Erdkatastrophen und Eiszeiten
In den letzten 10.000 Jahren hat die Menschheit eine erdgeschichtlich friedliche Zeit erlebt. Es gab keine extremen Klimaschwankungen, keine Einschläge von großen Meteoren, und diegrimmigeEiszeit, inderwirunseigentlichnochbefinden, gewährtunseinePause. Diese im Vergleich zu den großen Erdkatastrophen geradezu paradiesische Zeit ist wohl auch dafür verantwortlich, dass die menschliche Kultur ab da rasche Fortschritte machte und in denletztenbeidenJahrhundertenmitderwissenschaftlichenundtechnischenEntwicklung geradezu einen explosionsartigen Zuwachs an Wissen und Umweltbeherrschung erreicht hat. Solange die früheren Katastrophen der Erdgeschichte sich nicht noch mal in ähnlicher Form wiederholen, können wir relativ getrost in die Zukunft schauen. Wenn wir allerdings die von uns selbst verursachte Klimakatastrophe nicht in den Griff bekommen, zerstören wireigenhändigdieBedingungen, dieunserekulturelleEntwicklungerstermöglichthaben. Wir wollen uns einen kurzen Überblick über vergangene Erdkatastrophen und Eiszeiten verschaffen, weil sich dadurch eine bessere Bewertung unserer heutigen Situation ergibt.
Vor ca. 4,2 Mrd. Jahren rammte Theia, ein riesiger Meteor, die Erde. Sie erfährt dadurch eine Zunahme an Masse und aus dem Trümmerring entsteht unser Mond. Diese Katastrophe erwies sich als großer Vorteil! Die Zunahme an Masse und das Geschenk eines Trabanten bewirkten eine Stabilisierung der Erdumdrehung, wodurch erst die bereits geschilderte Entwicklung des Lebens möglich wurde.
Tab. 1.2 Eiszeiten und ungefähre Angabe ihrer Dauer. (Die Zeitangaben schwanken je nach Autor und Lehrbuch)
Name
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Dauer (Mio. Jahre)
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Erdzeitalter
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Ära
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Huronische Eiszeit
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2400–2100
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Siderium und Hyacium
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Paläoproterozoikum
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Voranger-Eiszeit
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800–635
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Cryogenium
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Neoproterozoikum
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Anden-Sahara-Eiszeit
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450–420
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Ordovizium und Silur
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Paläozoikum
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Karoo-Eiszeit
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360–260
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Karbon und Perm
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Paläozoikum
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Letzte Eiszeit
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30 bis heute
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Neogen und Quartär
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Känozoikum
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Eine über 165 Mio. Jahre währende Katastrophe bildete die Voranger-Eiszeit. Vor ca. 800–635 Mio. Jahren war die gesamte Erde (eventuell mit Ausnahme eines schmalen Streifens am Äquator) mit Eis bedeckt. Nahezu alles Leben wurde vernichtet. Vor ca. 440 Mio. Jahren, nach dem Ende des Kambrium und zu Beginn des Ordoviziums, kam es dann zum zweitgrößten Artensterben der Erdgeschichte. Ursache hierfür war vermutlich der Gammablitz einer Supernova und dazu noch ein Asteroideneinschlag. Vor 360 Mio. Jahren, am Ende des Devon, starb die Hälfte des marinen Lebens aus, in tropischen Regionen sogar drei Viertel. Vermutlich war daran wieder ein Meteoriteneinschlag schuld, verbunden mit einer Vereisung großer Teile der Erdoberfläche (Karoo-Eiszeit). Danach setzte das Karbon ein. Vor 250 Mio. Jahren, am Ende des Perm, starben 95% der Makroorganismen aus, Bakterien vergifteten die Atmosphäre. Dies war nach Ansicht der meisten Forscher das größte Massensterben der Erdgeschichte. Die vermutete Ursache: sibirischer Vulkanismus zusammen mit einem weiteren großen Meteoriteneinschlag.
Vor 65 Mio. Jahren, am Ende der Kreidezeit, trifft wieder ein Meteor die Erde (der Krater ist auf Yukatan nachweisbar). 5–10 Jahre gab es kein Sonnenlicht, 2.000 Jahre war es bitterkalt, ein globaler Winter brach ein. Diese Katastrophe war für das Aussterben der Saurier verantwortlich. Nur kleine Lebewesen konnten an Land überleben. Auch zwei Drittel der hochentwickelten Insekten sterben aus. Danach setzt der Siegeszug der Säugetiere ein.
Die Einteilung der Erdzeitalter ist mit den Erdkatastrophen verbunden: fast jede Ära beginnt nach einer Katastrophe und endet mit einer Katastrophe.
Tabelle 1.2 vermittelt einen Überblick über die Eiszeiten in der Erdgeschichte. Wie man aus der Tabelle ersieht, dauerten sie jeweils viele Millionen Jahre. Die gewaltigste unter ihnen war, wie oben erläutert, die Voranger-Eiszeit.
Von der Zelle zur Zivilisation
Das Anliegen dieses Buches ist es, Evolution, Kultur und individuelle Entwicklung zusammenzuführen. Daher interessieren Versuche um Prinzipien, die für alle drei Bereiche gelten. Enrico Coen (2012) hat einen solchen Versuch unternommen. Seine sieben Grundprinzipien gelten seiner Meinung nach gleichermaßen für Biologie und Evolution sowie für Kultur und Gesellschaft. Sie lassen sich aber genauso auf die Ontogenese des Menschen anwenden; eine Möglichkeit, die Coen nicht nutzt, aber für unsere Fragestellung von Be-
1.4 Resümee
deutung ist. Die Prinzipien lauten: Variabilität, kombinatorischer Reichtum, Persistenz, Verstärkung, Wettbewerb, Kooperation sowie Rekurrenz.
Variabilität bezieht sich zunächst auf biologische Merkmale, die in einer Population in verschiedenen Versionen auftritt. Gleiches gilt für Merkmale in der Gesellschaft und für die Varianz von Verhaltensmerkmalen in der individuellen Entwicklung. Der kombinatorische Reichtum ergibt sich aus der Tatsache, dass mehrere verschiedene Merkmale außerordentlich viele Kombinationen ermöglichen. Dieser Aspekt wirkt sich in allen komplexen Systemen aus, so auch in Gesellschaft und Ontogenese. Persistenz wirkt der Beliebigkeit solcher Kombinationsmöglichkeit durch ein gewisses Beharrungsvermögen entgegen. Die DNA wird in der Regel genau kopiert, gesellschaftliches Wissen und kulturelle Traditionen werden aufrechterhalten, und in der Ontogenese bildet die Identität, die sich als immer die gleiche im Lebenslauf begreift, einen stabilisierenden Faktor. Verstärkung bezieht sich bei Coen auf die Durchsetzung neuer Merkmale, die durch Mutation entstanden sind. Analog verstärken sich in der Gesellschaft und bei Individuum abweichende Merkmale, wenn die jeweilige Umwelt einen geeigneten Nährboden für die neuen Merkmalale bildet. Wettbewerb zeigt sich als „Kampf ums Dasein“ auf der rein biologischen Ebene, zwischen Gesellschaften und gesellschaftlichen Gruppen als normierte Interaktion oder als Krieg und Revolution und schließlich zwischen Individuen in Form der Karriere-Biografie des Gewinnens oder Verlierens. Kooperation als Gegenstück zum Wettbewerb ermöglicht das Zusammenleben von Organismen in Biotopen, das Zusammenleben großer Populationen in Gesellschaften und die Koordination einzelner Merkmale zu einem übergeordneten Ziel in der Ontogenese. Das Prinzip der Rekurrenz besagt zunächst, dass es in der Evolution immer etwas gibt, das verbessert werden kann. Auf Dauer setzen sich nur Systeme durch, die sich in der Evolution optimieren. Auch menschliche Gesellschaften können nur überleben, wenn sie Merkmale weiterentwickeln, die dem Erhalt dienen und feindlichen Einflüssen widerstehen können. In der individuellen Entwicklung sprechen wir von Pathogenese, wenn Rekkurrenz versagt, und von Salutogenese, wenn Rekurrenz sich durchsetzt.
Diese sieben Prinzipien beschreiben zunächst einmal nur einheitlich die drei Säulen menschlichen Daseins. Ob sie Gesetze sind, nach denen die Natur, die Gesellschaft und das Individuum funktionieren, ist damit nicht gesagt. Wir werden in den weiteren Darstellungen eher auf die Eigengesetzlichkeiten von Evolution, Kultur und Ontogenese Wert legen, und nur hin und wieder solche gemeinsamen Prinzipien bemühen.
1.4 Resümee
Die Spekulationen über Entstehung des Lebens und die experimentelle Forschung dazu sind noch im Fluss. Fest steht für alle rivalisierenden Theorien jedoch, dass alles Leben auf der Erde nur einmal entstanden ist, und zwar unter Bedingungen, wie sie in der Frühzeit der Erdgeschichte vor etwa 3½ Mrd. Jahren herrschten. Das Leben auf unserer Erde baut sich ausnahmslos auf vier Nukleinbasen auf. Es gibt kein Lebewesen, das andere Grundkomponenten enthält und sich auf der Basis einer anderen Chemie reproduziert.
Weiterhin gilt festzuhalten, dass das Leben im Laufe der Erdgeschichte infolge großer Katastrophen immer wieder vom Aussterben bedroht war. Es ist als Glücksfall anzusehen, dass Leben heute überhaupt existiert. Gonzales et al. (2001) meinen, dass es außer der Erde womöglich keinen anderen Planeten mit höheren Lebensformen gibt. Die meisten Forscher sind jedoch der Überzeugung, dass sich das Leben unter erdähnlichen Bedingungen zwangsläufig entwickeln würde, zum Beispiel Christian de Duve (1995). Paul Davis (2008) meint, das Leben auf unserem Planeten könnte mehrfach entstanden sein. Dann müsste man allerdings exotische Mikroorganismen finden, z.B. an heißen Quellen der Tiefsee. Bislang gibt es keine solchen Funde fremdartigen Lebens. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die Entstehung des Menschen, so grenzt es an ein Wunder, dass sich aus dem vielzelligen Leben ein Lebewesen mit Ichbewusstsein und mit Denkfähigkeit entwickeln konnte, das sich jetzt anschickt, die Evolution selbst in die Hand zu nehmen. Alle Forscher sind sich wohl darin einig, dass bei einer Wiederholung der Evolution mit den vielen beteiligten Zufallsprozessen der Homo sapiens nicht noch einmal entstehen würde. Vielleicht käme es auch dann zu intelligentem Leben, aber uns gäbe es jedenfalls nicht. Die ans Wunderbare grenzende Existenz des Menschen veranlasst viele, die gesamte Entwicklung vom Ende her zu betrachten und dem Evolutionsgeschehen Zielgerichtetheit und Entelechie im aristotelischen Sinne zu unterlegen. Dem muss an in dieser Stelle entschieden widersprochen werden. Die Evolution verläuft nicht auf ein Ziel hin, sie ist blind gegenüber der Zukunft. Die Gesetze der Selektion und das Überleben der „Fittesten“ (gut Angepassten), aber auch die reine Zufallsmutation beherrschen das Geschehen. Wir werden zu zeigen haben, dass unser Denken natürlicherweise, d.h. vor aller Lernerfahrung, dazu neigt, hinter einem Prozess eine Intention zu vermuten, und Intention bedeutet, auf ein Ziel hin handeln. Diesen „Denkfehler“ müssen wir unterdrücken.
Von diesem Wissensstand her, dass Leben eine wunderbare Geschichte hinter sich hat, die schließlich Lebewesen hervorbrachte, die das Universum beobachten, leitet sich schon jetzt die ethische Maxime ab, dass vor allen anderen Prinzipien die Erhaltung des Lebens auf diesem Planeten das wichtigste Prinzip darstellt. Auf diese Maxime werden wir in den folgenden Kapiteln zwangsläufig immer wieder stoßen.
Gespräch der Himmlischen
Athene: Ich gratuliere der Menschheit zu ihrem Erkenntnisfortschritt. Jetzt wissen wir schon etwas mehr über die Entstehung des Lebens. Ich mag kluge Menschen, seit Odysseus mag ich sie. Natürlich bleiben viele Fragen offen, aber lasst uns sehen, was die Menschen noch alles herausbringen.
Aphrodite: Ich verstehe nicht ganz, was all dieses primitive Leben mit dem Menschen zu tun hat. Gewinnen wir eine Erkenntnis damit? Was hat das alles mit der Schönheit des Menschen, dessen Ideal ich ja schließlich bin, und mit seinem Streben nach Vollkommenheit zu tun?
Athene: Das hat viel damit zu tun. Stell dir vor, deine Schönheit verdankst du nur der Kombination von vier Bausteinen, die sich zu Milliarden in einer festgelegten Reihenfolge anordnen.
1.4 Resümee
Aphrodite: Na ja, das trifft für mich nicht zu, denn ich bin ja nur ein Idealbild der Menschen und nicht aus Fleisch und Blut. Aber natürlich gefällt es mir, dass ich so kompliziert bin.
Athene: Hat es nicht auch mit Schönheit zu tun, dass sich die vier Grundbausteine so genau abgestimmt in der Doppelhelix anordnen?
Aphrodite: Schönheit im Kleinen wie im Großen, das gefällt mir. Aber meine Schönheit – will sagen die Schönheit meiner menschlichen Repräsentanten – besteht aus der Information von zigtausend Genen, deswegen ist sie eine viel größere Schönheit. Athene: Freu dich nicht zu früh, ich habe neulich gelesen, dass der Wasserfloh fast genauso viel Gene hat wie der Mensch. Ob der auch so schön ist wie du?
Dionysos: Nun mach‘ mir mal die Tiere nicht so herunter. Jedes Tier ist ein Wunderwerk und jedes Tier ist schön. Das meinen zumindest die Sexualpartner voneinander. Übrigens ganz ohne Alkohol und andere Drogen.
Aphrodite: Apropos Sexualpartner. Das interessiert mich natürlich. Warum kam es denn überhaupt zur geschlechtlichen Vermehrung, wo doch die Einzeller die größten Überlebenschancen haben?
Dionysos: Das ist wirklich eine interessante Frage, denn vom Vermehrungspotenzial her sind Einzeller total überlegen. (Nimmt einen Papyrus zur Hand und zeichnet folgende Skizze (Abb. 1.3).
Der Einzelzeller produziert in der dritten Generation bereits acht Nachkommen. In der geschlechtlichen Vermehrung jedoch hat das Weibchen bei gleicher Ausgangslage von zwei Nachkommen in der dritten Generation wieder nur ein einziges fortpflanzungsfähiges Lebewesen hervorgebracht. Warum war die geschlechtliche Fortpflanzung seit etwa einer Milliarde Jahren so erfolgreich? Ich weiß es, weil ich – natürlich unsichtbar – einem klugen Menschen namens Milinski vom Max-Planck-Institut Plön zugehört habe, der darüber einen Vortrag in der Siemens-Stiftung in München gehalten hat. Er behauptet, es gäbe drei Bedingungen, unter denen geschlechtliche Fortpflanzung vorteilhafter sei als einfache Zellteilung. Die erste Bedingung ist ein rascher Umweltwechsel.
Athene: Der findet ja gerade in der Evolution meist nicht statt. Umweltveränderungen vollziehen sich, das habe ich begriffen, in Jahrtausenden oder Jahrzehntausenden. Dionysos: Es gibt aber eine Umweltveränderung, die rasch vonstatten geht: Parasiten. Aphrodite: Pfui, Parasiten, die sollte man doch gar nicht erwähnen. Sie verletzen meinen Schönheitssinn.
Dionysos: Parasiten verändern ihre Genstruktur rasch, und Lebewesen, die für eine neue Parasitenart kein Gegenmittel gefunden haben, können sich gegen sie nicht wehren. Sie gehen zugrunde.
Aphrodite: Und die geschlechtliche Vermehrung hilft gegen Parasiten?
Athene: Ah, jetzt begreife ich! Zwei genetisch verschiedene Partner erzeugen Nachkommen mit einer größeren Genvielfalt. Dadurch erhöht sich die Chance, mit neuen Parasiten fertig zu werden.
Abb. 1.3 Vergleich von Zellteilung und geschlechtlicher Vermehrung. Bei nur zwei Nachkommen, die sich der Wahrscheinlichkeit nach in ein männliches und ein weibliches Exemplar aufteilen, gibt es nach drei Generationen immer noch nur ein fortpflanzungsfähiges Individuum
Aphrodite: Das ist mir alles zu rational. Paaren sich die Geschlechtspartner nur, weil sie auf diese Weise größere Überlebenschancen haben? Menschen paaren sich, weil sie Spaß haben, besser noch, weil sie sich lieben.
Athene: Das bilden sich die Menschen ein. In Wahrheit haben sie diese Gefühle nur, weil sie ihre Gene weitergeben und möglichst viele Nachkommen haben wollen.
Aphrodite: Da bleibe ich lieber bei meiner Version.
Athene: Da hast du vielleicht gar nicht so Unrecht. Wir werden später wieder darüber sprechen.
Aphrodite: Ich halte fest: So wurde die schönste Nebensache zur wichtigsten Waffe des Überlebens. Ich werde dafür sorgen, dass die Menschen diese Waffe möglichst oft benutzen und Spaß dabei haben.
Dionysos: Du vergisst schon wieder die Tiere! Die haben auch Spaß dabei. Wenigstens die höheren Tiere. Vielleicht ist geschlechtliche Vermehrung ein Grund, warum sich Bewusstsein entwickelt hat? Ohne Bewusstsein ist Geschlechtsverkehr etwas rein Mechanisches.
Athene: Es ist noch zu früh, das zu beantworten. Warten wir ab, was es noch zu lesen gibt. Schluss für heute.
Alle: Und immer noch gibt’s, sieh‘ da – Nektar und Ambrosia.
Literatur
Literatur
Briggs, D. E. G., Erwin, D. H., & Collier F. J. (1995). Fossils of the Burgess Shale. Washington, DC: Smithsonian Inst. Press.
Coen, E. (2012). Formen des Lebens. Von der Zelle zur Zivilisation. München: Hanser.
Davis, P. (2008). Aliens auf der Erde? Spektrum der Wissenschaft, 4, 42–49.
Dawkins, R. (2009). Geschichte vom Ursprung des Lebens. Berlin: Ullstein.
de Duve, C. (1995). Aus Staub geboren. Leben als kosmische Zwangsläufigkeit. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.
Doolittle, W. F. (2000). Neue Theorien vom Stammbaum des Lebens. Spektrum der Wissenschaft, 4,
52–57.
Eigen, M., & Winkler, R. (1976). Das Spiel – Naturgesetze steuern den Zufall. München: Piper-Verlag. Eigen, M., & Schuster, P. (1979). The hypercycle – A principle of natural self-organization. Berlin: Springer.
Gonzales, G., Brownlee, D., & Ward, P. D. (2001). Lebensfeindliches All. Spektrum der Wissenschaft, 12, 38–45.
Gould, S. J. (1989). Wonderful life. New York: Norton.
Greene, B. (2004). The fabric of the cosmos. New York: Alfred A. Knopf.
Huber, H., Hohn, M. J., Rachel, R., & Karl, O. (2006). Stetter: Nanoarchaeota. The Prokaryotes, 3, 274–280.
Martin, W., & Russel, J. M. (2003). On the origins of cells: A hypothesis for the evolutionary transitions from abiotic geochemistry to chemoautotrophic prokaryotes, and from prokaryotes to nucleated cells. Philosophical Transactions of the Royal Society of London, 358(1429), 59–85.
Ricardo, A., & Szostak, J. W. (2010). Der Ursprung irdischen Lebens. Spektrum der Wissenschaft, 3, 44–51.
Schätzing, F. (2007). Nachrichten aus einem unbekannten Universum. Frankfurt a. M.: Fischer Taschenbuch Verlag.
Shapiro, R. (2007). Ein einfacher Ursprung des Lebens. Spektrum der Wissenschaft, 11, 64–72.
Der verzweigte Weg zum Menschen 2
Zur Evolution des Menschen gibt es zahlreiche gute Darstellungen. Zu ihnen gehören Sawyer und Deak (2008), Schrenk (1997) und Henke und Rothe (1998). Die folgende Darstellung fußt zum großen Teil auf diesen Werken.
2.1 Was ist anders? Einige Besonderheiten des Menschen
Wir, der Homo sapiens, sind das vorläufig Endglied in einer verzweigten Entwicklung, bei der sich die Hominiden, die Menschenähnlichen, von den Affen getrennt haben. Dies geschah bereits vor sechs bis acht Millionen Jahren oder sogar noch früher. Die Entwicklung der Hominiden bis hin zum Menschen bezeichnet man als Hominisation (Menschwerdung). Während dieses langen Prozesses kam es zur Ausbildung charakteristischer Merkmale. Zu ihnen gehören:
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Der aufrechte Gang
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Die Entwicklung der menschlichen Hand
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Die Vergrößerung des Gehirns
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Die Veränderung des stimmlichen Apparats zur Fähigkeit des Singens und Sprechens
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Die Veränderung des Gebisses zum parabolischen Zahnbogen
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Der späte Eintritt der Geschlechtsreife
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Die Verlangsamung der Entwicklung bis zum Erwachsenen
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Nacktheit (Haarlosigkeit)
ErstdasglücklicheZusammentreffenalldieserMerkmalemachtdieBesonderheitdesMenschen und seine Überlegenheit aus. Wir wollen im Folgenden die genannten Merkmale und ihr Zusammenspiel etwas genauer kennenlernen. Zuvor müssen wir uns aber einen
Überblick über die Hominidenarten im Laufe von viereinhalb Millionen Jahre verschaffen.
R. Oerter, Der Mensch, das wundersame Wesen, 19
DOI 10.1007/978-3-658-03322-4_2, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
Abb.2.1 Stammbaum der Menschenaffen (Hominidae). (Oerter, Zeitangaben aus Dawkins (2009))
Biologisch ist der Mensch als Art der Ordnung „Primaten“, diese als Klasse der „Mammaliae“ (Säugetiere) und die Säugetiere als Unterstamm der Vertebraten (Wirbeltiere) einzustufen.
Man kann heute aufgrund der Fundlage bereits gut nachvollziehen, wie sich die einzelnen Hominidenarten zeitlich verteilten und wie die möglichen Abstammungslinien verlaufen (Welsch, 2007). Nach wie vor gilt es festzuhalten, dass wir Menschen uns nicht linear aus den Vorformen des Homo ableiten lassen, sondern dass die Funde Verzweigungen darstellen, deren Kreuzungspunkte noch nicht belegt sind. Andererseits gibt es sowohl hinsichtlich physiologischer Merkmale als auch in Bezug auf die kulturellen Leistungen der Hominiden viele Ähnlichkeiten, und es zeigen sich bereits früh erstaunliche Intelligenzleistungen.
2.2 Von den gemeinsamen Primatenvorfahren zum Australopithecus
Abbildung 2.1 zeigt zunächst den Stammbaum der Menschenaffen (Hominidae), zu denen wir biologisch zählen. Der Proconsul africanus liegt dem gemeinsamen Ursprung von Menschenaffen und Hominiden1 am nächsten. Die Graphik zeigt, dass an den Ver-
2.2 Von den gemeinsamen Primatenvorfahren zum Australopithecus
Abb. 2.2 Der Stammbaum der Hominiden. Die Rechtecke, in die die jeweilige Bezeichnung des Hominiden eingetragen ist, kennzeichnen die Dauer der Existenz einer Hominidenart. Die getrichelten Pfeile deuten die von Harmon (2013) vermuteten direkten Abnstammungslinien an. Die Angaben richten sich nach der gegenwärtigen Fundlage und dürften sich permanent beim Auftauchen neuer Funde ändern. Legende: A Australopithecus, P Paranthropus, H Homo. (http://www.philipphauer.de/info/bio/evolution-mensch-stammbaum/; mitfreundlicherGenehmungdesAutorsPhillipHauer;andenaugenblicklichenStand angepasst)
zweigungspunkten noch keine Fossilienbelege vorliegen. Der Stammbaum demonstriert auch die größere Ähnlichkeit zwischen den Schimpansen und Menschen im Vergleich zum Orang Utang und Gorilla, die sich schon vor den gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Schimpansen abgespalten haben. An der in der Abbildung durch einen Kreis gekennzeichneten Verzweigung trennt sich endgültig die Entwicklung des Menschen von den gemeinsamen Primatenvorfahren, und die Hominiden durchlaufen in Verzweigungen ihre eigene Weiterentwicklung. Diese ist in Abb. 2.2 näher gekennzeichnet.
Der Stammbaum des Menschen ist an keiner Stelle wirklich linear nachgewiesen. Vielmehr gibt es permanent Verzweigungen und Nebenlinien, sodass der Stamm„baum“ eher einem Busch als einem Baum ähnelt. Andererseits ist die Fundlage zusammen mit den durch die raffinierten Auswertungsmethoden ermittelten Ergebnissen so evident, dass sich die Entwicklung der Hominiden gut nachvollziehen lässt. Man unterscheidet dabei zwischen zwei Hominidengruppen, dem Australopithecus und dem Homo. Unter dem Begriff der Australopithecinen fasst man Gruppen von Hominiden zusammen, die noch keine Steinwerkzeuge herstellten, aber bereits den aufrechten Gang hatten und in morphologischer Hinsicht dem heutigen Menschen mehr glichen als den übrigen Menschenaffen. Demgegenüber waren die Hominiden, die man unter dem Begriff „Homo“ zusammenfasst, bereits geschickte Werkzeugmacher. Auch hinsichtlich der Hand und der Art des Gehens gibt es Unterschiede. 3,5 Mio. Jahre alte Fußspuren zeigen, dass der Australopithecus afarensis (siehe unten) beim Gehen die Füße flach aufsetzte und somit sein Gang dem äffischen Gehen noch ähnelte, während der Homo vor 1,5 Mio. Jahren bereits den Fuß wie der moderne Mensch von der Ferse über den Ballen zu den Zehen abrollte.
Der bis jetzt älteste Fund eines Hominiden ist ein weibliches Exemplar des Ardipithecus „Ardi“genannt, dasmanerstkürzlichinÄthiopienfand. IhrAlterbeträgtca. 4,4Mio. Jahre, dieGröße1,20m, ihrGewicht50kg. SiehatteextremlangeArme, diesichsowohlzumKlettern als auch zum Werkzeuggebrauch eigneten, und sie besaß bereits den aufrechten Gang. Diesistinsofernbemerkenswert, alsdasHabitatdiesesHominidenkeineSavannewar, sondern dichtes Buschland. Damit steht die bislang vermutete Herausbildung des aufrechten Ganges als Folge des Verlassens der Wälder und des Wechsels in die Savanne in Frage.
Abbildung 2.2 zeigt als weitere Hominidenart den Australopithecus afarensis, der fast eine Million Jahre existierte. Zwei berühmte Funde machten von sich reden: Lucy und Selam. Lucy lebte ungefähr vor 3,2 Mio. Jahren, Aus versteinerten Fußspuren dieses Arthipithecus afarensis lässt sich belegen, dass er sich mit Geschwindigkeiten zwischen 2,16 bis 4,68km/h in völlig aufrechtem Gang fortbewegte. Das Skelett wurde nach dem BeatlesSong „Lucy in the sky with diamonds“ benannt. „Selam“ ist der Name, den die Forscher dem ca. 3,3 Mio. Jahre alten Skelett eines dreijährigen Kindes gaben. Es ist das derzeit älteste kindliche Fossil in der menschlichen Ahnenreihe (Wong 2007). Der Fund wurde in der entlegenen Afar-Region von Äthiopien gemacht, die dem Australopithecus afarensis auch seinen Namen gab.
Nach dem bislang ausschließlich aus Ostafrika nachgewiesenen Australopithecus afarensis trennt sich vor 3–2,5 Mio. Jahren die Linie Homo von den Australopithecinen. Die Linien der Australopithecinen und der Paranthropidecinen (s. Abb. 2.2) bleibt auf Afrika beschränkt. Beide Arten sterben vor ca. einer Million Jahren aus.
Abbildung 2.3 zeigt eine andere Darstellung des menschlichen Stammbaums, die einen wichtigen Aspekt gut veranschaulicht, nämlich dass sich die menschliche Abstammung nicht als „Baum“, sondern eher als Busch darstellen lässt. Es gibt nirgends eine direkte Verbindung zwischen den einzelnen Hominidenarten. An den jeweiligen Verzweigungsstellen fehlen die Bindeglieder. Katherine Harmon (2013) fasst den derzeitigen Stand der Forschung zusammen, indem sie ebenfalls diesen letzten Punkt hervorhebt und darauf hinweist, dass sich manche Merkmale, wie der aufrechte Gang, mehrmals unabhängig voneinander entwickelt haben könnten und dass selbst dann, wenn ein Fossil gut in unsere Abstammungslinie passt, es nicht zwangsläufig zu ihr gehören muss.
Wie aber kam es zu der Trennung von Mensch und den übrigen Primaten? Sicherlich führte eine Vielfalt von Bedingungen zur Entstehung der ersten menschenähnlichen
2.2 Von den gemeinsamen Primatenvorfahren zum Australopithecus
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