis« ein. Zwar wird dieses Recht faktisch vielfältig verletzt, weil Menschen über andere Menschen verfügen wollen. Sie verzichten in der Trägheit ihres Geistes und der Seele sogar darauf, ihrer eigenen Personwürde gerecht zu werden, indem sie ihr Leben von fiktiven Person-Bildern aus der Welt der Medien, der Werbung und des öffentlichen Geschmacks bestimmen lassen. Man hat deshalb schon gesagt, das Wort »Person« sei unser »kränkstes Wort« (Eugen Rosenstock-Huessy).

In der kritisch-reflektierten personalen und bildhaften Gottesrede wird hingegen ein »heiler«, »geheilter« Gebrauch personaler Eigenschaften, Namen und Rederegeln in Anspruch genommen. Die Inanspruchnahme des Wortes »Person« für das Reden von Gott bringt die Personwürde Gottes in seinem besonderen, unverfügbaren Geheimnis, aus dem heraus er Menschen nahe kommt, zur Geltung. Wenn Menschen aufgrund ihrer Glaubenserfahrung Gott als »Person« verstehen und so von ihm reden, dann verfügen sie nicht in anmaßendem Zugriff auf sein Geheimnis über ihn, sondern sie würdigen seine Freiheit, in der er für sie Gott ist. Alle personalen Sprachbilder für Gott, die sich der Glaubenserfahrung seiner Zuwendung zu uns Menschen verdanken, sind davon durchwirkt, dass sie diese Freiheit geltend machen.

Fragwürdig werden solche Sprachbilder, wenn sie gebraucht werden, um ein bestimmtes, sprachlich fixiertes Bild von Gott in der Vorstellungswelt von Menschen zu verfestigen und es wie einen Besitz von Menschen zu behandeln. Zwar haben bestimmte Sprachbilder für Gott von ihrem biblischen Ursprung her im Leben der Christenheit eine bestimmte Festigkeit gewonnen, die auch berechtigt ist. Wie wir gesehen haben, zählt etwa der Name Gottes als »Vater«, der im Gebet angerufen wird, dazu. Aber die patriarchalischen Vorstellungen, die sich schon in der Bibel und erst recht in der Geschichte der Christenheit mit dem Gebrauch dieses Namens verbunden haben, fordern uns doch dazu heraus, ihn neu auf die Freiheit Gottes zu beziehen. In Würdigung dieser Freiheit kann der Gottesname nicht so verstanden werden, dass er Gottes Zuwendung zu uns Menschen in männliche Erfahrungswelten kanalisieren möchte. Dieser Name ist eingedenk der Freiheit Gottes vielmehr so auszulegen und zu gebrauchen, dass bei seiner Artikulation alle menschlichen Erfahrungswelten gleich welcher geschlechtsspezifischer, sozialer oder gesellschaftlicher

Art in ihm bildkräftig Raum haben.

Die Einsicht, dass alles konkret bestimmte metaphorische Reden von Gott ein Geltendmachen der Freiheit

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Gottes ist, versetzt die theologische Reflexion der unmittelbaren metaphorischen Gottesrede in die Lage, jenen Einwänden konstruktiv zu begegnen, die heute gegen den Wahrheitsanspruch der christlichen Verkündigung des »personalen« Gottes erhoben werden. »Wahrheit« ist im biblischen Sinne nicht irgendeine Richtigkeit, die Menschen in Sätzen verwahren und verwalten. »Wahrheit« ist vielmehr das Ereignis der Treue Gottes zu seiner Menschenwelt, auf das Menschen sich in all seiner Unverfügbarkeit so verlassen können, dass sie zu Gott zu sagen vermögen: »Deine Wahrheit ist Schirm und Schild« (Ps 91,4). Im Glauben an Gott als Person kann diese Gewissheit nicht wie ein Besitz von Menschen verstanden werden, der sie in eine Position irdischer Überlegenheit gegenüber denen bringt, welche diese Gewissheit nicht haben. In diesem Glauben sind Menschen vielmehr darauf angewiesen, dass Gott in seiner Freiheit sich als der treue Gott, als »Hort, auf den ich traue« (Ps 18,3), erweist.

Die Anerkennung dessen kann bei Menschen deshalb niemals erzwungen werden. Sie kann sich nur in einer der Freiheit Gottes entsprechenden menschlichen Freiheit einstellen. Das Zeugnis von Gott, der als Person der treue Gott und in diesem Sinne selbst die Wahrheit ist (vgl. Joh 14,6), hat den Charakter der Einladung, ja der Bitte an andere Menschen (vgl. 2 Kor 5,20), sich von diesem Gott im Erweis seiner Wahrheit ansprechen zu lassen. Wo sich in der Geschichte des Christentums mit diesem Zeugnis Gewalt, Intoleranz und Hass auf Menschen anderen Glaubens verbunden haben, war das ein schwerer Missbrauch des Zeugnisauftrages Jesu Christi an seine Kirche. Für die Wahrheit Gottes kann die Kirche nur sine vi, sed verbo (»nicht mit Gewalt, sondern mit dem Wort«, Confessio Augustana 28) eintreten. Denn der Glaube an Gott als Person kann nur glaubwürdig bezeugt werden, wenn mit ihm die Achtung der Personwürde von Menschen einhergeht. Gewalt jeder Art verletzt diese Würde.

Aus diesem Grunde ist unsere Kirche herausgefordert, auch mit den Bildern der Gewalt, die sich in der Bibel mit der personalen Gottesvorstellung verbunden haben, eindeutig kritisch umzugehen. Schon im Alten Testament, etwa in der Friedensprophetie Israels, und erst recht in der Verkündigung Jesu vollzieht sich eine Überwindung der archaischen Gottesvorstellungen, die in jenen Gewaltgeschichten noch wirksam sind. Im Glauben an Jesus Christus, der im Leiden unter menschlicher Gewalt aller Verankerung von Gewaltvorstellungen in Gott den Boden entzieht, ist die Symbiose von Gott und menschlicher Gewaltausübung endgültig ans Ende gekommen. Die Majestät des personalen Gottes zeigt sich im Eintreten für die Personwürde aller seiner Geschöpfe und nicht in deren Vernichtung. Diese Wahrheit aber ist zutiefst darin begründet, dass Gott sich in seinem Kommen zur Welt und im Nahekommen zu jedem Menschen als ein Gott der Beziehung, als trinitarischer Gott erschlossen hat.

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4. Trinitarisch-personale Rede von Gott

Bisher wurde klar: Das personale Verständnis Gottes und damit die personale Rede von Gott sind für den christlichen Glauben und die christliche Verkündigung grundlegend und unverzichtbar. Wenn Gott nicht Personmerkmale zukommen, wie sie ihm das biblische Gotteszeugnis in großer Fülle zuspricht, dann lassen sich keine konkreten Beziehungen Gottes zum Menschen denken. Dann kann er nicht als in Freiheit handelnder Gott verstanden werden. Dann kann er nicht im Gebet angerufen werden. Dann ist das christliche Verständnis vom Heil, das Gott der Menschenwelt in Jesus Christus zuwendet, nicht mehr möglich. Das ist die Konsequenz der religiösen Anschauung von Gott als unpersonaler Kraft, die heute sowohl außerhalb der Kirche wie zuweilen auch innerhalb von Kirche und Theologie anzutreffen ist. Wie das personale Verständnis Gottes und die personale Rede von Gott zu verantworten sind, müssen Kirche und Theologie darum auf allen Ebenen des gemeindlichen und kirchlichen Lebens und in der Öffentlichkeit immer wieder verdeutlichen.

Diese Aufgabe erschöpft sich jedoch nicht darin, zu erklären, warum der eine Gott des christlichen Glaubens personal verstanden werden muss. Denn die christliche Kirche hat ihr Gottesverständnis, wie sie es aufgrund des Glaubens an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus ausgebildet hat, zur Zeit der Alten Kirche in das Bekenntnis zum drei-einen Gott einmünden lassen. Dieses Bekenntnis der Synode von Konstantinopel (381), das aufgrund seiner Erstfassung in der Stadt Nicäa (325) »Nizänisches Glaubensbekenntnis« heißt, wird in den Gottesdiensten unserer Gemeinden hin und wieder an Festtagen gemeinsam gesprochen. Aber es ist fraglich, ob alle Gemeindeglieder auch verstehen, was sie da bekennen. Dass die christliche Kirche sich in biblischer Sprache zu Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist bekennt, ist zwar allen aus der Eingangsliturgie des Gottesdienstes oder aus trinitarisch gegliederten Fürbittgebeten vertraut. Aber die Bedeutung, die damit verbunden ist, dürfte den meisten wohl ebenso wenig gegenwärtig sein wie die Probleme, welche die traditionelle Trinitätslehre zu bewältigen aufgibt. Wir können vielmehr davon ausgehen, dass der Normalfall des Glaubens an Gott in den christlichen Gemeinden der Glaube an den einen personal verstandenen Gott ist, der dann auch »Vater, Sohn und Heiliger Geist« heißt. Das Bekenntnis der Kirche, das die ganze weltweite Christenheit eint, aber besagt in seiner traditionellen Fassung, dass der eine Gott »in drei Personen« existiert (»una substantia - tres personae«).

Das klingt im Zusammenhang der Rechenschaft über den einen personalen Gott auf den ersten Blick verwirrend. Denn es scheint die Vorstellung nahezulegen, der christliche Glaube richte sich auf drei Personen wie auf drei Götter. So verstehen z.B. Muslime den christlichen Gottesglauben. Sie werfen ihm dementsprechend vor, dass er ein Rückfall in den Vielgötterglauben sei. Doch das ist ein Missverständnis. Die kirchliche Trinitätslehre ist eine Entfaltung des Verständnisses des Glaubens an den einen Gott, das im Bekenntnis zur Menschwerdung Gottes in Jesus Christus beschlossen ist (Joh 1,14). Um das zu verstehen, soll im Folgenden nicht dargestellt werden, wie die christliche Trinitätstheologie seit den Zeiten der Alten Kirche den dreieinen Gott zu denken versuchte und welche spezifische Begrifflichkeit sie dabei entwickelte. Vielmehr soll es darum gehen, Schritt für Schritt den Weg nachzuzeichnen, auf dem Menschen, die an Gott in Jesus Christus glauben, heute zum Bekenntnis der besonderen Personalität des dreieinigen Gottes kommen.

4.1 Der begegnende Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist

Wir haben gesehen, dass der christliche Glaube an Gott durch die Begegnung von Menschen mit Gott oder besser durch das Nahekommen Gottes zu Menschen entsteht. Diese Begegnung wird durch die besondere Geschichte Jesu Christi und Israels möglich, welche uns die Bibel mitteilt. Niemand kann sich diese Geschichte ausdenken oder sie erfinden. Wir müssen sie kennen lernen, wie sie einmal geschehen ist, wenn wir Gott kennen lernen wollen. Deshalb kann sich auch niemand Gott ausdenken oder ihn erfinden, wie er in dieser Geschichte von Menschen wahrgenommen wurde und wahrgenommen wird. Er ist, sofern er hier wahrgenommen wird, selbst als begegnender Gott zu verstehen. Das bedeutet: Wer oder was Gott ist, gewinnt hier für uns bestimmte Konturen. Denn wer uns begegnet, macht sich bekannt, indem er in eine Beziehung zu uns tritt. Er wird uns zum Gegenüber, zu dem wir unsererseits in Beziehung treten können. »Gestaltlose Nebel begegnen sich nie« (Hermann Hesse). Wenn Gott begegnet, dann gewinnt er also für uns eine bestimmte Gestalt.

Das scheint auf den ersten Blick eine ziemlich gewagte Aussage zu sein. Denn »Gestalt« kann für uns Menschen in Raum und Zeit eigentlich nur jemand haben, den wir sehen können. Gott aber ist auch im Verständnis der Bibel unsichtbar und jedem menschlichen Zugriff entzogen. Er hat keine »Gestalt« wie ein Mensch, der

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uns begegnet. Man kann Gott darum auch nicht mit den Sinnen erfassen und ihn malen, wie das in manchen Gemälden aus vergangenen Zeiten geschehen ist, die ihn als einen gütigen alten Mann mit Bart darstellen. Viele Menschen, die gerade in unserer heutigen Zeit durchaus »religiös« gestimmt sind, meinen deshalb, Gott könne sich bei uns höchstens in flüchtigen Eindrücken im Inneren unseres Bewusstseins oder in unbestimmten Gefühlen von einem Jenseits melden. Wer ihm eine konkrete, begegnende »Gestalt« zuspreche, mache ihn - wie es jenen alten Gemälden unterstellt wird - im Grunde zu einem Nicht-Gott.

An diesem Einwand ist - wie schon bei der Erörterung des Problems des Anthropomorphismus sichtbar wurde - richtig, dass wir Menschen in der Tat in der Gefahr sind, uns Gott auf allzu menschliche Weise wie einen Menschen auf höherer Ebene vorzustellen. Das Reden aus Glauben wehrt jedoch dieser Fehlentwicklung, indem die Unterscheidung von Gott und Mensch alle seine konkreten Aussagen von Gott grundiert. Unter Voraussetzung dieser Unterscheidung ist der begegnende Gott, für die, die an ihn glauben, nicht irgendein konturenloses, dunkles Jenseits, das wie ein Nebel über der Welt und unserem Leben hängt. Ein solches Jenseits würde uns bestenfalls ratlos und schlimmstenfalls Angst machen. Gott dagegen begegnet uns, indem er sich Menschen in unterscheidbaren Akten zuwendet, in einer strukturierten Weise. Er hat darum für die Wahrnehmung des Glaubens, die wir im Unterschied zu Wahrnehmungen mit unseren Sinnen am Besten »geistliche Wahrnehmung« nennen, in der Tat eine bestimmte Gestalt, von der wir metaphorisch mit bestimmten Bildern reden dürfen, ja müssen. »Ich glaube, darum rede ich« (2 Kor 4,13). Mit diesem Bekenntnis bringt der Apostel Paulus die Glaubenswahrnehmung Gottes auf den Punkt. Der uns in seinem Geheimnis nahe kommende Gott drängt uns nach dem Zeugnis der Bibel dazu, mit unseren menschlichen Worten von ihm als Person und von Besonderheiten zu reden, die ihn in seiner Zuwendung zu uns auszeichnen.

Es handelt sich bei diesen Besonderheiten um drei fundamentale Akte, in denen sich die Wirklichkeit des begegnenden Gottes für die Wahrnehmung des Glaubens konkretisiert und strukturiert. Gott begegnet als Schöpfer der Welt und des Menschen. Er begegnet im Menschen Jesus Christus und in der Verheißungsgeschichte Israels, um die Menschheit von der Macht des Bösen zu befreien und einen neuen Anfang mit ihr zu machen. Und er begegnet als immer neu gegenwärtig wirkender Gott, der bei Menschen in der Kraft seines Geistes Glauben weckt und sie zu einem Leben aus Glauben in Liebe und in Hoffnung auf die Vollendung der Welt frei macht. Wie gezeigt wurde, finden sich schon im Neuen Testament Ansätze dazu, dieses dreifach strukturierte Handeln Gottes dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist zuzuschreiben. Diese Namen für Gott sind in ihrer Beziehung aufeinander einerseits gewissermaßen die Kurzfassung der einen großen Geschichte, die Gott am Anfang der Welt mit der Menschheit begonnen hat und die er mit der Verwirklichung des Reiches Gottes vollenden wird. Andererseits bringt diese Kurzfassung des christlichen Gottesglaubens zum Ausdruck, dass Gott sich auf durchaus zu unterscheidende Weisen auf die Menschenwelt bezieht. Als Vater ruft er die Welt und die Menschheit ins Dasein und bleibt ihr mit seiner Schöpferkraft gegenwärtig. Als Sohn nimmt er selber an der menschlichen Geschichte teil und als Heiliger Geist ist er immer aufs Neue gegenwärtig: der erfahrbare und Menschen innerlich berührende Gott.


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