Revolution für die Freiheit



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Fritz Raab


Nach über drei Wochen Aufenthalt im Klostergefängnis von Santa Ursula war ich mit den Gepflogenheiten vertraut. Größere Gemeinschaftszellen gab es nicht, denn die Klosterzellen boten nur für drei oder vier Personen Raum. Die Frauen wurden humaner behandelt, durften auf ihrem Korridor frei herumspazieren. Zur Promenade wurden wir nur zwei- oder dreimal pro Woche geführt, wahrscheinlich lag das ganz im Belieben des wachhabenden Offiziers. Unter den Gefangenen kursierten unkontrollierbare Gerüchte über schwere Mißhandlungen einzelner Gefangener. Zweifellos bestand die überwiegende Mehrzahl der Häftlinge aus Antifaschisten; es war kaum zu beurteilen, ob sich hier überhaupt echte Franco-Anhänger befanden. Verbindung und Unterhaltung mit anderen Gefangenen des gleichen Stockwerks gab es nur, wenn uns erlaubt wurde, ein oder zwei Stunden vor der Zellentür zu verbringen; auch diese Erleichterung hing ganz von der Wachmannschaft ab. Nach dem Morgenkaffee wurden wir zur Morgentoilette in die Waschküche des ersten Stockwerks geführt. Es war der einzige Ort, wo man mit Gefangenen aus anderen Etagen zusammentraf. Natürlich bestand Redeverbot, doch war die Bewachung meist sehr nachlässig. Eines Morgens wuschen sich vor mir am Waschtrog zwei Männer, die sich auf deutsch unterhielten und sich kräftig den nackten Oberkörper rieben. Als sie sich aufrichteten, erkannte ich sie: Kuno Brandet und Waldemar Bolze, beide seit Jahren Mitglieder der KPO, Richtung Heinrich Brandler. Mit Kuno Brandel hatte ich in den Jahren 1930/31 einige Male in Versammlungen in Stuttgart und Villingen gegen die Nazis gesprochen. Waldemar Bolze kannte ich aus Moskau, wo er im deutschen Klub Funktionen ausgeübt hatte. Die Überraschung war beidseitig groß.

«Mensch, wie kommt ihr denn hierher?» fragte ich nicht wenig verwundert.

«Das ist eine lange Geschichte, versuch' jeden Morgen etwa um dieselbe Zeit hierherzukommen, dann können wir einiges erzählen», meinte Kuno. Leider gelang das nur zwei- bis dreimal, doch allmählich schälte sich ihre Geschichte heraus, die genauen Einzelheiten erfuhren wir erst viel später durch den Hauptbeteiligten, einen gewissen Fritz Raab. Von ihm wußte ich, daß er drei Zellen neben der unsrigen in strenger Einzelhaft saß. Nur selten bekamen wir den großen, schlanken Mann mit der sportlichen Gestalt und den dichten schwarzen Haaren zu Gesicht. Es war ihm strikt verboten, sich mit anderen Gefangenen zu unterhalten. Pedro hatte mir bereits erzählt, es sei da auf unserem Korridor ein Gefangener, der gefoltert werde; jedenfalls hatte er ihn schon schreien gehört.

Im Ersten Weltkrieg hatte Raab als Fliegeroffizier in der von Hermann Göring kommandierten Staffel gedient. Die zwei Männer freundeten sich an. Nach dem Krieg trennten sich ihre Wege; Raab arbeitete als Konstrukteur in der Flugzeugindustrie. Göring wurde nach der Machtübernahme Hitlers der allmächtige Reichsmarschall. Raabs Pech war, mit einer Jüdin verheiratet zu sein. Nun bedrohten die Judengesetze sie und ihre Familie. Seine Frau drängte ihn, er solle sich beim ehemaligen Kriegskameraden für sie und ihre Familie verwenden. Raab bekam tatsächlich einen Termin bei Göring. Die Unterredung verlief stürmisch; der Naziminister behandelte seinen Kriegskameraden hochnäsig und lehnte jede Intervention ab. «Schick' deine Jüdin zum Teufel, es gibt genug hübsche deutsche Frauen», schnödete er. Raab war empört, beleidigt, machtlos. Er konnte die Verhaftung der Verwandten seiner Frau nicht verhindern. Um seine Frau vor demselben Schicksal zu retten, emigrierte er nach Griechenland. In Athen arbeitete er in der griechischen Flugzeugindustrie; von Haus aus begütert, besaß er an einigen Unternehmen Kapital beteiligung.

Da brach der Spanische Bürgerkrieg aus. Sein Haß gegen die Nazipolitik, die ihn aus seiner Heimat vertrieben hatte, wies ihm da ein Mittel, sich zu rächen. Er reiste nach Spanien und offerierte seine Dienste als Fachmann. Die anarchistischen Gewerkschaften in Katalonien griffen sofort zu. Für sie war es von vitaler Bedeutung, unabhängig von den Russen eine kleine, aber selbständige Luftwaffe zu schaffen. Raab erhielt die notwendigen Mittel, konnte unter der Kontrolle der CNT in Gerona mit der Konstruktion von Flugzeugen beginnen. Die dazu qualifizierten Arbeiter holte er sich teilweise aus Paris. Als guter Deutscher wollte er gute deutsche Facharbeiter engagieren. In der Pariser Emigration fand er ein starkes Dutzend Metallarbeiter mit genügenden Fachkenntnissen, darunter Kuno Brandel, Waldemar Bolze und einige andere, die er sofort anwarb. Die Arbeit lief an, die Kooperation mit den Gewerkschaften und dem spanischen Personal klappte. Doch die Herrlichkeit dauerte nicht lange. Kurz nach den Maitagen gelang es den Kommunisten, den Betrieb der CNT zu entreißen. Betriebsleiter Raab und die Mehrzahl seiner Arbeiter wurden verhaftet und politisch genauer durchleuchtet. Was sich herausstellte, war für die Stalinisten, auf der Suche nach faschistischen und trotzkistischen Elementen, ein gefundenes Fressen — ein ehemaliger Freund Görings, deutsche oppositionelle Kommunisten mit den Anarchisten im Bunde - ihre schönsten Träume erfüllten sich. Raab und seine deutschen Facharbeiter wurden nach Valencia verbracht. In den Klosterzellen von Santa Ursula warteten sie auf ihren Prozeß. Konnten wir Raab nur einige Male sehen, wenn er am Morgen vom Verhör zurückkam, so konnten wir ihn dafür öfters hören. In Santa Ursula war es offenes Geheimnis, daß er mißhandelt wurde. Aus unserem unruhigen Schlaf wurden wir eines Nachts durch Geschrei, Flüche auf deutsch und spanisch geweckt. Im Korridor Geräusche von einem wüsten Handgemenge. Pedro und ich rannten zur Tür. Deutlich vernahmen wir Raabs Stimme: «Ihr Schweinehunde, Folterknechte, schlagt mich gleich tot, nichts werdet ihr von mir erfahren!” Wir hörten Männer raufen, keuchen, fluchen, dann fiel eine Zellentür ins Schloß.

Auf unserem Korridor (dank einer guten Wache) erzählte mir ein holländischer Sozialist, den ich ein paarmal gesehen, aber nicht gesprochen hatte: «Schau mich an, die Hunde haben mir bei den Verhören alle Zähne eingeschlagen, auch andere Kameraden werden geschunden.» Er wies mir seinen zahnlosen Mund. «Niemand weiß, nach welchen Gesichtspunkten sie den einen foltern und den andern nicht. Bei mir in der Zelle sitzt ein Jugoslawe, den sperrten sie vierundzwanzig Stunden in einen engen Kasten, bis seine Beine dick anschwollen und er ohnmächtig wurde. Seine Notdurft verrichtete er in seine Kleider. Sie sollen diese Methode auch an anderen Kameraden ausprobiert haben.»

Schon von Pedro hatte ich erfahren, es würde an Gefangenen Grausamkeiten verübt, nur konnte ich das nicht nachprüfen. Aber nachdem ich Raab gesehen und gehört sowie mit dem Holländer gesprochen hatte, war kein Zweifel mehr statthaft.


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