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Die Inhaber der vielen kleinen Baubetriebe haben zumeist selbst eine Ausbildung in einem Bauberuf hinter sich gebracht, gefolgt von einigen Jahren abhängiger Beschäf­tigung häufig mit Weiterqualifizierung zum Polier, Meister oder Techniker. Selten sind im Segment der kleinen Betriebe Geschäftsführer mit kaufmännischer Ausbildung. In traditionaler Arbeitsteilung, die durchaus noch anzutreffen ist, übernimmt die Ehefrau des Inhabers die anfallenden Bürotätigkeiten, während der Inhaber selbst seine Ko­lonne auf der Baustelle führt. Mit steigender Betriebsgröße kommt es selbstverständ­lich zu einer differenzierteren und professionelleren Arbeitsteilung.
Wer als Maurer arbeitet, muss deswegen noch nicht Maurer gelernt haben – auch wenn dies die Regel ist. Der Maurer gilt im Bauhandwerk noch immer als Allrounder, der alles können und alles tun muss, er ist der Generalist auf der Baustelle. Beton­bauer und Zimmerleute sind häufiger vergleichsweise spezialisiert. Anfang der neun­ziger Jahre (neuere Erhebungen liegen nicht vor) hatten von allen in Bauberufen Er­werbstätigen 42 vH Maurer, 11 vH Zimmerer oder Dachdecker und 9 vH andere Bau­berufe gelernt, 18 vH hatten eine baufremde, 19 vH gar keine Ausbildung (Clauß 1993, 51f).

5.1 Struktur und Organisation der Berufsausbildung im Baugewerbe


Am 1. August 1999 trat die neue Bauwirtschaft-Ausbildungsverordnung in Kraft. Sie ist weiterhin als Stufenausbildung konzipiert und umfasst auf der ersten Stufe drei und in der darauf aufbauenden Stufe für den Bereich der Industrie 15 Bauberufe, zehn dieser Berufe gelten auch für den Bereich des Bauhandwerks (siehe dazu die Übersicht 5 im Anhang).
In der neu geordneten Berufsausbildung in der Bauwirtschaft wurden die Verhältnis­se zwischen den Lernorten verändert. Im Wesentlichen lassen sich diese Änderungen als Öffnung für eine Rückverschiebung von bis zu fünf Wochen in die Betriebe be­schreiben, wobei Betrieb normalerweise gleichbedeutend ist mit Baustelle. Es ist da­von auszugehen, dass dies auch realisiert wird, so dass die Dauer der Ausbildung, die im Betrieb verbracht wird, im Vergleich zu vorher steigen wird; erste Beobachtungen zeigen, dass die Umsetzung bereits in vollem Gange ist, die betrieblichen Anwesen­heitszeiten also in den vergangenen zwei Jahren gestiegen sind. Dies ist als Erfolg der bauhandwerklichen Betriebe und ihrer Verbände zu werten, die seit einiger Zeit darauf drängten, die Ausbildung betriebsnäher zu gestalten167.
Im Einzelnen sieht die Neuordnung folgende Anwesenheitszeiten vor (siehe dazu die Übersicht 6 im Anhang): Im ersten Ausbildungsjahr: Berufliche Grundbildung in über­betrieblichen Ausbildungsstätten in 16 bis 20 Wochen, berufliche Grundbildung in der betrieblichen Ausbildungsstätte in 32 bis 36 Wochen (darin enthalten ist der Unter­richt in der Berufsschule). Im zweiten Ausbildungsjahr: Berufliche Fachbildung in überbetrieblichen Ausbildungsstätten in 11 bis 13 Wochen, berufliche Fachbildung in betrieblichen Ausbildungsstätten in 39 bis 41 Wochen (darin enthalten ist ebenfalls der Unterricht in der Berufsschule). Im dritten Ausbildungsjahr soll die berufliche Fachbildung in der betrieblichen Ausbildungsstätte wie bisher elf Monate dauern und in überbetrieblichen Ausbildungsstätten eine Vertiefung von einem Monat Dauer er­fahren. Insgesamt soll die Ausbildung in überbetrieblichen Ausbildungsstätten zwi­schen 31 und 37 Wochen betragen. Bei den Zeiten für die überbetriebliche Ausbil­dung handelt es sich jeweils um Nettozeiten, d.h. der Urlaub ist jeweils auf die Dauer der Ausbildung in der betrieblichen Ausbildungsstätte anzurechnen.
Abgesehen von den drei Ausbildungsabschlüssen Tiefbau-, Hochbau- und Ausbau­facharbeiter, die 24 Monate Ausbildung voraussetzen, dauert jede zum Facharbeiter (in der Terminologie des geltenden Tarifvertrages: Spezialbaufacharbeiter) qualifizie­rende Ausbildung innerhalb des Stufenausbildungssystems im Bauhauptgewerbe 36 Monate. Daneben gibt es Ausbildungsgänge, die in Baunebengewerben angesiedelt sind, die in Ausnahmen teils länger (42 Monate), teils kürzer (24 Monate) dauern. Regelausbildungszeit ist aber 36 Monate. Es gibt keine prinzipiell längere Ausbil­dungszeit in gefahrengeneigten Handwerken (dass die Ausbildung für Elektroinstal­lateure 3,5 Jahre dauert, wird nicht mit einer besonderen Gefahrenneigung dieses Handwerks begründet), jedoch wird in solchen Bereichen ein größerer Teil der Aus­bildung auf Aspekte des Gesundheitsschutzes und der Arbeitssicherheit verwendet. Weiterhin gibt es besondere Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, die sich auf The­men des Gesundheitsschutzes und der Arbeitssicherheit beziehen.
Die (Mindest-)Ausbildungsinhalte sind verbindlich festgelegt in der für den einzelnen Beruf (oder die einzelne Berufsgruppe) geltenden Ausbildungsordnung. Im Berufsbil­dungsgesetz (§ 25) heißt es dazu: "(1) Als Grundlage für eine geordnete und einheit­liche Berufsausbildung sowie zu ihrer Anpassung an die technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfordernisse und deren Entwicklung kann der ... zuständige Fachminister ... durch Rechtsverordnung ... für die Ausbildungsberufe Ausbildungs­ordnungen erlassen. (2) Die Ausbildungsordnung hat mindestens festzulegen 1. die Bezeichnung des Ausbildungsberufes, 2. die Ausbildungsdauer; sie soll nicht mehr als drei und nicht weniger als zwei Jahre betragen, 3. die Fertigkeiten und Kenntnisse, die Gegenstand der Berufsausbildung sind (Ausbildungsberufsbild), 4. eine Anleitung zur sachlichen und zeitlichen Gliederung der Fertigkeiten und Kenntnisse (Ausbil­dungsrahmenplan), 5. die Prüfungsordnungen".

Dabei hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BerBiFG (Berufsbildungsförderungsgesetz) nach Weisung des zuständigen Fachmi­nisters an der Vorbereitung von Ausbildungsordnungen mitzuwirken. An der Debatte um die Inhalte der Ausbildungsberufe wirken maßgeblich die Tarifparteien mit, die sich normalerweise konsensuell um eine ständige Anpassung der Ausbildungsinhalte an die veränderten betrieblichen und sektoriellen Realitäten bemühen. Das BIBB hat hier die Aufgabe der Koordinierung und inhaltlichen Betreuung.


Im Bausektor gibt es keine fundamentale Unterscheidung zwischen industrieller und handwerklicher Ausbildung. In beiden Bereichen ist die berufliche Bildung vergleich­bar organisiert und beruht auf derselben Verordnung und denselben Inhalten. Inner­halb des dualen Berufsbildungssystems (Dualität der Lernorte: Berufsschule, Betrieb; Dualität der Verantwortung: Staat, Betrieb) ist die Ausbildung im Baugewerbe ein­schließlich aller Unterabteilungen als Stufenausbildung konzipiert. Im Baugewerbe ist die traditionelle Facharbeiterkarriere noch häufig anzutreffen. Nach der beruflichen Erstausbildung und einigen Jahren Berufstätigkeit als Facharbeiter mit mehr oder we­niger strukturierten Weiterbildungsgängen schließt sich eine mehrjährige Ausbildung zum Meister (bzw. geprüften Polier oder Schachtmeister) an, die nicht selten berufs­begleitend betrieben wird. In der Regel wird die so erworbene zusätzliche Qualifika­tion im Arbeitsvollzug dann auch angewendet. In ganz kleinen Betrieben ist das nicht immer möglich. Häufig wird die Qualifizierung auch angestrebt, um sich hinterher selbstständig zu machen. Ein ebenfalls gängiges Muster des beruflichen Aufstiegs ist die Unterbrechung der Berufstätigkeit nach der Erstausbildung und Aufnahme einer Techniker- oder Ingenieurausbildung an einer Fach(hoch)schule.
Seit einiger Zeit wird intensiv darüber diskutiert, ob die behauptete Krise des dualen Berufsbildungssystems überwunden werden kann, indem stärker modular ausgebil­det wird. Als Beispiel für die Vorteile modularer Ausbildung wird dabei gerne die Si­tuation in Großbritannien herangezogen, wo seit Jahren die berufliche Bildung in Mo­dulen verabreicht wird. Jedoch steht der ungebrochenen Implementierung des briti­schen Systems in Deutschland das Berufsprinzip entgegen, an dem auch Kritiker des dualen Berufsbildungssystems festhalten (siehe zur Gesamtdebatte um die Zukunft der Berufsbildung z.B. den Reader des BIBB "Berufsbildung in der Entwicklung" vom April 1998; siehe auch die jüngeren Berufsbildungsberichte).
Häufige Kritikpunkte am dualen System sind dessen strukturelle Industrielastigkeit, die sich in nicht genügender (dem Bedarf entsprechender) Berücksichtigung moder­ner Dienstleistungsberufe ausdrücke, und die Diffusität der vermittelten Qualifikatio­nen, das heißt nicht genügend auf die betrieblichen Belange abgestellter Inhalte (zur Kritik dieser Argumentation siehe: Syben 1999b, 201ff). Danach würde zu viel Zeit für allgemeine und zu wenig Zeit für betriebsrelevante Qualifikationen verwendet. Mit dieser Kritik geht der Vorwurf der Betriebs- und Praxisferne einher. Zur Lösung dieser (vermeintlichen) Probleme wird eine stärkere Betonung der betrieblichen Seite vorge­schlagen (teilweise schlägt sich diese Forderung bereits in der Neuordnung der Bau­berufe nieder). Daneben sollen einzelne Ausbildungsinhalte bedarfsweise vermittelt werden. Im Falle der Umsetzung dieser Vorschläge wäre die Berufsbildung in erheb­lichem Maße modularisiert. Jedoch kann momentan noch nicht von Modulausbildung gesprochen werden.
Prinzipiell trägt der ausbildende Betrieb die mit der Ausbildung entstehenden Kosten. Jedoch gibt es in der deutschen Bauwirtschaft ein Umlagesystem, mit dem so ent­stehende Härten ausgeglichen werden sollen. Nach der jüngsten Änderung erhalten ausbildende Betriebe folgende Rückfinanzierungen. Je gewerblich Auszubildenden: Die tarifliche Ausbildungsvergütung bis zu einem Betrag, der im ersten betrieblichen Ausbildungsjahr dem 10-fachen (bis zum 31.3.97 dem 12-fachen), im zweiten be­trieblichen Ausbildungsjahr dem 6-fachen (bis zum 31.3.97 dem 10-fachen) und im dritten betrieblichen Ausbildungsjahr dem 1-fachen einer monatlichen Ausbildungs­vergütung des jeweiligen Ausbildungsjahres entspricht (vgl.: Zühlke-Robinet 1999a; SOKA-Bau 2001).
Neben den Ausbildungsvergütungen entstehen Kosten für die in der Ausbildungsord­nung festgelegte überbetriebliche Ausbildung, die ebenfalls über diese Umlage finan­ziert werden: Erstattet werden bis zu 70 DM Teilnahmegebühren pro Tag, zusätzlich bis zu 50 DM Internatskosten pro Tag sowie die Fahrtkosten. An dieser Umlagefinan­zierung müssen sich alle Baubetriebe in Deutschland beteiligen. In den allgemeinver­bindlichen Sozialkassentarifverträgen werden die Sätze festgelegt, die die Betriebe in Abhängigkeit von ihrer Lohnsumme an die Sozialkassen abzuführen haben. Der "Ta­rifvertrag über die Aufteilung des an die tariflichen Sozialkassen des Baugewerbes abzuführenden Gesamtbetrages" sieht in seiner Fassung vom 1. Dezember 2000 ei­nen von jedem Baubetrieb abzuführenden Anteil in Höhe von 2,1 vH von der Brutto­lohnsumme an den Berufsbildungsfonds vor.
Es gibt einheitliche Vergütungsrichtlinien für die Berufe des Baugewerbes in der Stu­fenausbildung des Baugewerbes, die zunächst als Prozentsätze vom 169fachen Bun­desecklohn (Berufsgruppe III 2; siehe dazu die Übersicht 7 im Anhang) tariflich fi­xiert sind; nach geltendem "Tarifvertrag über die Berufsbildung im Baugewerbe" vom 1. Dezember 2000 (BBTV) sind dies 24,5 vH im ersten, 38 vH im zweiten, 48 vH im dritten und 54 vH im vierten Ausbildungsjahr. Allerdings weichen die im "Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe" für West- und Ostdeutschland in § 7 vereinbarten Monatsbeträge erheblich nach unten davon ab. Größtenteils handelt es sich um dreijährige Ausbildungen, die einschließlich der Grundausbildung die erste und die zweite Stufe umfassen (Spezialbaufacharbeiter). In den drei Fällen, in denen nur zwei Ausbildungsjahre durchlaufen werden, handelt es sich um Berufe, die nur die erste Stufe umfassen (Baufacharbeiter). Die anders vergüteten Berufe sind gleichwohl Ausbildungsberufe innerhalb des dualen Berufsbil­dungssystems, jedoch außerhalb des Bauhauptgewerbes und außerhalb der Stufen­ausbildung als besonderer Form der beruflichen Erstausbildung.

5.2 Tendenzen der Ausbildung


Die Entwicklung der Ausbildungsbeteiligung der Baubetriebe und der Ausbildung rela­tiv zur sonstigen Beschäftigung wird hier für wichtig gehalten, weil von der Möglich­keit ausgegangen wird, dass bei gegebener ökonomischer und politischer Situation eine dauerhafte Gefährdung des Erhalts und der Weiterentwicklung des qualifikatori­schen Potenzials der Branche entsteht oder wenigstens entstehen könnte. Diese soll­te sich zunächst in den Zahlen zur Ausbildung ablesen lassen, d.h. ein Rückgang der relativen Ausbildungsplatzzahlen würde in dieser Argumentation nicht nur auf einen quantitativen, sondern eben möglicherweise auch auf einen qualitativen Einschnitt hindeuten, sofern gezeigt werden könnte, dass es sich nicht nur um eine momenta­ne, womöglich zufälligen Ursachen- und Wirkungskombinationen zuzuschreibenden Bewegung handelt, die nicht konsistent genug ist, um ihre Fortschreibung auch in der Zukunft sicher, d.h. argumentativ abgeleitet zu prognostizieren.
Die Ausbildungsneigung ist in den großen Unternehmen deutlich höher als in den kleinen. In den vergangenen Jahren lässt sich dabei folgende Entwicklung feststellen: Während die Zahl der Auszubildenden in den großen Betrieben fällt, aber die Zahl der ausbildenden Betriebe in etwa gleich bleibt, ist es bei den kleinen Betrieben umge­kehrt. Dort ist die Zahl der Auszubildenden in den ausbildenden Betrieben ungefähr gleich geblieben, aber die Zahl der ausbildenden Betriebe ist gesunken, die Ausbil­dungsneigung ist also gefallen. Dieser Trend lässt sich auch in anderen Branchen be­obachten, so dass sich die Bauwirtschaft zunächst nicht von den anderen Branchen zu unterscheiden scheint. Jedoch muss bei der Analyse die besondere Finanzierung der Ausbildung im Baugewerbe mitbedacht werden. Alle Betriebe tragen die Kosten der Umlagefinanzierung, aber nur solche profitieren davon, die tatsächlich ausbilden. Dass unter dieser Voraussetzung die Ausbildungsneigung zurückgeht, ist deshalb mit den Argumenten, die für andere Branchen angeführt werden, nicht hinreichend ge­klärt.
Trotz der bestehenden Umlagefinanzierung waren es insbesondere die kleinen Bau­betriebe, die bei den Umfragen des Bundesinstituts für Berufsbildung die hohen Aus­bildungsvergütungen als maßgebliches Ausbildungshemmnis anführten. Mit ihr be­gründeten sie ihren Rückzug aus der dualen Ausbildung. Im Branchenschnitt sank die Ausbildungsbeteiligung von 61 auf 51 vH in nur einem Jahr, womit die Branche aber noch immer an der Spitze liegt: in keiner anderen Branche beteiligen sich so viele Betriebe an der Ausbildung wie im Baugewerbe (vgl.: Bundesministerium für Bildung ... [1998], 131)168. In der Tarifrunde 1997 wurde eine deutliche Kürzung der Ausbil­dungsvergütungen um 10 vH vereinbart. Bis heute lässt sich noch keine darauf zu­rückzuführende Veränderung im quantitativen Ausbildungsverhalten der Baubetriebe nachweisen. Ebenso lässt sich in der Ausbildungspraxis noch keine mit der zum Au­gust 1999 in Kraft getretenen Neuordnung der Bauberufe mit längeren betrieblichen Anwesenheitszeiten zu begründende Veränderung feststellen169.
Um abschätzen zu können, wie sich die Ausbildungsneigung der Betriebe weiter ent­wickeln wird, ist vor allem zu klären, welche politischen Rahmenbedingungen die Bauwirtschaft vorfindet. Denn es gibt Hinweise, dass Deregulierungen sich mittel- und langfristig negativ auf die Ausbildungsneigung auswirken (siehe zu den empiri­schen Befunden weiter unten in dieser Arbeit und: Bosch 1999a, 215ff). Diese Er­kenntnis, die jüngsten bzw. anstehenden Veränderungen in der deutschen Baubran­che, die Diskussionen zum dualen Berufsbildungssystem gemeinsam mit den aktu­ellen Gefährdungen des Tarifsystems in Deutschland zusammennehmend, scheint ein Weg beschritten worden zu sein, der eher zu einem weiteren Abbau der Qualifizie­rungsanstrengungen führen könnte. Nimmt man noch die äußeren Einflüsse hinzu, so potenziert sich diese Gefahr (siehe dazu auch die Ergebnisse des Leonardo-Projektes "Zukunftsorientierte Erhebung über die Prioritäten des Bedarfs an Befähigung und Ausbildung in der Bauwirtschaft" 1999).

Tatsächlich zeigt ein erster Blick auf die Entwicklung der quantitativen Bedeutung von gewerblicher Ausbildung im Bauhauptgewerbe in langer Frist eine ganz erhebli­che Instabilität. Das Spektrum reicht von sehr niedrigen Werten bis zu einer im Bran­chenvergleich ausgesprochen hohen Ausbildungsquote: Die Zahl der gewerblichen Auszubildenden im Verhältnis zur Zahl der beschäftigten Facharbeiter170 hat sich im Bausektor Westdeutschlands von Beginn der siebziger Jahre bis Mitte der achtziger Jahre beständig erhöht; die Relation stieg in dieser Zeit von 3,0 vH auf 11,5 vH, was knapp einer Vervierfachung entspricht. Bis zum Anfang der neunziger Jahre sank die­ser Anteil dann wieder auf gut die Hälfte, um sich mit der Vereinigung dann erneut zu erhöhen – und dies in Ost- und in Westdeutschland. Trotz bereits zurückgehender absoluter Ausbildungszahlen lag der Anteil 1997 in den alten Ländern mit 13 vH auf Rekordniveau, das noch ein weiteres Jahr gehalten werden konnte. In den neuen Ländern schoss dieser Wert bis auf gut 18 vH, das heißt, dass dort 1997 und 1998 auf gut fünf Facharbeiter ein gewerblicher Auszubildende kam. In beiden Teilräumen wurde diese starke Erhöhung des Auszubildendenanteils zu diesem Zeitpunkt aber schon nicht mehr von einer absoluten Ausweitung der Zahl der Auszubildenden, son­dern in weit stärkerem Maße von dem fortschreitenden sehr starken Rückgang der Beschäftigung von Facharbeitern verursacht. Seit 1998/99 geht dieser Anteil der Aus­zubildenden wieder zurück: 2000 lag der entsprechende Wert im Westen schon um über zehn Prozent unter dem Spitzenbetrag; im Osten ist dieser Anteil in nur zwei Jahren gar um über ein Fünftel (-22,7 vH) abgesackt. Es ist davon auszugehen, dass diese rückläufige Bewegung aktuell andauert und sich sogar noch verschärft hat, so dass wir mit einer Welle konfrontiert sind, deren erste Expansion immerhin andert­halb Jahrzehnte betrug, 1997 einen historischen Höchststand erreichte und seitdem einen in seiner Geschwindigkeit und Dimension ebenso historischen Einbruch erlebt. Das quantitative Verhältnis der gewerblichen Auszubildenden zur Gesamtbeschäfti­gung hat sich weitgehend parallel entwickelt. Auch hier ist die Kurvenbewegung deutlich erkennbar. Jedoch sind die Ausschläge etwas schwächer, was auf eine kons­tantere Beschäftigung der nicht-gewerblichen Arbeitnehmer hindeutet. Da auch der relative Aufbau der Ausbildung in den neunziger Jahren hier nicht so ausgeprägt ist wie gegenüber den Facharbeitern, kann weiterhin gemutmaßt werden, dass der Um­bau der Beschäftigung mit der Folge einer sich verändernden Beschäftigtenstruktur voranschreitet. Es kann aber mit diesen Zahlen noch nicht unbedingt von einem sä­kularen Einschnitt in der Berufsbildung gesprochen werden.


Dies bestätigt sich auch bei der Betrachtung der Veränderung der absoluten Auszu­bildendenzahlen im Jahreswechsel, die die eben erwähnte Welle in etwa wiederholt: Bis Anfang der siebziger Jahre gingen die Auszubildendenzahlen zurück, dann gab es eine beinahe zehn Jahre andauernde Phase der Ausbildungsexpansion, die abgelöst wurde von einer ebenso langen Phase der Degression, die ihrerseits 1991 mit dem vereinigungsbedingten Sonderboom der Baubranche beendet wurde. Es muss geklärt werden, ob sich die Entwicklung seitdem mit eben diesem Sonderboom begründen lässt, der zunächst durch wachsende Ausbildungszahlen geprägt war, die jetzt korri­giert werden. Oder ob sich dahinter bereits eine prinzipiellere Veränderung verbirgt. Jedenfalls kann auch mit diesen Zahlen noch nicht ohne weiteres eine säkulare Krise der Ausbildung behauptet werden171. Der in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre vollzogene massive Abbau von Ausbildungsplätzen ist allerdings so ausgeprägt, dass die Vermutung geäußert werden kann, dass sich doch ein krisenhafte Situation mani­festiert, die mehr ist als nur die Fortsetzung der zyklischen Bewegung, wie sie aus den letzten Jahrzehnten bekannt ist. Immerhin hat sich die Zahl der gewerblichen Auszubildenden in den alten Ländern in nur fünf Jahren um ein Viertel, in den neuen Ländern in sogar nur vier Jahren um über 40 vH verringert. Damit ist der gegenwärti­ge Rückgang stärker als sich mit normalen konjunkturellen Bewegungsmustern erklä­ren ließe. Der Verdacht einer prinzipielleren Krise muss mit diesen Zahlen wenigstens formuliert werden, zumal die um die Mitte der neunziger Jahre begonnene enorme Reduzierung der Ausbildungsanstrengungen noch keineswegs beendet scheint, son­dern sich im Gegenteil (die vorläufigen Zahlen, Schätzungen und Prognosen zugrun­de gelegt) ungebremst fortsetzt. Inzwischen ist ein absolutes Niveau erreicht, das im Westen die Zahlen während der letzten Ausbildungskrise am Ende der achtziger Jah­re unterschritten hat. Im Osten mag die spektakuläre Rückführung der Zahlen we­nigstens teilweise mit der ebenso spektakulären Erhöhung der Ausbildungsanstren­gungen in der ersten Hälfte der neunziger Jahre zu begründen sein. Allerdings ist die dortige Ausbildungskrise fundamentaler: Das absolute Ausbildungsniveau liegt heute wahrscheinlich schon fast ein Fünftel unter dem im Jahr 1991 realisierten (im Jahr 2000 betrug die Differenz bereits -12,1 vH), so dass auch für die neuen Länder nicht allein die überschießende Bewegung verantwortlich gemacht werden kann. Die Krise ist in beiden Teilräumen tiefer172.
Zur besseren Einordnung der jüngeren Bewegungen am Ausbildungsmarkt in der Baubranche ist ein kurzer Vergleich mit den allgemeinen Verhältnissen angebracht: Die Entwicklung der Auszubildendenzahlen in der Gesamtwirtschaft seit 1992 ist un­einheitlich. Absolut fiel die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge173 von 1992 bis 1994 um 5,6 vH. Seitdem ist ein leichter Zuwachs zu verzeichnen, so dass 1997 der Rückgang mit 1,3 vH gegenüber 1992 mäßig ausfiel. 1998 gab es sogar ein Plus von annähernd 3 vH gegenüber 1992. Allerdings ist diese verhältnismäßige Sta­bilität bis 1996 allein auf den Zuwachs der Ausbildungsverhältnisse in den neuen Bundesländern zurückzuführen, wo ein über den gesamten Zeitraum andauernder Aufbau der Ausbildungsverhältnisse vorlag, der sich aber seit 1995 merklich abge­schwächt hat. Insgesamt wurden in den neuen Bundesländern 1998 immerhin über ein Drittel mehr neue Ausbildungsverträge abgeschlossen als 1992. In den alten Bundesländern ist dagegen bis 1996 ein Rückgang bei den neuen Ausbildungsverträ­gen zu verzeichnen, der übrigens seit 1984 ohne Unterbrechung andauerte, und erst 1997 und 1998 gab es wieder ein nennenswertes Plus, so dass der Rückgang zwi­schen 1992 und 1998 noch 3,3 vH betrug (gegenüber 1984 betrug der Rückgang da­gegen über 30 vH; siehe dazu die Tabellen 38 und 39 im Anhang).
Die Situation im Bausektor unterscheidet sich nicht unerheblich von der allgemeinen. Dort gab es von 1985 bis 1995 ein Plus von immerhin deutlich über einem Fünftel im Westen Deutschlands. Dagegen hat sich – wiederum entgegen des allgemeinen Trends – in der Folgezeit die Zahl der sektoriellen Ausbildungsplätze stark verringert. Bis 1998 ging sie um fast ein Viertel zurück, womit das Niveau von 1985 um 6,5 vH unterschritten wurde. Das heißt, dass sich über den gesamten Zeitraum die Ausbil­dung im Baugewerbe weniger negativ entwickelt hat als dies in der Gesamtwirtschaft der Fall war; in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre muss die Branchenentwick­lung dagegen gerade im Vergleich zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung als kata­strophal bezeichnet werden. In den neuen Ländern liegt eine weitgehend parallele Entwicklung vor. Auch hier hat sich die Zahl der Ausbildungsplätze in der Baubranche stark verringert – mit fast 30 vH seit 1995 deutlich stärker sogar als im Westen. Al­lerdings hat auch die gesamtwirtschaftliche Entwicklung im Osten seit 1995 erheblich an Fahrt verloren, so dass sich die schlechtere Entwicklung im Bausektor etwas rela­tiviert.
Konnte mit der langfristigen Entwicklung seit den fünfziger und sechziger Jahren kein säkularer Einschnitt für die Ausbildungssituation in der Bauwirtschaft behauptet wer­den, so kann die jüngere Entwicklung vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftli­chen Situation doch als Indiz für eine grundlegend andere Struktur genommen wer­den. Mit diesen Zahlen lässt sich zumindest nicht mehr ausschließen, dass in der Bauwirtschaft ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat.

5.3 Die Entwicklung der Ausbildung im Baugewerbe in den neunziger Jahren


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