Als der zehnjährige Ulrich Ditzen, ältester Sohn von Rudolf und Anna Ditzen, ins Internat des Templiner Gymnasiums gegeben wird, schreibt der Vater - bekannt geworden als der Schriftsteller und Drehbuchautor Hans Fallada - ihm jeden Sonntag einen Brief. Der junge Schüler antwortet, zunächst in kurzen Briefen, später als Jugendlicher in langen ausführlichen Schreiben. Aus der umfangreichen Korrespondenz von 1940 bis 1946 legt der heute 75-jährige Sohn ein Zeitdokument vor, das den Leser teilnehmen lässt am dörflichen Leben in Carwitz, erzählt von der Arbeit des Vaters auf dem Hof und mit den Tieren, von den Sorgen, den Kriegsalltag zu bewältigen. Der Sohn Ulrich berichtet vom Internat und vom Gymnasium, von Freunden, vom Luftalarm und vom schlechten Essen. Deutlich wird ein starkes, inniges Verhältnis zwischen Vater und Sohn, das durch die Scheidung der Eltern und durch die Wiederverheiratung kaum beeinträchtigt wird. Der Kontakt brach erst ab, als der Sohn in den letzten beiden Lebensjahren des Vaters Zeuge der Morphiumsucht und des schleichenden Verfalls wurde. Hans Fallada lebte viele Leben: als Trinker, Morphinist, Gefängnisinsasse, als liebevoller Familienvater und manischer Schreiber, er starb 53-jährig im Februar 1947. Jahrzehnte später findet der Sohn die erhalten gebliebenen Briefe wieder und beim Studium des Ordners „tat sich für ihn eine verlorene, eine neue Welt auf“. Für den Aufbau-Verlag, der das literarische Werk seines Vaters verwaltet, legte er den Briefwechsel für diese Dokumentation vor, ergänzt durch Anmerkungen und mit 22 Abbildungen illustriert. In seinem Vorwort schreibt er heute dazu: „So hat der Sohn schließlich sein Verständnis der Dinge und seinen Frieden gefunden mit dem Vater. Und den Gehalt einer Kindheit, die über lange Jahre hinweg aus der Erinnerung geraten war.“ CMS
Ella Milch-Sheriff
Ingeborg Prior
„Ein Lied für meinen Vater“
Aufbau-Verlag
ISBN:
978-3-351-02661-5
D: 19,95 €
A: 20,60 €
38,60 sFr
Eine Frau sucht nach dem Geheimnis ihres Vaters und findet die Liebe zur Musik. Die berührende Lebensgeschichte der israelischen Komponistin Ella Milch-Sheriff spiegelt die Konflikte einer ganzen Generation. Ella ist eine "Sabra", wie man die in Israel geborenen Juden nennt, die der Sabra-Kakteenfrucht gleichen sollen: außen stachelig, innen saftig und süß. Sie trägt jedoch auch die Bürde der zweiten Generation. Ihre Eltern, der Gynäkologe Dr. Baruch Milch und seine Frau Lusia, haben die Shoa überlebt und in Israel eine Heimat gefunden. Ellas Leben ist geprägt von der zerstörerischen Beziehung zu ihrem Vater, dessen Grausamkeit sie fürchtet. Sie flüchtet sich in die Musik, spielt Klavier und beginnt mit zwölf Jahren zu komponieren. Nur langsam begreift sie, dass der Grund für das schwierige Verhältnis zu ihrem Vater in dessen Vergangenheit liegt. Ellas Suche nach diesem Geheimnis verlangt all ihre Stärke. Wie fremd die Eltern den beiden Geschwistern, Ella und ihrer Schwester, tatsächlich sind, wird den beiden Frauen schmerzhaft bewusst, als sie im Tagebuch ihres Vaters von seinem Leben „davor“ erfahren. In Polen war er ein erstes Mal verheiratet, hatte einen über alles geliebten Sohn, der von den Nazis umgebracht wurde. Und er war selbst am Tod eines Kindes beteiligt, dass er nur so retten zu können glaubte. Des Vaters bitteres Fazit „Glaube nicht – Der Himmel ist leer“ wird ihm zum Grundsatz, den er auch seinen beiden Töchtern zusammen mit umgeschriebenen bitteren „Zehn Geboten“ mit auf den Weg gibt. In ihren musikalischen Werken setzt sich die Komponistin mit dem Schicksal ihrer Eltern auseinander. Und sie erfüllt zugleich das Vermächtnis ihres Vaters: dieses Schicksal dem Vergessen zu entreißen.
Zusammen mit der Journalistin Ingeborg Prior hat Ella Milch-Sheriff jetzt Erinnerungen an ihr Aufwachsen geschrieben. Auf knapp 200 Seiten erinnert sie sich und dokumentiert die Tagebucheinträge ihres Vaters, die über die persönliche Bedeutung hinaus erschütternde Zeitdokumente sind.