Mitteilungen der Residenzen-Kommission der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen Neue Folge Stadt und Hof Jahrgang 1 (2012)


Hofkünstler und Handwerker am kurtrierischen Hof in Koblenz Ehrenbreitstein 1629-1794 Zu einem laufenden Forschungsprojekt



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Hofkünstler und Handwerker am kurtrierischen Hof in Koblenz
Ehrenbreitstein 1629-1794
Zu einem laufenden Forschungsprojekt



Euer HochEdelgebohren werden mir nicht verdencken das ich beÿ meiner belekmbte Zeit, alwo die Künste allenthalben stille stehen, um die Pension höflich an suchen muß6. Mit dieser Beschreibung seiner trostlosen Lage nach dem Einmarsch französischer Truppen in die kurtrierische Residenzstadt Koblenz 1794 und der Flucht des letzten Trierer Kurfürsten Clemens Wenzeslaus von Sachsen begründete der Hofmaler Januarius Zick 1795 seine Bitte um Anweisung einer Pension. Und schon 1792 hatte niemand geringeres als Johann Wolfgang von Goethe (während der „Campagne in Frankreich“) das 1786 eingeweihte Koblenzer Schloss bewundert und bemerkt, dass es (nach einer ersten Flucht des Kurfürsten von französischen Revolutionstruppen) „wunderschön […] einsam und als die allerneuste, wenn auch nicht architektonische doch politische Ruine“7 stand.

Damit hatten die Residenz und der mit ihr verbundene Kunstbetrieb ein Ende gefunden, der seit dem zweiten Viertel des 17. Jahrhunderts das Umfeld der Moselmündung geprägt hatten. Diesem Kunstbetrieb, in dem nicht nur so hochbedeutende Künstler wie Januarius Zick, Johann Zoffany oder Ferdinand Tietz, sondern eine große Zahl heute fast vergessener Handwerker angehörten, widmet sich das hier zu vorzustellende, Ende 2010 begonnene auf eine Dauer von fünf Jahren angelegte, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Projekt „Edition der archivalischen Quellen der am kurtrierischen Hof von 1629 bis 1794 tätigen Hofkünstler / Hofhandwerker einschließlich der Untersuchung ihrer Kompetenzen und sozialen Stellung“. Der Untersuchungszeitraum orientiert sich hierbei an zwei die Geschichte der Residenz begrenzenden Daten: Der Fertigstellung des Schlosses Philippsburg 1629 und das faktische Ende des Kurfürstentums Trier durch den Einmarsch französischer Truppen 1794.

Das Territorium des Kurfürstentums erstreckte sich im Wesentlichen entlang der Mosel, so dass sich zwei Schwerpunkte ausbildeten: Das Obererzstift mit der Hauptstadt Trier und das Niedererzstift mit der Hauptstadt Koblenz. Trier war zwar die traditionelle Residenz der Kurfürsten/ Erzbischöfe, doch bereits seit dem Spätmittelalter erfuhren Koblenz und die gegenüber, am rechten Rheinufer liegende Burg bzw. Festung Ehrenbreitstein eine zunehmende Bevorzugung als Aufenthaltsort der Kurfürsten8.

Die Gründe hierfür waren verschiedene - genannt seien Konflikte mit dem Trierer Domkapitel und der dortigen Bürgerschaft, die bessere Verkehrsanbindung und nicht zuletzt eine durch entsprechende, immer wieder modernisierte Befestigungen gewährte Sicherheit, die das nahe an der Westgrenze des Reiches liegende Trier nicht bieten konnte. Hiermit verfestigte sich eine Zweiteilung, die man auf die Formel bringen könnte, dass das altehrwürdige Trier als Erzbischofssitz und Standort der Universität zwar geistliches Zentrum des Kurfürstentums, Koblenz bzw. Ehrenbreitstein dagegen das weltliche und kulturelle Zentrum waren9.


Abb. 1: Georg Joseph Raab (?): Die Stat Coblenz mit sambt der Festung Anno 1730


Lichtdruckkopie um 1900 (Landeshauptarchiv Koblenz)
Mit Recht wurde die Residenz an der Mündung der Mosel in den Rhein als „Haupt- und Residenzstädtischen Verflechtungsraum Koblenz- / Ehrenbreitstein“10 bezeichnet, denn sie erstreckte sich über zwei Orte: Die Stadt Koblenz und den rechtsrheinisch gegenüber, unterhalb der gleichnamigen Festung gelegenen Ort Ehrenbreitstein. Er besaß, anders als Koblenz zwar keine Stadtrechte und offensichtlich auch keine entsprechende Ratsverfassung, lag jedoch in unmittelbarer Nähe des 1629 fertiggestellten Residenzschlosses, der nach ihrem Erbauer Kurfürst Philipp Christoph von Sötern (reg. 1623-1652) sog. Philippsburg. Diese Anlage wurde bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch verschiedene Bauten ergänzt. Da die Verbindung zwischen beiden Orten aber nur durch eine Fähre über den Rhein ermöglicht wurde, brachten Hochwasser oder Eisgang mitunter eine Stockung des Geschäftsverkehrs, da aus Platzgründen nicht alle Verwaltungsbehörden auf das rechte Rheinufer verlegt werden konnten sondern in Koblenz verblieben. Ebenfalls dort befanden sich zudem die meisten Höfe der adligen Familien. Diese teils recht stattlichen Anlagen prägten das Stadtbild ebenso wie die kirchlichen Institutionen, beispielsweise die Stifte St. Kastor und St. Florin oder der Deutsche Orden, dessen Kommende namensgebend für das Deutsche Eck werden sollte. Eine Zeichnung aus dem Jahr 1730 zeigt die Situation recht anschaulich (Abb. 1).

Man erkennt im Vordergrund die Stadt Koblenz, dahinter die Mosel mit der mittelalterlichen Brücke, rechts auf dem gegenüberliegenden Rheinufer die Philippsburg mit der oberhalb liegenden Festung Ehrenbreitstein.

Erst unter dem letzten Kurfürsten, Clemens Wenzeslaus von Sachsen (reg. 1768-1794 bzw. 1802), sollte mit dem Bau des neuen Schlosses (ab 1777) südlich der Stadt Koblenz und der Anlage der dortigen Neustadt eine Verlegung der Residenz auf die linke Rheinseite erfolgen. Zum Residenzraum zählen zudem noch die beiden nördlich von Koblenz gelegenen Landschlösser Kärlich und Schönbornslust, beliebte Jagd- bzw. Sommeraufenthalte der Kurfürsten.

Aus den genannten Eckdaten, Fertigstellung des Ehrenbreitsteiner Residenzschlosses und Ende des Kurfürstentums ergibt sich, wie bereits angedeutet, der zeitliche Rahmen dieses Projekts. Dabei wird es freilich notwendig sein, den Lebenslauf der Künstler und Handwerker jeweils bis zum Tode weiter zu verfolgen – der bislang letzte nachgewiesene ist der Hofmaler und Kammerportier Johann Heinrich Verflassen, der am 11. Dezember 1853, also fast 60 Jahre nach dem Ende der Residenz verstarb.

Mit dem Begriff des Hofkünstlers verbindet sich nach wie vor nach wie vor in besonderem Maße die 1985 erschienene, gleichnamige Arbeit Martin Warnkes11. Mit ihr wurde die Institution des höfischen Künstlers bzw. Hofhandwerkers erstmals ins Blickfeld der Forschung gerückt und die Person / Institution des Hofkünstlers bzw. Hofhandwerkers zusammenfassend gewürdigt. Diese Überblicksdarstellung konnte natürlich nur gestützt auf herausragende Künstlerpersönlichkeiten oder Höfe argumentieren und auf diese Weise zwar einleuchtende, allgemeine Thesen formulieren, diese jedoch nicht auf das Fallbeispiel eines konkreten Hofes über einen längeren Zeitraum anwenden und überprüfen. Warnkes Ziel war darum auch nicht „der Charakter eines Kompendiums, sondern nur […] Begründung und Entfaltung eines Arguments“12. Seine grundlegenden Thesen und Bewertungen wurden in der Tat auch von der folgenden Forschung zu Recht übernommen und angewandt, jedoch fast ausschließlich (im Rahmen von Monographien) auf einzelne Künstlerpersönlichkeiten, nicht aber in der von Warnke ausdrücklich gewünschten und angeregten Form „einer Bedingtheitsforschung, die sich auch der Geschichte gesellschaftlicher Institutionen bedient“13.

Hieraus ergibt sich, dass das Bild des Hofkünstlers hauptsächlich durch jene Einzelpersönlichkeiten geprägt wird, für die eine monographische Bearbeitung lohnend erschien – nicht jedoch in der Gesamtheit des zur „Versorgung“ eines Hofes notwendigen Handwerks. Erstmals durch Herbert Haupts „Das Hof- und Hofbefreite Handwerk im barocken Wien 1620 bis 1770“14 wurde 2007 eine Untersuchung vorgelegt, die sich dem frühneuzeitlichen Handwerks- und Kunstbetrieb eines Hofes in seiner gesamten Breite widmet. Bereits im Titel klingt hier ein grundsätzlicher Unterschied an, der sich an den historischen Gegebenheiten orientiert, indem nicht nur die Künstler nach heutigem Verständnis, etwa Maler und Bildhauer, sondern alle vertretenen Berufe Berücksichtigung finden.

Diesen Ansatz verfolgt daher auch das hier vorzustellende Projekt am Beispiel des Koblenzer Hofes. Es gliedert sich in drei Teile, nämlich zunächst der Erfassung aller nachweisbaren Hofkünstler/-handwerker im Rahmen eines Handbuches. Die einzelnen Einträge sollen in Form von Lexikonartikeln Angaben zu Lebensdaten, Herkunft und Zeitraum der Tätigkeit enthalten. Dabei werden selbstverständlich Angaben zu Bedingungen des Dienstverhältnisses wie Aufgaben, Form und Höhe der Bezahlung enthalten sein, aber auch den persönlichen Bereich betreffende wie Namen der Ehepartner sowie der Trauzeugen und Auflistung der Kinder mit Nennung ihrer Taufpaten. Zudem sollen Vermögen und etwaiger Grundbesitz sowie Wohnverhältnisse und Objekte wie Portraits, Siegel, Epitaphien usw. aufgeführt und durch entsprechende Abbildungen dokumentiert werden. Den zweiten Hauptteil der Arbeit bildet eine wörtliche Edition aussagekräftiger Dokumente wie beispielsweise Bestallungsurkunden, Eingaben der Künstler bei der höfischen Verwaltung, Entscheidungen bei Streitigkeiten aber auch Hausinventare und Testamente. Hiermit soll einerseits das Grundlagenmaterial für die weitere Erforschung der einzelnen Künstler- bzw. Handwerkerpersönlichkeiten gelegt werden, aber auch für vergleichende Untersuchungen zum Thema des höfischen Kunstbetriebes. Den dritten Teil nimmt eine Auswertung dieses Materials in Form einer zusammenfassenden Untersuchung zu den Kompetenzen und Beschäftigungsformen der Handwerker und Künstler, aber auch ihrer sozialen Stellung ein. Die Sozialgeschichte der Stadt Koblenz ist zwar sowohl für das 17. Als auch das 18. Jahrhundert jeweils durch eine Monographie gut erforscht- beide Arbeiten berücksichtigen aber die mit dem Hof verbundenen Handwerker (im Gegensatz zu den Zunfthandwerkern und den Beamten) nicht15. Hier zeigt sich bereits jetzt ein Befund, der auch an anderer Stelle bereits erhoben wurde, nämlich dass die Hofgesellschaft in sich zwar gegen die Bürgerschaft abgeschlossen war, die Hofhandwerker aber gewissermaßen ein Bindeglied zwischen beiden Gruppen darstellen16. Häufig finden sich unter den Paten und Trauzeugen der Hofkünstler/- handwerker außer ihren Kollegen zwar höfische Beamte, Dienstboten oder Hofmusiker, doch ebenso häufig auch Zunfthandwerker und vor allem Kaufleute.

In der ersten, nun abgeschlossenen Projektphase wurden daher nach der Sichtung der einschlägigen Forschungsliteratur und der Nachlässe früherer Bearbeiter die im Bistumsarchiv Trier vorhandenen Kirchenbücher der Koblenzer bzw. Ehrenbreitsteiner aber auch der zu den Schlössern Kärlich und Schönbornslust gehörigen Pfarreien und der rechtsrheinsch nahe Ehrenbreitstein gelegenen Dörfer Pfaffendorf und Horchheim ausgewertet. Durch die in den Einträgen gegebenen Berufsbezeichnungen kann der Kreis der mit dem Hof verbundenen Künstler und Handwerker vollständig gefasst werden. Zugleich ergab sich durch die Aufnahme der Taufpaten und Trauzeugen das Bild sozialer Verflechtungen. Mit einem Umfang von nicht weniger als 16590 handschriftlichen Seiten erwies sich dieses Quellenmaterial als von wünschenswerter Ausführlichkeit. Erstmals konnte damit das Koblenzer /Ehrenbreitsteiner Hofhandwerk in seiner Gesamtheit, von dem Malern und Bildhauern, den Schreinern und Zimmerleuten, Schlossern und Schmieden, aber auch Goldstickern, Knopf- und Perückenmachern, über Gärtner und Brunnenmeister bis hin zu den Beschäftigten der Hofküche und den Hofkonditoren aufgenommen werden. Nach jetzigem Forschungstand werden etwas mehr als 500 Personen mit einem eigenen Eintrag im Handbuchteil vertreten sein.

Durch diese Daten ergab sich die Grundlage für die weitere Quellenrecherche in der zweiten Projektphase. Da hierbei zumeist serielle Quelle wie etwa die Protokolle der kurtrierischen Hofkammer oder des Koblenzer Stadtrates, aber auch Bürger- und Einwohnerlisten sowie Rechnungen ausgewertet werden sollen, musste zunächst durch die Angaben der Kirchenbücher ein zeitlicher Anhalt geschaffen werden, um in den umfangreichen Bänden gezielt recherchieren zu können. Aus Platzgründen soll hierauf jedoch nicht weiter eingegangen werden.

Wie bereits erwähnt, ist der Begriff des Hofkünstlers bei Martin Warnke zwar durch eine Vielzahl von Fallbeispielen erläutert, bleibt jedoch verhältnismäßig unscharf. Die auch in den zeitgenössischen Quellen und theoretischen Schriften, etwa zum Handwerksrecht, vorkommenden Unterscheidung zwischen Hofhandwerkern und hofbefreiten Handwerkern wie sie von Herbert Haupt berücksichtigt wurde, findet sich bei Warnke nicht, auch wenn gerade in letzter Zeit diese historische Tatsache bei Einzeluntersuchungen selbstverständlich berücksichtigt wurde17. Der Hofkünstler/ - handwerker im engeren Sinne ist demnach, und dies ist in Koblenz eindeutig festzustellen, gegen ein festes Gehalt dauerhaft beschäftigt, während der hofbefreite Handwerker jeweils einzelne Aufträge des Hofes erhält und (wie auch der Hofhandwerker) bestimmte Privilegien, etwa Befreiung vom Zunftzwang und/ oder von „bürgerlichen Lasten“ (z. B. Steuern, Wach- und Einquartierungsverpflichtung) genießt. Dabei lässt sich am kurtrierischen Hof bereits feststellen, dass der mitunter betonte Gegensatz zwischen den bürgerlichen, zunftgebundenen Handwerkern und den mit dem Hof verbundenen nicht durchgängig und nicht eindeutig bestand. Insofern täuscht ein Gemälde des Hofmalers Manskirsch nicht, das ein gemeinsames Fest der Hof- und Zunfthandwerker zeig.


Abb.2: Hofmaler Gottfried Bernhard Manskirsch: Volksfest der Zünfte und Hofhandwerker auf dem zugefrorenen Rhein vor der Philippsburg am 14. Januar 1767


Ölgemälde (Mittelrhein-Museum Koblenz)
Dennoch sind natürlich auch Auseinandersetzungen zwischen den Zünften und den Hofhandwerkern bemerkbar, die jedoch offensichtlich vor allem dann auftraten, wenn die wirtschaftliche Lage der Zünfte schlecht war und diese daher eine sonst geduldete Konkurrenz ausschalten wollten.

Außer den unmittelbar mit dem kurfürstlichen Hof verbundenen Handwerkern lassen sich in Koblenz / Ehrenbreitstein jedoch noch weitere Gruppen fassen, die bisher nicht im Blickfeld der Forschung standen und folgendermaßen definiert werden sollen: Zunächst die „adligen Meister“, die im wesentlichen den Hofhandwerkern / Hofbefreiten entsprachen, aber in den Diensten einer der in Koblenz ansässigen Adelsfamilien standen. Ein Pendant hierzu sind die „kirchlichen Meister“, die für eine kirchliche Institution tätig waren. Hinzu kommen die sog. „Kommissariatshandwerker“, die beim Kriegskommissariat zur Instandhaltung der Festungswerke beschäftigt waren. Ihnen nahe stehen die „Artilleriehandwerker“ insbesondere die auf der Festung Ehrenbreitstein tätigen Geschützgießer. Sie erhielten teilweise ein festes Gehalt, teilweise wurde ihnen das Privileg gewährt, ausschließlich Bronzegießarbeiten herstellen zu dürfen, so dass sie auch im Glockenguss und mit künstlerischen Arbeiten tätig waren. Zuletzt schließlich seien noch die „höfisch-privilegierten Unternehmer“ genannt, die durch Erteilung eines Privilegs für bestimmte Produkte oder durch Subventionen gefördert wurden.

Es ergibt sich also zum jetzigen Zeitpunkt, dass der „Hofkünstler“ als wesentlich differenzierteres Phänomen betrachtet werden muss. Der mitunter überscharf betonte Gegensatz zwischen Hof- und Zunfthandwerk lässt sich ebenfalls differenzierter und viel weniger scharf als bisher angenommen formulieren. Nur durch eine am unmittelbar an der Lebenswirklichkeit orientierte Betrachtungsweise kann ein geschlossenes Bild gewonnen werden.


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