Politik als Selbstbedienungsladen: Es gibt ein Gefälle zwischen der politischen Interpretation von Sachverhalten und der Meinungsbildung in der Bevölkerung zu Ungunsten der Politik. Dies ist symptomatisch für die gefühlte Entfernung der Politik von der Realität. „Wer/Was hat bei denen eigentlich Priorität“, fragen sich immer häufiger die „Normalbürger“. Themen, nach denen niemand gerufen hat? Debatten um der Debatte willen? Diäten und Pensionen?
Zur Strategie der Erneuerung und zur Kommunikation:
Die SPD sollte für eine Reformdebatte zunächst alle Punkte definieren, in denen sie in den vergangenen Jahren mindestens zwei Positionen nebeneinander vertreten hat (z.B. Flüchtlingspolitik, Kohleausstieg, Energiepolitik) und die streitigen Fragen klären. Richtschnur für die Entwicklung eines Standpunkte muss dabei sein: Welche Auswirkungen ergeben sich für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes (für die wir ja wohl in erster Linie Politik machen!), welche Lösungen liegen im Interesse betroffener Menschen(z.B. der Diesel-Autofahrer aber auch der Anwohner an viel befahrenen Straßen). Bevor nicht diese ehrliche Analyse stattgefunden hat, macht es keinen Sinn, schon Positionen zu formulieren.
Um nicht an den Menschen vorbei zu formulieren, müssen sich die Arbeitsformen grundlegend ändern: "Von der Vortrags-Unkultur" auf die Gesprächsebene. Dialog mit dem Bürger, keine Monologe und Selbstbe-spiegelungen mehr! Wirkliches Zuhören ist gefragt, nicht nur das, was man hören will!
Zu oft werden Themen hochgejubelt- wie jetzt auch im Koalitionsvertrag - bei denen sich dann (nachdem sich Fachleute damit beschäftigt haben) herausstellt, dass alles doch nicht so toll ist. Beispiele: Die paar Menschen, die 35 Jahre gearbeitet haben, freuen sich über die Grundrente. Was ist mit denjenigen, die "nur" 33 Jahre gearbeitet haben? So erzeugt man erneuten Politikfrust. Ebenso das Versprechen einer verpflichtenden OGS. Nachdem jahrelang der schwarzen Null gehuldigt wurde und das ja wohl auch weiter so geplant ist(Olaf Scholz), wird eine Umsetzung frühestens mittelfristig möglich sein. Wie sich nun zunehmend zeigt, ist es einfacher, Strukturen zu zerschlagen als diese wieder aufzubauen.
Die Profillosigkeit der SPD hat auch mit den falschen Themen zu tun, wie z.B. "Ehe für alle", Bürgerversicherung, sachgrundlose Befristung, die keine Rolle im konkreten Alltag der meisten Menschen spielen. Damit erscheint die SPD als eine Partei, die sich mit allem möglichen beschäftigt, aber nicht mit den wirklichen Problemen. Keine Systemdiskussionen mehr, sondern Aufgreifen der Themen, die "unter den Nägeln brennen" (wie z. B .Pflegenotstand).
Es muss verstanden werden, dass wir an einem Divergenzpunkt der Partei-geschichte angekommen sind. Vor kurzem hat die AfD einer INSA-Umfrage zufolge mit 16% zu 15.5% die SPD bereits zum ersten Mal überholt - das könnte schon Veranlassung genug sein für: