PRÄSIDENT REITER: Ich eröffne die Debatte. Zum Worte gemeldet ist Herr Abg. Rupp Anton.
Berichterstatter Abg. ANZENBERGER (ÖVP): Namens des Finanzausschusses ist noch der Antrag zu stellen (liest):
"Der Hohe Landtag wolle beschließen: Der Bericht des Rechnungshofes betreffend Ergebnis der Gebarungsüberprüfung bei der Gemeinschaftskraftwerk Tullnerfeld GesmbH., Zwentendorf, hinsichtlich der Jahre 1970 bis 1982, die Äußerung der NÖ Landesregierung und die Gegenäußerung des Rechnungshofes werden zur Kenntnis genommen."
Bitte sehr, Herr Präsident!
Abg. Anton RUPP (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Hohes Haus! Nach einer genauen Durchsicht des Rechnungshofberichtes über die Gemeinschaftskraftwerk Tullnerfeld GesmbH., an der die Republik Österreich mit 50 % und das Land Niederösterreich durch die NEWAG mit 10,83 % beteiligt sind, muß man zu folgender Auffassung kommen: Mit der angebotenen Möglichkeit der UdSSR, daß der Atommüll zu günstigen finanziellen Bedingungen abgenommen werden würde, hat der Rechnungshofbericht einen weit höheren Stellenwert bekommen. Wenn wir uns erinnern, daß vorige Woche Generaldirektor Dr.Fremuth von der UdSSR zurückgekommen ist und vergleichsweise die Kosten gegenüber dem Vorvertrag mit China genannt hat, dann konnten wir mit Freude feststellen, daß das Angebot um 20 % geringer ist, wodurch sicherlich auch die Ausführungen, worauf schon vom Berichterstatter ausführlich hingewiesen worden ist, einen besonders hohen Stellenwert bekommen haben. Durch die außergewöhnliche Energiedichte der Kernspaltung von Uran, worauf ebenfalls hingewiesen worden ist, könnten aus einem Kilo Kernbrennstoff 185.000 kWh Strom erzeugt werden. Vergleichsweise dazu liefern dieselbe Strommenge 44.000 Kilo Heizöl oder 60.000 Kilo Steinkohle. Wenn man dazu den Rauminhalt in Vergleich stellt, dann muß man feststellen, daß z.B. 44.000 Kilo Heizöl gegenüber einem Kilo Kernbrennstoff einen rund 100.000fach größeren Rauminhalt bedeuten. Auf der Seite 3 des Rechnungshofberichtes wird genau darauf hingewiesen, daß zum Vertragsabschluß die Kilowattstunde zwischen 16 und 22 Groschen geschätzt worden ist. Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich habe schon bei der Debatte über den Energiebericht 1983 darauf hingewiesen, daß wir ein sehr starkes Ost-Westgefälle haben, wobei ich stellvertretend sagen darf, daß die östlichen Bundesländer für einen Kilowatt Strom S 1,90 bezahlen und die westlichen Bundesländer für dieselbe Kilowattstunde S 1,67 bezahlen müssen. Ich möchte mich von hier aus an die Damen und Herren, die in der Wirtschaft vertreten sind, wenden und das auch, wenn wir immer von der Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft sprechen, mit einigen Zahlen untermauern. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, zum heutigen Beitrag eine Durchschnittsberechnung eines mittleren Industriebetriebes in Niederösterreich mit etwa 1.000 Beschäftigten und eines mittleren Industriebetriebes in den zwei westlichen Bundesländern mit derselben Beschäftigungsgröße anzustellen. Gleiche Betriebe haben ein enormes Energieaufkommen bei gleicher Produktion. Ich darf Ihnen mitteilen, daß die Betriebe in Niederösterreich mit 1.000 Beschäftigten ein Stromaufkommen von 19,2 Millionen Schilling haben und ein Gasaufkommen von 16,8 Millionen Schilling. Ein annähernd gleicher Betrieb in Tirol hat vergleichsweise ein Stromaufkommen von 12,4 Millionen Schilling statt von 19,2 Millionen Schilling. Der Differenzbetrag liegt etwa bei 45 %, da die westlichen Bundesländer die Energie billiger zur Hand haben und dadurch auch billiger produzieren können. Wenn man die Rechnung jetzt weiter anstellt, meine sehr geschätzten Damen und Herren, und eine Umrechnung auf die Gestehungskosten pro Produktion oder Halbfabrikat macht, dann darf ich Ihnen berichten, daß der Energiekostenanteil allein vom elektrischen Strom her 12 % ausmacht. Bei einem Betrieb in den westlichen Bundesländern würden diese Kosten nur 7,75 % ausmachen. So sehen wir, daß von der Konkurrenzfähigkeit her ein niederösterreichischer Betrieb um 4,25 % teurer anbieten muß. Ich glaube, meine sehr geschätzten Damen und Herren, daß sicherlich keiner, der in der Industrie beschäftigt ist, 100%ig behaupten kann, daß bei der heutigen wirtschaftlichen Situation 4,25 % eine Spanne sind, die man irgendwo noch hereinbringen kann, auch wenn man noch so finanzkräftig ist. Bei Investitionen ist das sicherlich nicht der Fall.
Ich habe mir dann persönlich Gedanken darüber gemacht, daß vielleicht auch unser Landeshauptmann, Herr Mag.Ludwig, einen Dringlichkeitsantrag einbringen könnte, so wie es z.B. sein Kollege, Herr Landeshauptmann Wallnöfer, am 14.3. bei der Landtagssitzung in Tirol gemacht hat, wo ein gemeinsamer Dringlichkeitsantrag gestellt worden ist, der zum Ausdruck brachte, daß alle im Parlament vertretenen Parteien zum heutigen Zeitpunkt und sicherlich zur selben Stunde, wo die Abstimmung des Antrages des SPÖ Klubs stattfindet, aufgefordert werden, die Möglichkeit zu schaffen, eine neuerliche Volksabstimmung in Österreich durchzuführen.
Gestatten Sie mir, meine sehr geehrten Damen und Herren, daß ich den genauen Wortlaut vorlese: "Der Tiroler Landtag fordert alle im Parlament vertretenen Parteien auf, alles zu unternehmen, daß die hohen Investitionen im Zusammenhang mit dem Kernkraftwerk Zwentendorf nicht für immmer verlorengehen."
Ich darf nochmals den Landeshauptmann Wallnöfer zitieren: "Ich stimme diesem Antrag gerne zu (Abg. Dr.Bernau: Ganz vorlesen!) und bitte meine Fraktion, es ebenfalls zu tun." (LH. Mag.Ludwig: Kollege, ganz vorlesen!)
Lieber Herr Klubobmann! Lassen Sie mich weiter ausführen. (Abg. Dr.Bernau: Nein, ganz vorlesen!) Ich darf bitte eines dazusagen, meine sehr geschätzten Damen und Herren! Ich möchte, als Mitglied der sozialistischen Fraktion auch in diesem Kreis erwähnen, daß ich sehr stolz darauf bin, daß es noch Landespolitiker gibt, die sicherlich nicht meiner Fraktion angehören, die den Mut haben, in der heutigen Zeit solch einem Antrag die Zustimmung zu geben. Ich glaube, das zeigt die Größe und auch die Wirtschaftlichkeit, die dahintersteckt.
Ich darf dazu weiter ausführen. Beim Kernkraftwerk Zwentendorf wurde ein Stammkapital von 300 Millionen Schilling geschaffen, wobei der Anteil der NEWAG, wo das Land Niederösterreich ja mit 100 % beteiligt ist, eine Summe von 32,5 Millionen Schilling ausmacht. Frage bitte, meine sehr geehrten Damen und Herren: Wer bezahlt diese 32,5 Millionen Schilling, wenn es zu dieser Stunde keine positive Abstimmung im Parlament gibt und vielleicht doch das Kernkraftwerk Zwentendorf abgewrackt werden müßte? (Abg. Ing.Schober: Das hätte man schon vorher fragen müssen! Bevor man es gestartet hat!)
Lieber Kollege! Ich komme noch darauf zu sprechen, wie das zustande gekommen ist. Haben Sie noch ein bissel Geduld, ich bin noch nicht fertig. Ich möchte darauf noch einmal zurückkommen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als in den Jahren 1966 bis 1970 die ÖVP die Alleinregierung im Parlament stellte, sind sicher von verantwortungsvollen Politikern unter Bundeskanzler Klaus gewisse Vorentscheidungen im Hauptausschuß des Nationalrates getroffen worden, sodaß das Kernkraftwerk Zwentendorf vorbereitet worden ist. Wenn ich mir überlege, daß auch der seinerzeitige Landeshauptmann Maurer durch die Lande gezogen ist und stolz darauf war, daß Niederösterreich das erste Bundesland ist, das in Zwentendorf ein Kernkraftwerk hat, und wenn man die heutige Einstellung unserer Landespolitiker hernimmt, dann hat sich ein sehr großer Wandel eingestellt. Ich darf Ihnen noch dazusagen, daß die sozialistischen Politiker im Hauptausschuß des Parlaments in der Zeit der ÖVP-Alleinregierung verantwortungsbewußt für Zwentendorf gestimmt haben, wenn man bedenkt, daß im selben Zeitraum die Bundestagswahlen in Schweden durchgeführt worden sind, wo eine sozialistische Koalitionsregierung, die 41 Jahre an der Macht war, von einem Herr Feldin abgelöst worden ist, der mit dem Schlagwort in den Wahlkampf gezogen ist: "Wenn ich zum Regierungschef gewählt werde, dann werde ich sämtliche Kernkraftwerke eines nach dem anderen einstellen, und auf keinen Fall wird ein neues Kernkraftwerk errichtet werden."
Ich kann Ihnen nur sagen, geschätzte Damen und Herren, daß dieser Regierungschef, der dann die Mehrheit bekommen hat, nach sieben Jahren wieder abgewählt worden ist. Es ist auch ihm nicht gelungen, die Kernkraftwerke zum Stillstand zu bringen. Wenn wir dann noch einige Jahre verstreichen lassen und die Volksabstimmung vom 5.November 1979 hernehmen, und wenn Jahre zuvor immer wieder die Diskussionen auf dem Höhepunkt gestanden sind, weil die Situation mit dem Atommüll nicht geregelt werden konnte, so ist dann trotzdem die Volksabstimmung nur ganz knapp mit 50,5 % gegen Zwentendorf ausgegangen. Wenn wir heute im Landtag zum Rechnungshofbericht Stellung nehmen, dann möchte ich auch auf die Kosten ganz kurz hinweisen. Wenn sie zum Fertigstellungstermin bei 8,5 Milliarden Schilling gelegen wären und wenn man bedenkt, daß zum genannten Zeitpunkt das Kernkraftwerk Zwentendorf hätte in Betrieb gehen können und wir die Stromgestehungskosten aufrechnen, dann hätten wir sicherlich einen doppelt so hohen Betrag. Wir müssen heute leider feststellen, daß es zu dem nicht gekommen ist, aber wir müssen auch feststellen, daß unserer gesamten Volkswirtschaft dadurch etwa 20 Milliarden Schilling verlorengegangen sind. Der Rechnungshofbericht weist auf der Seite 24 darauf hin, daß der gesamte Energieeinsatz vergleichsweise 1981 991 Petajoule ausmachte oder nahezu 34 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten. Wir haben heute schon gehört, davon entfielen 14 % auf Wasserkraft, 20 % auf Erdgas, 16 % auf Kohle und Koks, 4 % auf Holz und Abfälle und 46 % auf Rohöl und flüssige Erdölprodukte. Wir können also feststellen, geschätzte Damen und Herren, das 67 % der Primärenergie importiert werden mußten; abgesehen von der Auslandsabhängigkeit war dies ein Devisenabgang von 54 Milliarden Schilling. Auf Grund des mittelfristigen Wachstums, wo von den Industrieländern genaue Berechnungen erstellt worden sind, daß jährlich mit einem Wirtschaftswachstum von 2,5 oder 2,75 % gerechnet werden kann, darf ich Ihnen sagen, daß Sie vom Jahre 1981 bis zum Jahre 1995 mit einer Steigerung des Energieverbrauches von etwa 24 % rechnen müssen. Und wenn der Rechnungshofbericht auf der Seite 24 darauf hinweist, daß in etwa 10 bis 15 Jahren der Ausbau der Wasserkraft wahrscheinlich beendet ist und daß die Steigerung der Kohlekraftwerke auch nur beschränkt ist, weil wir nur beschränkt Braunkohle und überhaupt keine Steinkohle zur Verfügung haben, dann müssen wir bedenken, daß es in Zukunft nur mehr die Möglichkeit der Kernenergie gibt, und wenn ich mich erinnere, was es für eine Situation um Hainburg gegeben hat, dann müssen wir uns erst überraschen lassen, ob wir in den nächsten 10 bis 15 Jahren die eingeplanten Wasserkraftwerke überhaupt errichten können. Somit ist der Rechnungshof in seinem Bericht auf der Seite 25 zur Ansicht gekommen, daß es in Anbetracht der starken Umweltbelastung nur mehr die Möglichkeit gibt, die Kernkraft in Zukunft weit stärker auszubauen. Ich darf Sie davon in Kenntnis setzen, meine sehr geschätzten Damen und Herren, was es in den letzten Wochen bei den tagtäglichen politischen Auseinandersetzungen der Spitzenpolitiker wieder alles an Presseaussendungen gegeben hat. Gestatten Sie mir, daß ich einige Pressezitierungen bringe: Der Landeshauptmann Maurer hat am 28.2.1971 gegen die Absicht der Verbundgesellschaft, Zwentendorf zurückzustellen und zuerst ein Wasserkraftwerk zu bauen, protestiert.
Der ÖVP-Energiesprecher im Parlament hatte von einem Atomlager gesprochen. Am 13.März war er der Meinung, die Bevorratung von Atombrennstoff, zumal Österreich über eine Reihe günstiger Standorte verfügt, müßte durchgeführt werden. Und derselbe Energiesprecher im Parlament, Herr Abg. König, hat darauf hingewiesen, daß es zu einem E-Kollaps kommen wird, wenn die Atomenergie nicht vorgezogen und das Atomkraftwerk so schnell als möglich in Betrieb genommen wird, und er ist sogar so weit gegangen, daß er davon gesprochen hat, daß die Energie rationiert werden muß.
Eineinhalb Jahre vor der Ankündigung von Bundeskanzler Kreisky, daß es zu einer Volksabstimmung kommt, hat der ÖVP-Obmann Taus am 12.6.1977 den Betriebsbeginn von Zwentendorf nochmals zur Diskussion gestellt.
Ich darf Ihnen sagen, daß am 19.Juni 1978 - am 5.November 1979 war die Volksabstimmung - der Energiesprecher König gemeint hat, die Zustimmung zu Zwentendorf könne nicht gegeben werden. Damit möchte ich, lieber Abgeordneter, nochmals darauf zurückkommen, daß Sie gemeint haben, weitersprechen, und wie ich mich erinnern kann, haben die ÖVP-Abgeordneten im Landtag oder im Parlament immer gesagt: Hätte der Kreisky das nicht verpolitisiert oder auf seine Person umgemünzt, dann hätten wir uns mit der Volksabstimmung am 5.November leichter getan. Deswegen habe ich heute zitiert, zu welchem Zeitpunkt Ihre Kollegen im Parlament schon Aussagen getroffen haben, daß sie für Zwentendorf keine Zustimmung geben werden.
Jetzt gestatten Sie mir noch, abschließend einige Vergleiche mit der Kernenergieerzeugung in westlichen Industrieländern anzustellen, die sicherlich genauso gewissenhaft diese Entscheidungen vorbereiten, wie wir es in Österreich machen, und die aber zur Auffassung gekommen sind, wie ich heute versucht habe auszuführen, daß es ohne Kernenergie in Zukunft gewiß keine gesicherten Arbeitsplätze geben kann, aber auch kein Wirtschaftswachstum.
Ich darf berichten, daß es in der Bundesrepublik Deutschland allein im Jahre 1984 eine Kernenergieerzeugung von 90 Milliarden KW-Stunden gegeben hat und daß es vergleichsweise von 1983 auf 1984 eine Steigerung von 30 % gab, daß die Schweiz, unser Nachbarland, ein Energieaufkommen von 17,3 Millionen hatte, was eine Steigerung von 1983 auf 1984 von 17,1 % bedeutet hat. Das Land Frankreich hat ein doppelt so großes Kernenergieaufkommen als die Bundesrepublik Deutschland, nämlich 182 Milliarden KW-Stunden, das bedeutet ebenfalls eine Steigerung von 32,3 % in einem Jahr oder es bedeutet ebenfalls ein Kernenergieaufkommen von 78,7 % vom Gesamtenergieaufkommen. Finnland hat einen Atomstromanteil von 41 %. Als letztes Vergleichsland möchte ich Schottland anführen, das im Jahre 1984, und zwar in den ersten 11 Monaten, fast die Hälfte vom gesamten Energieaufkommen 49,6 % Strom aus Kernenergie bezog.
Somit, meine sehr geschätzten Damen und Herren, möchte ich Sie nochmals ersuchen, als verantwortungsvolle Politiker im Bundesland Niederösterreich alles zu unternehmen, um diejenigen Mandatare im Parlament, ganz gleich von welcher politischer Richtung sie kommen mögen, davon zu überzeugen, daß es notwendig ist, daß im Bundesland Niederösterreich das Kernkraftwerk Zwentendorf in Betrieb geht. Es soll alles unternommen werden, daß es zu einer Volksabstimmung kommt. Ich bin davon überzeugt, daß wir, wenn es heute zu keiner Mehrheit kommt, auch weiterhin alles unternehmen müssen, daß das Kernkraftwerk Zwentendorf in Betrieb geht und daß wir zu dem derzeit erhöhten Strompreis gegenüber den westlichen Bundesländern zumindestens durch den Billigstrom, der vom Kernkraftwerk Zwentendorf kommt, in den nächsten Jahren keine Steigerung am Strompreis hinnehmen müssen.
Mit dieser Bitte möchte ich zum Schluß kommen. Ich darf Ihnen mitteilen, daß meine Fraktion dem Rechnungshofbericht seine Zustimmung geben wird. Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)
PRÄSIDENT REITER: Zum Worte gemeldet ist Herr Abg. Dr.Bernau.
Abg. Dr.BERNAU (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann mich sehr kurz fassen. Es steht heute der Bericht des Rechnungshofes zur Debatte. Mein geschätzter Vorredner hat sich sehr ausführlich mit den darin enthaltenen Fakten beschäftigt. Es haben sich einige kleine Unrichtigkeiten eingeschlichen. Was die Haltung der ÖVP betrifft, die ist weitgehend bekannt, will ich der Ordnung halber nur noch den Dringlichkeitsantrag zur Verlesung bringen, den die Tiroler beschlossen haben. Dort heißt es: "Der Landtag wolle beschließen: Der Tiroler Landtag fordert alle im Parlament vertretenen Parteien auf, alles zu unternehmen, daß die hohen Investitionen im Zusammmenhang mit dem Kernkraftwerk Zwentendorf nicht für immer verlorengehen. Er unterstützt alle Bestrebungen, die nach Klärung der Problemkreise Sicherheit, Wirtschaftlichkeit, Endlagerung und allfällige Auswirkungen auf den Neutralitätsstatus, Basis einer neuerlichen Volksabstimmung sein könnten." Genau das ist, meine Damen und Herren, die Haltung der ÖVP, die sie immer in dieser Frage gehabt hat.
Nachdem der Kriegsschauplatz heute im Parlament stattfindet, darf ich bekanntgeben, die ÖVP wird der Vorlage ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)
PRÄSIDENT REITER: Zum Worte gemeldet ist Herr Abg. Krenn.
Abg. KRENN (SPÖ): Herr Präsident! Hoher Landtag! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Rechnungshofes über das Gemeinschaftskraftwerk Tullnerfeld, kurz GKT genannt, den wir heute hier zu behandeln haben, befaßt sich auf ca. Seite 27 mit der Entwicklung dieser Kernenergie in Österreich, und im speziellen mit dem Kernkraftwerk in Zwentendorf. Mein Kollege und Genosse Anton Rupp hat sich ja schon vor allem mit technischen Fragen, teilweise auch mit dem Politischen, beschäftigt und hat Ihnen, meine Damen und Herren, sehr deutlich vor Augen geführt, wie notwendig es ist oder wäre, dieses Kernkraftwerk in Zwentendorf endlich in Betrieb zu nehmen, schon von der wirtschaftlichen Seite her. Aber der Herr Landeshauptmann Ludwig hat bei einer Tagung, d.h. bei einer Veranstaltung am vergangenen Freitag, als er die Lernmittel übergab, unter anderem von einem sehr gescheiten Mann, so sagte er, einen Ausspruch getan, der mir sehr gefallen hat, nämlich daß nur der, der die Vergangenheit kennt, in der Lage ist, die Gegenwart zu meistern. Ich glaube, so ähnlich war das. Nun glaube ich, daß wir daher ein legitimes Recht haben, auch in diesem Hohen Haus einmal über die Vergangenheit zu reden, weil wir dann vielleicht die Gegenwart werden meistern können, und das ist der Grund, daß ich mich sehr gerne auf diese Worte berufe, die der Herr Landeshauptmann gebraucht hat. Schon auf der Seite 1 wird im Rechnungshofbericht unter der Zahl 3 festgestellt, daß in Österreich die Überlegungen für die Kernenergie bereits bis etwa Mitte der 50er Jahre zurückgehen. Erst dann, ungefähr nach 1966/67, nimmt dieses Problem der Erzeugung von Kernenergie in Österreich konkrete Formen an.
Im März 1967, das hat der Herr Berichterstatter auch schon gesagt, konnte dann zwischen der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts AG, also der Verbundgesellschaft, und den Landesgesellschaften ein Vertrag abgeschlossen werden, der die Koordinierung des Ausbaues von Kraftwerken vorsah, und damit wurde für das Zeitalter des Eintritts Österreichs in die Kernenergie eigentlich der Grundstein gelegt. Der Abschluß dieses Vertrages fällt in die Zeit der ÖVP-Alleinregierung. Es hat also dann noch bis zum Jahre 1968/69 gedauert, bis die endgültigen Verträge zwischen dem Bund und den Landesgesellschaften unter Dach und Fach waren. Die Verbundgesellschaft war nämlich damals interessanterweise der Meinung, daß dem Ausbau der Wasserkraft der Vorrang einzuräumen wäre. Hier gab es differentielle Auffassungen, und wie wir auf der Seite 2 des Berichtes ersehen können, erklärte der damalige Bundeskanzler, es war bekanntlich Dr.Klaus, bei einer Tagung im Mai 1969 über das Thema Kernenergie und Industrie, er hielte die Zeit für gekommen, das Kraftwerksprojekt zügig in Angriff zu nehmen, und sagte dann weiters, "die Bundesregierung sei entschlossen, dieses Vorhaben in jeder Beziehung zu fördern und sei keinesfalls bereit, weitere Verzögerungen hinzunehmen." Eine sehr entscheidende Aussage des damaligen Bundeskanzlers für die Kernenergie! Interessant war, daß die Vertreter des Rechnungshofes, die damals an dieser Tagung teilgenommen haben, eigentlich eher auch der Auffassung waren, daß der Wasserkraft aus wirtschaftlichen Erwägungen der Vorzug gegeben hätte werden sollen. Interessant sind auch die Aussagen führender ÖVP-Politiker aus dieser Zeit. Ich gestatte mir, einige zu zitieren:
Und zwar hat der Herr Landeshauptmann Maurer nach einer Besuchstour in der Bundesrepublik Deutschland, bei der er die Kraftwerke besucht hat, unter anderem im ORF am 1.August 1969 gesagt: "Ich konnte mich bei dieser Besuchstour von der Leistungsfähigeit dieser Anlagen überzeugen und gleichzeitig feststellen, daß die Menschen, die in der Nachbarschaft solcher Werke wohnen, keine Angst kennen, weil sie genau wissen, daß für ihre Sicherheit vorbildlich vorgesorgt ist."
Und der damalige Herr Landeshauptmannstellvertreter Ludwig - er tratscht gerade - und heutige Landeshauptmann war etwas enttäuscht, nämlich daß man nicht einheitlich der Meinung war, ein Kernkraftwerk zu bauen. Er sagte damals bzw. schrieb in der Volkspresse vom 25.2.1971, oder die Volkspresse hat es wiedergegeben: "Ich bin von der getroffenen Entscheidung, den Bau des Kernkraftwerkes Zwentendorf zurückzustellen, sehr enttäuscht. Keinesfalls Nutznießer dieser Entwicklung ist die österreichische Wirtschaft und sind alle Stromkonsumenten Österreichs. Die haben damit zu rechnen, daß die Verhaltensweise der derzeitigen Bundesregierung (das war damals schon die sozialistische) zu einer folgenschweren Stromkrise führen kann. Ganz zu schweigen davon, daß Österreich fast ohne Ausnahme von Ländern eingeschlossen ist, in denen die Stromgewinnung ohne Atomkraft undenkbar wäre. (Abg. Fidesser: Die Regierung hat das bis heute noch nicht begriffen!) So hat die Schweiz (ich zitiere nur den Herrn Landeshauptmann, bitte) längst die atomare Stromgewinnung in Angriff genommen und Atomkraftwerke gebaut. Und wir in Österreich? Unverständlich!" Volkspresse, wie gesagt, 25.Februar 1971. Herr Landeshauptmann Maurer sagt dann am 28. Februar in seiner Radiorede: "Die Verbundgesellschaft plädiert plötzlich für eine Verschiebung des Baubeginnes am Atomkraftwerk bei Zwentendorf auf zwei Jahre. Die Argumente, die dabei ins Treffen geführt werden, sind verwirrend und auf keinen Fall überzeugend. Der gelernte Österreicher muß sich doch an den Kopf greifen. Da die österreichischen Atomkraftwerke ihren Standort auf niederösterreichischem Boden haben werden, haben wir ganz besonderes Interesse an diesem Projekt. Unbestritten ist, daß dabei dem Bau eines Kernkraftwerkes ein gewisser Vorrang eingeräumt werden sollte." Das war im Februar 1971. Dann sagt der Herr Landeshauptmann Maurer, der damalige Landeshauptmann Maurer, am 28.3.1971 im ORF: "Am 22.März ist die Entscheidung über den Bau des ersten österreichischen Atomkraftwerkes in Zwentendorf gefallen. Sachlichkeit und wirtschaftliches Denken haben sich durchgesetzt. Das ist umso erfreulicher..." Und dann weiter: " Sie werden daher verstehen, wenn ich als Landeshauptmann die Entscheidung vom 22.März 1971 freudig begrüße. Niederösterreich hat allen Grund, darüber froh zu sein." Das was die Rede vom März 1971.
Es geht noch weiter. Der Herr Landeshauptmann Maurer hat am 4.8. - Sie werden gleich sehen, warum ich das sage - im ÖVP-Organ "Niederösterreichisches Volksblatt" vom 4.August 1971 folgendes geschrieben: "Die Gefahren, die von manchen unserer Landsleute mit der Errichtung des Kernkraftwerkes bei Zwentendorf im Tullnerfeld an die Wand gemalt werden, entbehren jeder sachlichen Grundlage. Die Sicherheitsvorkehrungen bei einem Kernkraftwerk sind perfekt. Vom Standpunkt des Schutzes der Umwelt sind die Kernkraftwerke die idealsten Anlagen dieser Art." Also alles eine positive Aussage der ÖVP-Politiker aus dieser Zeit. Es ist dann interessant, feststellen zu können - ich habe noch mehrere Unterlagen zur Verfügung -, daß ungefähr bis zum Jahre 1976 die ÖVP-Politiker nahezu unisono und vor allem in Niederösterreich sehr positiv zu diesem Kernkraftwerk gestanden sind und damals schon die Sicherheit in den Vordergrund gestellt haben, wie Sie aus der Aussage des Herrn Landeshauptmann Maurer, des ehemaligen Herrn Landeshauptmann Maurer, feststellen können. Es ist daher verwunderlich, daß man sich nun doch etwas anders besonnen hat, scheinbar, denn so ab 1977 tritt plötzlich bei den ÖVP-Politikern eine Meinungsänderung ein. Zuerst ist es Wiesinger, dann kommt schon der damalige Herr Landeshauptmann Maurer, der auch schon sagt: "Na ja, ich bin für die Sicherheit Niederösterreichs an oberster Stelle verantwortlich. Ich habe auf die Bevölkerung zu hören, und ich glaube nicht, daß es möglich sein wird, im Waldviertel Atommüll zu lagern. Es müßte hier andere Möglichkeiten geben, ja ich kann mir nicht vorstellen, daß das Kraftwerk in Betrieb gehen kann, bevor nicht die Endlagerung und die sichere Methode dazu gefunden ist."
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