Tagebuch ohne Fotos zum Drucken


Sonntag, 14. September 2008



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Sonntag, 14. September 2008

An für sich ist heute kein besonderer Tag - zunächst war ich in der Fakultätskirche in der orthodoxen Liturgie, und anschließend im Internet. Doch leider ist es heute wieder kalt draußen und langsam wird es auch in meinem Zimmer immer kälter, denn die Fernwärmeheizung ist noch nicht angeschaltet, so dass hier noch keiner heizen kann. Es ist also recht frisch hier und ich hoffe, dass in den nächsten Tagen die Sonne mal wieder aus der Wolkendecke herausschaut. Nun habe ich gerade mit meiner Mutter telefoniert und ich habe ihr noch erzählt, dass die Dusche warm sei. Nein - sie ist es leider nicht. Dreht man den warmen Wasserhahn auf, kommt noch nicht einmal lauwarmes Wasser aus der Leitung, dreht man ihn in die andere Richtung, wird es richtig kalt. Ich überlege mir jetzt, ob ich nicht doch morgen nach Aschan gehe und einen Heizlüfter kaufe. Vielleicht erinnert sich ja noch jemand an eine gewisse Wegzehrung... Zumindest habe ich keine Lust, hier im Kalten zu sitzen und erkältet zu sein.

Heute Abend habe ich wieder mit Oleg und Dmitri zu Tisch gesessen. Ich hatte gerade angefangen zu kochen, als die beiden in die Küche kamen, bewaffnet mit Nudeln und einem Topf. Nun, ich habe bei mir einfach noch ein paar Nudeln dazugetan und weiter gebrutzelt. In der Pfanne brutzelte und schmorte ein selbstgemachtes Tomatenzeugs ohne Name - weil neu - vor sich hin, das aber noch nicht gewürzt war. Dmitri rührte in der Pampe gedankenverloren herum. So nahm ich Salz, dass ich aus der Packung da einfach hereingeschüttet habe. Mit dem Pfeffer habe ich genauso verfahren. Das war der Zeitpunkt, als Dmitri es mit der Angst zu tun bekam. Mit Paprika und Curry wollte ich genauso verfahren, aber er hat mich dann ausgebremst. Dann ist er aber zur Toilette gegangen... Letztendlich hat es aber allen gut geschmeckt, auch Stephan, der später dazu kam. Dmitri und Oleg haben dann noch Würstchen, Tomaten, Gurken, Knoblauch, Brot und Allerlei anderes hervorgezaubert. Zum Abschluss gab es dann noch Tee und russische Kekse. Ich liebe solche Abende!

 

 

Montag, 15. September 2008



Am heutigen Morgen war es trocken, aber immer noch kalt und windig. Den Vormittag habe ich genutzt, um die ein oder andere Mail auf russisch zu schreiben. Zu Mittag bin ich wieder in die Fakultät gefahren - zuvor war ich aber noch kurz im Internet und habe die Mails verschickt. In der Stalowaja haben sich zunächst zwei Studenten dazugesetzt, die auch auf meiner Etage wohnen. Beide hatten sich etwas edler angezogen. Die Art und Weise, wie die beiden aßen, ist kaum zu beschreiben: Den linken Arm auf den Oberschenkeln abgestützt (und den Kopf wegen der gebeugten Haltung entsprechend nahe am Tellerrand) begann eine wahre "Schnellschaufelei" der beiden. Bei meinem Nachbarn zur linken rotierte der Löffel tatsächlich kreisartig; er wurde zunächst am oberen Tellerrand eingetaucht, dann zum unteren Rand gezogen, um dann die knapp 15cm zum Mund zu finden und anschließend wurde er an der Ausgangsposition wieder angesetzt. Das Skurrile daran ist, dass die beiden in Anzug und Krawatte am Tisch "saßen". Der erste war nach knapp fünf Minuten mit dem Essen - also einem Teller Suppe, einem kleinen Salat und Kartoffelpüree mit Lebergeschnetzelten - fertig. Ich weiß, dass meine Manieren zu Tisch sicherlich auch nicht bis ins Letzte perfekt sind und mir auch gerne mal eine Kartoffel in die Bratensoße hüpft um die Tischnachbarn zu bespritzen, aber dieser Gegensatz von Kleidung und (fr)essen konnte und sollte nicht unkommentiert bleiben. Vielleicht sollte man dazu sagen, dass interessanterweise gerade die Anzugträger gerne solche Manieren aufweisen. Während den dreißig Minuten, die ich mir zum Essen gegönnt habe, setzten sich nach den beiden Jungs zwei Mädchen, Aljona und Lena, zu mir, die aus Odessa kommen. Mit denen habe ich mich noch ein wenig unterhalten, so dass ich schon fast die Zeit verbummelt hätte und zu spät in die Ethik-Vorlesung gekommen wäre.

Nach der Vorlesung, die nach knapp einer Stunde schon endete (üblich sind sind etwa 80 Minuten), weil der Professor nichts mehr zum Thema zu erzählen wusste, bin ich ins Kaufhaus Aschan gefahren mit dem festen Vorhaben, einen Heizlüfter zu kaufen. Der Verkäufer vertröstete mich auf morgen - sie waren ausverkauft. Und ich hatte mich so auf ein kuschelig warmes Zimmer gefreut! Nun, morgen früh sollen angeblich neue da sein. Ich bin mal gespannt. So muss ich mich heute noch einmal warm anziehen. Zumindest die Duschen sind heute warm, so dass es nicht mehr ganz so arg ist wie am gestrigen Tag. Nun hoffe ich, dass ich morgen bei Aschan ein solches Gerät kaufen kann.

 

 

Dienstag, 16. September 2008



Ich habe endlich eine Art Heizung in meinem Zimmer stehen! Denn wie schon gesagt: "...der Mensch lebt nicht vom Brot allein". Dass es jetzt allerdings ein Elektrokamin werden würde, hätte ich nicht gedacht! Nun - ich bin heute morgen wieder nach Aschan gelaufen, die allerdings keinen Heizlüfter hatten, die Verkäuferin aber wusste, welcher Laden in dem Einkaufszentrum so etwas hat. Der Elektroladen hatte zwar noch geschlossen, aber im Hinblick auf ein warmes Zimmer habe ich gerne ein wenig gewartet. Doch nun kam die nächste Enttäuschung für mich: Die hatten keinen Heizlüfter - zumindest nur einen zum an die Wand hängen, der aber für mein Zimmer unpassend ist. Daher ist es nun ein Elektrokamin geworden, der jetzt schön im Hintergrund summt und das Zimmer herrlich erwärmt. Endlich Wärme! Dafür habe ich gerne die 3999 Rubel ausgegeben, auch wenn es ganz schön weh tat und ich vorher zuhause angerufen und mich beraten lassen habe. Ich habe hier jetzt zwar ein Ausstellungsstück stehen und ich wollte noch mit dem Verkäufer verhandeln, der hat sich aber nicht darauf eingelassen.

Das Essen heute in der Stalowaja hat mir nicht ganz so gut gefallen, ich habe aber dennoch tapfer die Suppe mit Fisch gegessen: Es war eine normale Gemüsesuppe, wo die Köchinnen Hähnchenfleisch und Fisch hereingeschnitten haben. Aus meiner Sicht hätte der teure Fisch gar nicht in die Suppe gemusst, das Budget muss doch nicht unnütz strapaziert werden - oder? Dazu gab es ein Hackfleisch-Nudel-Zwiebelgericht mit gekochtem Rote-Beete-Salat. Irgendwann in der letzten Woche hat sich die Küche eine neue Variante von Möhrensalat ausgedacht: Von Irkutsk her kannte ich ja schon Möhrensalat mit Curry, hier war er mit Zimt gewürzt. Nun schreibe ich aber schon wieder schlecht über eine Küche, die gar nicht so schlecht ist. Normalerweise ist das Essen nämlich ganz schmackhaft - wenn auch nicht unbedingt abwechslungsreich. Grund zur Beschwerde gibt es sicherlich nur beim Möhrensalat, beim Fisch liegt es ja eindeutig an mir. Hin und wieder spreche ich der Küchenchefin auch mal ein kleines Lob aus, woraufhin sie sich immer sehr freut!

Nach der Vorlesung zum Thema Sakramente hatte ich noch ein Treffen mit einer mir aus Münster bekannten Dozentin, was noch einmal sehr interessant gewesen ist und über eine Stunde gedauert hat. Sie scheint mir jemand zu sein, mit der ich auch mal was unter zwei Augen ausklüngeln kann - zumal ich im Moment ein paar Ideen im Hinterkopf habe, die ich gerne irgendwann innerhalb der zehn Monate umsetzen möchte, die hier aber noch nicht weiter ausformuliert werden sollen.

Nach meiner Heimfahrt in einer überfüllten Elektritschka habe ich zunächst die Mails beantwortet, die ich am heutigen Tag bekommen habe und meine Buchführung gemacht, zumal mir Matthias meine Kontoauszüge und Gehaltsbescheinigungen der letzten Arbeitswochen in Deutschland geschickt hat. Nun kann ich auch sagen, was mir das Leben hier in etwa so kostet: Derzeit habe ich hier einen Umrechnungskurs von 1€ = 35,1029 Rubel. Daraus ergeben sich in etwa folgende Preise in Moskau für mich:


- Brot 400g: 19,50p. = 0,56 €

- Fahrkarte für die Elektritschka (50%): 9,50p. = 0,27 €

- Essen in der Stalowaja: 40p. = 1,14 €

- 10er Karte Metro: 155p. = 4,42 €

- Monatskarte Metro (Student): 180p. = 5,13 €

- 1kg Äpfel: 43,40p. = 1,24 €

- kleines Eis: 9,00p. = 0,26 €

- Glas Marmelade: 56,00p. = 1,60 €

- Elektrokamin: 3999,00p. = 113,92 €

- theol. Buch: 156p. = 4,44 € (viele Bücher haben diesen Preis)

- Ketchup 275g: 12,11p. = 0,34 €

- 15 Batterien f. Fotoapparat: 116,90p. = 3,33 €

- Eintritt (eur. Student) Puschkin-Museum: 150,00p. = 4,27 €

- Ikone: 140p. = 3,99 €

- Flasche Wasser 1,5l:13,90r. = 0,40 €

- kleinste Münzeinheit: 0,01p. = 0,00028 €

- Pepsi 0,5l: 28,00p. = 0,80 €

- Löwenbräu 0,5l: 40p. = 1,14 €


Hier kann man schön erkennen, dass es durchaus Dinge in Moskau gibt, die wesentlich teurer sind als in Deutschland. Ein Beispiel ist Wasser: In deutschen Supermärkten kostet es mittlerweile nur noch 0,13 €, während es in Moskau dreimal so teuer ist. Das Gegenteil ist beim Brot der Fall - es ist hier sehr günstig zu bekommen, ebenso sind Fahrkarten für Metro und Elektritschka vom Preis her nahezu unschlagbar. An meinem ersten Tag in Moskau habe ich auf der Straße eine Kopeke gefunden und habe sie mitgenommen. In den letzten Wochen ist mir erst bewusst geworden, wie viele dieser kleinen Kopeken ich finden müsste, um einen Euro-Cent zusammen zu bekommen: es sind 36 Stück! So ist es kein Wunder, dass das Kleingeld zuhauf hier auf der Straße zu finden ist und keiner das Kleingeld haben will. Selbst an der Kasse im Geschäft kann es vorkommen, dass die Kassiererin das Kleingeld ablehnt und einen Rubel verlangt, dann aber Kleingeld als Wechsel herausgibt oder sogar den Betrag zu meinen Gunsten rundet. Auch am Fahrkartenschalter kann es durchaus sein, dass wenn ich dort 10,50 Rubel hinlege, das Kleingeld auf der Fensterbank liegenbleibt und ich anschließend noch mehr Kleingeld in den Händen halte. Mit dem größeren Geld verhält es sich fast wie beim Monopoly-Spiel: Ist das Portemonnaie gefüllt mit vielen Scheinen und man fühlt sich so, als hätte man viel Geld und es würde noch lange reichen, so ist es beim nächsten Einkauf nahezu weg. Für mich ist das sehr ungewöhnlich und auch nach der dritten Woche fehlt mir noch das Gefühl, wie viel Geld ich ausgegeben habe.

Heute Abend war ich mit dem Abwasch der Küche dran - eigentlich alleine, weil ich ja ein Einzelzimmer habe. Auch wenn ich die Hilfe von Stephan, Oleg und Pjotr abgelehnt habe, so haben alle schnell mit Hand angelegt und wir waren fix gemeinsam fertig.

 

Nun bin ich also drei Wochen hier in Moskau und ich möchte dies noch einmal als Gelegenheit nutzen und versuchen, einen Punkt zu suchen, an dem ich mich jetzt nach 21 Tagen Russland verorten kann. Zunächst möchte ich den Blick auf die Sprache lenken. Es steht immer noch viel Arbeit und Mühe ins Haus, ich muss noch viele Wörter lernen. Hier gibt es keine großen Veränderungen. Dennoch glaube ich, dass es Fortschritte gibt: Gerade in dem Gespräch heute mit der Dozentin hatte ich selbst den Eindruck, dass ich lange nicht mehr soviel nachfragen musste, wie noch vor einer Woche in den Gesprächen mit den anderen Studenten oder auch Juri Valerjewitsch. Auch in den anderen Gesprächen muss ich nicht mehr so häufig nachfragen. Insbesondere in praktischen Dingen wie beim Einkaufen, in der U-Bahn, beim Essen usw. merke ich mir immer leichter einzelne Wörter der Alltagssprache. Dennoch heißt es jeden Tag für mich Vokabeln zu lernen und zu wiederholen, aber auch ein Kapitel in der Bibel lesen und übersetzen. Das Lernen der Sprache ist zwar mühselig, aber durchaus mit Vorteilen verbunden. Auch wenn ich manchmal (und insbesondere in den Vorlesungen) verzweifelt bin, weil ich wenig verstehe, so denke ich doch nach wie vor, dass es wird.



Gerade in dieser Woche beginnen sich langsam Strukturen und Gewohnheiten zu bilden: Ich muss dann und dann zur Uni, nehme die und die Elektritschka, gehe zu einem Zeitpunkt ins Internet, ins Bett, ins Geschäft, in die Kirche, usw. So langsam werden Tage gewöhnlicher und es bildet sich ein planbarer Tagesablauf, der für mich wichtig ist. Auch die Müdigkeit ist lange nicht mehr so schlimm wie in der ersten und zweiten Woche. Körper und Geist gewöhnen sich scheinbar. 

Mittlerweile benötige ich auch nicht mehr viele Hilfe der anderen Studenten, sondern komme mit den meisten Sachen sehr gut selbst klar und schaffe es, mich durchzuwurschteln. Und wenn es doch noch einmal hapert, dann weiß ich, dass ich mich nach wie vor auf die Hilfe der Mitbewohner verlassen kann. Das gibt etwas das Gefühl von Geborgenheit und Integration. Die meisten geben sich nach wie vor Mühe, mich zu verstehen und sprechen langsam und deutlich, damit ich verstehe. Im Moment hocke ich sehr viel mit Dmitri und Oleg zusammen, aber auch zu vielen anderen der Etage und des Wohnheims habe ich einen guten Draht. Dmitri und Oleg sprechen beide recht gut deutsch - Oleg ist der wesentlich bessere von beiden. Oft kommt es vor, dass wenn wir zusammen sprechen, dass ich unbewusst zwischen deutscher und russischer Sprache wechsle - vielleicht sogar langsam anfange, russisch zu denken. Das ist an für sich auch ein gutes Zeichen. Nun zurück zu den beiden: Wir drei - oft ist Stephan noch mit dabei - haben gemeinsam viel Spaß, sitzen zusammen auf unseren Zimmern, essen und kochen gemeinsam und füreinander. Und vor und nach jeder Mahlzeit beten wir gemeinsam mit Blick in die Ikonenecke, auch ich spreche hin und wieder ein Gebet. Das gemeinsame Gebet ist für mich selbst ein ganz wichtiges Zeichen: Gehören wir auch verschiedenen Kirchen an, so sind wir dennoch in Christus miteinander verbunden. Stephan ist auch noch einmal jemand Besonderes: Wir waren ja gemeinsam im Museum und in der Christus-Erlöser-Kirche. Gerne sitzen wir zusammen und singen gemeinsam auf dem Zimmer irgendwelche Lieder - besondere Laurentia hat es ihm angetan. Die Kniebeugen lässt er allerdings mit Vorliebe aus. Besonders schön für mich war der Moment als er mit seiner Mutter telefonierte und sie ihn wohl fragte, was er gerade mache. "Ich singe deutsche Lieder mit einem deutschen Freund", war in etwa seine Antwort.  

Letztlich gesagt bin ich dankbar für jede neue Erfahrung; jeden neuen Menschen, den ich kennen lerne und dankbar für jeden neuen Tag, den ich hier im Kreise der Mitbewohner und Kommilitonen erleben darf. Ebenso freue ich mich auf jeden neuen Tag, Menschen und jede neue Erfahrung.

 

So passt auch die letzte Strophe des Lieds/Gedichts "Von guten Mächten" auf die beschriebene Situation gut, in der mich gerade befinde. Diejenigen, die bislang meine Tage in so toller Weise mitprägen, finden ebenso wie meine Freude auf jeden neuen Tag Anklang, wenn die bekannte Melodie auch etwas traurig klingt:



 

Von guten Mächten wunderbar geborgen,

erwarten wir getrost, was kommen mag.

Gott ist mit uns am Abend und am Morgen

und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

(Dietrich Bonhoeffer)

 

 



Mittwoch, 17. September 2008

Nachdem heute die erste Vorlesung gleich ausgefallen ist, hatte ich noch genug Zeit um Essen zu gehen. Danach stand ein Seminar zum Zweiten Testament auf dem Programm. Und dann begann meine erste Chorstunde! Ich konnte leider nur noch nicht viel mitmachen - aber anhören konnte ich mir das wenigstens. Mir hat es gut gefallen, so dass ich anschließend den Chorleiter angesprochen habe, der mich nach einer kleinen Sangesprobe in den Chor aufgenommen hat. Nach dem "Test" bin ich also der zweite Tenor. Nun bin ich mal gespannt, wie ich mich künftig in dem Chor einfinden kann. Auf dem Rückweg von der Uni habe ich noch einen kleinen Abstecher in das andere Geschäft gemacht, dass dem Wohnheim näher liegt und dort gleich Evgenij (zu deutsch Eugen), Oleg und noch einen weiteren Studenten getroffen. Ich habe mir eine Pizza gekauft, die anderen dann noch eine große Melone. Als wir im Wohnheim angekommen waren, kam wieder alles anders: Die Pizza wurde durch vier geteilt, Oleg hat Nudeln gemacht, ich spontan aus zusammen gesammelten Zutaten eine Gemüsesauce, irgendwoher kam noch Fisch und Brot und schon war die Mahlzeit perfekt! Dmitri war zwischenzeitlich auch dazugestoßen, der andere Student ist dafür auf sein Zimmer gegangen. Anschließend haben wir uns auf mein Zimmer verkrümelt und zu viert die Melone verdrückt, die - wie wir ausgerechnet haben - mehr als acht Kilogramm wog. Und so sind wir als die Melone auf war gemeinsam aus meinem Zimmer hinausgekugelt. So hat dieser lustige Abend mit einem strammen Bauch geendet.

 

 

Donnerstag, 18. September 2008



Ich habe ja nicht damit gerechnet, dass meine Monatskarte tatsächlich pünktlich fertig ist! Ich habe heute morgen extra eine andere Elektritschka genommen, bin weiter in den Süden der Stadt gefahren und von dort aus mit jeder Menge verschiedener U-Bahnen zur Station "Nagornaja" zu kommen, wo meine Karte lagerte! Das ging dann auch alles ohne große Probleme dort und so habe ich meine Monatskarte nun endlich! Sie kostet im Monat nur 180 Rubel, eine 10er-Karte würde 155 Rubel kosten. Die brauche ich ja jetzt nicht mehr, denn jetzt fahre ich ja günstiger zum Studententarif! Vor dem Essen und der Vorlesung habe ich dann recht lange mit Matthias übers Internet gequatscht und so das Neueste aus der Heimat erfahren. Leider war die Verbindung hin und wieder mal unterbrochen, wenn ich mich aber ab- und dann wieder angemeldet habe, lief es wieder. Beim anschließenden Mittagessen habe ich mit einer Dozentin gequatscht - den Namen weiß ich natürlich wieder nicht - und so einiges Interessantes von ihr erfahren. Nach dem Essen musste ich noch einmal ins Internet und noch einmal mit meinem Bruder telefonieren, weil wieder einer eines meiner Bücher gekauft hat. So ist das halt - die Geschäfte müssen laufen!

Auf dem Heimweg ist mir dann wieder was Sonderbares passiert! Als ich am Fahrkartenschalter am Kursker Bahnhof meine Fahrkarte für 9,50p. gekauft habe, habe ich mit einem 10-Rubel-Schein bezahlt. Und dann legt mir die Dame am Schalter nur meinen Fahrschein dahin - wortlos. Ich habe sie dann freundlich um die 50 Kopeken gebeten und sie sagte daraufhin, dass sie kein Wechselgeld hätte. Nun wusste ich von gestern und vorgestern, dass das auch schon so war - auch an den anderen Schaltern. Und vor mir die Frau hatte mit reichlich viel Kleingeld bezahlt. Da mir das Problem von den Tagen zuvor schon bekannt war, hatte ich aber abgepasst 50 Kopeken in der Hand, die ich der Schalterdame dann gegeben habe. Daraufhin hat sie dann mein Wechselgeld herausgerückt. 50 Kopeken sind sicherlich nicht viel, aber mir dann kommentarlos das Geld vorenthalten, fand ich schon ein beachtliches Stück. Und vor allem vor dem Hintergrund, dass das Wechselgeldproblem schon zwei Tage lang besteht. Ich habe da eine Vermutung, die natürlich auch unwahr sein kann: Vielleicht merken die Damen dort, dass das Geld zum Monatsende knapp werden könnte und daher zufällig kein Wechselgeld haben. Oder die Russische Eisenbahngesellschaft zahlt die Gehälter nicht pünktlich - wer weiß das schon? Ich will das die nächsten Tage aber mal weiter beobachten und in jedem Fall Kleingeld bereit halten! Die Moskauer haben da wohl weniger ein Problem mit, aber am Ostfriesen werden die sich noch die Zähne ausbeißen! Normalerweise würde ich wegen dem bisschen ja nicht viel sagen, aber diese Art und Weise...

Gerade eben war Stephan im Zimmer und fragte, ob wir am Samstag nicht nach Sergijew Possad ins alte Kloster fahren wollen. Da konnte ich gar nicht absagen! Wenn also alles gut läuft, steht mir ein hoffentlich schöner Ausflug bevor! 

 

 


Freitag, 19. September 2008

Hurra! Heute habe ich sehr viel in der Vorlesung zum Alten Testament verstanden! Gut - das Thema war mir nicht ganz unbekannt, aber immerhin! Doch die Vorlesung danach hat mir gezeigt, dass ich dennoch viel zu tun habe! Aber mal etwas Erfolg zu haben, tut einfach gut und motiviert zum Weiterlernen. Der Dozent hat mich anschließend noch angesprochen und wollte wissen, ob er nicht meine Lernunterlagen von meinem Studium in Münster haben könnte. Vielleicht - das wäre ja mal ein Ziel für mich - kann ich bei ihm ja eine Exegese-Hausarbeit schreiben. Mal schauen!

Nach den Vorlesungen war es schon fast Mittag, so dass ich in die Stalowaja gegangen bin. Gestern habe ich das erste Mal die Garderobe gefunden, so dass ich auch heute meine Sachen dort abgelegt habe, zumal sie von einer alten Frau bewacht werden. Und genau über die alte Frau lohnt es sich, ein paar Worte zu verlieren: Als ich in den Raum hereinkam und meine Sachen aufgehängt habe, sprach sie mich an - sie heißt Nina Maximova - nur habe ich davon überhaupt nichts verstanden. Auch nach mehrmaligem nachfragen und bitten, sie möge doch langsamer sprechen, hatte ich keinen Erfolg. Sie freute sich aber ungemein, dass ein Deutscher an der Fakultät studiert und störte sich gar nicht daran, dass ich ihr gar nicht antworten konnte. Dabei strahlte sie übers ganze vom Alter zerfurchte Gesicht, zeigte dabei ihre zwei letzten vergoldeten Zähne im Mund und ihre Augen blitzten vor lauter Freude. So eine warmherzige Babuschka muss man doch einfach richtig lieb haben, auch wann man sie gar nicht versteht. Beim Essen habe ich Oleg, Daniel und zwei weitere Studenten getroffen und wir haben zusammen gegessen - wenn wir vor lauter Erzählen und Lachen überhaupt dazu gekommen sind. Ich glaube, die anderen Studenten dort haben nicht nur einmal zu uns geschaut. Nach dem Essen musste ich ja zwangsläufig wieder bei Nina vorbeikommen, die mich gleich mit allen möglichen Wünschen überschüttete. Das stellte sich aber nachher erst heraus, als ich Daniel gefragt habe.

Am Nachmittag war noch Chor, der auch eine ganz schöne Herausforderung ist. Auch wenn der zweite Tenor heute überwiegend den gleichen (aber hohen) Ton singen musste, so ist das doch gar nicht so leicht, wenn hinter mir ein erster Tenor sitzt, der den ganzen Chor so übertönt, dass ich selbst mich und meinen Nachbarn nicht mehr höre. Aber der ganze zweite Tenor ist keine Stimme, die mit Können und Pracht geschmückt ist... Nun denn - die Zeit ist dennoch wie im Fluge verflogen. 

 

 

Samstag, 20. September 2008



Was sich am Freitag schon leise angekündigt hat, wurde an diesem Tage besser! Die Rede ist vom Wetter. Als ich an diesem Morgen die Vorhänge an die Seite gezogen habe, lächelte die Sonne direkt in mein Gesicht! Also nichts wie zur Uni - zur einzigen Vorlesung an diesem Tage. Nachdem die vorbei war - es konnte mir heute nicht schnell genug gehen - habe ich schnell noch wie jeden Tag in der Stalovaja gegessen. Und dann konnte der Hauptteil des Tages beginnen: Ich war zu 13 Uhr mit Stephan in der U-Bahn-Station Komßomolskaja verabredet; wir hatten geplant, nach Sergijew Possad in das weltberühmte Kloster zu fahren. Da ich schon sehr pünktlich dort war, konnte ich mich noch ein wenig in der U-Bahn-Station umsehen und habe sie ein wenig portraitiert. Doch dazu mehr am morgigen Tag. Stephan und ich haben uns dann Fahrkarten gekauft, einen Zug knapp verpasst, dann aber den nächsten 20 Minuten später genommen. So konnte mein erster Ausflug ca. 70km vor die Tore Moskaus beginnen. Die Fahrt dorthin dauerte etwa 90 Minuten. Einerseits war die Fahrt die reinste Verkaufsveranstaltung - einer Kaffeefahrt für ältere Menschen ähnlich. Es vergingen die ganze Fahrt durchweg keine fünf Minuten, in denen nicht irgendeiner seine Waren feilgeboten hat. Auch dieses Mal konnte man Malsets, Eis, Magazine und noch vieles mehr kaufen. Die Krönung war jedoch ein Mann mit seinem Akkordeon und seiner Tochter, die ein Musikstück zum Besten gaben. Einige Leute haben den beiden schon bevor sie durch den Zug gegangen sind, etwas Geld oder sogar zu Essen gegeben, wohl damit sie schneller aufhören, denn Musik und Gesang waren wirklich nicht von Qualität. Die Fahrt verging sehr schnell mit russisch und deutsch sprechen (üben) und aus dem Fenster schauen. Die Landschaft, die vorbeizog, war für mich schon die reinste Erholung, da ich endlich wieder ein paar Wiesen, Wälder und sachte Hügel sehen konnte! Keine Großstadt mit Lärm, Gestank und Krach!

In Sergijew Possad angekommen sind wir aus dem Zug gestiegen und was ich dann gesehen habe, war schon fast Wahnsinn: Da läuft die Menschenmasse zum Ende des Bahnsteigs, dort die Treppe herunter und direkt über das Gegengleis - auch dann noch, als ein langer Fernreisezug mit wenigstens 100km/h um die Kurve fuhr und ganz klar sichtbar war. Die Leute blieben erst stehen, als der Zug laut pfiff und sich etwa 150 Meter vor dem Überweg befand. Wie das z. B. auf der Emslandstrecke funktioniert, wo es ähnlich betriebliche Situationen gibt, ist ja bekannt: Steht ein RegionalExpress in einem kleinen Bahnhof, in dem Leute über das Gleis müssen, dann bleibt der normalerweise durchfahrende Zug stehen.

Dann haben wir uns auf den Weg zum Kloster in Sergijew Possad gemacht, dass nur zehn Minuten Fußweg vom Bahnhof der Kleinstadt entfernt ist. Da es dort ein wenig hügelig ist, konnte man schon einen schönen Ausblick auf das Kloster genießen, bevor man durch das kleine Tal zum Kloster kam.

 

Das Kloster Sergijew Possad ist ein sehr altes Kloster und wurde 1340 vom Hl. Sergij von Radonesch gegründet und zählt heute zum UNESCO-Weltkulturerbe. Es ist ein bedeutendes religiöses Zentrum der Russisch-orthodoxen Kirche. Bis zum 18. Jahrhundert wurde es immer wieder ausgebaut und vielfach erweitert, so dass es heute eine große Klosteranlage mit dem Palast des Metropoliten, der Theologischen Akademie im ehemaligen Zarenpalais, der Schatzkammer, der Quelle des Heiligen Wassers und den Mönchsklausen ist. Es gibt zudem acht Wehrtürme und eine Mauer, da sich das Kloster im Laufe der Jahrhunderte verteidigen musste. Da das Kloster sich immer erfolgreich wehren konnte, ist es von Zerstörungen verschont geblieben. Nach der Verstaatlichung durch das kommunistische Regime 1917 war erst 1943 religiöses Leben wieder möglich. Viele Leute pilgern heute zu dem Kloster, um von dem Heiligen Wasser zu trinken oder am Dreifaltigkeitsfest zur Heiligen Ölung.



 

 

Die älteste Kirche im Kloster ist die Dreifaltigkeitskathedrale, die schon 1420 über dem Grabmal des Heiligen errichtet wurde. Dort ist der Heilige in einem Sarkophag aufgebahrt und wird von sehr vielen Gläubigen verehrt, die dafür lange in einer Warteschlange stehen, die schon vor der Kirche beginnt. Bei dem Sarkophag steht immer jemand, der oder die die Glasscheibe des Sarkophags hin und wieder abputzt, da viele Gläubige diese Scheibe demutsvoll küssen.  



 

Zunächst hat Stephan mir die Klosteranlage gezeigt, die auf mich großen Eindruck gemacht hat! Die vielen Kirchen, die gepflegten Anlagen und das ganze Leben und Treiben dort. Es gibt verschiedene kleine Geschäfte, wo man religiöse Literatur - auch fürs Studium geeignete - kaufen kann; in einem sogar liturgische Gegenstände wie Weihrauchfässer, liturgische Gewänder, Stoffe, Bibeln, Kerzenständer für Ikonen, Kerzen oder sogar einen riesigen Kronleuchter: Eben alles, was das orthodoxe Herz so begehrt.

 

Da meine Batterie im Fotoapparat langsam den Geist aufgeben wollte, sind wir kurz in die Stadt gegangen, um neue zu kaufen und um gleichzeitig Eis zu essen, dass es ja Gott sei Dank in Russland günstig gibt. Anschließend sind wir in die Vesper gegangen in einer der großen Kirchen, die aber sehr voll war. Danach waren wir noch beim Ende der Göttlichen Liturgie, bei dem Erzbischof Evgenij Werejskij, der Rektor des dortigen Seminars, Hauptzelebrant war. Leider haben wir davon nicht mehr viel mitbekommen, eigentlich nur noch den Schluss und den Segen.



Anschließend sind wir dann wieder nach Moskau gefahren und der kleine Ausflug war zu Ende. Zum Glück haben wir einen Express-Zug erwischt, so dass wir etwas eher, aber dennoch müde, daheim waren.

Das Kloster ist in jedem Fall einen Ausflug wert, zumal es wirklich sehr schön dort ist. Es ist hervorragend gepflegt und in einem sehr guten Zustand. Viel interessanter für mich als Student ist es aber, dort die Menschen zu beobachten, ihre Frömmigkeit zu sehen, die sich doch so von der katholischen (im Westen) unterscheidet. Sie scheint viel inniger und tiefer zu sein und kennt ganz andere Formen. Sie küssen die Ikonen, verneigen sich vor ihnen und halten betend inne. Sie nehmen wie in Lourdes auch von dem Heiligen Wasser mit nach Hause, erfrischen sich und trinken davon. Im Gegensatz zu Lourdes läuft das Leben hier nur überhaupt nicht so jahrmarktmäßig ab - es gibt zwar kleine fliegende Händler, die alles mögliche verkaufen, auch findet man hier keine blinkenden und blitzenden Christusstatuen. Vielmehr sind es Ikonen (wie es sie hier in jeder Kirche gibt), religiöse Bücher und Schriften, kleine Rosenkränze und Halsketten, aber alles zum ganz großen Teil ohne Kitsch und viel bescheidener. Dass sich das Kloster von dem in Lourdes herrschenden Kommerz freihalten konnte, finde ich durchaus sympathisch und macht diese Pilgerstätte durchaus würdig.

 

 


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