Evangelisches Gemeindelexikon



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Menken, Gottfried, *29.5.1768,11.6.1831 Bremen, reformierter Pfarrer, 1796 in Wetz­lar, seit 1802 in Bremen, 1828 Dr. theol. h. c. der Univ. Dorpat. Menken war ein markan­ter Vertreter eines heilsgeschichtlich orien­tierten —> Biblizismus, zu dem er Anregun­gen bei dem biblizistisch-theologischen Arzt Dr. Collenbusch und in den Schriften Bengels gefunden hatte. Er betont die Ein­heit von Altem und Neuem Testament und erkennt das Ziel der biblischen Geschichte im —» Reich Gottes, in dem Christus der

Herr ist. Predigt ist für ihn streng Schriftaus­legung. Er wendet sich gegen den Rationa­lismus und Moralismus der Aufklärung, aber auch gegen die konfessionelle und insti­tutionelle Verhärtung der Orthodoxie. Seine Homilien und exegetischen Arbeiten fanden große Beachtung (»Blicke in das Leben des Apostels Paulus«* Ges. W. III, »Uber die eherne Schlange** Ges. W. VI, »Monarchien­bild** zu Dan, 2, in Ges. W. VII).

Lit.: Ges. Werke 7 Bde. 1858 -60- C. H. Gildemei­ster, Leben und Wirken des D. G. M., 1861— Briefe von G. M. 1859

Flückiger

Mennoniten

Mennoniten sind die Nachfolger der im er­sten Reformationsjahrzehnt entstandenen »Wiedertäufer«. Mit dieser als Schimpf­name gedachten Bezeichnung wurden die verschiedensten Gruppen benannt, die die —» Taufe von Kleinkindern nicht als Taufe anerkannten und eine (erneute) Taufe der Erwachsenen übten oder befürworteten und dafür mit der Todesstrafe bedroht wurden. Nachdem das sogenannte Wiedertäuferreich in Münster, wo Radikale das himmlische Je­rusalem mit Gewalt herbeizwingen wollten, durch Verrat untergegangen war, sammelte Menno Simons, der als katholischer Priester aus Witmarsum, Friesland, 1536 zu den ver­folgten Täufergemeinden übertrat, die fried­

liehen Täufer in Holland und Norddeutsch­land. Diese wurden nach ihm M. genannt; es war zugleich eine Schutzbezeichnung. Nach Einführung der Toleranz in den Niederlan­den 1577 nannten sich die dortigen Gemein­den »Doopsgezinde« (Taufgesinnte), in der Schweiz später »Altevangelische Taufge­sinnte«.

Der Ursprung dieser Bewegung liegt bei dem Bibelkreis um Zwingli in Zürich seit 1523. Einige Konsequente (Konrad Grebel, Felix Mantz, Georg Blaurock) trennten sich von ihm, als sie durch das Bibelstudium die Glaubenstaufe als die wahre biblische Taufe erkannten (erste Taufe und Abendmahls­feier am 21.1.1525). Dazu kam durch das Emstnehmen der —» Bergpredigt die Ableh­nung des religiösen -» Eides, des —» Kriegs­dienstes, der Verbindung von —» Kirche und Staat; ferner die schlichte Feier des —> Abendmahls als Gedächtnis- und Gemein­schaftsmahl, die —> Gemeindezucht, die Wahl eigener auch Laienprediger, vor allem aber die persönliche -> Nachfolge Christi in der Bereitschaft zu ernsthaft christlichem Leben bis hin zum Martyrium. Diese Grundsätze der ersten reformatorischen —» Freikirche wirkten so revolutionär, daß die Staaten und Kirchen (kath. und ev.) aus Furcht vor einem Umsturz diesen »linken Flügel der Reformation« mit Feuer und Schwert auszurotten versuchten. Für ihre Überzeugung gingen etwa 3 000 Männer und Frauen in den Tod. Die literarischen Zeug­nisse sind der »Märtyrerspiegel« und der »Ausbund« (= Auswahl) von Liedern aus dem Gefängnis. Die Zerstörung der Ge­meinden war bis auf einige Reste in der Schweiz und in Holland gelungen. Doch ret­teten sich Überlebende nach Westpreußen, Mähren und Ungarn. Später sind die M. durch weltweite Wanderungen, meist durch religiöse Verfolgungen ausgelöst, nach Ruß­land, Nord- und Südamerika und durch die Mission nach Afrika und Asien gekommen. In Südrußland entstand unter baptistischem Einfluß im 19 Jh. die Mennoniten-Brüder- gemeinde. Bei den holländischen M. erhielt —> Fliedner 1828 erste Anregungen für die weibliche —> Diakonie. Ihre wirtschaftliche Tüchtigkeit ließ sie in vielen Ländern (Pfalz, Westpreußen, Rußland, Kanada, Paraguay) zu Pionieren der Landwirtschaft und zu Be­gründern der Seiden- und Leinenindustrie am Niederrhein werden. Bis in das 20. Jh.

hinein lebten die meisten M. als Landwirte abgeschieden von der -> Welt. Doch hat die Besinnung auf die Geschichte (zuerst Her­ausgabe des M. Lexikons, später H. S. Bender am Goshen College, USA, durch Veröffent­lichungen von Quellen und Untersuchun­gen) zu einem erneuten Ernstnehmen der m. Grundsätze geführt. Mit den anderen histo­rischen —> Friedenskirchen (—> Quäker, Kir­che der Brüder) arbeiten die M. aktiv für die Erhaltung des Friedens. Heute gibt es in der Welt ca. 580000 getaufte M. mit starkem missionarischem Engagement und ausge­dehnten Hilfsaktionen für Kriegsopfer, Flüchtlinge, sowie Entwicklungsdiensten in 40 Ländern der Welt.

Lit.: M. Lexikon, 1913-1967 - Die Kirchen der Welt Bd. VIII: Die M., 1971 - H. J. Goertz (Hg.), Umstrittenes Täufertum 1525 bis 1975, 1975 -D. G. Lichdi, M. im 3. Reich, 1977

Quiring

Mensch



  1. Aufgabe und Voraussetzung theologi­scher Anthropologie (= Lehre vom Men­schen)

Gegenstand theol. Anthropologie ist nicht der vorfindliche M. an sich, sondern der M. in Beziehung zu —> Gott und in seiner Be­stimmung zur Einheit mit Gott. Die Gottes­beziehung wird als das alles fundierende,

M.-sein erst ermöglichende und tragende Verhältnis betrachtet. Das besagt, daß das »Eigentliche« des M.-seins der empirischen Forschung und letztlich auch der Selbster­forschung des Ich entzogen ist, mithin, daß der M. das sich selbst verborgene Wesen ist, das nur soweit wahre Erkenntnis seiner selbst gewinnt, wie es sich vor Gott gestellt sieht und wie Gott ihm sagt, wer es ist. Dar­aus folgt, daß sich die Einzigartigkeit des

M.en nicht durch eine Analyse seiner Eigen­schaften (Verstand, Sprache usw.), in denen er sich mehr oder weniger vom Tier unter­scheidet, begründen läßt, denn der M. erhält seine einzigartige Stellung in Gottes —» Schöpfung nicht dadurch, daß er über dem Tier steht, sondern dadurch, daß er in beson­derer Weise unter Gott steht, daß Gott ihn als Partner erwählt, ihm eine besondere Be­stimmung zugedacht hat und ihn deshalb auch mit den Fähigkeiten ausrüstet, dieser zu entsprechen. Wenn die Einzigartigkeit des M.en sich nur aus der Beziehung Gottes zum M.en erschließt, dann erkennt der M. sich nur dort und soweit, wo und wie Gott sich selbst zum M.en in Beziehung setzt, d.h. letztlich nur im Lichte der in —> Jesus Chri­stus konkret gewordenen endgültigen Zu­wendung Gottes zum M.en. Das schließt ein, daß die Christologie das Fundament der theol. Anthropologie zu sein hat. Von dort her kommt der vorfindliche M. immer zu­gleich als Geschöpf Gottes und als M. im Widerspruch gegen den Schöpfer und seine Bestimmung als Geschöpf, also als Sünder und als der wahre und mit Gott versöhnte »neue« M. in den Blick.

n. Der Mensch als Geschöpf und Ebenbild Gottes

Der M. ist eine Setzung Gottes und hinsicht­lich seines Werdens und Seins nicht nur im Moment des Anfangs, sondern in jedem Le­bensvollzug dauernd von Gott abhängig und ständig auf die Gabe des lebenschaffenden —> Geistes angewiesen (Gen 2,7; Ps 104,29h). Das irdische Leben ist also einerseits als Set­zung Gottes dem M.en vorgegeben und als solches unverfügbare Gabe, andererseits ist der M. auch das Geschöpf Gottes, das mit seinem »Geschöpfsein« nicht fertig und festgelegt ist, dem vielmehr sein Leben zur Verwirklichung selbst aufgegeben ist, und zwar gemäß der ihm von Gott gesetzten Be­stimmung. Der M. vollzieht und gewinnt sein Leben in dieser Spannung von Vorgege­benheit und Aufgegebenheit und damit in der Freiheit des Geschöpfs im Gegenüber zu seinem Schöpfer nur sofern und soweit er sich in Beziehung auf den und in Verantwor­tung vor dem Geber des Lebens verwirk­licht.

Die leib-seelischen Bedingungen des Lebens sind auf des M.en Bestimmung abgestimmt, d.h. der M. hat - wie er als Geschöpf ein end­liches Wesen ist - auch eine begrenzte Le­bensaufgabe. Geschöpflichkeit ist gleichbe­deutend mit räumlicher und zeitlicher Be­grenztheit. Daß der Körper als sichtbarer Ausdruck der Endlichkeit den M.en mit der Natur und Kreatur verbindet, kann kein Übel sein, da die Zuwendung Gottes diesem konkreten M.en gilt, so daß die Leiblichkeit auch gerade hinsichtlich der Gemeinsam­keiten mit den Tieren ganz ernst zu nehmen ist. Der Leib ist jedoch mehr als Natur; er ist Ausdrucksfeld des Subjekts (Ich) und Ein­trittsfeld der Um- und Mitwelt und so die Person selbst. Nur als Leib ist der M. ein Ich, das sich im Gegenüber zu einem Du als ge­schichtliches Wesen verwirklicht. Im Kör­per vollzieht und bewährt sich die Begeg­nung mit dem Nächsten in der —» Liebe und mit Gott im Hören auf das Wort Gottes und im Lob und Dank (Röm 12,1 f.; iKor 6,12ff.), so daß der Leib das Schnittfeld der Natur-, Mitwelt- und Gottesbeziehung ist, in denen sich Leben ereignet und der M. seine Be­stimmung zu bewähren hat.

Die wenigen Stellen, an denen das AT davon redet, daß der M. zum Ebenbild Gottes ge­schaffen ist (Gen 1,26f.; 9,6), müssen von der besonderen Zuwendung Gottes zu diesem Geschöpf »Mensch« her verstanden werden, wie in Ps 8,5 h mit Erstaunen festgestellt wird. Der M. ist dasjenige Wesen, mit dem Gott reden will und das Gott antworten soll und das als Folge dieser »Erwählung« auch mit der Fähigkeit zum Hören von und zur Antwort auf Gottes Wort begabt und so Got­tes Ebenbild ist. Die Antwort vollzieht sich (1) im Lob Gottes und Dank für die dem

M.en zugeeignete Auszeichnung, Partner Gottes zu sein, (2) in der liebenden Begeg­nung und gegenseitigen Verantwortlichkeit von Menschen, besonders in der Gemein­schaft von Mann und Frau (Gen 1,27) als ex­emplarischem und begrenztem Feld in der Gesellschaft, in dem sich Liebe als Treue und Vergebung bewähren soll (1 Kor 13), und (3) in dem Gottes Schöpfung verwaltenden, verantwortlichen - aber nicht selbstherrli­chen und ausbeutenden - Umgang mit der Kreatur und Natur. Der M. ist dazu frei und bestimmt, vor Gott für die Mitmenschen und die Natur Verantwortung zu tragen und steht so als Mitarbeiter Gottes im Dienste von Gottes Absicht mit der Schöpfung.



III. Der Mensch im Widerspruch gegen Gott

Seit der —> Alten Kirche hat man unter Rückgriff auf den unterschiedlichen Wort­gebrauch in Gen 1,27 zwischen Gotteben­bildlichkeit und Gottähnlichkeit unter­schieden und unter ersterer die Ausstattung des M.en mit Vernunft und Freiheit verstan­den und unter letzterer die zur Gotteben­bildlichkeit hinzutretende übernatürliche Gottesgemeinschaft und Unsterblichkeit, die durch den Sündenfall verlorengegangen seien, während die Ebenbildlichkeit unver­lierbar sei. Auf diese Weise versuchte man einerseits, die —» Sünde als Zerstörung der Gottesgemeinschaft ernst zu nehmen, und andererseits festzuhalten, daß auch der Sün­der zur Gottesgemeinschaft fähig ist.

Bei dieser Aufteilung der Ebenbildlichkeit wird verkannt, daß der M. nicht deshalb Sünder ist, weil er vor einer übernatürlichen, unendlichen Lebensbestimmung versagt, sondern weil er nicht bereit ist, seine eigene Endlichkeit und Angewiesenheit auf Gott zu bejahen. Indem der M. versucht, zu sein wie Gott (Gen 3,5), verliert er gerade seine Freiheit, für Gott offen zu sein. Er versucht, sich selbst gegen Gott und auch den Mit­menschen zu behaupten, und verfällt so dem Zwang, sich vor Gott, den Mitmenschen und sich selbst durch seine eigene Leistung zu rechtfertigen und zu bestätigen. Indem er sich selbst durch seine Taten als Person zu gründen versucht, verfällt er sich selbst und wird Opfer seiner eigenen Ideale (Röm 7,19). Darin erweist sich, daß der M. an dem, was seine Würde als Ebenbild Gottes ausmacht, scheitert und daß er sich von seinem Inner­sten her in einen aktiven Widerspruch zur geschöpflichen Bestimmung und damit zum Schöpfer setzt. Wenn die Sünde gerade aus dem »Selbst« entspringt, dann ist der M. vor Gott ganz Sünder, weil die ganze Richtung seines Daseins und damit auch der M. in dem verkehrt ist, was sein Sein und Wesen ausmacht, nämlich seine Beziehung zu Gott. I

keit zu bejahen, sich unter Gott zu stellen und sich nicht durch seine Taten vor Gott behaupten und selbst vollenden zu wollen. So läßt sich der M. hineinnehmen in die —» Nachfolge Christi, in die Sendung Jesu an die —» Welt und für die Welt und wird so zum Gottes Willen entsprechenden neuen M.en. Auch das neue Sein in Christus ist nicht Be­sitz, sondern Gabe, Werk des neuschaffen­den —> Geistes Gottes am M.en, der immer wieder hineingerufen wird in ein Leben im Glauben, in dem er sich schon jetzt als der neue M. weiß, und in der —» Liebe, in der er das neue Leben schon jetzt lebt, und in der Hoffnung, in der er auf die endgültige Über­windung von Sünde und —» Tod wartet (Röm 8,18ff.). Der Christ ist diesen Größen nicht entnommen, ist noch nicht der vollkom­mene M., der er sein wird (ijoh 3,2), wenn Gott Sünde und Tod durch seine neue Schöpfung ein Ende bereitet haben wird (Offb 21,4L), er ist Sünder und »gerecht« zu­gleich. Der Freispruch der Person von ihren Sünden schließt die Verheißung endgültiger Vernichtung des —» Bösen und des Todes und damit die volle Neuwerdung der Person durch die Auferweckung von den Toten (-» Auferstehung) notwendig in sich. Der Ort der Bewährung des Lebens vor Gott ist je­doch dieses befristete irdische Leben, das Gott — wenn es in Glauben und Verantwor­tung vor ihm gelebt wird - nicht ins Nichts fallen läßt, sondern dem er Bestand über den Tod hinaus verbürgt und so Anteil an der vollkommenen Gemeinschaft mit ihm ge­währt.

-> Humanismus -» Seele

Lit.: H.W.Wolff, Anthropologie des Alten Testa­mentes, 1973 - H. Thielicke, Mensch sein - Mensch werden, 1976

Eibach


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