Revolution für die Freiheit



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Clara singt


Hitze und Gestank waren unausstehlich. Oft standen Pedro und ich am Fenstergitter, um wenigstens etwas Luft zu schnappen. Aus der über uns liegenden Frauenabteilung ertönte Gesang. Die Frauen durften täglich auf dem Korridor herumgehen, wir konnten sie reden und singen hören, ohne sie zu sehen. Wie wir uns so am Fenster aufhielten, hörte ich Clara trällern - Volkslieder in Schweizer Mundart. Gespannt lauschten wir beide; obwohl Pedro kaum die Hälfte verstand, sagte er sofort: «Mensch, deine Frau wurde verhört, sie singt doch ihre Verhöre runter!»

Tatsächlich, aus Claras «Volksliedern» ging hervor, daß sie seit drei Nächten vernommen wurde; getreulich sang sie Art und Weise der Verhöre, die Fragen und Fallen der Agenten vor, um mich zu orientieren.

Gleichzeitig sang sie auch über das Leben in ihrer Zelle, in der sie mit mehreren Frauen zusammenleben mußte. Mit einer älteren deutschen Frau, deren Mann von den Kommunisten erschossen worden war, hatten sie große Schwierigkeiten. Die Frau legte einen rasenden Haß gegen alle «Roten» an den Tag, betete stundenlang in der Zelle für ihre Vernichtung, gab ihrer Verehrung für Hitler offen Ausdruck.

Drei Morgen lang sang uns Clara, was sich im Kloster ereignete. Sie war überzeugt, in ihrer Zelle einen Spitzel zu haben, eine Kommunistin, die sie aushorchen sollte. Bedenklicher war ihre Mitteilung, daß sie an Skorbut litt und ihre Zähne anfingen zu wackeln. Sie habe bei den Wachen Knoblauch erbettelt, um dem entgegenzuwirken.

Mit einem der Wachsoldaten - sie wechselten alle vierundzwanzig Stunden - hatte sie ein unerwartetes Erlebnis. Beim öffnen der Zellentür schreckte der diensttuende Wachsoldat zurück und rief aus: «Sie hier, das ist unmöglich!» Auf ihre Frage, woher er sie kenne, erwiderte der Mann: «Ich habe Sie doch an der Front gesehen, damals bei Talavera de la Reina, da haben Sie uns aufgehalten. Und uns sagt man, hier im Kloster seien alle Gefangenen Faschisten, das kann doch nicht sein.» Jedesmal, wenn der Wachsoldat Dienst hatte, war Clara bevorzugt, er gab ihr Zigaretten, ließ sie häufiger aus der Zelle.

Aus Claras Liedern wußte ich, die nächtlichen Verhöre fanden nicht wie in Barcelona im Gefängnis selbst statt, sondern irgendwo in der Stadt.

Nachts um ein Uhr holten sie mich. Pedro umarmte mich, wünschte mir baldiges Wiedersehen.

Zwei mit Maschinenpistolen bewaffnete Agenten fuhren mich im Auto durch die verdunkelten Straßen Valencias. Im Verhörraum empfingen mich zwei «alte Bekannte» aus Barcelona. Beide waren deutsche Kommunisten und hatten bisher nur als Beisitzer gewirkt. Der eine von ihnen, jung, mit strohblondem Haar, sprach den unverkennbaren Akzent der Wasserkante. Sein Kollege beteiligte sich nur zeitweise am Verhör, stand neben seinem Kollegen am Tisch. Eine starke Lampe blendete mich. Vor ihm auf dem Tisch lag das längliche Glasstück, mein Zettel an Wolf.

«Wer ist Casus Belli?» warf er mir drohend an den Kopf. «Wer ist die Frau mit dem Pandurengestell?»

Hartnäckig wiederholte er die zwei Fragen. Ich schaute ihn ungläubig an, ohne zu antworten. Sein neben ihm stehender Kollege bekam einen roten Kopf, wurde ungeduldig, zischte wütend: «Hör doch auf, Casus belli ist kein Name, man sagt so.»

Der Blonde war keineswegs überzeugt und behauptete, die Worte seien ein Pseudonym.

«Nun, Herr Thalmann, Sie sind jetzt entlarvt, wir kennen Ihre Vergangenheit. Sie sind Trotzkist und haben die Verräterbroschüre gegen die spanische Republik geschrieben. Sie hatten Verbindung zur Gestapo, bevor Sie nach Spanien kamen. Wir wissen, daß Ihre Frau und Sie oft Hitlerdeutschland besucht haben. Ihre Mitwirkung am verbrecherischen Maiaufstand ist uns bekannt. Wir wollen jetzt Ihre Querverbindungen in Spanien wissen und die Namen Ihrer Helfershelfer.»

«Wo ist die Post der Internationalen Brigaden, die Sie gestohlen haben? Wann waren Sie zum letztenmal in Deutschland? Wann waren Sie bei Trotzki in Norwegen? Wo versteckt sich der Trotzkist Moulin?» Immer wieder dasselbe, stundenlang. Erst leugnete und bestritt ich all die dummen Fragen, nachher antwortete ich nicht mehr. Beide bedrohten mich mehrmals mit ihren Revolvern und behaupteten, meine Frau hätte alles gestanden. Sie fuchtelten mir mit ihren Fäusten vor der Nase herum, ohne mich zu schlagen. Schließlich, gegen vier Uhr morgens, entließen sie mich unter Drohungen, mich schon noch zum Reden zu bringen. Bei Pedro angelangt, mußte ich ihm alles genau erzählen.

Die nächste Nacht war wieder Verhör. Diesmal führte man mich nicht ins Zimmer; auf einem Stuhl sitzend, mußte ich im Gange warten. Plötzlich kam ein Agent auf mich zugestürzt, befahl mir: «Aufstehen, mit dem Gesicht zur Wand.» Schritte ertönten, jemand wurde vorbeigeführt. Ich durfte mich wieder setzen. Am Ende des langen Ganges, vor der Tür des Verhörzimmers, ging ein Offizier der Volksarmee nervös auf und ab. Irgendwie kam mir die Gestalt bekannt vor. Als der Mann seine Mütze lüftete, um sich den Schweiß von der Stirn zu wischen, erkannte ich Joseph Burckhardt, Friedels Freund. Seine Anwesenheit hier in der Nacht konnte nur bedeuten, daß er über uns ausgefragt wurde. Würden sie mich ihm konfrontieren? Nach einer Viertelstunde wurde Joseph hineingeführt. Ob er mich erkannt hatte?

Es dauerte noch eine ganze Weile, dann brachten sie mich zurück, ohne mich verhört zu haben.

Clara sang mir einen Tag später vor, Joseph sei ihr gegenübergestellt worden, hätte nichts Belastendes gegen uns ausgesagt, im Gegenteil sich günstig geäußert.

Die Tage vergingen. Auf unseren Strohsäcken zu dösen, gab Pedro meist schnell auf; dann marschierte er unablässig in der Zelle auf und ab oder stand lufthungrig am Fenster.

Unverhofft erhielten wir «hohen Besuch». Einer der deutschen Agenten kam in Begleitung des «Boxers» aus Barcelona, um seine Opfer zu inspizieren. Pedro und ich blieben ruhig auf der Pritsche liegen, als die beiden in die Zelle traten.

«Aufstehen, wenn Kontrolle kommt!» brüllte uns der Deutsche wütend an. Widerwillig erhoben wir uns, der «Boxer» fixierte uns schweigend, drehte sich um und verschwand mit seinem Begleiter. «Den Kerl hab' ich noch nie gesehen», kommentierte Pedro. Ich sagte ihm, nach meiner Meinung sei er einer der leitenden russischen Polizeiagenten in Spanien.


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