Heilsgewißheit
Im AT kommt eine Art kollektive H. zum Ausdruck im Vertrauen auf die Bundestreue Gottes, in der er sein erwähltes Volk vor seinen Feinden retten wird (Jes 7). Solche H. kann allerdings zu einer falschen Gewißheit entarten, wo man nichts mehr von der heiligen Gerechtigkeit Gottes weiß (Jer 7,4). Im Judentum zeigte sich solche fragwürdige H. in der Berufung auf die Abstammung von Abraham und seine Verdienste vor Gott (Mt
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. Daneben gründete man H. vor allem auf die Erfüllung des Gesetzes. Solche H. verführte nicht nur zu einer dem Doppelgebot der Liebe widersprechenden Selbstgerechtigkeit (Lk 15,25ff.; 16,15; vgl- Röm 10,3), sondern hinterließ auch eine letzte Ungewißheit, ob denn der Gehorsam auch ausreiche, um vor Gott zu bestehen (Mt 19,2 5; vgl. Röm 3,1 off.; 9,31).
Indem Jesus gerade Sündern die vergebende Liebe Gottes zusprach (Lk 19,10), wurde in der Annahme dieser Botschaft (—> Bekehrung; —» Glaube) für den einzelnen echte H. möglich. Dabei bezieht sich —» Heil im NT nicht nur auf das gegenwärtige Verhältnis zu Gott, sondern hat immer zugleich das - als nah erwartete — Endheil im Blick (iThess i, i o). Der dem Glaubenden verliehene Hl. —> Geist, der in ihm die H. wirkt (Röm 8,14-16), ist Angeld der kommenden Erlösung (2Kor 1,22; Eph 1,14). Solange das Ende noch aussteht, ist die Anteilhabe am Heil allerdings nicht ungefährdet. Ausdrücklich wird vor falscher Sicherheit gewarnt (Mt 26,41; 24,9-13; vgl. iKor io,i2f.; Phil 2,12f.; Röm ii,20; iTim 4,1; Hebr 6,4ff.; 1 o,26ff.; vgl. als Beispiele für Abfall vom Glauben Phil 3,18; iTim 5,15). Neben den Warnungen aber stehen Verheißungen und Aussagen der Zuversicht (Lk 22,3if.; Joh ro,28; Phil 1,6; iKor 10,13; Röm 8,38f.; 2Tim 2,13).
In der frühen und mittelalterlichen Kirche wurde, vor allem in Abwehr falscher Sicherheit und sittlicher Laxheit, das eigene Tun des Menschen wieder zunehmend (mit-)be- gründend für die Erlangung des Heils, sei es im Sinne frommer Werke oder mystischer Versenkung. Entsprechend lehnte das Tri- dentinische Konzil 1547 die H. ausdrücklich ab, da niemand wissen könne, wer von Gott erwählt sei (Sessio 6, Cap 12; vgl. Can 15), und noch die moderne kath. Dogmatik spricht in diesem Zusammenhang betont von »Ungewißheit« (L. Ott, Grundriß 294). Demgegenüber fand Luther in der —» Rechtfertigung aus Gnade allein auch die Antwort auf die ihn jahrelang umtreibenden Prädestinationszweifel und damit zur H. (WA 18,783; vgl. in den späteren luth. Bekenntnisschriften FC SD XI 45).
In den Linien der -» Reformation ist auch im —» Pietismus die Lehre von der H. stets als zu echtem Glauben wesentlich dazugehörend lebendig gewesen (vgl. Spener, Erkl. d. ehr. Lehre § 423; M. —> Kähler, Wissenschaft d. ehr. Lehre § 497ff. »Abdruck der Erwählung im menschlichen Bewußtsein«).
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wird heute dort praktisch ausgeschlossen, wo (wie weithin in volkskirchlicher Frömmigkeit) —» Bekehrung abgelehnt wird und das Christsein nur ein »strebend sich bemühen« ist, bei dem das Ziel offen bleibt.
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wird aber dort mißverstanden, wo man (wie in manchen Strömungen des Neupietismus) aus ihr eine Theorie von der Unver- lierbarkeit des Glaubens nach der Bekehrung macht. Ihr widerspricht eindeutig das Zeugnis der ganzen Schrift. Auch foh 10,28 ist so wenig als gleichsam absolute Automatik gedacht wie die Zusage der —> Gebetser- hörung 15,7. Hilfreich kann demgegenüber —» Schniewinds im Anschluß an Luther getroffene Unterscheidung von H. (= ceititu- do) und Heilssicherheit (= securitas) sein, wobei Sicherheit als Beziehung zu Sachen, Gewißheit als Beziehung zwischen Personen verstanden ist, auf die die Frage nach Sicherheiten und Garantien ja eher zerstörend als festigend zu wirken pflegt. Heilssicherheit entsteht im Anschluß an eine Theorie, die mehr aus einer abstrakten Vorstellung von Gottes Allmacht und Unveränderlichkeit als vom biblischen Wort abgeleitet ist.
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entsteht im persönlichen Anschluß an Jesus, der im Zuspruch der Vergebung der Sünden in die Gemeinschaft mit Gott ruft und Anteil an seinem Reich gibt (Kol i,i3f.).
Lit.: J. Schniewind, Gewißheit - nicht Sicherheit, 1935, in: Zur Erneuerung des Christenstandes, 1966
Burkhardt
Heilslieder -» Liedgut
Heim, Karl, *20.1.1874 Frauenzim- mern/Württbg., f30. 8. 1958 Tübingen, Württ. Theologe. Durch E. —» Schrenk bekehrt, prägte er die DCSV (—> Studentenarbeit) als ihr Reisesekretär (1899—1902). 1907 Privatdozent für syst. Theologie in Halle, 1914 ordentlicher Professor in Münster, 1920 in Tübingen.
Dem statischen Denken des damals modernen Weltbildes des Mechanismus setzte H. das dynamische Denken entgegen (»Das Weltbild der Zukunft / Eine Auseinandersetzung zwischen Philosophie, Naturwissenschaft und Theologie«, 1904). Alles ist relativ, der einzig »feste Ort« ist Christus. Daraus ergab sich das perspektivische Denken, das aus der Christus-Mitte die ganze Wirklichkeit verstehen wollte. Kants Antinomien, —> Kierkegaards Paradoxe - auf diesem Wege dachte H. als christozentrischer Philosoph weiter, bis er seine Lehre von den Dimensionen fand. H. hat sich immer aufs neue bemüht, die Denkmöglichkeit des Glaubens darzulegen (»Glaubensgewißheit« 1916, 19494). Der Sprung aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit blieb allerdings der persönlichen Entscheidung Vorbehalten.
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hat die sog. »neuere Apologetik« begründet: jede Weltanschauung enthalte an einem Punkt einen Widerschein der Wahrheit; deshalb gelte es, sie aus ihrer Einseitigkeit zu befreien, indem man sie »zu Ende denkt«. Dieses Verfahren führte letztlich zu der Fra-
Karl Heim
ge: Gott oder Verzweiflung? Deshalb galt H. im Hitler-Reich als Nihilist. H. vollzog unermüdlich Begegnungen mit den großen Geistern seiner Zeit (Tolstoi, Einstein, Spengler), hatte im Geist die asiatischen Hochreligionen durchlaufen sowie die von Ebner entdeckte Du-Ich Beziehung in sein dimensionales Denken aufgenommen (»»Glaube und Denken«, 1931).
Er hat das Erbe des schwäbischen -» Pietismus bewahrt, hat es aber ins Universale geweitet. Bezeichnend dafür ist seine Christologie: Christus als Kämpfer gegen den Satan; dieser wurde auf Golgatha entrechtet, wird aber erst am Jüngsten Tag entmachtet. Weil der württ. Pietismus sich von der Politik ferngehalten hatte, half H. mit, den —> Christlichen Volksdienst theologisch zu begründen, in welchem die Pietisten an der politischen Verantwortung Anteil nahmen.
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war zu seiner Zeit der Theologe mit der umfassendsten Kenntnis der modernen Naturwissenschaften. Überlaufen war seine Vorlesung »»Christentum und Naturwissenschaft«. Daraus wurden Band4-6 seines zusammenfassenden Werkes »Der ev. Glaube und das Denken der Gegenwart«. Bereits als DCSV-Sekretär hatte er ein universales Denken bewiesen. So wurde er 1922 als Delegierter zur Weltkonferenz der CSV-Bewe- gung nach Peking eingeladen. Auf der Welt-Missionskonferenz zu Jerusalem 1928 —> ökumen. Bewegung) hielt er den entscheidenden Vortrag über die christliche Botschaft. Nach 1933 stand er abseits (gegen die Deutschen Christen, —» Kirchenkampf). Als Frühprediger verkündete er ebenso bildhaft wie christozentrisch in der vollen Stiftskirche vor Hörern aller Stände.
Lit.: Schrifttum über Heim: Seine Autobiographie »Ich gedenke der vorigen Zeiten«. - H. Schwarz, Das Verständnis des Wunders bei Heim und Bultmann, 1966 - H. Timm, Glaube und Naturwissenschaft in der Theologie K.H.s, 1968 - H.W.Beck, Götzendämmerung in den Wissenschaften, 1974 - A. Köberle, K. H. Denker und Verkündiger aus ev. Glauben, 1974
Melzer
Heim-Gesellschaft
Die Karl-Heim-Gesellschaft zur Förderung einer biblisch-christlichen Orientierung in der wissenschaftlich-technischen Welt wurde 1974, im hundertsten Geburtsjahr K. —» Heims, in Freudenstadt auf Initiative von Dr. Dr. Horst W. Beck gegründet. Ihre Arbeit hat drei Schwerpunkte: 1. Anknüpfung an das theologische Werk K. Heims, Förderung der Neuauflage seiner wichtigsten Schriften sowie ihre Verbreitung und Erarbeitung; 2. eigenständige Weiterführung der von Heim aufgenommenen konstruktiven Auseinandersetzung zwischen den empirischen Wissenschaften und einer biblisch ausgerichteten Theologie in interdisziplinärer wissenschaftlicher Grundlagenforschung; 3. mis- sionarisch-seelsorgerliche Bemühung in der Weitergabe der gewonnenen Erkenntnisse. Die KHG hat z.Zt. etwa 70 Mitglieder. Die Geschäftsstelle ist in Freudenstadt.
Hafner
Heimatmission
Die Heimatmission des Bundes Ev.-Frei- kirchlicher Gemeinden (-» Baptisten) hat ihren Ursprung in der ersten -> Gebietsmission 1968. Sie will der Herausforderung durch die zunehmende Entchristlichung der Menschen unserer Gesellschaft mit einer Konzentration der missionarischen Arbeit im eigenen Land und einer Aktivierung der Gemeinden begegnen. Als Impulsvermittler und Umsatzstelle für Ideen und Programme dienen in der Geschäftsstelle des Bundes (Bundesmissionshaus in Bad Homburg v.d.H.) drei Referate: Referat Gemeindeaufbau, dem die missionarische Planung, die —> Gemeindebibelschule, die Öffentlichkeitsarbeit und die Betreuung der Rücksiedler aus
Osteuropa zugeortnet ist. Referat Evangelisation, das die umfangreiche Zeltmission sowie die Schwerpunktevangelisation »evangelia«, aber auch alle Fragen der Ge- meindeevangelitation wahrnimmt. Referat Mitarbeiterschulung, dem die Weiterbildung von Mitarbeitern (Älteste, Predigthelfer, Gesprächsleiter), die Koordination der Bildungsinstitute innerhalb des Bundes und der Förderung des Gemeindeschrifttums untersteht. Besondere Anstöße gehen von den seit 1971 regelmäßig in der Familienferienstätte Dorfweil/Taunus durchgeführten missionarischen Arbeitstagungen aus.
Zeiger
Heinemann, Gustav Walter, *23.3.1899 Schwelm, 17.7.1976 Essen. Der Jurist und Nationalökonom fand 1928 durch die Begegnung mit dem Essener Pfarrer Graeber vom atheistischen Monismus zum Glauben an Christus. Er arbeitete von da an intensiv in der christlichen Gemeinde am Ort (Presbyter, Vorsitzender des —»■ CVJM und des Weigle-Hauses) und in der Gesamtkirche mit. Im —> Kirchenkampf Mitglied der Bekennenden Kirche war er nach 1945 Mitglied der Kirchenleitung der Ev. Kirche im Rheinland und Präses der Synode der Ev. Kirche in Deutschland (1949-55). Sein christlicher Glaube führte ihn zur Übernahme öffentlicher Verantwortung als Oberbürgermeister von Essen (1946-49), Landesjustizminister (1947-48), Bundesinnenminister (1949-50), Bundestagsabgeordneter (1957-69), Bundesjustizminister (1966-69) und Bundespräsident (1969-74). Lit.: W. Koch, Heinemann im Dritten Reich, 1972
Parzany
Heitmüller, Friedrich, *9.11.1888 Volksen am Deister, f 1.4.1965 Hamburg. 1908 Bekehrung auf der Glaubenskonferenz der »Christlichen Gemeinschaft Philadelphia«, Hamburg, Holstenwall. Ausbildung im Predigerseminar St. —> Chrischona. Seit 1918 Leitung der Christlichen Gemeinschaft und des Diakonissen-Mutterhauses Elim. Durch rege Evangelisationstätigkeit Ausweitung der Arbeit im norddeutschen Raum. Nach anfangs positiver Einstellung zum »Dritten Reich« erhielt er wegen christlicher Stellungnahmen zu Zeitfragen doch Rede- und
Friedrich Heitmüller
Schreibverbot. 1934 erfolgte der Anschluß des Hamburger Werkes an den Bund —> Freier ev. Gemeinden. Mitarbeit in der Ev. —» Allianz. Herausgeber und Schriftleiter der Zeitschriften »In Jesu Dienst« und nach 1945 »Das Feste Prophetische Wort«.
Lit.: H. Brandenburg (Hg.), Zeugnis und Dienst. Gmß der Brüder für F.H., 1958
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Schmidt
Hengstenberg, Emst Wilhelm, *20. 10. 1802 Fröndenberg (Westf.), 1^8.5.1869 Berlin, Professor der Theologie, studierte klassische und orientalische Philologie, Philosophie und Theologie in Bonn und Basel. Hier kam er in Berührung mit der —» Christentumsgesellschaft und dem Missionshaus. In Berlin (seit 1824) schloß er sich der —» Erweckungsbewegung an, nachdem er sich, wie er sagte, vom »philosophischen Fieber« abgewandt hatte. In der biblischen Exegese war H. Bahnbrecher einer theologischen Interpretation des AT, vor allem durch die »Christologie des AT« (3 Bde, 1829-35) und seine bis heute lesenswerten Kommentare. Als Redakteur der »Ev. Kirchenzeitung« (seit 1827) kämpfte er leidenschaftlich gegen den Rationalismus, den er die »Theologie des natürlichen Menschen« nannte, gekennzeichnet durch die Leugnung der Weissagung und des Wunders. Er wurde mehr und mehr Befürworter eines lutheri-
Emst Wilhelm Hengstenberg
sehen Konfessionalismus und Verteidiger des Bündnisses von Thron und Altar.
Lit.: UberH.: H.-J. Kraus, Geschichte der hist.-krit. Erforschung des AT, 19692, S. mft.
Breymaier
Henhöfer, Aloys, *11.7.1789 Völkersbach, 15,12.1862 Spöck (bei Karlsruhe). Als katholischer Pfarrer von Mühlhausen (seit 1817) stieß er auf die Schrift von M. -» Boos »Chri-
stus für uns und in uns«. Von da an predigte er nicht mehr nur Buße, sondern »mit ebenso viel Eifer das Wort von der Versöhnung und der freien Gnade Gottes in Christus«. 1823 trat H. nach seinem Ausschluß aus der katholischen Kirche in die badische Landeskirche über. In ihr wirkte er als Pfarrer von Graben (seit 1823) und Spöck (seit 1827). Unterstützt von befreundeten Pfarrern, die er bei den »Textkränzen« gewonnen hatte, wurde er der Führer der —» Erwek- kungsbewegung in Baden. Seit 1833 gaben sie die »Christlichen Mitteilungen« heraus, eine erbauliche Wochenzeitschrift, durch die sie aufs Volk einwirken wollten. Entschlossen bekämpfte H. den Liberalismus in der Kirche. Er förderte die Äußere und die Innere —» Mission. So entstanden die beiden großen badischen Diakonissenhäuser in Karlsruhe und in Nonnenweier. Überall im Lande baute man Kinderschulen, die meistens zugleich als Gemeinschaftshäuser dienten. Das Waisenhaus in der Hardt bei Karlsruhe (»Hardthaus«) wurde H.s »liebstes Kind«.
Über H.: F. Hauss, Henhöfer und seine Freunde, 19612 - F. Hauss, Erweckungspredigt, 19672, S. i8ff.
Breymaier
Hermannsburg
Hermannsburg - ein Dorf im Süden der Lüneburger Heide -gewann kirchengeschichtliche Bedeutung durch die Gründung der »Hermannsburger Mission« im Jahre 1849 durch L. —> Harms. Seine auf persönliche —> Bekehrung und —> Heiligung zielende Predigt löste in H. und im nördlichen Niedersachsen eine große Bewegung aus. Sie hatte zugleich einen betont lutherischen Akzent. Dadurch blieb die H.er Erweckung lehrmäßig lutherisch bestimmt und auch äußerlich im Rahmen der Landeskirche. Die Besetzung des lutherischen Hannover durch das unierte Preußen führte zur Gründung von lutherischen Freikirchen in und um H. (unter L. Harms' Bruder und Nachfolger Theodor Harms). Diese Ursprungsituation einer kirchlich gebundenen Erweckung blieb für die H.er Mission charakteristisch.
Im Mai 1977 ist die H.er Mission im Zuge der organisatorischen Integration von Kirche und Mission zusammen mit Teilen der Leipziger Mission in das Niedersächsi- sche Missionswerk überführt worden. Die-
ses Werk versteht sich nunmehr überwiegend als gemeinsame Einrichtung der ev.- luth. Landeskirchen Hannovers, Braun- schweigs und Schaumburg-Lippes, die das Werk theologisch und rechtlich mit verantworten.
Aus der Arbeit der H.er Mission ist in den 20er Jahren auch eine —> Volksmission und eine Volkshochschule entstanden, die ihren Sitz ebenfalls in H. hat. Ein Teil der Freunde der H.er Mission hat sich in der H.er Missionsgemeindebewegung gesammelt, um auf diese Weise das Erbe von L. Harms zu wahren.
Um das Missionsseminar hat sich seit 1958 ein eigener Freundeskreis gebildet, aus dem seitdem vorwiegend der missionarische Nachwuchs kam. In diesem Freundeskreis ist es im Zuge der —» Bruderschaftsbewegung des 20. Jh.s zu verschiedenen Gestaltungen gekommen. Sie tragen die Namen: Koino- nia, Gruppe 153 (Ev.-luth. Missionsdienst) und Kleine Brüder vom Kreuz. Die Verbindlichkeiten reichen von einer ordensmäßigen Struktur mit einer festen Regel (Koinonia) bis zur Form einer lockeren Dienstgemeinschaft (Kleine Brüder, Gruppe 153). Alle Gruppen stehen theologisch-geistlich in der pietistisch-lutherischen Tradition und versuchen, sie für unsere Zeit fruchtbar zu machen. Sie sind organisatorisch unabhängig, arbeiten aber in der Kirche und Mission mit. Sie unterhalten neben ihrer Freizeit- und Tagungsarbeit eine Laienmitarbeiterschule und ein Freizeitheim (Haus Lutterloh) und geben eine vierteljährlich erscheinende Zeitschrift »Gebet und Dienst« heraus.
Bartholomae
Herrnhuter -> Brüdergemeine
Heukelbach, Werner, *8.5.1898 Wiedenest, f 5-2.1968 ebenda, vollzog als 3ojähri- ger Bahnbeamter mit seiner Entscheidung für Jesus Christus eine radikale Lebenswende und wurde nach vorzeitiger Pensionierung mit 38 Jahren vollzeitlicher —» Evangelist. Seine geistliche Heimat fand er in den christlichen —» Versammlungen; seine Missionsarbeit betrieb er unter Mitwirkung von Gläubigen aller Gemeindekreise, denen sich die durch ihn Gewonnenen anschlossen. Mit seiner einfachen Verkündigung erreichte er die Massen in großen Sälen und Zelten. Er wurde Pionier der
Evangeliumsverkündigung durch die Massenmedien im deutschsprachigen Raum: Über 1 Million Traktate, Hefte usw. monatlich in mehr als 60 Ländern; seit 1957 70 bis 80 Rundfunksendungen pro Monat, evange- listische Anzeigen in großen Zeitungen und regelmäßige Kurzbotschaften über Telefon. Auch Flugzeuge setzte H. mit seinem überall bekannt gewordenen Ruf: »Gerade du brauchst Jesus!« ein. Seit seinem Tode wird das »Missionswerk W. H.« von Mitarbeitern weitergeführt.
Lit.: Holm-Dieter Roch, Naive Frömmigkeit der Gegenwart, 1969
Schrupp
Hexenwahn
Volkstümliche Vorstellungen von Unholden, Werwölfen u.ä. gab es schon seit dem Altertum und allenthalben. Den eigentlichen Hexenprozeß gab es nur im Raum der westlichen Christenheit. Die erste Einäscherung wegen des den Hexen später allgemein zugeschriebenen Tatbestands erfolgte 1275 in Toulouse. Bis 1350 gab es in Südfrankreich etwa 600 Hexenverbrennungen. Um 1360 griffen die Verfolgungen auf Oberitalien über. Nur langsam dehnten sie sich auf andere Länder aus. Als 1484 die Bulle »Summis desiderantes affectibus« von Papst Innozenz VIII erschien, die den H. allgemein sanktionierte, hatte es zwar in den meisten Ländern schon sporadisch Hexenprozesse gegeben, oft gegen kirchliche und obrigkeitliche Widerstände, aber von einer allgemeinen Ausbreitung des Wahns konnte noch keine Rede sein. Wesentlich zu dessen Ausbreitung trug dann der Buchdruck bei. Der 1487 erschienene Malleus maleficarum (»Hexenhammer«) der Dominikaner-Inquisitoren H. Institoris und J. Sprenger wurde vierzigmal nachgedruckt! Die öffentlich durchgeführten Verbrennungen erregten nicht nur Furcht, sondern entzündeten auch Phantasie und Mißtrauen. Die Pestzüge jener Zeit verstärkten die latente Panik im Volk. In der zweiten Hälfte des 16. und Anfang des 17. Jh.s steigerte sich der Wahn zu einer allgemeinen Hysterie, die hunderttausende von unschuldigen Opfern forderte. Am furchtbarsten waren die Hexenjagden in den deutschen Fürstbistümern, aber schreckliche Verfolgungen gab es in allen katholischen und protestantischen Ländern.
Eine Vorbedingung dieser Entwicklung war
die Ausbildung eines neuen Prozeßverfahrens, des Inquisitionsprozesses, der von der kirchlichen Inquisition im Zusammenhang mit der Verfolgung der Katharer und Waldenser in Südfrankreich geschaffen, von Papst Gregor EX. 1232 zur Institution erhoben wurde. Im Unterschied zum Akkusa- tionsprozeß kann das Inquisitionsverfahren auf Denunziation oder Verdacht hin eingeleitet werden, der Angeschuldigte hat kein Recht auf einen Rechtsbeistand, die Folter ist erlaubt und wurde zur Regel, dem Geständnis folgte zumeist die Verbrennung. Die Inquisition war bevollmächtigt, auch ohne Erlaubnis der Bischöfe Ketzer- bzw. Hexenverfolgungen aufzunehmen. Im 15. Jh. wurde das Inquisitionsverfahren dann mehr und mehr auch von der weltlichen Justiz übernommen, wenn gegen Ketzer oder Hexen vorgegangen wurde.
Zum Inquisitionsprozeß kommt hinzu die Ausbreitung einer übereinstimmenden Doktrin des Hexenwesens, die ebenfalls im Schoß der kirchlichen Inquisition ausgebildet wurde. Die ersten Autoren, welche über das furchtbare Treiben der neuen Teufelssekte (synagoga diabolica) berichteten, waren bis zu Institoris und Sprenger alle Inquisitoren, meist Dominikaner, wie Nikolaus Jaquier und Johann Nider. Zu der Doktrin, wie sie im »Hexenhammer« vorlag, fügten spätere Hexenbücher nichts wesentlich Neues mehr bei, sie dienten nur der Verbreitung.
In diese Doktrin sind Elemente des Volksaberglaubens aufgenommen, wie Verwandlung in Tiergestalt (Werwölfe) und Hexenflug. Aber die zentralen Aussagen, die durch alle Hexenlehren hindurchgehen, sind (1) die Teufelsbuhlerei, d.h. der Vorwurf, mit Manns- und Weibsteufeln (Incubis und Suk- kubis) geschlechtliche Ausschweifung zu pflegen, und (2) die Teilnahme am Hexensabbat, an dem beim Hexenmahl die Messe verhöhnt wird, wozu man auch den in Bocksgestalt anwesenden Teufel küßt und verehrt und sich zuletzt wieder in wüsten sexuellen Ausschweifungen ergeht. Das innerste Motiv ist wohl die Verteufelung des Sexuellen (—» Sexualethik). Und das läßt zumindest auf die psychologischen Wurzeln des Hexenwahns schließen. Schon für die Kirchenväter des späteren Altertums war die sexuelle Begierde, die Konkupiszenz, die eigentliche Erbsünde, die durch Evas Fall in die Menschheit hineingekommen sei (Ambrosius, Augustinus). Konkupiszenz ist an sich schon Unreinheit, durch die der —»Teufel Macht über die Menschen bekommt. Vom Hintergrund dieser Ansicht her wurde das Keuschheitsgebot für Geistliche aufgestellt. Die Hexendoktrin ist von Zölibatären (Unverheirateten) geschaffen worden, und zwar von Angehörigen jener Orden, die durch ihren direkten Kontakt mit der Bevölkerung jener Versuchung ständig ausgesetzt waren, die sie nach ihren eigenen Veröffentlichungen als dämonische Verlockung anzusehen gewohnt waren. Die Gleichsetzung von Erotik mit Unreinheit prägte, als Folge der asketischen Moralpredigt, auch die Volksfrömmigkeit, auch noch im Protestantismus, so daß die psychologische Voraussetzung für den Hexenwahn gegeben war. Dieser ist demnach aus dem spezifisch spätmittelalterlichen Asketismus zu erklären, der Unkeuschheit mit Dämonie und Ketzerei dogmatisch verknüpft hat, Wie dies im »Hexenhammer«, aber auch in den späteren Hexenbüchern eines Remigius, Bodinus, Binsfeld, Boguet, Danäus, Delrio u.a. ausführlich dargelegt ist.
Auch wenn der Hexenwahn sich schließlich zur allgemeinen Hysterie steigerte und weltliche Gerichte vielleicht mehr Hexen verurteilten als kirchliche (die Akten der geistlichen Inquisition in Italien und Spanien sind freilich der Forschung nie zugänglich gemacht worden), so ist doch die Schuld der Kirche vor allem an der Entstehung dieser entsetzlichen Verirrung nicht zu leugnen. Der Inquisitionsprozeß, wie die Hexendoktrin, sind aus ihrem Schoß hervorgegangen. Biblisch betrachtet sind Vorstellungen wie Bocksteufel, Teufelsbuhlerei und Hexensabbat reiner Wahnwitz, obschon selbst ein Thomas von Aquin die Lehre von Inkubus und Sukkubus vertreten hat. Und vor allem muß die Erinnerung an die Hexenverfolgungen eine bleibende Warnung vor jeder gewaltsamen Verfolgung von tatsächlichen oder vermeintlichen, religiösen oder anderen Ketzern sein.
Lit.: Josef Hansen, Zauberwahn, Inquisition und Hexenprozeß im Mittelalter, 1900- ders., Quellen und Untersuchungen zur Geschichte des Hexenwahns und der Hexenverfolgung im Mittelalter, 1901 - Soldan-Heppe-Bauer, Geschichte der Hexenprozesse, 1911* - Aldous Huxley, Die Teufel von Loudun, dtv 355 - Manfred Hammes, Hexenwahn und Hexenprozesse (Fischer Taschenb. Nr. l8lS|- Flückiger
Hilbert, Gerhard, *9. 11. 1868 Leipzig, 116.5.1936 ebenda, seit 1913 Professor für praktische Theologie in Rostock. H. hat sich mit Nachdruck dafür eingesetzt, daß die —» Innere Mission sich nicht auf die Fürsorge beschränke. Ihre zentrale Aufgabe sah er in der missionarischen Ausrichtung des Dienstes durch persönliches —> Zeugnis und evangelistische Verkündigung. -» Volksmission ist für H. »die Mission, die die Volkskirche an sich selbst und an ihrem Volk zu treiben hat«. Objekt der Volksmission ist für ihn -»nicht der Anomale, sondern jedes Glied der Volkskirche, das als getauft erst ein Christ werden muß«.
Rothenberg
Hiller, Ph. F. —> Pietismus
Historie —> Geschichte
Höfling, J. W. F. —» Erlanger Theologie
Hofacker Konferenz Hofacker-Vereini-
gung
Hofacker, Ludwig, *15. 4. 1798 Wildbad, 18.11.1828 Rielingshausen. Obgleich er nur etwas über 4 Jahre wirkte, war H. der einflußreichste Verkünder des Evangeliums aus der ersten Hälfte des 19. Jh.s. Als Sohn eines Pfarrers, späteren Stadtdekans von Stuttgart, entschloß sich H. zum Pfarrberuf und trat 1816 in das Theologische Stift in Tübingen ein. Zwei Jahre galt er hier als »flotter Stu-
dent«. Im Herbst 1818 erfuhr er eine plötzliche -» Bekehrung. Als junger Christ geriet er zuerst in enge Gesetzlichkeit, dann aber durch die Beschäftigung mit Jakob Böhme in »schwärmerischen Mystizismus«. . Doch bald rang er sich zu biblischer Nüchternheit durch, die den kirchlichen —» Pietismus Württembergs charakterisierte. Durch Briefwechsel mit der Herrnhuter —» Brüdergemeine wurde seine Frömmigkeit herrnhu- terisch geprägt. Schon als Student leidet H. an einem schmerzhaften Kopfleiden, das ihn öfters zu längeren Unterbrechungen seiner Arbeit zwingt. Nach kurzem Vikariat in Stetten i.R. wird er ein Vierteljahr Vikar in Plierüngen. Dann folgen zwei Jahre schwerer Krankheit. Doch kann er hernach Vikar seines Vaters an der Leonhardtskirche in Stuttgart werden, wo seine Predigten eine große Gemeinde sammeln. Nach neuer schwerer Leidenszeit übernimmt H. 1826 das Pfarramt in Rielingshausen bei Marbach. Doch schon zu Ostern 1828 hält er dort seine letzte Predigt und stirbt nach schwerer Leidenszeit noch im selben Jahre. Trotz der kurzen Wirksamkeit H.s ist die Sammlung seiner Predigten eines der verbreitetsten Predigtbücher in deutscher Sprache. In vielen hunderttausend Exemplaren wurden sie bis in das 20. Jh. gelesen. Für die deutschen Bauern in Südrußland gehörten H.s Predigten zum eisernen Bestand ihrer Hausbücherei. In Ubersee wurden seine Predigten ebenso gelesen wie in seiner württember- gischen Heimat. H. sagte: »Ich trachte danach, in jeder Predigt alles, den ganzen Weg des Lebens, zu sagen und zu der gekreuzigten Liebe einzuladen«. Seine Predigten waren nicht so sehr Auslegungen des Wortes, als Einladungen zum Kreuze Christi. Mit Nachdruck schildert H. das Sündenverderben und entlarvt rücksichtslos alle Selbstgerechtigkeit. Dabei scheut er keine Derbheit in seiner Ausdrucksweise, um zu erwecken und zu bekehren. »Ich gehe im Sturmschritt auf die Seelen los«, sagte er. Mit großartiger Einseitigkeit haben H.s Predigten nur das eine Thema, der Heiland und der Sünder! Lit.: Predigten. Ub. H.: A. Haarbeck, L. H. und die Frage nach der erwecklichen Predigt, 1961 - H. Bronhak, L. H.s Ruf einst und heute, 1969
Brandenburg
Hofacker-V ereinigung
Ludwig-Hofacker-Vereinigung (Ev. Arbeitsgemeinschaft für Bibel und Bekenntnis) in
Württemberg. Loser Zusammenschluß pie- tistischer und dem —> Pietismus verwandter Kreise; nach dem zweiten Weltkrieg gegründet. Name nach dem frühverstorbenen württembergischen Erweckungsprediger —» Hofacker. Ziel: Abwehr der Verkürzung und Verfälschung des Evangeliums und vor allem seine einladende Ausrichtung in unserem Land und weltweit, Zurüstung der Gerufenen zu Zeugnis und Dienst in der Hoffnung auf die Wiederkehr Jesu. Die H.V. ist der Träger der Ludwig-Hofacker-Konferenz. Weites Netz ausschließlich ehrenamtlicher Mitarbeiter in ganz Württemberg. Unregelmäßig erscheinendes Blatt: »Lebendige Gemeinde«
Grünzweig
Hoffmann, Christoph, *2.12.18r5 Leonberg, f8.12.r885 Jerusalem, Sohn von G. W. —> H. Nach Abitur in Stuttgart, Studium in Tübingen und Repetentenzeit im Tübinger Stift wurde H. gegen D. F. Strauß (-* liberale Theologie) r848 in die Nationalversammlung gewählt. Dort macht er die entscheidende Erfahrung, daß die protestantischen Kirchen und die politischen Zustände nicht das wahre Christentum und den christlichen Staat repräsentieren. Als Kernpunkt der Botschaft Jesu erkannte er die Arbeit für das -> Reich Gottes unter Absehung von aller dogmatischen Verhärtung. 1853 für kurze Zeit Inspektor in St. -» Chrischona, widmete er sich dann der Sammlung des Volkes Gottes (»Bau des geistlichen Tempels«). Zunächst begründete er die Kirschenhardthofsiedlung und zog r868 nach Palästina. Durch seinen Rationalismus spaltete er die ->Tempelgesellschaft.
Lit.: Werke u.a. Occident und Orient, 19262-Fortschritt und Rückschritt, 3 Bde., 1866 - Mein Weg nach Jerusalem, 2 Bde., 1881/84 - Bibelforschungen, 2 Bde., 1882/84 - J. Seitz, Erinnerungen und Er- Fahrungen, 1922
Hoffmann, Gottlieb Wilhelm, *19. 12. 177t Ostelsheim, 129. r. 1846 Korntal. Kaiserlicher Notar und Bürgermeister in Leonberg, 1815-26 Mitglied der württembergischen Ständeversammlung. Sein seit 1817 offiziell und zäh verfolgter Plan, eine vom Kirchenregiment unabhängige pietistische Gemeinde zu schaffen, um Konflikte zu vermeiden und die .Auswanderung zu stoppen, führte 1819 mit königlichen Privilegien
versehen zur Gründung der Brüdergemeine Korntal bei Stuttgart, später auch Wilhelmsdorf.
Lit.: F. Grünzweig, G.W.H., 1963 Geldbach
Hofmann, Joh. v. Erlanger Theologie
Humanismus
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Biblischer Befund
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grundsätzliches. Von einem H. der Bibel läßt sich nicht reden. Zwar will gerade sie, daß der —> Mensch das tue und werde, was seinem wahren Wesen entspricht, dies aber im Tun des geoffenbarten Gotteswillens und nicht in Selbstverwirklichung auf ein selbstentworfenes Bild hin. Deshalb kann auch von einem christlichen H. nur mit Vorbehalt gesprochen werden. Daß der Christ, indem er Gott gehorcht und Christus nachfolgt, zugleich das Humanum verwirklicht, ist nicht Kern des Christseins, sondern Folge des Gehorsams und dies nicht eines christlichen Menschenbildes wegen, sondern weil allein die gottgebotene Liebe dem Menschsein gerecht wird.
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das alte Testament sieht den Menschen nach dem Bilde Gottes geschaffen. Für das, was er ist, sein und tun soll, ist darum das Gottesverhältnis und der heilige Gotteswille entscheidend. Er ist geschaffen und berufen zur Liebesgemeinschaft mit Gott und dem Mitmenschen und zur Statthalterschaft über das Geschaffene. In der Auflehnung gegen Gott und seine Ordnungen hat er seine Gottebenbildlichkeit verwirkt.
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das neue Testament verkündet —> Jesus Christus als den wahren, gottebenbildlichen Menschen (Kol r,i 5), durch den auch wir erneuert werden können zum Bilde Gottes in wahrhafter Gerechtigkeit und Heiligkeit (Eph 4,24). Diesem Bild steht nicht einfach das Inhumane gegenüber, sondern das Preisgegebensein des natürlichen Menschen an die bösen Mächte und an den Tod.
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Geschichtliches
1. griechisch-römischer h.: Das wahre Menschsein des Menschen (als humanitas) wurde erstmals in der Zeit der römischen Republik erörtert und erstrebt. Wichtig war die römische Tugend, Tapferkeit und Manneswürde (virtus), dies auch als Gesittung, Rücksicht, Weisheit, Güte und Barmherzigkeit in verantwortlichem gesellschaftlichem Handeln (Cicero). Das wahre Mensch
sein wurde durch griechische Bildung gewonnen. Dem humanen Römer stand der Barbar entgegen. Da der römische H. ohne Bildung nicht zu verwirklichen war, blieb er auf wenige Vermögende beschränkt. Höchstes Ziel war nicht die Gemeinschaft aller, sondern die sittliche Entfaltung des Individuums.
2. IN DER RENAISSANCE ITALIENS im 14. Und I 5. Jh. wurde das antike Menschenbild neu belebt und mit christlichen Idealen verbunden (Persönlichkeitskultur Petrarcas, 1304-1374, im Anschluß an Cicero und Augustin). Machiavelli (1469-1527) dagegen zeichnete das Ideal des skrupellosen Renaissancemenschen.
}. der deutsche h. mit seinem wichtigsten Vertreter Erasmus von Rotterdam (1469-1536) ging gleichermaßen auf die griechischen Schriftsteller wie auf die Kirchenväter und das NT zurück und suchte so einen christlichen H. zu begründen. Christus galt als Erneuerer der menschlichen Natur, als ihr Vorbild und Lehrer (philosophia Christi). Trotz allen verantwortlichen Mit- gestaltens gelang aber auch dem deutschen
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der Ausgleich zwischen Bildung der Einzelpersönlichkeit und der christlichen Gemeinde nicht.
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luther erkannte scharf eine letzte Unverträglichkeit zwischen dem im Grunde doch am Menschen und seinen Möglichkeiten und Idealen orientierten christlichen H. und dem Evangelium, das dem völlig verlorenen Menschen allein durch Gottes Gnade in Christus —> Heil zuspricht. In der Schrift »Vom unfreien Willen« (1525) trat er Erasmus entgegen und bestritt dem Menschen sowohl die Möglichkeit, sich selber zu kennen, als auch die Fähigkeit, sein wahres Wesen zu finden und zu verwirklichen.
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der Neuhumanismus in -» Aufklärung und —» Idealismus knüpfte nicht an Luthers theozentrisches Denken an, sondern an Erasmus. Mehr und mehr versuchte man, das Menschsein statt im Lichte Gottes und seines Wortes aus sich selber und aus der Natur zu verstehen und aus eigenem Willen zu verwirklichen (Fichte, Goethe, Schiller).
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im 19. und 20. fH.Tsind bemerkenswert das Aufkommen des geschichtlichen Denkens (Wilhelm Dilthey 1833-1911), des -> Marxismus und der Existenzphilosophie —»
Kierkegaards. Alle drei bieten H.en an, jedoch ohne Rückgang auf die griechisch- christliche Antike. Gemeinsam lehnen sie ein ewig gültiges, metaphysisches Bild vom Menschen ab. Nach Dilthey kann man den Menschen nur durch seine Geschichte erkennen. Der Marxismus versteht ihn aus seiner Arbeit und den wirtschaftlichen Produktionsvorgängen und will ihn in einer sozialistischen Gesellschaft durch Arbeit mit sich selber, mit den Mitmenschen und mit der Natur, die er arbeitend vermenschlicht, versöhnen. Nach der Existenzphilosophie Sartres (* 1905) gibt es-statt eines Menschenbildes nur je neu die konkrete Hoffnung im Wagnis persönlicher Entscheidung.
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Grundsätzlich
Alle H.en - uncP^war trotz gegenteiliger Behauptung auch die modernen - haben ein Bild des wahren Menschen und meinen Wege zu kennen, die diesem Menschsein entsprechen. Der klassische H. wollte durch Bildung zum rechten Verhalten und Sein gelangen. Im modernen H. tritt der Wille hervor (Fichte, Schiller), sodann persönliche Entscheidung und Verantwortung (Existenzialismus), oder der Arbeitsprozeß und das Kollektiv (Marxismus). Ein allfälliger christlicher H. beansprucht Erkenntnis, Willen und Tat gleichermaßen, aber nicht für ein Menschen- oder Gesellschaftsbild, sondern für Gott und seinen Willen. Richtig bewegen und erneuern kann den Menschen allein Gottes —> Geist. Christlicher H. geht nicht von den Möglichkeiten oder Zielen des Menchen aus, sondern ven dessen Verlorenheit und Errettung. Er ist christusgebunden und ganz auf das Evangelium angewiesen, sonst aber grundsätzlich bildungsunabhängig, wenn auch bildungsfreundlich. Was dem profanen H. nie gelang, nämlich die Versöhnung zwischen dem Individuum und der Gemeinschaft, darf in Christus wirklich werden, zeigt aber, sofern es vom einzelnen »Selbstverwirklichung« gerade auch im Opfer für den anderen und also im Selbstverzicht verlangt, zugleich wieder Grenze und Fragwürdigkeit allen humanistischen Bemühens.
Lit.: Das Menschenbild im Lichte des Evangeliums, Festschr. für E. Brunner, 1950 - G. Bohne, Die Wahrheit über den Menschen und die Erziehung, 19512 - H. Lilje, Atheismus, Humanismus, Christentum, 1965 - K. Bockmühl, Reich Gottes und H., in: Stott/Runia, Das Himmelreich hat schon begonnen, 1977 TT r , .,
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Schmid
Paul Humburg
Humburg, Paul, *22. 4. 1878 Köln-Mülheim, 121.5.1945 Detmold. Von 1906 bis 1945 Pastor in Dhünn, Elberfeld und Bar- men-Gemarke. 1919 — 1921 Generalsekretär der DCSV (—» Studentenarbeit), 1921-1929
Bundeswart des Westdeutschen Jungmän- nerbundes; 1934-1942 Präses der Rheinischen Bekenntnissynode; 1934 — 1936 reformiertes Mitglied der ersten Vorläufigen Leitung der Deutschen Ev. Kirche (—» Kirchenkampf). H. entstammt einem durch er- weckliche Frömmigkeit geprägten Elternhaus und vollzog früh die Wende seines Lebens zu Christus. Der Dienst für Jesus Christus und seine Gemeinde prägte ihn. Vor allem junge Menschen wußte er anzusprechen. Im Kirchenkampf kam seine Gabe der -» Seelsorge besonders an Pastoren und Synodalen zur Geltung, denen er die Augen für die nationalsozialistische Irrlehre öffnete. Er gab der Bekennenden Kirche im Rheinland das Siegel mit der Umschrift: »Teneo, quia teneor« = Ich halte (an Christus) fest, weil ich (von ihm) gehalten werde.
Lit.: Aus der Quelle des Worts, 1917 - Frühlingstage der Gemeinde, 1922 - Der Gesang des Herrn, 1926 - Ewige Erwählung, 1924 - Der einzige Trost, 1933 - Prüfet die Geister, 1934 - Die ganz große Liebe, 1936 - Jesus und seine Jünger, r937 Uber H.: H. Obendiek, D. Paul Humburg, 1947 - H. Lilje, Paul Humburg (in: Begegnungen), 1949 - R. Steiner, P. Humburg und das nationale Bewußtsein (in Monatshefte für Ev. Kirchengeschichte des Rheinlandes), 1975
Steiner
I
idea
Informationsdienst der Ev. Allianz. Die erste Ausgabe von i. erschien auf Initiative der Deutschen Ev. —» Allianz, des -» Evangeliums-Rundfunks und der —» Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen am
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8.1971. Seitdem wurde, von wenigen Unterbrechungen abgesehen, wöchentlich ein News-Service von ca. 10-15 Seiten veröffentlicht; bei Bedarf Sonderausgaben. Am 17.2.72 konstituierte sich der Gründerkreis als e.V. und legte in seiner Satzung Grundlage und Aufgaben von i. fest: »i. bezweckt die Belebung und Förderung der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus, wie es in der Heiligen Schrift bezeugt wird und in der Glaubensgrundlage der Evangelischen Allianz seinen Ausdruck gefunden hat. Er dient der christlichen Bewußtseinsbildung. Dies geschieht durch Sammlung und Weitergabe von Nachrichten sowie deren Kommentierung aus biblischer Sicht«. Finanziell wird i. durch die an der Gründung beteiligten Vereinigungen unterstützt, ergänzt durch Spenden anderer Gruppen und Privatpersonen, i. informiert Presse, Funk und Fernsehen, christliche Zeitschriften und —> evangelikale Veröffentlichungen. Gleichzeitig wird i. von Kirchenleitungen, Missionswerken, Missionsgesellschaften und Einzelpersonen bezogen und fördert so die interevangelikale Kommunikation, i. arbeitet eng mit der —> Konferenz evangelikaler Publizisten (KeP) zusammen.
Ruinier
Idealismus
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begriff Alle Formen des I. gehen auf die Ideenlehre des griechischen Philosophen Plato (427-347 v.Chr.) zurück. Er fragte über die wechselnden Erscheinungen der gegenständlichen Welt hinaus nach ihrem unveränderlichen Wesen, z.B. nicht nur nach schönen Einzeldingen, sondern nach dem Schönen an sich, der »Idee« (gr. idea bzw. eidos = Wesensgestalt) des Schönen.
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ist eine Richtung des Denkens, in der die Idee zum Prinzip der Welterklärung erhoben wird. In der Umgangssprache wird der Begriff I. vor allem in ethischem Sinn ge
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braucht, und meint dann eine Einstellung, die sich nicht von eigenem (materiellem) Vorteil, sondern einem »Ideal« oder noch allgemeiner einer über den Nutzen des einzelnen hinausgehenden Zielsetzung leiten läßt.
2. der deutsche i. Der Begriff I. ist auf verschiedene Philosophien angewandt worden, haftet aber vor allem an der »deutscher I.« genannten Epoche. Sie wird in der Dichtung am reinsten durch F. Schiller (1759-1805), in der Philosophie durch die auf der Arbeit von Kant (-» Aufklärung) aufbauenden Philosophen J. G. Fichte (1762-1814) und G. F. W. —» Hegel vertreten. Kennzeichnend für diese idealistischen Systeme - bei allen sonstigen Unterschieden — ist, daß sie beim Selbstbewußtsein des Menschen einsetzen und von daher ihr Bild der Wirklichkeit konstruieren. Nach Hegel schlug der I. im sogen, linken Flügel seiner Schule in den Materialismus von L. Feuerbach (1804-1872) und K. Marx (—» Marxismus) um. In der Theologie lebte der I. vor allem in der —»liberalen Theologie fort.
j. Orientierung Manche formale Parallelen dürfen nicht über den fundamentalen Unterschied zwischen idealistischer Weitsicht und christlichem Glauben hinwegtäuschen. Die Weltüberlegenhe’t —> Gottes und seines -> Geistes verleitet leicht dazu, sie mit der Geistigkeit der Ideenwelt zu verwechseln. Nach biblischem Zeugnis aber ist Gott keine Idee, auch nicht die höchste, sondern persönliches Gegenüber als Schöpfer und Erlöser. Ebenso fremd ist der Bibel vom Schöpfungsglauben her die allem I. und mit ihm der —» liberalen und auch der dialektischen Theologie (—> Barth, -» Bultmann) zugrundeliegende Trennung und Entgegensetzung von »Geist« und Natur (im Sinne der vorfindlichen Wirklichkeit). Vor allem M. Kähler hat, von einer lebenslangen Auseinandersetzung mit dem I. herkommend, vor unkritischer Anwendung idealistischer Be- grifflichkeit in der Theologie gewarnt (vgl. seine berühmte Gedichtzeile »Gott, der Feind des Absoluten . . .«) und damit —» bi
blischer Theologie eine bis heute nicht erledigte Aufgabe gewiesen.
Lit.: W. Lütgert, Die Religion des deutschen Idealismus und ihr Ende, 4 Bde., 1922-1930-W. Anz, Idealismus und Nachidealismus (Die Kirche in ihrer Geschichte, Bd. 4,P), 1975
Burkhardt
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