Revolution für die Freiheit



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Illegal


Margot, eine deutsche Jüdin, war immer bereit, Kameraden zu helfen. Wir fanden sie in ihrem Stammlokal. Sie kannte uns gut genug, um zu wissen, um was es ging.

«Das trifft sich ganz günstig», sagte Margot. «Seit einigen Tagen arbeite ich im Spital, da kann ich auch schlafen. Meine Wohnung ist frei, ihr könnt sie sofort beziehen.»

Die Wohnung lag weit oben an der Via Muntaner, einer großen Verkehrsader der Stadt, ein eher behäbiges, bürgerliches Quartier. Sie bestand aus zwei großen Zimmern, Küche und Badezimmer, für uns ein wahres Luxusetablissement. Fritzchen brachte am Abend gemeinsam mit einem Bekannten unsere Sachen aus Rüdigers Villa. «Oh, wie die froh sind, daß ihr weg seid, das glaubt ihr gar nicht», meinte er freundlich lachend.

Erwin Wolf hatte sich trotz der Verschiedenheit unserer Ansichten sofort nach der Unterredung nach unserer materiellen Lage erkundigt. Wir verheimlichten sie nicht. Wir besaßen gar nichts. Seitdem der Milizsold aufgebraucht war, lebten wir von Tag zu Tag. Er half uns sofort mit einer Summe für die nächsten Tage aus. Auch Margot erklärte, sie werde bei ihrem Freund etwas pumpen, wir müßten ja leben. So war für die nächsten zwei bis drei Wochen gesorgt. Mit den «Amigos de Durutti» konnten wir keine Verbindung mehr herstellen; ihr Lokal war zerstört und gesperrt, die Leute waren verhaftet oder untergetaucht. Tagsüber vermieden wir möglichst, auf die Straße zu gehen, beschränkten uns auf die nötigen Einkäufe. Erst gegen Abend wagten wir uns hinaus. Noch einmal trafen wir mit Moulin in der Hafenkneipe zusammen, auch er mußte vorsichtig sein, da er gesucht wurde. Nach seinem Dafürhalten und seinen Informationen klang die reaktionäre Welle noch nicht ab. Polizeikräfte waren mit Razzien beschäftigt, es gab immer neue Verhaftungsbefehle, darunter Andrade, Gorkin, Landau. Unter den Festgenommenen sollte auch Friedel sein. Andre Nin blieb verschwunden, über sein Schicksal wußte man nichts. Eines Abends, mitten auf der Rambla, stürzte plötzlich ein Uniformierter auf uns zu: Joseph Burckhardt. Er war im Volksheer Offizier geworden. In Madrid hatte er von Friedels Verhaftung gehört und sich unter irgendeinem Vorwand Urlaub erbeten, um sich in Barcelona für ihre Freilassung einzusetzen. Da sich Friedel mit den meisten Funktionären der POUM im offiziellen spanischen Gefängnis Modello befand, hatte er sie sehen und sprechen können, doch von Freilassung war keine Rede. Als Sekretärin der POUM sollte sie im angekündigten Monsterprozeß gegen die POUM auftreten! Joseph war sehr niedergeschlagen, weil er nun unverrichteter Dinge wieder nach Madrid zurück mußte.

Auf dem Heimweg in unsere Wohnung überraschte uns ein heftiges Gewitter. Es dauerte die ganze Nacht und wir legten uns spät zu Bett. Morgens um drei Uhr weckte uns lautes Pochen an der Tür. Ich öffnete. Zwei Männer in Zivil, riesige Pistolen in der Hand, drängten mich ins Zimmer zurück und verlangten unsere Papiere. Dokumente hatten wir genug; sie prüften sie sorgfältig, dann fragte der eine: «Kennen Sie Moulin?» Wir verneinten. «Kennen Sie Franz Heller?» Wiederum verneinten wir. Sie waren beeindruckt von unseren Ausweisen, blieben höflich und filzten die Wohnung nicht. Diese nächtliche Visite in der ersten Nacht verhieß nichts Gutes. Wieso hatte uns die Polizei in dieser gutbürgerlichen Wohnung aufgestöbert? Wußte sie, daß Margot in der POUM arbeitete? Das war für uns die naheliegende Erklärung. Wir hielten es für ratsam, die zwei Zimmer genauer zu durchsuchen. Im kleineren Zimmer lagen auf einem größeren Schrank dicke Bündel Zeitungen, die wir bisher nicht beachtet hatten. Wir holten sie herunter. Es war eine komplette Sammlung «Völkischer Beobachter», Goebbels' Leiborgan. Entsetzt schauten wir uns an, bekamen hörbares Herzklopfen. Wie war das möglich? Auf jeden Fall mußten die Nazizeitungen weg. Faschistische Blätter bei polizeilich gesuchten Trotzkisten, das war ein gefundenes Fressen für die Stalinisten, so was brauchten sie für ihre Lügengespinste; ihre Propaganda hechelte schon lange über die Zusammenarbeit der Trotzkisten und der POUM mit Franco, Hitler und Mussolini. Bis in den Morgen hinein verbrannten wir die ganze Kollektion im Kamin. Von Margot erhielten wir dann die Erklärung. Die Wohnung gehörte vor Ausbruch des Bürgerkrieges einem deutschen Lehrer, einem Nazi, und wurde dann von Mitgliedern der POUM beschlagnahmt. Nie wäre es jemand eingefallen, dort einmal nachzuschauen, die Räume zu säubern, obwohl das in der ehemaligen Behausung eines Nazis nahelag. Offenbar wußte die Polizei auch, daß die Wohnung nun von POUM-Mitgliedern besetzt war, auf die sie Jagd machte. Die Bleibe war unsicher, doch vorläufig wußten wir nicht, wohin. Wir berichteten Wolf von unserem Pech. Er war entsetzt und der Meinung, wir sollten rasch umziehen, er versprach, sich sofort darum zu kümmern.

Als wir am Abend nach dem Polizeibesuch nach Hause kamen, brannte in der Wohnung Licht. Wir zögerten, traten dann aber doch ein. Im kleinen Vorraum auf dem Stuhl, den Revolver auf dem Tisch, saß zeitunglesend ein Mann. Er erhob sich, wies sich als Polizeimann aus und ersuchte uns, ihm auf das Polizeikommissariat zu folgen. Wir weigerten uns, mitten in der Nacht, nein.

«Es besteht keinerlei Gefahr für Sie, der Chef will Sie bloß sprechen», versicherte er uns.

«Dann können wir auch morgen auf dem Polizeikommissariat vorbeikommen, wir sind ausländische Journalisten, Sie haben kein Recht, uns mitten in der Nacht vorzuladen.»

Er wurde unsicher. «Nun gut», sagte er. «Bleiben Sie hier, ich werde unten mit dem Chef telefonieren.»

Nach wenigen Minuten kam er zurück und erklärte: «Gut, Sie können bleiben. Aber morgen schön auf dem Polizeikommissariat vorbeikommen!»

Damit verschwand er. Nach diesem zweiten Polizeibesuch war unseres Bleibens dort nicht länger. Wir suchten Wolf in seinem Zimmer im Hafenviertel auf. Er hatte noch nichts für uns gefunden und offerierte, wenigstens für einige Tage, sein kleines Zimmer, in dem er mit seiner Frau untergebracht war. Wir akzeptierten.

Am Nachmittag kehrten wir in die Via Muntaner zurück, um unsere Koffer und die Schreibmaschine zu holen. Beinahe gleichzeitig mit uns kam ein Polizeiauto vor Margots Wohnung an. Die drei Agenten, die uns besucht hatten, gingen ins Haus. Ohne zu zögern, setzten wir unseren Weg fort, traten einige Häuser nebenan in den Hausflur. Wir überlegten. Hier stehenbleiben konnten wir nicht. Wir verließen den Hausflur und marschierten ruhig am Polizeiauto vorbei. Nach wenigen Schritten hörten wir Rufe und Geschrei hinter uns, die Hausschließerin redete heftig auf die Polizisten ein, die vor ihrem Wagen standen, und zeigte auf uns. Wir begannen zu laufen, das Auto mußte erst wenden, setzte sich aber rasch in Fahrt. Ganz in der Nähe lag, wie wir wußten, das Gebäude des Schweizer Konsulats. Ehe uns die Agenten erreichten, verschwanden wir im Gebäude. Dem ersten verdutzten Beamten erklärten wir hastig unsere Situation, er holte den Sekretär herbei. Aufgeregt mit den Armen fuchtelnd, kam er auf uns zu und brüllte: «Wir sind kein Zufluchtsort für Rote. Sie haben das Konsulat sofort zu verlassen, ob Sie verhaftet werden, interessiert mich nicht.»

Clara protestierte energisch gegen diesen Willkomm, schrie wütend auf den Sekretär ein. Ich zog sie weg, sagte: «Laß ihn doch schreien, der Mann hat ja mehr Angst als wir.»

Wir mußten das gastliche Haus verlassen, die Polizisten draußen nahmen uns in Empfang und verluden uns in ihren Wagen. Auf dem Kommissariat durften wir gut zwei Stunden in einem bewachten Zimmer warten. Dann brachte ein Beamter unsere Papiere zurück, die man uns abgenommen hatte, entschuldigte sich, murmelte etwas von Irrtum und ließ uns abziehen. Es war spanische Polizei. Diese Nacht schliefen wir zum erstenmal bei den Wolfs, auf einer Matratze am Boden.



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