Krelingen
Das »Geistliche Rüstzentrum Krelingen« (3030 Walsrode 11) entstand um 1968 aus der Evangelisations- und Seelsorgetätigkeit des Gründers und Leiters Pastor Heinrich Kem- ner (geh. 1903; Pastor in Ahlden/Aller 1936-1969; 1946 Gründung des Ahldener Jugendtages; 1949 Gründung der Ahldener Bruderschaft).
-
Zielsetzung: Die Arbeit dient der bi- blisch-erwecklichen Gemeindearbeit in der Orientierungskrise in Kirche und Theologie.
-
Arbeitsformen: Verkündigung (—> Evangelisation, Glaubens- und Erweckungstage, Ahldener Jugendtag in Krelingen; —» Freizeiten für Christen und Nichtchristen). Studienarbeit (Schulungsarbeit in Tagungen und Seminaren; Vor- und Ergänzungsstudium für Theologiestudenten als biblische Grundlagenklärung für akademische Pfarrerausbildung; biblische Sprachkurse; religionspädagogische Arbeitsgemeinschaft; Fernkurs-Arbeit). Arbeit an -> Suchtkranken (Biblische Lebenshilfe für drogen- und alkoholsüchtige junge Männer; Führungsbedürftige. Rehabilitationsfarm »Glaubenshof«). Altenwohnsiedlung.
v trägerschaft: »Ahldener Bruderschaft e.V.« mit über 100 haupt- und ehrenamtlichen Verkündern. Das Rüstzentrum ist als »Glaubenswerk« organisatorisch und finanziell unabhängig von Kirche und Staat.
Lit.: H. Kemner, Weg und Ziel, 1973
S. Findeisen
Kreuz —> Jesus Christus
Kriegsdienst (KD), Kriegsdienstverweigerung (KDV)
-
Geschichtlich:
Im AT ist der Krieg eine selbstverständliche Möglichkeit dieser Welt. Das Ende der Kriege ist Zeichen der messianischen —> Endzeit (Jes 9,2ff.; 11,1 ff.). Im NT gilt als Ursache der Kriege die -> Sünde der Menschen und die Gottesfeindschaft der Mächtigen in dieser Welt. Die ethische Problematik des Kriegs wird nicht ausdrücklich reflektiert. Weder kann man aus der Bejahung des Kriegs im AT noch aus der Aussage des Paulus, daß die Obrigkeit das »Schwert trägt« (Röm
-
, eine Rechtfertigung des Kriegs ableiten. Zunächst haben viele Väter der —» Alten Kirche den KD als mit der —> Nachfolge Christi unvereinbar abgelehnt und sich zur Begründung auf das Tötungsverbot, die Ablehnung der Gewalt durch Jesus (Mt 26,51 f.; Joh 19,11), das Verbot der Wiedervergeltung (Mt 6,43ff.; Röm 12,17ff.) berufen. Diese Tradition ist von den —> Friedenskirchen (Waldenser, Täufer und ihre Nachfolger wie —» Mennoniten, -» Quäker, Kirche der Brüder) fortgesetzt worden.
Als das Christentum sozialen Einfluß gewann, änderte sich die kritische Einstellung zum KD so, daß nur das Verbot des KD für Kleriker übrigblieb. Seit Augustinus wird die Unterscheidung von gerechtem und ungerechtem Krieg ausgebaut. Danach ist ein Krieg dann gerecht, wenn er von einer legitimen Regierung aus einem gerechten Grund (z.B. schwere Verletzung des Rechts) zum Zweck (Ziel) der Wiederherstellung der Rechtsordnung und des Friedens (also nicht der Eroberung und Vernichtung) mit gerechten Mitteln, die nicht mehr Übel anrichten als sie beseitigen, geführt wird. Die Reformatoren grenzten den gerechten Krieg auf den Verteidigungskrieg ein und betonten, daß Kriege nicht im Dienst des Evangeliums und der Kirche geführt werden dürfen (Kreuzzüge), weil Evangelium und Kirche zu Gottes Erlösungsordnung gehören, in der Gewalt keinen Platz hat. Gewaltgebrauch
und KD gehören jedoch zum ebenfalls göttlichen Auftrag der Obrigkeit, die notfalls auf diese Weise Staat, Recht und Ordnung erhalten soll. Dieser Trennung von Gottes Erlö- sungs- von seiner Erhaltungsordnung entspricht die von Christperson (Privatperson), die auf Gewaltanwendung zu verzichten hat, und Amtsperson (Christ im Staatsamt), die zur Gewaltanwendung verpflichtet ist, wenn Ordnung und Recht bedroht werden. So kann die Obrigkeit zum »rechten Krieg« (Augsburgische Konfession Art. 16) und können Christen zum KD verpflichtet und doch als »Kriegsleute im seligen Stande sein« (M. Luther 1526). Auch in der »Barmer Theol. Erklärung« (1934, These 5) wird dem Staat zugestanden, »unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen«.
-
Zur gegenwärtigen Problematik.- Auch heute vertreten manche die Auffassung, daß der Christ sich der Pflicht aller Bürger, den Staat mit Waffengewalt zu verteidigen, nicht entziehen dürfe und daß KDV dem von Gott geforderten Gehorsam gegenüber der Obrigkeit widerspreche. Dagegen steht die Überzeugung, daß der Christ sich aufgrund des Tötungsverbotes (Ex 20,13) und aufgrund des Wortes und Beispiels Jesu (Mt 5,3 — 11.39; 26,52) dem Dienst mit der Waffe nicht zur Verfügung stellen dürfe.
Im Unterschied zur älteren Diskussion um den KD ist heute allerdings zu bedenken, daß die Lehre vom gerechten Krieg kaum noch haltbar ist, weil die modernen Waffen zur Vernichtung der Bevölkerung ganzer Landstriche, unter Umständen auch des eigenen Volkes in der Lage sind. Die Erkenntnis, daß »Kriege unvereinbar sind mit Gottes Friedenswillen, wie er in Jesus Christus sichtbar wurde«, hat sich daher auch außerhalb der Friedenskirchen weitgehend durchgesetzt. I
ste diesem Ziel ebenso förderlich sein. Man geht angesichts der gegenwärtigen Lage daher meist vom berechtigten Nebeneinander von »Friedensdiensten mit und ohne Waffen« aus, fordert aber, daß durch gezielte Bemühungen um Abrüstung und Verständigung unter den Völkern der Frieden zunehmend ohne militärische Mittel gesichert wird.
KDV darf deshalb keinesfalls als Mißachtung staatlicher Ordnung und Verweigerung des Einsatzes für sie und die Friedenssicherung angesehen werden. KDV kann als Nein zum Kriege und seinen Ursachen (Haß, Machtgier usw.) ein Zeichen dafür sein, daß der Christ sich nicht mit den sündigen Ordnungen der »alten Welt« abfindet, die den Krieg bis hin zur Vernichtung anderer als Möglichkeiten einplanen, sondern daß er Mitmenschen und Politiker mit seiner Entscheidung daran erinnert, daß die Friedenssicherung mit politischen Mitteln und durch den Abbau von Haß und Rüstung absoluten Vorrang vor der durch Waffen haben sollte.
Deshalb wird heute vielfach gefordert, daß das Recht auf KDV nicht nur als »Ausnahmerecht«, sondern als »Grundrecht« zu verstehen sei. Die Anerkennung von Kriegsdienstverweigerern soll danach nicht ausschließlich von der gewissensmäßigen Verpflichtung zu Gewaltlosigkeit abhängig gemacht werden, sondern auch dann gewährt werden, wenn Gründe wie der bedrohliche Stand der modernen Waffentechnik, die Unhaltbarkeit der Lehre vom gerechten Krieg und ähnliche auf den Frieden bezogene Argumente geltend gemacht werden.
Lit.: Der Friedensdienst der Christen, erarbeitet von der Kammer f. öffentl. Verantwortung der EKiD, 1970 - B. W. Kubbig, Kirche und Kriegsdienstverweigerung 1974
Eibach
Kroeker, Jakob, *31. 10. r872 Gnaden- thal/Südrußland, t12.12.1948 Viesenhäuser Hof bei Stuttgart; Mennonitenprediger und Missionsdirektor. Nach Studium am bapti- stischen Predigerseminar Hamburg war K. Lehrer in seiner Heimat, bald Reisesekretär der —> Mennoniten. Durch F. W. —> Baedeker kam er in Verbindung mit den Erweckungskreisen in Petersburg, wo er alljährlich wirkte. 1910 zog K. nach Wernigerode und gründete 1920 mit Pastor Jack den Missionsbund Licht im Osten. Durch seine Vorträge und
Jakob Kroeker
alttestamentlichen Bibelauslegungen fand K. ein reiches Tätigkeitsfeld in Kirchen und —» Freikirchen. Sein Schrifttum und seine selbständige theologische Haltung schufen ihm einen weiten Freundeskreis.
Lit.: Maria Kroeker, Ein reiches Leben, 1949-Von K.: »Das lebendige Wort» (6 Bände zum AT) - Der Römerbrief — Viel Kleinschrifttum.
Brandenburg
Kruedener, Baronin Juliane von, geb. von Vietinghoff *11. n. 1764 Riga, f25.12.1824 Karasu/Bazar (Krim). Mit 18 Jahren einem 20 Jahre älteren Diplomaten angetraut, der bereits zweimal geschieden war, lebte K. ein Leben in der großen Welt Westeuropas. In ihrem Roman »Valerie« schildert sie dieses Leben. In Riga durch einen herrnhuterischen Schuhmacher erweckt, übergab sie ihr Leben und Vermögen dem Herrn. Bis zu ihrem Tode suchte sie evangelistisch zu wirken, hatte Einfluß auf Königin Luise von Preußen und besonders auf Alexander I. von Rußland. Der Gedanke der »Heiligen Allianz« stammt wohl von ihr. K. wirkte lange in Südbaden und in der Schweiz, wurde wegen ihrer offenen Kritik am Versagen der Regierenden in der Hungerzeit überall ausgewiesen. Ehe sie in der Krim eine christliche Siedlung gründen konnte, starb sie nach schweren Leiden.
Lit.: M. Geiger, Aufklärung und Erweckung, 1963,
S. 253-282 — H. v. Redem, Zwei Welten, 1927
Brandenburg
Krummacher, Friedrich Wilhelm, *28.
-
1796 Moers, fi868 Potsdam. K. ist Sohn des Parabeldichters Friedrich Adolf K. (11845) und Neffe G.D.K.s (11837). Als Hilfsprediger in Frankfurt/Main kommt K. zur Bekehrung, als er erkennt, »daß er als sündige, gottentfremdete Kreatur Christum zur Fleiligung und Seligkeit nicht entbehren konnte.« 1824 wird K. Pfarrer in Ruhrort, 182 5 in Barmen-Gemarke, 1834 in Elberfeld. 1833 hörte —> Friedrich Wilhelm VI. ihn predigen und berief ihn 1847 an die Dreifaltigkeitskirche in Berlin und 1853 als Hofprediger nach Potsdam. K.s Predigten wurden vielfach gedruckt (»Elia, der Thisbiter«, »Sa- lomon und Sulamith«). Er war ein feuriger Erweckungsprediger und Kämpfer. »Mein Geschmack ist das biblisch Massive.«
Lit.: K.s Selbstbiographie, 1869 - Schulz, Reichssänger, 1930
Brandenburg
Gottfried Daniel Krummacher
Krummacher, Gottfried Daniel, *1. 4
1774 Tecklenburg, t.30.1.1837 Elberfeld, Haupt der —» Erweckungsbewegung am Niederrhein, ref. Pfarrer in Baerl (1798), Wülfrath (1801) und (1816) Elberfeld. K. stand von Jugend auf unter ref.-pietistischem Einfluß tersteegenscher Prägung, doch lehnte er sich im Lauf seiner Entwicklung an die altref. orthodoxe Tradition an, insbesondere in seiner Predigt von der freien Gnade Gottes, die er in
Gottes Vorherbestimmung (—» Prädestination) am Werk sah. Von früh auf zum Sonderling neigend, unverheiratet, gewann er eine nicht sehr große, aber treue Anhängerschaft, die zum Teil später zu —» Kohlbrügge überging. Die von ihm besonders geliebte Predigt über das AT ist von großer Willkürlichkeit. Die ev. Union 1817 begrüßte er anfänglich, lehnte sie aber später ebenso wie das landesherrliche Kirchenregiment schroff ab.
Lit.: F. W. Krummacher, G.D.K. und die niederrheinische Erweckungsbewegung, 1935 - E. Mülhaupt, Rheinische Kirchengeschichte, 1970, S. 288-290
Mülhaupt
Krust, Christian Hugo, *1.12.1886 Karlsruhe, ti4-ii-i973 Darmstadt. 1910 —» Wiedergeburt, —> Geistestaufe, Geistesgaben. Nach Ausbildung in der Diakonie ab 1920 Gemeinschaftsarbeit und Prediger der »Christlichen Gemeinschaft Darmstadt«. Prägender theologischer Einfluß durch J. —» Paul und P.C.O.Voget. 1956 Redakteur der »Heilszeugnisse« und des »Heilsgruß«. 1957 Geschäftsführer des —> Christlichen Gemeinschaftsverbandes GmbH Mülheim- Ruhr und Vorsitzender des Hauptbrüdertages. 1968 Rede vor der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Uppsala (—» ökumenische Bewegung). 1969 Aufbau eines verbandseigenen Brüderseminars in Darmstadt.
Lit.: so Jahre deutsche Pfingstbewegung, 1958 — Was wir glauben, lehren und bekennen 1963 - Bearbeitung der 6. und 7. Aufl. des Mülheimer NT
Keller
Kuhlo, Johannes, *8.10.1856 Gohlfeld (Westf.), 116.5.1941 Bethel; ev. Pfarrer, Vater der »Posaunenchor«-Bewegung. K. stu
diert 1875-1879 in Halle, Leipzig und Erlangen Theologie. 1893 berief ihn F. v. —> Bo- delschwingh als Anstaltspfarrer und Leiter des Diakonenhauses Nazareth nach -» Bethel. Kind der Ravensberger —» Erweckung, geistlich und musikalisch Erbe seines Vaters Eduard K. (1822-1891), löste der »Posaunengeneral« als »blasender Volksmissionar« (Ehmann) in den »Posaunenchören« eine musikalische Laienbewegung eigener Art aus, die bei aller stilistischen Engführung (»instrumentale Nachahmung des Gesanges«; »Kuhlogriffe«) eine andauernde Bereicherung des kirchlichen Lebens und Dienstes brachte.
Johannes Kuhlo
—> Posaunenverbände
Lit.: Posaunenbuch I-IV u.a. - W. Ehmann, J. K. Ein Spielmann Gottes, 19745
Balders
Kuhlo, Karl, *2 .10.1818 Gütersloh, fi6. 3. 1909 Bethel; ev. Pfarrer. Wie sein Neffe Johannes —» Kuhlo von der Ravensberger —» Erweckungsbewegung bestimmt, war K. nach seinem Studium in Halle bei —> Tho- luck und Berlin bei —> Hengstenberg Pfarrer in Valdorf (Weser), dann von 1868 bis 1893 an dem von -» Goßner gegründeten Kranken- und Diakonissenhaus St. Elisabeth in Berlin als Prediger, Seelsorger und Chorleiter. In seinem »Liederbuch für Schwesternchöre« (Laude, Sion, Salvatorem I, 1877) findet sich seine Melodie zu M. —* Schmalen- bachs »Brich herein, süßer Schein«; außerdem vertonte er »Ich bin durch die Welt gegangen« der Eleonore Fürstin Reuß (1835-1903).
Lit.: H. Schüttler, Karl K. Schlichte Bilder aus einem stillen Leben, 1918 - Th. Bruppacher, Was töricht ist vor der Welt. 48 Gemeinschaftslieder erläutert, 1959
Balders
Kukat, Christoph, *31. 12. 1844 Groß Wersmengken Krs. Pillkallen/Ostpr., 13.8.1914 Tilsit. Der aus einer Bauernfamilie litauischer Nationalität stammende K. erlebte als zwanzigjähriger Soldat in Potsdam seine —> Bekehrung, wirkte dann in bereits bestehenden landeskirchlichen Kreisen und Gemeinschaften, die er 1885 im »Ost- preußisch-evangelischen Gebets-Verein« organisierte. Erwar dessen langjähriger Vorsitzender (-» Gebetsvereine).
Lit.: Statuten des ostpreußisch-ev. Gebet-Vereins, Ausgabe Tilsit 1908 — W. Gaigalat, Die ev. Gemeinschaftsbewegung unter den preuß. Litauern, 1904 - Zeitschrift »Friedensbote«
Kahle
Kunst
I. Das Wesen der Kunst Kunst ist eine Darstellung der Wirklichkeit durch das Empfinden des Darstellenden in einer Weise, die auch andere anspricht. Sie umfaßt verschiedene Gebiete wie Malerei, Plastik, Architektur, Musik, Literatur, Drama und Tanz. Sie strebt nicht reine Nachbildung oder Imitation des Vorfindba- ren an, sondern Neugestaltung nach den Gefühlen und Vorstellungen des Künstlers, dem neben der Vision das handwerkliche Geschick eignen muß. Der impressive und der expressive Aspekt können in jeweils unterschiedlicher Relation zueinander stehen. Während sie am Vorfindbaren anknüpft, begnügt sie sich nicht damit, sondern weist immer darüber hinaus. Als Verlangen nach Schönerem, Besserem, Nichtvorhandenem ist sie Zeugnis dafür, daß der Mensch die Erlösungsbedürftigkeit seiner selbst und seiner Welt verspürt und in ihm das Ahnen von einem Besseren wohnt. So schafft sich die Kunst eine eigene Welt, die an die jetzige anknüpft, aber über sie hinausweist - im Guten wie im Schlechten. Wo die Kunst einem absoluten Realismus verfällt, wird sie oft auch von einem absoluten Materialismus getragen.
Die Kunst ist älter als alle Wissenschaftsgebiete. Schon primitivste Werkzeuge und Waffen tragen eine funktionell nicht zu rechtfertigende Verzierung. Seit frühester Zeit gibt der Mensch seinem Empfinden als Persönlichkeit durch Schmuck und schöne Kleidung Ausdruck. Neben Hunger, Durst und Schlaf tritt das ästhetische Verlangen als ein Grundbedürfnis des Menschen. Zwischen Religion und Kunst besteht historisch gesehen eine enge Verbindung. Die Religion benutzte die Kunst als Ausdrucksmittel und die Kunst fand ihre Stoffe im Religiösen. Darüber hinaus ist sie Quelle der Freude und zielt hin auf den Lobpreis. Sie hat im allgemeinen eine öffentliche Funktion. Kunstwerke wollen den Blick lenken, sehen lehren, aussagen und aufrufen. Der Künstler identifiziert sich mit seiner Darstellung des Gegenstandes und macht sich zum Propheten oder Prediger. Seine Kraft liegt nicht im Bereich der argumentativen, klaren Logik, sondern des Suggestiven, Imaginären, Intuitiven, Unterschwelligen. Damit eignet der Kunst wie allem in der Schöpfung eine Ambivalenz; sie appelliert an das im Menschen Vorfindbare und wird in diesem Rahmen interpretiert und rezipiert.
II. Die Kunst in der Bibel Von der Schöpfung Gottes heißt es, daß sie gut war. Dieses »Gut« beinhaltet nicht nur das Element des Zweckmäßigen, sondern auch das Ästhetische des Schönen (C. Westermann). In Gottes ursprünglicher Welt fiel das Gute und das Schöne zusammen. In einer von der —» Sünde zerrissenen Welt ist das nicht notwendigerweise der Fall. Nicht nur kann gerade die schöne Frau zur Verführerin werden (Spr. 6,25), sondern der allein Gute und Gott am nächsten Stehende hatte keine »Gestalt noch Schöne« (fes 53,1 ff.). Trotz dieses Konflikts besaß —» Israel eine hoch entwickelte darstellende und musikalische Kunst für den gottesdienstlichen Bereich (Stiftshütte und Tempel) und eine breit gefächerte literarische Kunst zur Beschreibung von Gottes Offenbarung in —» Geschichte und Schöpfung und zu seinem Lobpreis (Geschichtswerke, Psalmen). Ja, die Kunstschaffenden sind erfüllt mit dem »Geist Gottes, mit Weisheit und Verstand und Erkenntnis und mit aller Geschicklichkeit« (Ex 28,3; 3i/3)- »Aber das Schöne war für Israel nie etwas Absolutes, für sich Seiendes, sondern der Welt von Gott her unablässig Zugewandtes, der Ausfluß von Gottes Handeln.« Deshalb war das Schöne etwas Geglaubtes, dessen letzte Offenbarwerdung in den Theophanien geahnt und für die eschatologische Vollendung erwartet wurde (v. Rad, Theol. d. A.T., I, S. 379).
Im NT findet sich seltsamerweise keine Auseinanderetzung mit dem griechischen Kunstideal. Jesus erfreut sich der Schönheit der Schöpfung (Mt 6,28ff.), das NT bedient sich der poetischen Sprache (Phil 2,5ff.) und die Gemeinde bezieht von Anfang an die Kunst in ihren Gottesdiensten ein (s. die gottesdienstlichen Szenen in der Offenbarung).
Die Pflege des ästhetischen Empfindens gehört mit zur —» Heiligung (Phil 4,8f.). Während aber in dieser Zeit die göttliche Herrlichkeit nur unter der Verhüllung des Kreuzes erscheint, verbindet sich der Inbegriff der offenbarten Schönheit mit der Vollendung (Off. 21+22). Das paulinische »Alles ist euer« (iKor 3,21,23) gilt auch bezüglich des Schönen und der Kunst, in ihrem Schaffen und in ihrem Gebrauch, solange wir Christi sind.
-
Die Kunst und der christliche Glaube Soweit die Kunst einen Offenbarungs- oder Erlösungsanspmch erhebt, steht sie in Spannung mit dem —> Glauben. Der Offenbarungsanspruch findet sich bei Plato, für den das Gute schön und das Schöne gut ist und die Schönheit den Weg zur ewigen Welt bereitet. Auch für Beethoven kann nur die Kunst auf die Ebene Gottes erheben, denn »die Musik ist höhere Offenbarung als alle Religionen und Philosophie.« Die Moderne erklärt gar: »Alle wahre Kunst ist göttlich.« Bei Schiller wird der künstlerische Genuß zum Gottesdienst, der tüchtig macht, in dieser unvollkommenen Welt für die Verwirklichung der hohen Ideale zu kämpfen. Auch nach Schopenhauer schenkt die Musik Augenblicke der Erlösung. Hier erhebt die Kunst den Anspruch des Ewigen und Wahren und wird somit in Form des Ästhetizismus zur widergöttlichen Ersatzreligion. Eine weitere Gefahr ist, daß die Kunst dem realen Leben entrückt und in eine heile Scheinwelt versetzt, wo man das Häßliche, Böse und Leid der Realwelt ignoriert. Das trifft vor allem beim Ästhetizismus der Romantik zu. Auch für Nietzsche versöhnt die Kunst mit dem Leben, indem sie Leiden verklärt und vergöttlicht, so daß es eine Form der Verzückung wird. Damit führt die Kunstreligion des Ästhetizismus zu einer ethischen Lähmung und Neutralität. Demgegenüber nimmt der Glaube von der Erlösung und der Vollendung her die Welt in ihrem Gefallensein mit allem Häßlichen, Bösen und Leid ernst und läßt sich zu ethischem Einsatz rufen.
Obwohl der Glaube dem Ästhetizismus feind ist, darf nicht der Eindruck entstehen, als ob zwischen ihm und der Kunst nur Gegensätze bestünden. Der Mensch, geschaffen im Ebenbild des Schöpfers, hat Teil an dessen Kreativität und betätigt sie nirgends mehr als in seinem künstlerischen Schaffen, wo er seine Welt neu gestaltet. Die Kunst kann das Gemüt mit selbstloser Freude füllen, Erquickung und Entspannung geben. Sie entdeckt in der Welt etwas von der Schönheit und Herrlichkeit Gottes und leitet hin zu Gottesanbetung und Lobpreis. Sie kann das Gemüt aufschließen für das Evangelium und den Sinn zu Edlem, Reinem und Wahrem hinlenken. Sie kann auch den Blick hinlenken zu dem Elend einer gottlosen Welt, ja vermag sogar Erlösungssehnsucht zu schaffen — freilich keine Erlösung!
So hat die Kunst auch in der Kirche immer ihren Platz gehabt. Während der Katholizismus vom naturalistischen Ansatz der Scholastik her besonders kunstfreudig ist, blieb auch der Protestantismus für die Kunst nicht unfruchtbar. Im reformierten Bereich entwickelte sich vor allem die Malerei (Niederlande), die sich biblische Motive wählte, im lutherischen die Tonkunst (Bach u.a.), im anglikanischen die Literatur (Milton u.a.). Abgesehen von der Biographie hat der —»■ Pietismus in seinen verschiedenen Phasen direkt keine Kunst hervorgebracht. Während die letzten theologischen Motive noch zu erforschen sind, haben das soziale Milieu, die erkannte Ambivalenz der Kunst, die einer klaren Entscheidung des Glaubens hinderlich sein kann, sowie der gezielte Einsatz aller Kräfte auf dem Gebiet der sozialen Tat, der —» Evangelisation und der —» Mission sicherlich mitgespielt. Doch Kunstfeindlichkeiten darf man zumindest dem Pietismus des Barock und der —» Erweckungsbewegung, aber auch der ostelbischen —> Gemeinschaftsbewegung nicht unterstellen.
Im christlichen —* Gottesdienst hat die Kunst ihren angestammten Platz. Hat die römisch —» katholische Kirche - doch auch die Kirche des Ostens - Musik, Zeremonien, Gewändern, und Malerei als suggestive Mittel weiten Raum gewährt, so stellte die -» Reformation Wort und Sakrament in den Mittelpunkt. Im reformierten Gottesdienst wollte man alle Kunst ausschließen. Im Luthertum zählt die Kunst im Gottesdienst zu den Mitteldingen, solange sie das Evangelium nicht verdunkelt. Wo freilich die Kunst den Gottesdienst dominiert, kommt es zur Religion des Pantheismus und der Mystik. Wer meint, die Bachsche Musik erübrige die Predigt, da Gott hier absolut wirke und das sonst von Gott Unsagbare hörbar werde, vergißt, daß das von Gott Unsagbare soweit nötig im Wort und in der Person Christi sowie im Zeugnis der Apostel gesagt, die Kunst als Symbol immer mißdeutbar ist, das Schöne für sich der Schleier des Bösen, sogar des Antichristlichen sein kann und daß die Feierlichkeit der Liturgie, des Oratoriums und der Messe in eine schöne, symbolhafte aber neutrale Situation führt, wo man ohne einer Aufdringlichkeit ausgesetzt zu sein, verweilen kann. Die Sündenerkenntnis kann nicht vom Ästhetischen geweckt, der ethische Imperativ nicht im Schönen vernommen, der Glaube nicht im Musenhaften gewiß werden. So ist im Gottesdienst gemäß dem ausdrücklichen Befehl Christi dem Wort der herrschende Platz einzuräumen. Die Kunst soll dienen, es unterstreichen, die Herzen aufschließen, damit das Wort kräftig herrsche. Als Mittel der Offenbarung und des Rufs zum Heil sind Kunst und Wort nicht gleichwertig, wenngleich der Gottesdienst feierlich und schön sein darf.
-
Auffallende Züge der Kunst der Gegenwart
Christliche Kunst ist nicht an ausgesprochen christliche Motive gebunden, sondern zeichnet sich dadurch aus, daß sie in irgendeiner Form auf den Schöpfer hinweist und seine Ordnung akzeptiert. In der Kunst der Gegenwart gibt es weite Bereiche, die sich den herkömmlichen ästhetischen Kategorien nicht länger verpflichtet fühlen. Grundsätzlich gilt auch hier: Kunst ist Wirklichkeit durch die Persönlichkeit des Künstlers. So reflektiert dieser Status der zeitgenössischen Künste den Zustand des Künstlers und seiner Welt. Wo der Mensch als Produkt des Zufalls verstanden wird, gibt es keine verbindlichen Normen und Ordnungen mehr, dominiert Ausweglosigkeit, Angst, Schuld - ja Verzweiflung. In einer total anthropozentrischen und innerweltlich gefangenen Kunst können das Häßliche, Grauenhafte und die Orientierungslosigkeit zur Norm werden. Damit werden gerade diese sog. modernen Kunstwerke z.T. treffende Darstellungen dessen, was der Mensch in einer Welt ohne Gott empfindet; sie werden Anklage und Kampfschrei, sozialer und politischer Protest. Auch diese Kunst hat ihre Bedeutung für den Christen. Bietet sie schon keine Hilfe, so beleuchtet sie ihm doch die menschliche Situation der Zeit.
Wo aber der Künstler Unsittlichkeit, Verbrechen und Gottlosigkeit glorifiziert und propagandiert, mißbraucht er seine Gabe, handelt zerstörerisch und unethisch.
So kann die Kunst Lobpreis des Schöpfers, Hinweis auf Gott, Ruf nach Erlösung, Falschgott oder auch Schrei des Protestes und der Verzweiflung sein.
Lit.: E. Brunner, Das Gebot und die Ordnungen, 19784 - W. Lütgert, Die Ethik der Liebe, 1938 - E. Schiink, Das ethische Problem der Musik, 1945 - N. H. Soe, Christliche Ethik, 19573 - H. Vogel, Der Christ und das Schöne, 195 5 - F. Schaeffer, Gott ist keine Illusion, 1971
Egelkraut
Kutter —» Sozialismus, Religiöser
Kuyper, Abraham, *29.10.1837 Maasluis, 18.11.1920 Loosduinen, niederländischer Pfarrer, Theologieprofessor und Politiker. Aufgewachsen in der reformierten Tradition, wird er unter dem Einfluß der —> Erweckungsbewegung zum Wortführer des bibelgläubigen Teils der Gemeinden in der »Hervormden« Kirche. Im Kampf mit dem Liberalismus und der Vermittlungstheologie der Synode erkennt er, daß auch eine orthodoxe Mehrheit in der Kirchenleitung die Grundprobleme einer von ihrer Struktur her notwendigerweise pluralistisch angelegten Staatskirche nicht zu lösen vermag. Als er 1886 von der Synode ausgeschlossen wird, vollzieht er den Schritt zur Bildung einer —» Freikirche. Geschmäht von Liberalen und manchen konservativen Calvinisten folgten etwa 200 Gemeinden mit 160000 Gliedern seinem Ruf in die »Freimachung der wahren Kirche«. Die Gemeinden, die bereits 1834 im Zuge der »Afscheiding« aus der Staatskirche ausgetreten waren, bildeten 1892 mit seiner Gruppe die »Gereformeerde« Kirche. K. vertrat einen an Schrift und Bekenntnis orientierten erwecklichen und weltoffenen Calvinismus. Biblischer Glaube, Wissenschaft und Politik fanden in seiner Person und in-seinem politischen und literarischen Lebenswerk eine erstaunliche Synthese. 1874 wird er Abgeordneter der 2. Kammer. 1880 Mitbegründer der »Freien Universität« Amsterdam, an der er bis 1901 als Professor Dogmatik lehrte. 1881 wird er Führer der antirevolutionären Partei. 1901-1905 Ministerpräsident der Niederlande. Sein umfangreiches Schrifttum machte ihn etwa seit 1965 zum geistigen Vater einer wachsenden Gruppe amerikanischer -» Evangelikaler, vorwiegend reformierter Tradition, die die Einheit von biblischem Zeugnis und politisch-sozialem Handeln betonen und eieren Einfluß in der evangelikalen Bewegung seit dem —» Internationalen Kongreß für Weltevangelisation 1974 bereits spürbar geworden ist.
Lit.: W. Kolfhaus, Dr. Abraham Kuyper, 1924 - L. Vogel, Die politischen Ideen Abraham Kuypers,
L
Dostları ilə paylaş: |