Evangelisches Gemeindelexikon



Yüklə 7,17 Mb.
səhifə36/76
tarix01.11.2017
ölçüsü7,17 Mb.
#25882
1   ...   32   33   34   35   36   37   38   39   ...   76

Ideologie

  1. Grundlegung

1. der umkreis des Begriffes I. ist ein aus dem Griechischen abgeleitetes Wort (etwa gleich Ideenlehre), das seit der Aufklärungsphilo­sophie (18. Jh.) gebraucht wird. I.n sind Weltanschauungen, die mit Hilfe der sinnli­chen Wahrnehmungen und des philosophi­schen Denkens ein System zur Erklärung der Welt und der Gesellschaft entwerfen. Von einem einheitlichen Prinzip aus wird ein umfassendes Verständnis der Welt abgelei­tet, das dann als »Wahrheit«« Verbindlich­keit beansprucht. Dabei spielen die Interes­sen und Wünsche derer, die dieses Prinzip benennen, eine mitbestimmende Rolle, was der I. den Vorwurf, subjektiv (persongebun­den) zu sein, einträgt. Doch erhebt die I. selbst meist den Anspruch, objektive (von der Person unabhängige) Wahrheit zu sagen. Der heutige Bedeutungsgehalt des Begriffes

  1. ist im wesentlichem vom —» Marxismus bestimmt. Er sieht die I. im abwertenden Sinn als bloße »Spiegelungen«, als »Über­bau« gesellschaftlicher Lebensprozesse. Doch wird der Marxismus selbst notwendig zur I., denn die wichtigsten Kennzeichen ei­ner I. treffen auf ihn zu: a) Ein allem zu Grunde liegendes Prinzip (Produktionsver­hältnisse) b) eine Zweckbestimmung (klas­senlose Gesellschaft) und c) der Anspruch der Verbindlichkeit (Abwehr aller anderen Denkweisen).

2.1. und Philosophie. Unbestritten tritt in den philosophischen Denksystemen »Wahr­heit« zu Tage. Doch steht jede Philosophie ständig in der Gefahr, ideologisch zu wer­den, wenn sie ihr Denken absolut setzt (für alle zwingend), alles unter einer Formel er­klären will und ihr Denken auf einen be­stimmten Zweck konzentriert. Als mensch­liche Denkleistung verdient die Philosophie große Achtung, doch kann der Mensch sich die Wahrheit letztlich nie selbst sagen. Vielmehr muß sie ihm gesagt werden, nach der biblischen Aussage durch die Offenba­rung Gottes in seinem Sohn, in seinem Wort (Joh 8,3 if.).

  1. Das Verhältnis von I. und Glaube

  1. GEMEINSAMES UND TRENNENDES IN DER FRAGE nach der Wahrheit. I. und christlicher Glaube beanspruchen beide, Wahrheit zu sagen. I. fragt in der Struktur des griechi­schen, philosophischen Denkens: »Was ist Wahrheit?« Sie benennt dann ein Prinzip, einen theoretischen Satz. Im Grunde ist da­mit die Sinnfrage der Welt und allen Lebens gestellt. »Was steckt als tiefste »Wahrheit* hinter allen Erscheinungen?« Auch der Glaube antwortet auf die Wahrheits- oder Sinnfrage. Doch heißt die Ausgangsfrage dort: »Wer ist die Wahrheit?« (vgl. Joh 18,38 mit Joh 1,17; 14,6). Die Wahrheit ist er­schienen, geoffenbart in der Person Christi.

  2. GEMEINSAMES UND TRENNENDES IM ANGEBOT des heils. I. will immer Heilslehre sein, zur Verbesserung und Entwicklung der Welt dienen. Dabei liegt der Gedanke des »guten Herzens« im Menschen zu Grunde. Der Mensch ist entwicklungs- und bildungsfä­hig, deshalb ist Fortschritt möglich. I. hat eine positive Einschätzung des Menschen zur Voraussetzung.

Der Glaube geht von der nüchternen bibli­schen Feststellung der Verlorenheit des Menschen aus. Nur die unverdiente, lie­bende Zuwendung Gottes vermag dem Menschen -» Heil zu bringen. Die freie Gnade Gottes befreit von allen vergeblichen Mühen um eine Selbsthilfe. Der Glaube er­wartet somit alles Heil von Gott und ver­kündigt genauso nüchtern die Tatsache des bevorstehenden —► Gerichtes. —> Glaube weiß immer um Gnade und Gericht, -» Gesetz und Evangelium (Joh 3,16; Röm 1,16 + 17? 3,23 +24; 9,16; Mt 7,13 + 14).

  1. GEMEINSAMES UND TRENNENDES IN DER MIS­SIONARISCHEN Bemühung. I. ist wesensmäßig missionarisch, denn die einmal erkannte Wahrheit muß durchgesetzt werden, da sonst kein Fortschritt möglich ist. Ihr Mittel ist das Wort als Schlagwort, als Parole, als in das Denken bis hin zum Unterbewußtsein des andern eindringendes Wort. Dabei kann neben solchem geistigen Zwang auch kör­perlicher Zwang in Gewaltanwendung bis zum Terror treten. I. ist intolerant (unduld­sam), weil sie auf Zustimmung der Massen aus ist und deshalb abweichendes Denken bekämpft. Der einzelne Mensch ist nach seiner Funktion (Nützlichkeit) bei der Durchsetzung des Zieles bewertet.

Der Glaube ist ebenfalls wesensmäßig mis­

sionarisch (Mt 28,18—20; 7,13 — 16). Doch ist sein einziges Mittel das werbende, zuspre­chende Wort des Christus (Mk 2,14) und die Tat der Liebe (Mt 5,16). Gewalt als Mittel der Mission wird grundsätzlich abgelehnt.



  1. Ideologisierter Glaube Auch der Glaube kann ideologisch werden, dann nämlich, wenn er a) sich aus der per­sönlichen Bindung der -> Nachfolge Jesu Christi löst und zur »Sache« wird; oder wenn er b) zu einer bloßen Moral erstarrt, oder aber c) nur Teile der biblischen Bot­schaft isoliert zum Gegenstand hat. Der Christ kann der Versuchung der I.n nur durch ein ständiges Prüfen an Hand der Bibel widerstehen.

Andererseits darf der Glaube sich nicht auf den Bereich personaler Wahrheit einengen lassen, sondern muß die Auseinanderset­zung mit den I.n um der umfassenden Wahr­heit willen aufnehmen, wenn er nicht welt­los werden will.

Lit.: H. Lamparter, Prüfet die Geister, 19766 - H. Thielicke, Theologische Ethik, Band II, 1966* - Th. Geiger, Ideologie und Wahrheit, 1953 - W. Kün- neth, Fundamente des Glaubens, 1975

Krimmer

Ihloff, Gustav, *3.8.1854 Templin/Uk- kermark, 126.6.1938 Neumünster, Buch­händler und Verleger, Inspektor und Vorsit­zender des Gemeinschaftsvereins in

Schleswig-Holstein. I. kam 2 5 jährig durch J. v. Oertzen als »Sendbote« (= Prediger) nach Schleswig-Holstein. Von einer Eng­landreise brachte er das Liederbuch »Sacred Songs and Soli« mit, das ihm und Pastor Joh.

Röschmann (Hamburg) zum Vorbild für das »Reichsliederbuch« (1892 —» Liedgut) wurde, das in der Folgezeit zum meistge- brauchten Gesangbuch der deutschsprachi­gen ev. Christenheit wurde. In Neumünster begründete I. die Buchhandlung des Ge­meinschaftsvereins mit Verlag und Drucke­rei. Weite Verbreitung erlangte das Verteil­blatt »Nimm und lies«. I. hatte die Gabe der erwecklichen ebenso wie der biblisch-lehr­haften Rede und wirkte als Seelsorger. Seit 1915 war er erblindet.

Lit.: A. Korthals (Hg.), 100 Jahre Gemeinschafts­verein in Schleswig-Holstein, 1957 - K. Möbius. (Hg.), Der ev. Buchhandel, 1961

Lindner




Gustav Ihloff




Ludwig Heinrich Ihmels

Ihmels, Ludwig Heinrich, *29. 6. 1858 Middels/Ostfriesland, 17.6.1933 Leipzig. I. war tätig im ostfriesischen Pfarrdienst (1881-1894), im Fort- und Ausbildungs­dienst (- 1898 Loccum), als Professor der Dogmatik (Erlangen, 1902 Leipzig) und ab 1922 als sächsischer Landesbischof (Dres­den). Er trieb Theologie streng als Offenba­rungstheologie, wandte sich mehrfach der Gewißheitsfrage zu und war dem Junglu-
thertum verpflichtet (Vorsitzender der Allg. ev.-luth. Konferenz). —» Erlanger Theologie

Lit.: Festschrift für L. J. 1928 (dort Werkeverzeich­nis) - E. Sommerlath, Die theol. Bedeutung des er­sten sächsischen Landesbischofs L. I., Festschrift fürG. Noth 1964, 238-249-D. Roth, Der Prediger Ludwig Ihmels, Diss. theol. 1970 (1973), S. 227-236 Quellen, 236-239 Lit.

Redaktion

Independentismus

Independentismus, von independent = un­abhängig, Bezeichnung für Gemeinden und Gemeindebünde, die auf der Grundlage der Selbständigkeit (Autonomie) der Einzelge­meinde aufgebaut sind und ihre Unabhän­gigkeit von Staat, Bischofsamt und Synoden meist theokratisch mit Hilfe des Bundesge­dankens (covenant) begründen. Zu den Inde­pendenten rechnet man u.a. die im Zuge des englischen Puritanismus sich bildenden Kongregationalisten, Presbyterianer und —» Baptisten, ferner die —» Freie ev. Gemeinde.

Geldbach


Innere Mission

  1. der Anfang Das irdische Bild Christi ist unlösbar auch mit den Elenden verbunden, denen er half. Die Christenheit aller Zeiten hat versucht, in seiner —> Nachfolge eine Liebestätigkeit zu entfalten.

1. Vorläufer im Pietismus. Der Vater des —» Pietismus, Ph. J. Spener (1635-1705), hat mit dem Einsatz der Laien in den Pastoren­kirchen den Weg in die Missions- und Lie­bestätigkeit geöffnet. »Die Armut ist ein Schandfleck unseres Christentums.« Ein ak­tives planmäßiges sozialpolitisches Wollen setzte ein. A. H. Francke (1663-1727) eröff- nete die christliche Anstaltsdiakonie mit der Halleschen Schulstadt. Neben der tradi­tionellen Methode, gemeinnützige Anstal­ten durch Spenden in Gang zu halten, sucht er durch wirtschaftliche Betriebe ihre finan­zielle Selbsterhaltung zu fördern. Bei Zin- zendorf (1700-1760) und der -> Brüderge­meine sind bis in die Einzelgestaltung hin­ein Missionspflicht und —> Diakonie, Ge­meindemäßigkeit und schlichte Bruder­schaft aller Glieder ineinander verwoben.

3- BAHNBRECHER INNERHALB DER ERWECKUNGS­BEWEGUNG. Die -» Erweckungsbewegung bildet den Mutterboden der Diakonie und der Inneren Mission im 19. Jh., zuerst vor al­lem in Süddeutschland. Aus einer ungestü­men eschatologischen Naherwartung bricht

ein neuer christlicher Liebeswille nach dem Abklingen der Aufklärung und ihrer huma­nitären Aktivität hervor. Oberlin

(1740-1826) wird zum Vater der Kleinkin­derschule. Der Pfarrer und Schriftsteller Ph. M. Hahn (1739-1790), ein »mechani­sches Genie«, weckt unter seinen Landsleu­ten die schlummernde technische Begabung und ermöglicht eine blühende schwäbische mechanische Kleinindustrie. C. H. -^-Zeller (1779-1860) steht voran in der süddeut­schen Rettungshausbewegung für verwahr­loste Kinder. Hier wird der Typus des christ­lichen Schulmannes herangebildet. Die An­staltsfeste werden zum Mittelpunkt ganzer Landschaften. Das gleiche tun J. D. -> Falk (1768-1826) in Weimar und Graf A. von der -» Recke-Volmarstein (1791-1878) in Düs­seltal und andere.


  1. DIE FRAU IN DER EVANGELISCHEN DIAKONIE. Innerhalb der Erweckungsbewegung fan­den Frauen und Mädchen neue Aufgaben des christlichen Dienstes. Wegbahnerinnen wurden die Engländerin E. —» Fry (1780-1845) und A. Sieveking

(1784-1859) in Hamburg. T. —» Fliedner (1800-1864) in Kaiserswerth wurde zum Bahnbrecher der weiblichen Diakonie, ange­regt durch englische und holländische Vor­bilder. Eine neue helle Zeit der Kranken­pflege brach durch die ersten —»Diakonissen an. Neben Kaiserswerth entstanden andere Diakonissenhäuser eigener Prägung, beson­ders charakteristisch die lutherische Arbeit W. —> Löhes in —» Neuendettelsau. Neue Im­pulse begannen in der Zeit der proletari­schen Frauenemanzipation und der marxi­stischen Arbeiterbewegung durch F. v. —> Bodelschwingh (1831-1910) und E. v. -* Tiele-Winckler (1866-1930). Eine freie Schwesternschaft sammelte sich im »Zeh­lendorfer Verband für Ev. Diakonie«. Die um die Jahrhundertwende erstarkte —» Gemein­schaftsbewegung wie die —► Freikirchen gründeten ebenfalls eigene Diakonissen­häuser. Pastor —> Krawielitzki (1866 — 1942) legte den Grund zum —» Deutschen Gemein­schaftsdiakonieverband mit seinem Zen­trum in Marburg und seinen sechs Mutter­häusern. Hier wird den Diakonissen neben dem karitativen Dienst das Zeugenrecht und die Zeugenpflicht auferlegt. Es entstan­den daneben ein Bund deutscher Gemein­schaftsdiakonissenhäuser und ein Verband ev.-freikirchlicher Mutterhäuser. Ein steter

Gestaltwandel der schwesterlichen Ge­meinschaft setzt sich dabei bis zur Gegen­wart fort.



  1. JOHANN HINRICH WICHERN UND DIE MÄNNLI­CHE diakonie. —» Wiehern (1808-1881) grün­dete T833 das »Rauhe Haus« für gestrandete Hamburger Jungen und die 1. Diakonenan­stalt. Damit begann der Weg der männlichen Diakonie. Gründungen anderer Diakonie­anstalten folgten in den einzelnen Landes­und Freikirchen. Im Revolutionsjahr 1848 veranlaßte Wiehern durch seine berühmte Stegreifrede vor dem Kirchentag in Witten­berg die Gründung des Central Ausschusses für die Innere Mission, einer Dachorganisa­tion aller kirchlichen Liebes werke. In Berlin gründete Wiehern noch das Johannesstift.

Bis 1914* entfaltet sich der Dienst der I.M. nach vielen Seiten. F. v. Bodelschwingh wird in —» Bethel zum Vater der Epileptischen und der Wanderarmen. Der bedrückenden Woh­nungsnot der Arbeiterschaft begegnet er durch die Schaffung von Arbeiterheimen. A. —> Stoecker nimmt mit der —» Berliner —> Stadtmission den Kampf um das entkirch­lichte Berlin auf, ringt um eine christliche Sozialpolitik und ruft, freilich ungehört, nach einer staatsfreien —> Volkskirche. Al­lerdings belastet er die von ihm gegründete und erfolglose »Christlich-soziale Partei« mit seinen Thesen gegen das freisinnige Re- formjudentum. Ein Ev.-Sozialer Kongreß entsteht und mit ihm eine Ev. —» Arbeiter­bewegung. Die Fürsorgearbeit wird bis zum ersten Weltkrieg stetig ausgebaut. Der Schwerpunkt liegt wie bisher auf den über­kommenen diakonisch-fürsorgerischen Ar­beitsgebieten: Seemannsmission, Flußschif­fermission, Kellnermission, (—> Berufsmis­sion), Auswandererfürsorge, Gefängnisfür­sorge, —» Bahnhofsmission, —> Jugendarbeit, —> Mitternachtsmission, Altenfürsorge, —> Blaukreuzarbeit, Taubstummblindenheim­arbeit, -> Weiß-Kreuzarbeit, Gründung des »Deutsch-Evangelischen Frauenvereins zur religiös-sittlichen Erneuerung des deut­schen Volkes und zur Lösung der sozialen Frauennot« sowie des »Verbandes der Evan­gelischen Wohlfahrtspflegerinnen«, Aufbau ev. Büchereien, Zusammenschluß der Schriftenmission 1910 im Ev. Preß verband für Deutschland, schließlich die Unterglie­derung der verschiedenen Dieriste der I.M. in 37 Fachverbänden - all diese Aktivitäten entfalteten sich vor dem Ausbruch des er­sten Weltkrieges. Ohne ein Heer von freiwil­ligen Helfern und Helferinnen wäre die Ar­beit nicht möglich gewesen. Aus Wicherns Anfang wurde ein weites Werk.

  1. I.M. UND DIAKONIE ZWISCHEN ZWEI WELTKRIE­GEN (1914-194 5). Im ersten Weltkrieg lag der unmittelbare Sanitätsdienst an den Sol­daten ganz in den Händen des Roten Kreuzes (H. Dunant), unterstützt durch Diakonis­sen und Diakone. In der Heimat erwuchsen der I.M. angesichts krisenhafter Erschei­nungen auf sittlichem Gebiet neue Aufga­ben im Bereich der Volksgesundheit neben der allgemeinen -» Volksmission.

In der Zeit der Weimarer Republik (1918-1933) konzentrierten sich bei erfolg­ter Trennung zwischen -» Kirche und Staat sowie Schule und Kirche (-» Religionsunter­richt) die Aktivitäten wesentlich auf die größeren Städte. Eine sorgfältige und ausge­dehnte Fürsorge in der Inflationsnot und später in der Arbeitslosennot versuchte zu helfen und dem Staat in seiner Wohlfahrts­gesetzgebung aus den in der I.M. gesammel­ten Erfahrungen beratend beizustehen. Volksmission, Posaunenmission, Evange­lisation als Gemeindemission entfalteten sich. Evangelische Versicherungsvereine, Evangelische Wohnungsbaugenossenschaf­ten entstanden. In den Kampfzeiten zwi­schen 1933-1945 konnte sich die I.M. gegen eine Auflösung schützen, indem sie sich 1934 in einer »Arbeitsgemeinschaft der mis­sionarischen und diakonischen Verbände und Werke der Deutschen Evangelischen Kirche« unter den Schutz der Gesamtkirche stellte.

Die Lahmlegung der christlichen Presse mit einer Gesamtauflage von 14 bis 15 Millionen Schriften mußte 1941 hingenommen wer­den. Dagegen gelang es F. v. —» Bodel­schwingh, die Gnadentod-Aktion vor den Toren Bethels abzustoppen und damit ein Zeichen zu setzen. Beyreuther



  1. neu ANFANG nach 1945. Das Ev. Hilfswerk (1945, Zentralbüro des HW in Stuttgart) wurde zum neuen Aufbruch des Dienstes bis in die letzte Gemeinde. Diakonie der Kirche, Selbsthilfe der Christenheit, Überwindung der Notstände der Zeit, innerkirchlicher La­stenausgleich, kirchlicher Wiederaufbau, Lebenshilfe durch Beratung, diakonisch voll verantwortliche Gemeinde und Zusam­mengehen mit den Liebeswerken der I.M. - waren die Grundzüge der Hilfswerk-Arbeit, die der württembergische Landesbischof Theophil Wurm zusammen mit Eugen Ger­stenmaier in seinem »Stuttgarter Manifest der christlichen Liebe« (1.8.1945) postulier­te, also noch vor der ersten ev. Kirchenkon­ferenz von Treysa, auf der das »Hilfswerk der —» Ev. Kirche in Deutschland« von den Ver­tretern aller 28 Landeskirchen einstimmig gegründet wurde. »Das HW der EKD wird von der EKD, den Gliedkirchen und deren Gemeinden getragen. Es dient dem kirchli­chen Wiederaufbau sowie der Linderung und Behebung der Notstände der Zeit« (Grund­ordnung der EKD 1948, Art. 15). Koordinierungsausschüsse und »Diakoni- scher Beirat« (1949; hier vor allem Volkmar Herntrich und Heinrich Riedel) bereiteten die erste gemeinsame Tagung von HW und

  1. M. vor (1953 Berlin) und führten zielstrebig zu der von der EKD-Synode 1957 in Spandau auch kirchengesetzlich bestätigten Fusion beider Werke.

8. ..DAS DIAKONISCHE WERK DER EKD« (Sitz Stuttgart) hat seitdem als Werk der Kirche die Aufgabe, »die diakonisch-missionari- sche Arbeit zu planen und zu fördern und dadurch zu helfen, daß die ev. Christenheit in Deutschland ihren Auftrag erfüllt, wie er in Art. 15, Abs. 1 der Grundordnung der EKD umschrieben ist«. Sein erster Präsident wurde Friedrich Münchmeyer. Organe sind: Diakonische Konferenz und Diakonischer Rat. Im Diakonischen Werk ist die diako- nisch-missionarische Arbeit aller Landes­und Freikirchen in Deutschland als »We­sens- und Lebensäußerung der Kirche« zu­sammengefaßt (1969 hat sich die Diakonie im Bereich der DDR organisatorisch ver­selbständigt).

Mit seinen hauptamtlichen Voll- und Teil- zeitbeschäftigten sowie einem Mehrfachen von freiwilligen Mitarbeitern leistet das Diakonische Werk in über 22000 Einrich­tungen sowie Helfer- und Selbsthilfegrup­pen und 533 Ausbildungsstätten soziale, pflegerische, pädagogische und gemeindli­che Dienste.

Dazu kommt die Hilfe für den fernen Näch­sten an den Brennpunkten der Not der Drit­ten Welt. Hier fördert das Diakonische Werk in ökumenischer Zusammenarbeit durch besondere Aktionen (z.B. —» »Brot für die Welt«) und durch Katastrophenhilfe die

Überwindung von Hunger, Armut und Krankheit. Die Arbeitsgemeinschaft »Mis­sionarische Dienste« hat ebenfalls ihre Zen­trale im Diakonischen Werk.

Lit.: J. H. Wiehern, Die I.M. der deutschen ev. Kir­che, 18893 - Gerh. Füllkrug, Die I.M., 1928 — H. C. v. Hase u. P. Meinhold (Hg.), Reform der Kirche und Gesellschaft 1848-1973, 1973 - Die Innere Mission (Zeitschr.)

Schober


Innere Mission Augsburgischen Be­kenntnisses, Ev. V erein für

Der Verein wurde unter Berufung auf das Augsburgische Bekenntnis von 1530 am 24.1.1849 in Durlach als Gemeinschaftsver­band innerhalb der Ev. Landeskirche in Ba­den gegründet, eine Frucht der Erweckungs­bewegung unter A. -» Henhöfer. Nachhaltig geprägt wurde der Verein durch Pfarrer Th. —> Boehmerle: Gründung des Bibelheimes »Bethanien«- in (Karlsbad-)Langensteinbach, Herausgabe des »Reich-Gottes-Boten« und des »Engels-Kalenders«. Der Verein hat zwei Alten- und Pflegeheime. 25 Predigtbrüder und 5 Missionsschwestern betreuen mit vie­len ehrenamtlichen »Stundenhaltem« die über 400 Gemeinschaften. Geschäftsstelle (Inspektor W. Hauser), Buchhandlung und Verlag sind in Karlsruhe.

Breymaier

Inspiration —> Bibel III. 1 Inspirationsgemeinden Spiritualismus

International Council of Christian Churches (ICCC)

Der ICCC (= Internationaler Rat christli­cher Kirchen) geht auf die Bemühungen des militanten Führers der extremen amerikani­schen —» Fundamentalisten, Carl Mclntire, zurück. Der ICCC wurde wenige Tage vor der 1. Vollversammlung des ökumenischen Rats der Kirchen 1948 ebenfalls in Amster­dam gegründet. Er war von Anfang an als Gegen-Ökumene gedacht und wandte sich in seinen Verlautbarungen gegen Moder­nismus, Rationalismus, Kommunismus, —» Sozialismus, —» Atheismus und die röm.- kath. Kirche, den Internationalen Missions­rat und die —> ökumenische Bewegung. Letz­tere wurde bezichtigt, den Protestantismus mit der Orthodoxie der römischen Kirche zuführen zu wollen, um so eine »Superkir- che« zu errichten. Demgegenüber versteht sich der ICCC als der allein »heilige Rest«, der eine Reformation im 20. Jh. (Twentieth

Century Reformation) unternimmt. Auf­nahme in den ICCC finden nur Kirchen oder Einzelpersonen, die im Sinne Mclntires Fundamentalisten sind (B. —» Graham z.B. wird als »Kompromißler« verworfen). So steht in der 11 Fundamentalien umfassen­den Lehrbasis das Bekenntnis zur göttlichen Inspiration der Hl. Schrift, zu ihrer Fehlerlo- sigkeit und Unfehlbarkeit (inerrancy, infal- libility) an erster Stelle. Nach eigenen Anga­ben gehören über 120 Kirchenkörper - oft Splitterkirchen und kleine Gruppen - dem ICCC an. Das internationale Hauptquartier ist in Amsterdam,- das offizielle Organ heißt »The Reformation Review«. Etwa alle 5 Jahre findet eine Vollversammlung statt. In Europa hat der ICCC nur wenig (Holland, Skandinavien), in Deutschland so gut wie kein Echo gefunden.

Lit.: J. Reich, »Twentieth Century Reformation«. Dynamischer Fundamentalismus nach Ge­schichte und Erscheinung, 1969

Geldbach

Internationale Vereinigung christl. Ge­schäftsleute -> Berufsmissionen 5.

Internationaler Kongreß für Weltevan­gelisation in Lausanne (IKfW)

I. Vorgeschichte und Durchführung des Kongresses


  1. der ikfw hat seine Vorgeschichte in den in der ganzen Welt nach dem 2. Weltkrieg durchgeführten Großevangelisationen, die v.a. mit dem Namen B. —» Graham ver­bunden sind. Sie führten zu einer Kongreß­bewegung, die im Weltevangelisationskon­greß in Berlin 1966 ihren Anfang nahm, sich in einer Reihe von regionalen Kongressen (darunter der europäische in Amsterdam 1971) fortsetzte und dann zum IKfW in Lau­sanne (16.-25.7.1974) führte. Initiator auch dieses Kongresses war B. Graham. Ein inter­nationales Planungskomitee wurde mit der Vorbereitung beauftragt. Es setzte einen Exekutivausschuß ein, dessen Mitglieder B. Graham (als Leitender Vorsitzender), Bi­schof A. J. Dain, D.E.Hoke und P.E.Little waren.

  2. Mit den rd. 4000 Menschen aus 150 Na­tionen, die dem Kongreß beiwohnten (2 700 Teilnehmer, dazu Beobachter, Mitarbeiter, Journalisten etc.), war der IKfW die bisher größte Zusammenkunft leitender Evan- gelikaler. Dabei wurde vom Planungskomi­tee sorgfältig darauf geachtet, daß minde­stens 50% der Teilnehmer aus der Dritten Welt kamen.

3. der Kongress war stark von dem Eindruck des explosiven Bevölkerungswachstums und der Zahl der 2,7 Milliarden Nichtchri­sten auf der Welt bestimmt und sich daher der Dringlichkeit des Missionsauftrags sehr bewußt. Neben der daraus folgenden Nüch­ternheit stand jedoch auch ein Optimismus, der die Chancen christlicher -» Mission als so gut wie noch nie bezeichnete (B. Graham). In diesem Zusammenhang diskutierten die Teilnehmer »Formen kirchlichen Wachs­tums«, die vielfältigen Evangelisationsme­thoden und -formen, sowie in eigens dafür nach Nationen aufgegliederten Arbeits­gruppen Fragen der nationalen »Strategie« (-» Afeva).

n. Der Inhalt der Kong ress Arbeit



  1. Im Vorfeld der Frage um die Theologie der Evangelisation wurde bewußt auch die theo­logische Grundfrage nach dem Verständnis der —» Bibel-angesprochen. In den Referaten wurde die Inspirationslehre grundsätzlich von den Eigenschaften der »Unfehlbarkeit« und »Irrtumslosigkeit« her gefüllt. Bemer­kenswert ist, daß die Lausanner Verpflich­tung hier (in Art. 2) zurückhaltender und zu­gleich präziser redet, wenn sie die Irrtumslo­sigkeit konkret auf die eindeutige Aussage­intention der Bibel (»in all that it affirms«) bezieht. Theologisch beachtenswert bleibt weiter die wiederholt begegnende Absage an —» Säkularismus, —> Synkretismus und -» Universalismus in der Mission (J. Stott u.a.).

  2. Im Blick auf das Evangelisationsverständ­nis lag die Betonung darauf, daß es weder vom Ergebnis noch den Methoden her defi­niert werden dürfe, sondern ausschließlich von der christlichen Botschaft selbst (J. Stott); daß der Adressat der Evangelisation nicht als neutral, sondern nach Röm 1 als gottwidrig und deshalb erlösungsbedürftig einzuschätzen sei (S. Uda); daß sich christli­che Mission inmitten der Auseinanderset­zung zwischen dem angebrochenen Reich Gottes und dem mächtiger werdenden Reich Satans vollzieht (P. Beyerhaus).

  3. Stärker als auf früheren evangelikalen Weltkongressen war in Lausanne die Sensi­bilität für die Fragenkreise Kultur und Ge­sellschaft. Im Gegenzug gegen bisher unbe­dacht geübten »Kulturimperialismus« in der

Mission wurde die Einpassung der christli­chen Botschaft in den jeweiligen kulturellen Kontext gefordert (McGavran). Entspre­chend wurde der Dialog mit Angehörigen nichtchristlicher Religionen als eine Me­thode der Mission bejaht (J. Stott). Zugleich wurde aber auch davor gewarnt, dabei vor evangeliumswidrigen religiösen und sozia­len Strukturen voreilig zu kapitulieren: die Evangelisation müsse auf die Erneuerung des ganzen Menschen zielen, einschließlich der Strukturen, in denen er sich vorfindet (R. Padilla). Die Reihenfolge »erneuerte Men­schen- soziale Erneuerung« bleibe zwar gül­tig, sie sei aber kein Automatismus (S. Esco- bar). Von ihrer sozialen Verantwortung her sei die Gemeinde nicht nur zur eigenen bei­spielhaften Tat, sondern auch zur propheti­schen Anprangerung gesellschaftlicher Mißstände ermächtigt (C.F.Henry). In sei­nem Verhältnis zum ökumenischen Rat der Kirchen sah der Kongreß seine Aufgabe we­niger in der Abgrenzung als in konstruktiver Kritik. Die als Ergebnis und Aufgabenstel­lung zu verstehende Lausanner Verpflich­tung hat weltweite Beachtung erlangt. Im deutschsprachigen Raum ist der IKfW je­doch erst anfangsweise fruchtbar geworden (Christival der —> AG JE; -» Afeva; —» AfeT).

Lit.: Henry/Mooneyham (Hg.), One Race, One Gospel, One Task (Dokumentarband von Berlin 1966) - »Alle Welt soll sein Wort hören« (Doku­mentarband von Lausanne), 1977 - H. Burkhardt, Lausanne 74. Ein Bericht, in ThB Jg 5/74, S. 273-293 - K. Bockmühl, Evangelikale Sozial­ethik, 1975 — R. Padilla (Hg.), Zukunftsperspekti­ven, 1977

Laepple

Irrlehre -> Lehrzucht Irvingianer —> Kath. apost. Gemeinde

Israel

Das atl. Bundesvolk führt sich nach bibli­scher Überlieferung (Jos 24,2ff.) auf den Stamm des Hebräers Abraham zurück, der aus Mesopotamien nach Kanaan zog, dessen Nachkommen sich dann in Ägypten zu volkreichen Sippschaften ausbreiteten und um noo v.Chr. durch Mose und Josua wie­der nach Kanaan geführt wurden. Die ein­zelnen Stämme des Bundesvolkes waren zu­nächst nur kultisch-religiös verbunden, erst mit dem Königtum unter Saul (um 1020), David (um 1000) und Salomo (um 970) ent­stand die staatliche Einheit, die freilich nach Salomos Tod wieder zerbrach. Die nördli­chen Stämme bildeten das Reich Israel um Samaria, die Könige von Juda regierten wei­terhin in Jerusalem, der Stadt, die David zur Hauptstadt gemacht hatte, in der Salomos Tempel stand. 722 eroberten die Assyrer Samaria. 586 unterlag Juda den Babyloniern, die das Volk nach Babel ins Exil führten. Als die Perser 538 Babylon eroberten, erlaubten sie den Juden, in ihr Land zurückzukehren. Seither lebte das Volk als religiöse Gemein­schaft, politisch nie mehr ganz unabhängig: 322 Eingliederung in das Reich Alexanders d.Gr., dann bis 198 unter der Herrschaft der ägyptischen Ptolemäer, 198 unter den in Sy­rien (Antiochia) residierenden Seleukiden.

Deren Hellenisierungspolitik führte r67 zum Makkabäeraufstand, der die kultische Eigenständigkeit aber auch das politische Bewußtsein festigte. Uber die Hasmonäer- herrschaft ging Palästina an die Römer, ge­gen die sich die jüdischen Zeloten in den Aufständen der Jahre 70 und 132-135 (Bar Kochba) erhoben, was zur Katastrophe der Zerstörung Jerusalems und zur Vertreibung des Volkes aus dem Lande führte.

Das Erstaunliche ist, daß das Judentum (Is­rael) sich während langer Fremdherrschaft im Völkertiegel des vorderen Orients, dann während des Exils unter allen Völkern bis zur Gründung des Staates Israel im Jahre 1948, erhalten hat. Das ist politisch nicht erklärbar, sondern nur zu verstehen, weil dieses Volk zugleich ein religiöser Bund ist, der wohl auf staatliche Existenz hinzielt, solche aber nicht voraussetzt. Der Bund, ge­schichtlich durch Mose am Sinai gestiftet, hat Israel schon in frühester Zeit aus der Umwelt der antiken Kulturen herausgeho­ben: Einmal durch den Glauben an den ei­nen, unsichtbaren —> Gott, Jahwe, dann durch die ethische Forderung, die den ein­zelnen wie das Volk unter eine auf Gott be­zogene Rechtsordnung und Verheißung stellt. Dieser Gottesglaube hat zwar auch einen universalistischen Sinn, weil Jahwe der Schöpfer der Welt ist, aber primär ist die Gottesbeziehung vom Bund her bestimmt, durch den Israel das auserwählte Volk, das Eigentumsvolk Gottes geworden ist (Lev 26,12; Dtn 7,6; Ps 135,4; Jes43; Jer 7, 23; Ez 34,30). Das Bundesverhältnis ist einerseits —» Gesetz, Tora (Weisung), die auf Mose zu­rückgeht (Ex 2off.), unter Josia durch das Deuteronomium erweitert wurde (2Kön 22L) und später, nach der Vertreibung, im

Talmud mündete, einer Sammlung von Ge­setzeserklärungen (Mischna) und Lehrtradi­tionen (haggada). Der sog. palästinische Talmud geht zurück auf Jochanan bar Nap- pacha (199-279), der babylonische auf Raw Aschi (352-427). Begründete das Gesetz vornehmlich den inneren Zusammenhang Israels, so hatte die andere Seite des Bundes­verhältnisses, die prophetische Verheißung, zugleich eine große Ausstrahlung auf die Welt, gab sie dieser doch die Hoffnung auf —» Heil und Erlösung als Ziel und Sinn der —» Geschichte.

Der atl. Messianismus ist Hoffnung auf den Heilsbringer, den Messias, aber zugleich

Hoffnung auf die Wiedergeburt und Kettung Israels. Auch der eschatologische Herrscher, der Menschensohn von Dan 7,13-15, ist zu­gleich Repräsentant des Volkes der Heiligen (Dan 7,27). Der Heilsuniversalismus, der auch auftaucht (Gen 12,3; Jes 2,3h; 49,6;



  1. setzt das Heil Israels voraus: Nicht an Stelle des Volkes Israel, sondern durch die Rettung des Gottesvolkes wird auch den an­deren Völkern das Heil zuteil.

Lit.: Martin Metzger, Grundriß der Geschichte Is­raels, 19774 - Ludwig Albrecht, Die Geschichte des Volkes Israel, 1926 - Abba Eban, Dies ist mein Volk, 1968

Flückiger


J




Jacoby, Ludwig Sigismund, *21.10.1813 Altstrelitz, 120.6.1874 St. Louis (USA). Der aus einer jüdischen Familie stammende, 183 5 getaufte Kaufmann wanderte 1839 nach Nordamerika aus, wo er nach seiner Bekehrung methodistischer Reiseprediger wurde. 1849 nach Deutschland gesandt, machte er Bremen zum Ausgangspunkt sei­nes Wirkens, durch das er zum Gründer der Bischöflichen —> Methodistenkirche im deutschsprachigen Europa wurde. J. stand dem sich in Deutschland und in der Schweiz ausbreitenden Werk bis 1872 als Superin­tendent vor. Er gab seit 1850 die Zeitschrift »Der Evangelist« heraus, gründete ein Ver­lagshaus (Verlag des Traktathauses, Bremen) und eine Missionsanstalt zur Ausbildung methodistischer Prediger (1858).

Lit.: über J.: H. Mann, Ludwig S. Jacoby, der erste Prediger der Bisch. Methodistenkirche von Deutschland und der Schweiz, o.J. - F. Wunderlich, Brückenbauer Gottes, 1963

Wüthrich

Jänicke, Johannes *6.7.1748 Berlin, 121.6.1827 Berlin. Zunächst Weber, dann Lehrer wird J. als Mitglied der Brüderge­meine 1779 Prediger der Böhmisch-lutheri­schen Bethlehemsgemeinde in Berlin. 1800 eröffnet er das erste deutsche Missionsse­minar, das er durch seine Persönlichkeit im Geist der —» Erweckungsbewegung prägte. Durch Vermittlung Steinkopfs wurden Absolventen des Seminars von englischen Gesellschaften ausgesandt. Bis zu seinem Tod sind 80 Missionare aus der Missions­schule hervorgegangen, darunter auch der Pionier der Chinamission, K. —>• Gützlaff. J. wirkte auch nach innen: Er schuf eine Volksküche, einen Traktatverein, sowie eine »Biblische Gesellschaft«, ein Vorläufer der »Preußischen Hauptbibelgesellschaft«. Lit.: E. Schick, Vorboten und Bahnbrecher, 1943

Geldbach


Janssen, Remmer, *6.11.1850 Werdumer Altendeich/Ostfriesland, 118.5.1931 Egels bei Aurich. Nach dem Theologiestudium in

Leipzig und Göttingen wurde J. r877 Bau­ernpastor in Strackholt bei Aurich. Sein Dienst fand ein starkes Echo. Seit 1880 nahmen trotz langer Predigten rund 1 000 Menschen am Gottesdienst teil, so daß die Kirche vergrößert werden mußte. In der wö­chentlichen -» Bibelstunde zählte man 700 Besucher. 1882 fand das erste -» Missions­fest statt, das seitdem regelmäßig am letzten Mittwoch im August große Scharen aus ganz Ostfriesland vereinigt. 1886 baute J. in Strackholt ein Missionsseminar, durch das bis 1914 96 Schüler gingen. In seinem Pfarr­haus erzog er im Laufe der Zeit über 30 Wai­sen.

Lit.: Vom Geheimnis Christi, Andachten, (Hg. J. Mindermann) 19712

Rothenberg

Janz Team e.V.

Überkonfessionelles Missionswerk mit Sitz in Lörrach (Baden). Das »Janz Quartett«, be­stehend aus den drei Brüdern Leo, Adolph und Hildor Janz und einem Schwager, Cor- nie Enns, arbeitete zunächst im Auftrag von kanadischen Bibelschulen in Kanada und den USA. Neben evangelistische Einsätze trat bald die Möglichkeit der Radiomis­sion.

1951 besuchte das »Janz Quartett« auf Ein­ladung von —» Jugend für Christus erstmals Deutschland. Aufgrund der dabei geschlos­senen Kontakte und der Möglichkeit, über Radio Luxemburg evangelistische Sendun­gen auszustrahlen, begann das J. T. Mitte der fünfziger Jahre seine Arbeit in Europa.

1957 veranstaltete das J. T. im Rahmen der Ev. —> Allianz seine erste —> Großevangelisa­tion in Essen. Seither Großevangelisationen in Deutschland, der Schweiz und Öster­reich, Kanada, Argentinien, Brasilien und Paraguay. Radiomission über Sender in Eu­ropa, Nord- und Südamerika. Daneben Evangelisationen auf Gemeindeebene, die von einzelnen Gruppen des J. T. durchge­führt werden (z.B. den »Ambassadors«). Die Evangelisationsarbeit wird ergänzt durch Schulungs- und Freizeitarbeit in »Haus Palmgarten« in Kandem (Schwarzwald) und


dem »Centro de Treinamento Biblico« in Gramado, Brasilien.

Lit.: L. Janz, Die Janz Team Story, 19773

Steinseifer

Jellinghaus, Theodor, ‘21.6.1841 Schlüs­selburg/Weser, t4.10.1913 Berlin. J. ent­stammt einem alten westfälischen Pasto­rengeschlecht. Nach dem Theologiestu­dium wurde er Missionar der Goßner- Mission in Indien 1866-1870. 1870-1873 ohne Anstellung, dann Pastor in Rädnitz bei Crossen und Gütergotz. 1874 wurde er auf einer Englandreise während der »Segenstage von Oxford« für die Anschauungen der an­gelsächsischen —> Heiligungsbewegung ge­wonnen und verarbeitete seine neuen Er­kenntnisse in der einzigen »Dogmatik« der Heiligüngsbewegung: »Das völlige gegen­wärtige Heil durch Christum«, 1880/19035. Auf Anregung von leitenden Brüdern des —*• Reichsbrüderbundes gründete er 1885 in Gütergotz (später Lichtenrade b. Berlin) eine Bibelschule für Laien, die er in fünfmonati­gen Kursen im Sinne seiner Heiligungslehre unterrichtete. Infolge schwerer Depressio­nen ließ er sich 1894 aus dem Pfarramt pen­sionieren. Nach Besserung seines Zustandes hielt er neben der Bibelschule mehrwöchige Bibelkurse in vielen deutschen Städten. Bis 1903 war er Mitglied des —> Blankenburger Allianzkomitees. Als J. sich gegen das Vor­dringen des Darbysmus (—> Darby) und gegen die Heiligungslehre J. —> Pauls wandte, brachte akuter Schülermangel die Bibel­schule in Gefahr. In dieser Zeit verfiel J. wie­der in tiefe Depressionen. Sein Sohn führte die Schule weiter. Bis 1910 wurden ca. 3 000 Bibelschüler in den Anschauungen der Hei­ligungsbewegung unterrichtet. Die nervli­che Krise 1905/6 war verbunden mit Äng­sten J., daß seine vom reformatorischen Ver­ständnis abweichenden Lehren (Stufen­schema, oberflächliche Behandlung von Sünde etc.) zu Fehlentwicklungen in der —» Gemeinschaftsbewegung geführt hätten, de­ren Auswirkungen er in der aufkommenden —» Pfingstbewegung sah. 1911 widerrief er (»Erklärung über meine Lehrirrungen«, o.J.) die Irrtümer seines »heilistischen Systems«.

Lit.: P. Jellinghaus, Zum 25jährigen Bestehen der Bibelschule, r88$-i9io - E. Cremer, Das voll­kommene gegenwärtige Heil in Christo, Eine Un­tersuchung zum Dogma der Gemeinschaftsbewe- gung, BFchTh 4/5, 1915 Qhlemacher






Christian Jensen




Jensen, Christian *20. 1. 1839 Fahretoft, 123.3.1900 Breklum, hat in Kiel und Erlan­gen Theologie studiert. Nach dem Examen 1867 wurde er Pastor in Ülvesbüll, 1873 in Breklum. 1870 gab er das »Sonntagsblatt für's Haus« heraus, gründete 1875 die Brek- lumer Buchhandlung, am 19. 9. 1876 die Schleswig-Holsteinische ev.-lutherische

Missionsgesellschaft. 1877 eröffnete er das »Missionsseminar«, 1879 die »Brüderan­stalt«, 1882 das »Martineum«, das als Gym­nasium bis 1893 bestand. Christian Jensen erhielt 1891 den theologischen Ehrendoktor des Carthage College in Kenoscha-Wiscon- sin (D.D.). Obwohl er entschiedener Bekeh­rungsprediger war, liest man in seiner Le­bensgeschichte nichts von seiner eigenen Bekehrung, nimmt aber an, daß sie ausgelöst wurde durch den »guten Einfluß Erlanger Universitätsprofessoren« (—» Erlanger Theo­logie). Christian Jensen war Erweckungs­prediger. Ausläufer der von Breklum ausge­henden —> Erweckung sind heute noch in Schleswig-Holstein zu finden. Gleichzeitig war Jensen ein Mann der Mission. Innere und Äußere Mission blieben für ihn eine un­zertrennliche Einheit.

Lit.: Evers. E., Christian Jensen, 19244, Dunker, H., Christian Jensen, 1970. Sensche, K., Christian Jen­sen und die Breklumer Mission, 1976.

Bräumer


Jeppe, Karen, *i. 7. 1876 Gylling/Däne- mark, 17.7.193 5 Aleppo, Tochter eines däni­schen Lehrers. Ihr Weg zu einem nüchternen und starken Glauben vollzieht sich unter verborgenen Kämpfen. Nach ihrem Studium ist sie im Schulunterricht tätig. Von der blu­tigen Verfolgung des armenischen, christli­chen Volkes durch die Türken (1895/96) er­griffen, folgt sie dem Ruf Gottes und leitet in Urfa, nördlich von Aleppo, ein Heim für Waisenkinder. Sie fördert sie im Glauben, führt erfolgreiche Lehrmethoden ein und er­richtet für sie verschiedenste Werkstätten. Als im 1. Weltkrieg eine zweite, furchtbare Verfolgung einsetzt, die auch ihr Werk zer­stört, wird J. die Beschützerin der Bedräng­ten unter Einsatz ihres Lebens. Nach dem Krieg lassen ihr die Zehntausenden ver­schleppten Armenier keine Ruhe. Es gelingt ihr in zähem Einsatz und mit staatlicher und ökumenischer Unterstützung, Ungezählte aus der Sklaverei zu befreien und ihnen eine neue Heimat mit Glaubensfreiheit zu ver­schaffen. Von Malaria aufgezehrt starb »die Mutter Armeniens«.

Lit.: A.O.Schwede, Geliebte fremde Mutter. Karen Jeppes Lebensweg, 1974 K Brandt

Jesus-Bruderschaft

1961 schlossen sich junge Christen zur J. zusammen. 1969 bezogen sie ihr Zentrum in Gnadenthal/Ts., das aus Brüder- und Schwesternhaus, dem »Haus der Stille« (für Schulungs- und Stillefreizeiten) und dem ei­genen »Präsenz-Verlag« besteht. Hinzu kommt das Angebot der »Lebensschule«, in der junge Menschen ein Jahr lang im brüder­lichen Miteinander verbindliches geistli­ches Leben einüben können. Von Gnaden­thal aus werden die Brüder und Schwestern der }. in die Außenkommunitäten ausge­sandt, die es derzeit in Deutschland, der Schweiz, Italien, den USA, Kamerun und Israel gibt. Gottesdienste und Tageszeitge­bete sind geprägt von einer Verbindung bi- blisch-pietistischer Frömmigkeit mit litur­gischer Tradition. Die J. gehört der Ev. Kir­che an, ist aber konfessionell offen. Ihre be­sondere Berufung liegt im Einstehen für die Einheit des Leibes Christi überall da, wo sich Trennung, Unversöhnlichkeit und Zerris­senheit zeigen. Darum versucht die J., Ver­söhnung untereinander zu leben und Wege zum brüderlichen Einssein der Christen zu finden.

Lit.: Lasset uns eins sein . . . Tageszeitgebete der J., 19713 - R. Reck, Gottes neue Avantgarde? 1973, S.

K. H. Michel

Jesus Christus

I Die ältesten Christusbekenntnisse (vor-

PAULINISCH)



Der Name Jesus Christus hat Bekenntnis­charakter: Man bekennt sich zu Jesus als dem auf Grund atl. Verheißungen erwarte­ten Christus, hebr. Messias, d.h. der »Ge­salbte«, mit dem Zeichen göttlicher Erwäh­lung und Vollmacht versehene Retter und König Israels. Solche Verheißungen sind 2Sam 7,4-17 (Herkunft aus Davids Stamm, vgl. Jes 9,6; Jer 23,5; Ez 34,23,- 37,24,- Sach 12,8; Ps 89,4; 132,1), Jes 11,1 — 10 (messiani- sche Heilszeit, endzeitliches Friedensreich, vgl. Jes 9,2-7; Ez 34,23-31), Jes 11,4 (Ge­richt über die Gottlosen, vgl. Jer 23,2; Ps

  1. 11), 2Sam 7,10 (Befreiung und Rettung des Volkes Israel, vgl. Jes 9,4; Jer 30,31; Ez 37; Am 9,11-15; Mi 5,4), Sach 12,10 (der Märtyrerkönig, vgl. Sach 13,7-9; Ps

  1. 9ff.), Ps2,8 (Gericht über die Völker, vgl. Ez 34,27; Mi 5,7). Jesus wurde nach Apg 5,42 in der judenchristlichen Urgemeinde als Christus verkündet, wogegen nach Apg

  1. in der hellenistischen Mission bald das Bekenntnis zu J.C. dem Herrn (Kyrios) in den Vordergrund trat, was damit zusammen­hängt, daß der Christustitel besonders die Beziehung zu Israel ausdrückt, der Ho­heitsname Kyrios dagegen die Herrschaft über die Völker (Ps 2,8; 110,1). Sehr alt ist auch der Würdename »Sohn Gottes«, der auf das AT zurückweist, 2Sam 7,14; Ps 2,7 aber im NT durch die Verbindung mit der Präexi­stenz besonderes Gewicht erhielt (Joh 1,14,- Gal 4,4; Kol 1,13ff.; Hebr 1,2). Der Sohnes­name begegnet im alten Bekenntnis Röm 1,3-4, auch im alten, eingliedrigen Taufbe­kenntnis Apg 8,37: »Ich glaube an Jesus Christus, den Sohn Gottes«. Als »über­nommen« bezeichnet ist die Formel iKor 15/3-4/ die als Hauptsache Christi Tod für unsere Sünden und die Auferweckung be­zeugt. Christi Tod, Auferweckung und Er­höhung bekennt die Formel, die hinter iPetr

  1. 22 erkennbar ist, sowie - mit der Prä­existenzaussage — der alte Hymnus Phil 2,6-11. Die Bekenntnisformeln Röm 1,3-4 und 2Tim 2,8 reden von J.C., dem Sohn Da­vids, der vom Tode auferweckt bzw. erhöht ist. Zweigliedrige Formeln nennen Gott und Christus, so iKor 8,6, wo Christus als Herr und Schöpfungsmittler bezeugt wird, und r Tim 6, r 3, wo es heißt, daß Jesus vor Pilatus Zeugnis abgelegt, d.h. das Martyrium erlit­ten hat. Insgesamt konzentrieren sich diese Formeln, die den Ansatz zum späteren Apostolischen Glaubensbekenntnis bilden, auf die Würdenamen Christus, Sohn Gottes, Herr, sowie auf das Zeugnis, daß er (für uns) gestorben ist, auferweckt und zum Kyrios erhöht wurde. Auffallend ist, daß das später im 2. Artikel stehende Bekenntnis zum künftigen Kommen Christi zum —> Gericht noch fehlt. Erwähnt sind dagegen die Präexi­stenz (Schöpfungsmittlerschaft) und die ir­dische Herkunft aus dem Geschlecht Da­vids. Dieses Zeugnis deckt sich mit der Bot­schaft der Petruspredigten in der Apg, die auch von Christi Tod, Auferweckung und Erhöhung künden (Apg 2,23 -24; 2,36; 3,15; 4,10; 5,30; ro,39-40).

n Paulinische und andere ntl. Schriften (ohne Evg.)

Auch die Botschaft des Paulus ist am Kreuz (1 Kor 1,23) und an der Auferweckung Christi (Röm 10,9) orientiert, wogegen das irdische Wirken Jesu kaum erwähnt wird (nur iKor 11,23ff.). Christi Tod war Sühnetod für un­sere Sünden (Röm 3,25 u.ö.). Christus starb »für uns« (Röm 5,8 u.ö.). Christi Tod ist die Voraussetzung unserer -» Rechtfertigung, seine -> Auferstehung die Bedingung unse­rer Auferstehungshoffnung. Christus ist der neue Mensch, der zweite Adam (Röm



  1. ff.; 1 Kor 15,4 5 ff.), nach dessen Auferste­hungsleiblichkeit auch wir verklärt werden sollen (iKor 15,44ff.). Er ist das wahre Eben­bild Gottes, dem wir gleichgestaltet werden (Röm 8,29; 2Kor 4,4; Eph 4,24; Kol 3,10). Er war auch in seinem Menschsein Gottes Sohn und ohne —» Sünde (2Kor 5,21), also nicht nur Mensch wie wir: Ihm gleichgestal­tet werden heißt daher, den »alten Men­schen« ablegen (Eph 4,22ff.; Kol 3,9). In ihm bzw. im Geist leben ist -» Wiedergeburt, die sich äußert im Prozeß der Befreiung von der Bindung an die Sünde und in der Betätigung der Geistesgaben (Röm 8,1 ff., 12,1 ff.). Chri­stus ist erhöht zum Herrn über alle Mächte und Gewalten (iKor 15,27; Phil 2,10; Kol 1,19ff-), er muß herrschen, bis alle gottfeind­lichen Mächte unterworfen sind, daß dann »Gott sei alles in allem« (iKor 15,28).

Nach dem Hebr war er als Mensch ein Hoherpriester, der sich selbst als Opfer dar­brachte und durch sein einmaliges Opfer eine ewige Erlösung erwirkte, den neuen Bund stiftete. Nun ist er in den Himmel ein­gegangen, wo er als himmlischer Hoherprie­ster fürbittend vor Gott für die Seinen ein- tritt (Hebr 9,23-28; 10,11 ff.). - Im iPetr wird auf Christus als unser Vorbild hinge­wiesen: Er hat, wie der Gottesknecht Jes 53 (vgl. 1 Petr 2,21-25), für unsere Sünden gelit­ten (iPetr 1,18-19; 2,24; 3/18). Nun wartet die erlöste Gemeinde auf seine Offenbarung, wenn er zum Gericht erscheinen wird (1,7;

  1. . — Die Joh.-Briefe verkünden den Sohn, der vom Vater gezeugt ist (ijoh 5,18), durch den wir Gott erkennen und das ewige Leben empfangen. Wer in ihm lebt, der wandelt im Licht bzw. in der Liebe und wird gereinigt von der Sünde. 2Petr, Jud und Offb vertreten eine stark apokalyptische Theologie: Chri­stus, der Retter der Gemeinde, ist auch der himmlische Herrscher, der die Welt richten wird. Er wird die satanischen Mächte nie­derwerfen und die neue Schöpfung herauf­führen.

RI Das Zeugnis der Evangelien Der biographische Rahmen der Evangelien umgreift davidische Herkunft, Geburt in Bethlehem (-* Jungfrauengeburt), Kindheit in Nazareth, Taufe durch Johannes, bei wel­chem Anlaß eine Offenbarung ihm seine Sendung zeigt; erste Wirksamkeit in Gali­läa, Sammlung eines Jüngerkreises, Kreuzi­gung um 30 in Jerusalem durch den römi­schen Prokurator Pontius Pilatus und die Er­scheinungen des Auferstandenen. Zur älte­sten Überlieferung gehört, daß er predigte und daß er —» Wunder vollbrachte (vgl. die Zusammenfassungen seines Wirkens in Mk 4,23; 11,5: Apg 2,22-23; 10,36-42; Hebr

  1. -4). Im Zentrum der Verkündigung steht die Herrschaft Gottes (-» Reich Gottes), die nicht ein »Reich« ist, sondern das Herr-Sein, die Würde und Macht Gottes, die der Welt noch verborgen ist. Jesus kündet das Kom­men, die nahe Offenbarung der Gottesherr­schaft an (Mk 1,15). Keimhaft ist sie in Jesu Wort (Mt 13,37) und Werk (Lk 11,20) schon da. Sie ist Gericht und Rettung. Nicht alle werden hineinkommen (Mt 5,20; 7,21; 8,12;

  1. ff.). Jesus hat Vollmacht, die Zugehörig­keit zur Gottesherrschaft zuzusprechen (Mt 5,3; Lk 23,43). Gott hat sie ihm vermacht (Lk 22,29). Auch die Wunder sind Offenbarung der Gottesherrschaft, d.h. der schöpferi­schen Lebensmacht Gottes an Kranken, Be­sessenen, Elenden und Toten. Sie sind

eschatologische Zeichen der Schöpfungs­mittlerschaft des Sohnes und der Neuschöp­fung. Als solche waren sie auch für die dama­lige Zeit einzigartig (Mt 9,33; Mk 2,12; foh I5,i4)-

Jesus hat sich in seiner Verkündigung nicht als Messias bezeichnet. Nach den Evange­lien sprach er von sich als vom Menschen­sohn. Die besondere Bedeutung dieses Be­griffs im Selbstzeugnis ist, daß darin nicht nur das künftige Kommen (nach Dan 7,13) ausgesagt ist, sondern primär sein gegenwär­tiges Leiden, seine Erniedrigung (Mt 8,20; 11,19; Mk 8,31; 10,45 u.a.). Dieser Leidens­aspekt erklärt, warum Menschensohn-Aus- sagen und Verkündigung der Gottesherr­schaft nicht miteinander verbunden sind, denn die Gottesherrschaft ist immer, auch in den gegenwärtigen »Zeichen«, Offenba­rung der Herrlichkeit und Königsmacht Gottes. Die Gemeinde nach Ostern kannte den Menschensohn-Namen nur noch als Er­höhungsaussage (Joh 1,15 u.a.; Apg 7,55; Offb 1,13; 14,14), es ist daher nicht anzu­nehmen, daß sie einen Menschensohn-Be- griff, den sie selber nicht verwendete, in die Geschichte Jesu zurückprojiziert haben könnte. Jesus war Jude und wandte sich an die Juden, wenngleich er Heiden, die zu ihm kamen, nicht von sich wies (Mt 8,5ff.;



  1. ff.). Auch die Jünger sandte er nur zu den Juden (Mt 10,5). Er lebte in engem Um­gang mit der Schrift. Das Gebot der -» Liebe zu Gott und zum Nächsten wird als Gebot des AT gelehrt (Mk i2,28ff.). Die jüdische Gesetzesauslegung (Überlieferung der Alten Mk 7,5 par.) stellte er in wichtigen Teilen (Reinigung, Sabbat) durch seine eigene Ge­rechtigkeitsforderung in Frage (Bergpredigt). Er hat -» Vollmacht, Sünden zu vergeben (Mk 2,5). Die Elenden und Sünder verstößt er nicht, vielmehr weiß er sich gesandt, sie zu retten (Mt 18,11). Seine Botschaft ist An­kündigung des —> Heils Gottes, aber zugleich Ruf zur —» Bekehrung und Nachfolge (Mt 4,17; Mk 1,15; Lk 15,7; 19,8).

Warum wurde Jesus getötet? Nach Mt 27,37 wegen des Anspruchs, »König der Juden« (d.h. der Messias) zu sein. Die Römer ver­standen diesen Anspruch politisch, wie er ihnen vom römerfeindlichen jüdisch-zeloti- schen Messianismus her bekannt war. Nach den Evangelien ist die Anklage vom Sanhe- drin, dem jüd. »Hohen Rat« ausgegangen, der Jesus zuvor verhörte. Da Zeugen ver­nommen wurden, ist wahrscheinlich, daß beim Sanhedrin Klagen eingegangen waren, evtl, wegen Schmähung des Tempels (Mk 14,58). Aber das hatte wohl nur den Anstoß gegeben, denn längst bestand Mißtrauen wegen seines Vollmachtsanspruchs (Mt 9,3; Mk 11,18,- Lk 6,1 — 11). Nach Mk 14,62 par. hat Jesus vor dem Rat ein Messias-Bekennt­nis abgelegt. Aber messianische Bewegun­gen galten bei den Juden an sich nicht als verbrecherisch, sie fanden eher heimliche Unterstützung. Der wahre Grund der An­klage muß ein anderer gewesen sein. Nach den synoptischen Berichten hat Jesus sein Messiasbekenntnis verbunden mit einer Ankündigung seiner Erhöhung. Er wird sit­zen zur Rechten der Kraft (d.h. Gottes).

Diese Aussage wird ergänzt durch eine deut­liche Anspielung auf Dan 7,13. Das Kom­men des Menschensohnes auf den Wolken in Dan 7,13 ist nicht ein Kommen auf die Erde, sondern Erhöhung zu Gott. Jesus kün­dete an, daß er sich offenbaren wird als er­höht zur Rechten Gottes, d.h. in einer Gott gleichen Stellung. Für jüdische Ohren erin­nert das an das »Sein wie Gott« Gen 3,5, die Ursünde, und es ist verständlich, daß der Hohepriester sogleich den Vorwurf der Lä­sterung erhob und der ( wahrscheinlich inof­fiziell zusammengerufene) Rat Jesus als des Todes schuldig erkannte. Das Todesbe­kenntnis Mk 14,62 par., auf das wohl iTim



  1. angespielt hat, erklärt die sonst unbe­greifliche Verurteilung. Die Juden wollten Jesus als Lästerer gekreuzigt haben, weil er seine Erhöhung zur Rechten Gottes ange­kündet hatte. Aber weil der römische Rich­ter auf diese rein religiöse Anklage nicht eingetreten wäre, benutzen sie sein gleich­zeitiges Messiasbekenntnis (und vielleicht Hinweise auf die Mk 11,1-8 par, geschil­derte Demonstration), um ihn als Messias­prätendenten, d.h. für Pilatus als Aufrührer, zu bezichtigen. Mit solchen machten die Römer sehr kurzen Prozeß, wie es denn auch hier geschehen ist. Das Todesbekenntnis ist auch der Schlüssel zum ältesten Bekenntnis der Gemeinde, daß Jesus der Christus ist, und daß er zum Herrn gemacht ist, zur Rech­ten Gottes (Apg2,36; Phil 2,9-H; Hebr 1,3). Dieses Bekenntnis ist möglich und Tatsache geworden, weil Gott selber sich gegen das Urteil der Menschen zu Jesus bekannt hat, indem er ihn von den Toten auf erweckte (vgl. Apg 3,15-20).

IV Entfaltung der Christologie in der

KIRCHLICHEN LEHRE

Die -> Alte Kirche hat in Weiterbildung der ältesten Glaubensformeln das sog. apostoli­sche Glaubensbekenntnis formuliert und zur Glaubensregel gemacht. Im Zentrum des christologischen 2. Artikels stehen Leiden, Auferstehung und Erhöhung Christi, dazu nun das künftige Kommen als Richter. Ge­gen die gnostische Infragestellung der menschlichen Natur Christi und gegen die arianische Infragestellung seines göttlichen Wesens wurde 451 das Symbol von Chalce- don aufgestellt, als Bekenntnis zum »Sohn, unserem Herrn Jesus Christus . . . wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch . . . der in zwei Naturen unvermischt und unverwandelt, ungetrennt und ungesondert erkannt wird«. Apostolikum und Chalcedonense blieben die grundlegenden -» Bekenntnisse auch in der Reformationszeit: Die überlieferte Lehre von der Person Christi wurde beibehalten, das theologische Schwergewicht liegt nun auf der Lehre vom Werk Christi. Diese wird dogmatisch entfaltet in der Lehre vom drei­fachen Amt Christi, nämlich vom propheti­schen Amt, insofern Christus uns Gottes Willen (als Gesetz und Evangelium) ent­hüllt, als hohepriesterliches Amt, indem Christus durch das freiwillige Opfer seines Todes am Kreuz die Strafe für unsere Sünde auf sich nahm und uns mit Gott versöhnte, und das königliche Amt, d.h. die ihm verlie­hene Herrschaft bzw. Vollmacht, zunächst über sein Volk, das er zur Vollendung führt, aber (nach reformierter Lehre) auch über die Welt und alle Mächte und Gewalten.

Von der Aufklärungszeit an begegnet die überlieferte Christuslehre vielfacher Kritik, einmal von einer Welterkenntnis her, die al­les Geschehen aus innerweltlichen Ursa­chen zu erklären sucht und deshalb Wunder ablehnt, dann wegen der historischen Evan­gelienkritik, welche die Berichte der Evange­lien oft stark anzweifelt (D.F.Strauss, R. -> Bultmann). Unter dem Einfluß idealisti­scher Philosophie vertreten viele Theologen des 19. Jh.s ein neues Christusbild: Christus erscheint als Urbild dessen, was einst die Menschheit im Ganzen sein soll: die Ver­körperung der höheren, vom Geiste erfüllten Natur. Als Vorbild höherer Menschlichkeit (Mitmenschlichkeit) erscheint Christus auch in der gegenwärtigen Theologie, oft stark gesetzlich, insofern Christusverkün­digung als Liebesforderung verstanden ist, oder als Gerechtigkeitsforderung im Blick auf die Schaffung einer neuen Gesellschaft.

Andere Wege geht die Dogmatik Karl —» Barths: In Christi Menschwerdung vollzog sich der ewige Erwählungsratschluß Gottes, die Welt bzw. die Menschheit anzunehmen und mit sich zu versöhnen. Diese Annahme ist für alle de jure geschehen, auch wenn die faktische Vollendung sich erst ereignen wird.

Im Bereich des -» Pietismus hat sich aufs Ganze gesehen keine eigene christologische Konzeption herausgebildet. Bezeichnend ist aber durchgehend, daß Glauben wesentlich verstanden wird als ein persönliches Ver­hältnis zu dem erhöhten und im Geist ge­genwärtigen Jesus, dem Sohn Gottes, der als Herr und Heiland erfahren und bekannt wird.

Lit.: O. Cullmann, Die Christologie des NT, 19633 - O. Rodenberg, Der Sohn, 197er - O. Betz, Was wissen wir von Jesus, 1967* - O. Michel, Der Men­schensohn in der Jesusüberlieferung, in: ThB Jg. 2/197t - H. Burkhardt, Man fragt wieder nach Je­sus, in: ThB Jg. 2/1971 - Ed. Schweizer, Jesus Chri­stus im vielfältigen Zeugnis des NT, 1968

Flückiger



Yüklə 7,17 Mb.

Dostları ilə paylaş:
1   ...   32   33   34   35   36   37   38   39   ...   76




Verilənlər bazası müəlliflik hüququ ilə müdafiə olunur ©muhaz.org 2024
rəhbərliyinə müraciət

gir | qeydiyyatdan keç
    Ana səhifə


yükləyin