Handhabungsautomatisierung in der Wärmebehandlung und ihre Integration in die Fertigungskette
Integrierte Wärmebehandlung optimiert Fertigungsprozesse
(Stuttgart) Noch immer stellen Hochtemperaturverfahren in vielen Unternehmen einen Engpass im Produktionsablauf dar, weil zahlreiche Tätigkeiten manuell ausgeführt werden müssen und ein angemessener Materialfluss nicht stattfindet. Die Fraunhofer-Technologie- Entwicklungsgruppe (TEG) in Stuttgart zeigt, wie mit Hilfe neuer Entwicklungen die Automatisierung und Integration der Wärmebehandlung in die Fertigungskette möglich wird – und damit eine Steigerung der Produktivität.
Hochtemperaturverfahren wie Härten, Löten oder Beschichten sind problematische Prozesse, die sich von anderen Fertigungsvorgängen erheblich unterscheiden. Dennoch wird die Wärmebehandlung in vielen Unternehmen am Ergebnis und Reaktionsvermögen anderer Produktionsprozesse gemessen. Vergleicht man die verschiedenen Prozesse, zeigt sich, dass thermische Verfahren vor allem bezüglich des Automatisierungsgrades, der Integration in den Produktionsfluss und der Flexibilität verbessert werden müssen. Änderungsbedarf besteht außerdem in Bezug auf die Fertigungsrate, die Produktionsplanung sowie die Kostenkontrolle. Die Wärmebehandlung hat somit großen Einfluss auf die Qualität eines Produktes, die Kosten sowie die gesamte Fertigung. „Nur wenn ein optimaler Arbeitsablauf für die Wärmebehandlung gegeben ist, kann auch die Produktivität signifikant erhöht werden“, weiß Dipl.-Ing. Jörg Demmel von der Fraunhofer TEG zu berichten.
Roboter oder Handarbeit
In vielen Produktionsprozessen ist der Einsatz von Robotern heute schon Stand der Technik, sei es als ausführendes Hauptelement einer bestimmten Tätigkeit oder als Hilfsmittel. Zahlreiche Beispiele vollautomatisierter Bearbeitungszentren und Fertigungs- bzw. Montagelinien zeigen, dass Roboter in fast alle Produktionseinheiten integriert werden können [Abb. 1].
Auch im Bereich der Wärmebehandlung sind Teile des Prozesses, zum Beispiel der Transport der Werkstückträger in den Ofen, bereits automatisiert. Doch vor allem das Be- und Entladen dieser Werkstückträger bzw. Gestelle mit den Werkstücken wird meist manuell ausgeführt, da der Einsatz von Maschinen bislang nur eingeschränkt möglich war. „Während eines Hochtemperaturverfahrens treten oft unvorhersehbare Veränderungen in der Position und den Abmessungen der Werkstücke ein, die von Maschinen oder Robotern nur mit hohem technischen Aufwand erkannt werden. Grund hierfür sind die Maß- und Formänderungen der konventionellen, metallischen Gestelle“, erklärt Jörg Demmel.
Technischer Fortschritt
„In den letzten Jahren gab es jedoch einige technische Neuentwicklungen, die eine Handhabungsautomatisierung bei der Wärmebehandlung durchaus ermöglichen“, erläutert Dipl.-Wirt.-Ing. Harald Lallinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Fraunhofer TEG. So können mittels neuester Werkstoffe wie der Faserverbundkeramiken C/C oder C/SiC nicht nur leichte, sondern vor allem verzugsfreie Härtegestelle gefertigt werden, die sicher transportiert und be- bzw. entladen werden können. Neueste Verbundkonstruktionen aus Stahl und der genannten High-tech-Faserkeramik machen die Gestelle selbst für Serienanwendungen wirtschaftlich [Abb. 2]. Ebenso können auf Basis der neuen Werkstoffe hitzebeständige Hilfs- und Betriebsmittel wie zum Beispiel Greifer für Roboter gefertigt werden. Diese leistungsfähigen Roboter sind mittlerweile zu weitaus niedrigeren Preisen als noch vor ein paar Jahren erhältlich.
Außerdem konnten im Bereich der Erkennungssysteme Fortschritte erzielt werden, so dass ein Beschicken der Gestelle oder Anlagen (falls keine Gestelle erforderlich) trotz einer ungenauen Position des Transportelements erfolgen kann. „Durch die Automatisierung dieser Handhabungs- und Transportaktivitäten können enorme Verbesserungen im Produktionsfluss erreicht werden“, betont Dipl.-Ing. Demmel, „da so die Anzahl nicht wertschöpfender Aktivitäten erheblich sinkt und die Prozesszeiten verkürzt werden.“
Die Stuttgarter Entwickler demonstrierten dies bereits im Rahmen eines Industrieprojektes mit der Firma Lemken, einem der führenden Hersteller landwirtschaftlicher Geräte in Europa. Das Unternehmen hatte beschlossen, für die Abteilung Umformung aus Kapazitäts- und Rationalisierungsgründen in eine neue Anlage zu investieren. „Ziel des Projektes war die Integration der Wärmebehandlungsanlage in die Fertigung sowie die Vermeidung der manuellen Tätigkeiten bei der Handhabung und Lagerung der glühenden und dazu sehr schweren Werkstücke“, so Dipl.-Ing. Jörg Demmel.
Daher entschied sich die Firma Lemken für eine Anlage, die in der Lage sein sollte, die Teile vollautomatisch durch einen Hochtemperaturofen zu fahren, umzuformen, zu härten und anschließend in einem Niedertemperaturofen anzulassen. Verbunden wurden die Anlagenteile durch Rollenbahnen, auf denen die Werkstücke transportiert werden. Das Be- und Entladen der Anlage wird durch moderne Sechsachsroboter durchgeführt [Abb. 3]. Maschinen also, die imstande sind, alle Werkstück-Variationen mittels modularer und hitzebeständiger Greifertechnik aufzunehmen, zu transportieren und positionsgenau abzustellen.
Keine allgemeingültige Lösung
Die Entwicklungen in den Wärmebehandlungstechnologien sowie die Durchführbarkeit und Zuverlässigkeit der Transport- und Handhabungssysteme für die Automatisierung der manuellen Tätigkeiten bilden somit die Basis für eine Integration des thermischen Prozesses in die Fertigungskette. „Allerdings gibt es dafür keine allgemeingültige Lösung“, betont Dipl.-Ing. Demmel. „Das Konzept ist jeweils abhängig von der Komplexität und den Kosten des zu fertigenden Produktes, der gewünschten Flexibilität sowie der zu erzielenden Ausbringung innerhalb der Fertigungskette.“ Und auch die Struktur des Betriebes selbst bestimmt die Möglichkeiten der Prozessintegration. „Vergleicht man zum Beispiel ein kleines oder mittleres Unternehmen (KMU) der Werkzeugbranche mit einem Zulieferbetrieb in der Automobilindustrie und einer Lohnhärterei, zeigen sich deutliche Unterschiede in den jeweiligen Produktionsanforderungen und Rahmenbedingungen“.
So gibt es KMU, die z.B. Sonderanfertigungen herstellen oder Massenproduzenten sind wie etwa Zulieferer der Automobilindustrie. Produktvielfalt und die Anforderungen an die Flexibilität unterscheiden sich signifikant. Eine Lohnhärterei beispielsweise muss in der Regel über sehr hohe Kapazitäten verfügen, um die Nachfrage auch in Spitzenzeiten befriedigen und ihre Termine einhalten zu können. Selbst wenn diese verschiedenen Betriebe also gleiche oder ähnliche thermische Anlagen verwenden, sind die Unterschiede in den Nachfrageänderungen, der Produktvielfalt, der Einhaltung von Lieferterminen und der Einflussnahme der Kunden in den Produktionsprozess so groß, dass eine einheitliche Lösung zur Integration der Wärmebehandlung in die Fertigungskette praktisch nicht möglich ist. „Für jedes Unternehmen muss daher individuell herausgefunden werden, in welcher Produktionsumwelt der thermische Prozess stattfindet und welche Schritte und Maßnahmen für dessen Integration speziell notwendig sind“.
Die Spezialisten der Fraunhofer-Technologie-Entwicklungsgruppe unterstützen Unternehmen dabei zum Beispiel durch die Anwendung neuer Werkstoffe und Verfahren im Hochtemperaturbereich. Es stehen moderne Werkzeuge zur rechnergestützenden Layout-, Materialflussplanung einschl. Simulation sowie Arbeitsplatzgestaltung zur Verfügung. Denn erst die Optimierung der thermischen Prozesse gewährleistet ein Optimum für den gesamten Produktionsprozess.
Marion Hiltl
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