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Kapital, "daß die jetzige Gesellschaft kein fester Kristall, sondern ein umwandlungsfähiger und beständig im Prozeß der Umwandlung begriffener Organismus ist".

93Auch wenn hier nicht von der Einteilung kapitalistischer Entwicklung in Phasen (wie z.B. Konkur­renzkapitalismus, Monopolkapitalismus, Spätkapitalismus – auch: Lange-Wellen-Theorie usw.) aus­gegangen wird und der Begriff des Strukturwandels solcherart weniger fundamental angesetzt wird, muss doch eine periodenhafte oder jedenfalls unterschiedlich schnelle Entwicklungsgeschwin­digkeit kapitalistischer Produktionsweise anerkannt werden. Dies lässt sich im Übergang in eine langfristige Prosperitätskonstellation oder eine Phase beschleunigter Kapitalakkumulation festma­chen, die sich durch eine umfassende Neustrukturierung in einem längeren Krisenprozess vollzieht (Bischoff, Detje 1989, 23ff).

94Ein bisschen lässt sich der Vorwurf, den Bausektor, wenigstens wie er bisher funktionierte, gewis­sermaßen außerkapitalistisch zu definieren, Syben (1999b) machen, wenn dieser behauptet, mit dem Übergang zu einem angebotsorientierten System könnte es sein, "daß statt des Bauherrn und seiner Bauwünsche nunmehr das Produkt und seine Herstellung in den Mittelpunkt des Denkens gerieten" (138), zumal "wenn statt der Bedürfnisse der Menschen nunmehr Produktionsimperative der Baufertigung darüber entscheiden würden, was wo und wie gebaut wird" (ebd.).

95Heutzutage ist die Charakterisierung des Baugewerbes als Bereitstellungsgewerbe vollkommen nor­mal. Mit diesem Begriff ist alles gesagt, was zum Dilemma des Baugewerbes bezüglich seiner Posi­tion im Entscheidungsprozess gesagt werden kann. Deshalb erfreut er sich einer enormen Beliebt­heit. Überraschend ist denn seine doch sehr kurze Geschichte; die älteste gefundene Quelle, in der dieser Begriff auftaucht und zur Charakterisierung des Bausektors herangezogen wird, ist Goldberg (1991). In einer noch älteren und in dieser Arbeit ebenfalls bereits verwendeten Quelle, nämlich Janssen (1981), ist in ganz ähnlicher begrifflicher Setzung von Bereitschaftsgewerbe die Rede. Noch ältere Quellen sind nicht bekannt. Eine erstaunlich schnelle Karriere also.

96Eine schöne Beschreibung der "Lebenshaltung und Arbeitsverhältnisse der Deutschen Bauhülfsar­beiter" zu Beginn des 20. Jahrhunderts findet sich bei Richter (1981, 14-26). In diesem zeitgenös­sischen Dokument (ursprünglich publiziert im Jahr 1908) werden sowohl die allgemeinen Lebens­bedingungen dargestellt als auch die üblichen Produktionsweisen anschaulich geschildert. Weitere historische Darstellungen sind bei Klönne (1989) nachzulesen.

97Syben (1987) gliedert die Entwicklung der Baubranche seit dem Ende des zweiten Weltkriegs in drei Phasen. In der folgenden Darstellung wird diese Entwicklung fortgeschrieben und durch eine vierte Phase ergänzt, die sich von den vorangehenden vor allem durch veränderte Produktionskon­zepte unterscheidet. Diese Gliederung lässt sich durchaus auch mit Syben vornehmen, der in jün­geren Veröffentlichungen (z.B. 1992b, 1997b und 1999b) selbst maßgeblich diese Diskussion vor­angebracht hat. Allerdings ist die vierte Phase selbst Gegenstand der nächsten Abschnitte, weil in ihr die gegenwärtige Entwicklungsdynamik gefasst wird, die für die weitere Diskussion noch wichtig ist.

98Syben (1987, 675) betont eine bei aller technischen Entwicklung fortbestehende Unterscheidung zu anderen Sektoren: "Die höhere technische Komplexität und die andere arbeitsorganisatorische Struktur des Krans gegenüber den eindimensionalen Transportmitteln führen ... nicht dazu, daß die 'Eigenfähigkeit der Apparate' steigt." Diese Unterscheidung ist insofern wichtig, als in der fordis­tisch geprägten soziologischen Entwicklungsprognose die Eigenfähigkeit (die auf Kern und Schu­mann zurückgeht: Mit zunehmender Eigenfähigkeit der Maschine geht die Notwendigkeit menschli­chen Eingreifens in den Produktionsprozess zurück) eine zentrale Rolle spielte. Diese Potenz macht die Maschine zum Zentrum der Produktion; der Mensch rückt an den Rand. Für den Bausektor die­ser Entwicklungsstufe traf das nicht zu.

99Das Statistische Bundesamt erhebt jährlich stichtagsgebunden den Bestand an ausgewählten Gerä­ten. Zu den insgesamt 22 erfassten Geräten zählen z.B. Betonmischer, Kräne, Winden, Transpor­ter, Bagger, Raupen und Straßenbaumaschinen. Die Gliederung der Geräteauswahl folgt der vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie herausgegebenen Baugeräteliste, die regelmäßig über­arbeitet wird (Statistisches Bundesamt b, z.B. 1995, 12f).

100Diese unmittelbare Verknüpfung von technischem bzw. organisatorischem Entwicklungsstand und Qualifikationsstruktur bzw. Komplexitätsniveau der Tätigkeiten kann nur historisch betrachtend festgestellt werden. Keineswegs lässt sich eine systematische Verknüpfung herstellen, schon gar nicht eine antizipierende. Jedes Niveau der technischen Entwicklung lässt immer verschiedene Möglichkeiten der Arbeitseinsatzstrategien und damit der Qualifikationsausstattung zu. Noch nicht einmal die implizit behauptete Wirkungsrichtung (von der Technik auf die Qualifikation) kann – trotz der gegenwärtigen Popularität dieser Interpretation – aufrecht erhalten werden (Syben 1996). Auch Christe und Jankofsky (1996) weisen darauf hin, dass der beinahe schon zum Glau­benssatz erhobene Zusammenhang von industriellem Strukturwandel und Qualifikation keineswegs auf die einfache und beliebte Formel vom gestiegenen Qualifikationsbedarf infolge industrieller Wandlungsprozesse zu reduzieren sei. Dies ist gerade auch für die Betrachtung möglicher künftiger Einflüsse auf die Qualifikation wichtig.

101Mithin setzt sich Bauarbeit als Facharbeit erst mit der Verfestigung dieser zweiten Phase Mitte der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts durch. Damit ist aber die historische Spanne der heute so selbstverständlichen Charakterisierung von Bauarbeit als Facharbeit eher kurz; Bauarbeit war meis­tens eben keine Facharbeit. Nimmt man die seit einiger Zeit formulierten Warnrufe ernst, die sich ja auf empirische Daten stützen können, so ließe sich die These aufstellen, dass mit den veränder­ten Bedingungen, die von der Branche vorgefunden werden, nicht ein säkulares Modell verlassen, sondern ein traditionelles wieder praktiziert wird, das Modell nämlich der nicht qualifizierten Bau­arbeit.

102Wenn von Bauarbeit als Facharbeit die Rede ist, wird regelmäßig auf die Dominanz des Generalis­ten auf der Baustelle hingewiesen. Weil sich – wie das oben schon dargestellt wurde – die Arbeit auf der Baustelle nicht bis ins Detail planen lässt, bleibt stets ein erhebliches Maß an Unsicherheit bestehen. Offensichtlich sind breit qualifizierte Facharbeiter mit einem ebenso breiten Arbeitszugriff am ehesten in der Lage, diese Unsicherheit zu bewältigen – und daher ökonomisch rational, trotz höherer Lohnkosten.

103Es war vor allem diese breite Tendenz, Arbeit zunehmend zu dequalifizieren (und damit kontrollier­bar zu machen), die in den achtziger Jahren zu der industriesoziologischen Debatte um De- oder Requalifizierung geführt hat. Der Bausektor hat hier sicher nicht forschungsmotivierend gewirkt.

104Stefaniak (1981, 147) warnt vor einer vorschnellen Gleichsetzung von Beruf bzw. Stellung im Beruf ausgedrückt in der Qualifikationsstruktur und realer Tätigkeitsanforderung. Er ist sich aber des Pro­blems gewahr, wie schwierig eine Untersuchung zur Qualifikationsstruktur ohne diese weitgehende Gleichsetzung ist ohne eine Qualifikationsanforderungsstatistik (ebd., 180). Stolze (1983) warnt da­vor, Inhalte und Formen der Ausbildungsforschung unmittelbar aus arbeitsplatzbezogenen Tätig­keitsanalysen abzuleiten. Die Konstruktion von Qualifikationsprofilen ausschließlich auf der Basis von Tätigkeitsanalysen laufe Gefahr, lediglich die gegebenen Anforderungen an den Arbeitsplätzen festzuschreiben, also borniert zu sein (siehe auch: Pahl, Syben 1993).

105Dieser Anteil hat sich seitdem weiter verringert. Zuletzt lag er gerade noch bei etwa 16 vH. Aller­dings kam es in den neunziger Jahren zu einer weniger einheitlichen Entwicklung. Bis Anfang der neunziger Jahre nämlich war der Anteil der Un- und Angelernten bereits auf gut 17 vH gesunken. Bis etwa 1997 pendelte der Anteil um diesen Betrag. Erst seitdem setzt sich der Bedeutungsverlust wieder fort. Darauf wird an geeigneter Stelle in dieser Arbeit noch näher eingegangen.

106Auch hier gibt es interessante Entwicklungen seit Ende der achtziger Jahre, spätestens jedoch seit Mitte der neunziger Jahre: Zwar ist der Beobachtungszeitraum noch recht kurz, so dass momen­tane Zufälligkeiten nicht auszuschließen sind, aber es scheint sich ein langsamer relativer Bedeu­tungsverlust der Facharbeit durchzusetzen. Betrug der Anteil seit Jahren knapp 50 vH bei allerdings teilweise erheblichen Schwankungen, so hat sich seit der ersten Hälfte der neunziger Jahre ein Ab­wärtstrend verfestigt, so dass der aktuelle Facharbeiteranteil an der Gesamtbeschäftigung nur noch weniger als 44 vH beträgt. Dies hängt sicher mit dem insgesamt gesunkenen Anteil der Bau­stellenbeschäftigung zusammen, aber eben nicht nur. Auch auf diesen Aspekt wird weiter unten in dieser Arbeit noch ausführlicher eingegangen werden.

107Dass dieser Effekt keineswegs alternativlos ist, zeigt ein Blick in eine historische Darstellung: "Dem Baugewerbe konnte die Technik noch bis vor einigen Jahren wenig anhaben. Die Maschinen zum Mauern sind ein Traum geblieben. Erst die Fortschritte in der Zementgewinnung und die Ausdeh­nung dieser Industrie rissen auch das Baugewerbe in den Strudel der Produktionsumwälzungen. Jetzt ruhen Baukolosse auf dünnen Eisenbetonpfeilern wie auf Granit. Der innere Rohbau kann gänzlich ohne handwerksmäßig gelernte Arbeiter hergestellt werden. ... Die Produktionsumwälzung wird den Hülfsarbeitern auch im Baugewerbe genügend Feld schaffen" (Hauptvorstand des Zent­ralverbandes der baugewerblichen Hülfsarbeiter Deutschlands 1908; zit. nach: Richter 1981, 17).

108Dies deckt sich sehr gut mit der von Janssen und Richter (1983) betriebenen Argumentation und der dort vorgenommenen Unterscheidung zwischen konventionellen und rationalisierten Baustellen. Danach sind rationalisierte Baustellen vor allem durch den Einsatz von Stahlbeton gekennzeichnet.

109Immer mal wieder werden automatisierte Baustellen und Baufertigungsstraßen spektakulär ins Ge­spräch gebracht. Doch noch ist das so generierte Modell von Bauarbeit (hoch technisierte, compu­tergestützte und nur zu einem geringen Teil als Baustellenarbeit wahrnehmbare in künstlichen Um­welten mit konstanten Umgebungsbedingungen geschaffene Produkte werden den Kunden über virtuelle Animationen in Show-Rooms zugänglich gemacht; der Kunde stellt sein Produkt aus einer großen Palette von weitgehend frei kombinierbaren Komponenten zusammen wie er das heute schon beim Autokauf tut; auf der Baustelle werden die einzelnen Komponenten wetterunabhängig von Robotern in kürzester Zeit montiert und schlüsselfertig gemacht) Sciencefiction.

110"Ideologische Dimension" meint, dass nicht jede technische Rationalisierung notwendigerweise ökonomisch sinnvoll ist, aber trotzdem durchgeführt wird, z.B. weil der Besitz technisch komplexer Anlagen vor allem im kleinbetrieblichen Segment auch außerökonomische Motivationen kennt. Ein Beispiel aus der Holzindustrie: Bei der infolge der Krise in den achtziger Jahren angestiegenen Plei­tenwelle kamen immer wieder sehr teure Apparate (z.B. sog. Fensterstraßen) in die Konkursmasse, die so wenige Betriebsstunden aufwiesen, dass allein die Amortisierung des Kaufpreises über Jahre hinweg nicht zu realisieren gewesen wäre; die Beibehaltung handwerklicher Produktionsweisen wä­re ökonomisch weit sinnvoller gewesen (Hochstadt 1995).

111Das darf wiederum keinesfalls dahingehend missverstanden werden, dass es eine wie auch immer geartete sich selbst genügende Lust an der Rationalisierung gibt (siehe dazu die voranstehende Fußnote). Allein, die Betriebe der Baubranche stehen nicht nur untereinander in Konkurrenz, sie tun das auch als Branche gegenüber anderen Branchen. Und es ist nun das zentrale Charakteristi­kum der kapitalistischen Konkurrenz, dass daraus der permanente Zwang zur Rationalisierung oder Revolutionierung der Produktionsweisen (wie Marx das ausgedrückt hat) erwächst. Die Baubranche kann also nicht isoliert betrachtet werden. Sie hängt in diesem Sinne auch von der Produktivkraft­entwicklung der Gesamtwirtschaft ab.

112Noch 1987/88 sagten Poliere, auf den Einsatz von Nachunternehmen befragt, aus, dass dies für ihren Betrieb keine oder noch keine Rolle spiele; sogar ein Rückgang der Bedeutung von Nachun­ternehmen auf den Baustellen wird festgestellt. Zwar lässt sich für diese Zeit statistisch sehr wohl bereits ein signifikantes Anwachsen der an Fremdunternehmen vergebenen Aufträge nachweisen, aber dies scheint im Bewusstsein oder auch der faktischen täglichen Praxis der befragten Poliere keine Rolle gespielt zu haben (Richter 1990, 26f).

113Im der betriebenen Argumentation zugrunde gelegten Artikel von Gerd Syben (1987) entwickelt er diesen Gedanken noch nicht, sondern unterstellt in gewisser Weise die generelle Möglichkeit der aktiven Betreibung dieser Strategie, was – wie gezeigt – in keinem Fall funktionieren kann. Tat­sächlich ist die somit begründete Branchenhierarchie bei Syben schon angelegt, wenn er schreibt, dass die rechtlich selbstständigen Nachunternehmen, die jetzt mit der Erledigung von Teilleistun­gen beauftragt werden, nicht "selten auch eigens gegründete Tochterfirmen" (679) seien.

114Erinnert sei an dieser Stelle an die von Janssen und Richter (1983) aufgestellten Prognosen und Vermutungen bezüglich der weiteren Bewegungsrichtung des Sektors, die vor dem Hintergrund ei­nes großindustriellen Paradigmas und tatsächlicher empirischer Hinweise getroffen wurden. Sämt­liche Erwartungen, sofern sie die Industrialisierung des Bausektors implizierten, sind wenn schon nicht widerlegt, so doch bisher nicht eingetreten. Es muss mindestens gemutmaßt werden, dass die gegenwärtige hektische Suche nach neuen Lösungen ebenfalls nicht zwingend zu Neuorientie­rungen führen muss, auch wenn dies vermutet werden kann.

115Hier soll nicht die These vertreten werden, Wettbewerb schade der Baubranche. Die für die Bran­che früher so typischen informellen Beziehungen zwischen Auftragnehmer und (öffentlichem) Auf­traggeber haben nicht nur zu kriminellen Auswüchsen geführt, sondern ganz nebenbei über die so­wieso gesicherten Profite auch nicht gerade innovationsfördernd gewirkt. Was aber aktuell zu se­hen ist, stellt dies auf den Kopf: Alte Akquisitionswege und -methoden brechen weg; der Preiswett­bewerb spitzt sich zu; die betriebswirtschaftlichen Zeithorizonte verkürzen sich zusehends; komple­xe Abhängigkeitsbeziehungen entstehen und wachsen. Gleichzeitig aber bleiben die bekannten und für die hohen Baukosten in Deutschland ursächlich verantwortlichen chaotischen Vergabeprinzipien bestehen. Die Bemühungen, die gute alte Baubranche ins globale Zeitalter zu puschen, sind bei diesen Vorzeichen also in erster Linie dazu geeignet, schlechte genauso wie gar nicht so schlechte Verfahrensweisen zu zerstören, aber nicht durch neue zu ersetzen. Der erhoffte Produktivitäts- und Beschäftigungsschub wird sich so jedenfalls nicht einstellen.

116Für diese Schrittfolge gibt es Gründe, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Busch (1978) und Goralczyk (1975) erklären sie wesentlich mit dem modifizierten Wertgesetz nach Marx.

117 Allerdings sind die Quantitäten sehr unterschiedlich. In den relevanten landwirtschaftlichen Einsatz­gebieten werden zu Erntezeiten deutlich mehr temporär immigrierte Menschen befristet beschäftigt als am Bau. Jedoch ist dies nur ein recht kurzer Zeitraum, so dass über das Jahr gerechnet die Be­troffenheit im Baugewerbe sicher größer ist. Weiterhin ist diese Form der internationalen Arbeits­teilung (die eine rigider werdende Arbeitsmarktsegmentierung bedeutet) für die Landwirtschaft wie auch für das Hotel- und Gaststättengewerbe gesellschaftlich offensichtlich viel eher akzeptiert.

118"Das Baugewerbe wurde im Zuge der Vereinigung beider deutscher Staaten und der Öffnung der Grenzen in den MOE-Staaten das politische 'Bauernopfer' zur Kanalisierung der befürchteten un­kontrollierten Zuwanderung" (Zühlke-Robinet 1999b, 5; siehe auch: Bosch 1999b, 5). Unter Hinzu­ziehung des Arguments der Abhängigkeit von Migrationsbewegungen von der staatlich-administra­tiven Organisation von Migration im Zielland (z.B. Bade 1993; Treibel 1999) gewinnt diese Vermu­tung noch zusätzlich an Plausibilität.

119Dieser dem Problemkomplex nicht genügende Erklärungsansatz muss Schütt (1998) vorgehalten werden. Dies überrascht vor allem deshalb, weil Schütt selbst an anderer Stelle gute Indizien für eine sich verändernde Branche zusammenträgt und daraus Schlussfolgerungen zieht, die entschie­den auf die hier geführte Argumentation der doppelten Dynamik von externen und internen Fakto­ren hinauslaufen (vgl. Schütt 1996).

120Diese Entwicklungsrichtung würde den Sieg der organisationsorientierten gegenüber der arbeits­orientierten Produktionsweise (Pahl u.a. 1995, 102ff; siehe auch: Stroink 1997 und Syben 1999b) bedeuten. Diese Hypothese ist daher von besonderer Bedeutung, meinte sie doch tatsächlich nicht weniger als die weitgehende Neuausrichtung des die Branche insgesamt noch immer dominieren­den (und früher praktisch allein beherrschenden) Produktionskonzeptes. Die Konsequenzen, die daraus entstehen, sind nicht zu unterschätzen.

121Diese Tendenz wird in der vorliegenden Literatur durchgängig bestätigt. Vor allem das Dilemma der Baubetriebe, als Bereitsteller am Ende der Entscheidungskette zu stehen, soll so überwunden werden. Deshalb ist die mehrfache Behauptung von Bosch und Zühlke-Robinet (z.B. 1999, 242 und 2000, 22, 67, 263, 278), der Baumarkt habe sich infolge abnehmender Wachstumsraten und wach­sender Überkapazitäten vom Anbieter- zum Käufermarkt mit erhöhtem Preiswettbewerb entwickelt, nicht zu halten. Eher schon ist das Gegenteil der Fall, ist die außerordentlich mächtige Position des Kunden doch ein zentrales Charakteristikum des Bereitstellungsgewerbes. Wenn im Sinne von An­bieter- und Käufermarkt überhaupt argumentiert werden kann, dann dahingehend, dass die Betrie­be ihre subalterne Position zu verbessern versuchen und dies in den vergangenen Jahren zum Teil bereits erreicht haben. Über die Verlängerung der Wertschöpfungskette gewinnen sie Anbieter­macht.

122Leider gibt es zu dieser Vermutung keine Zahlen. So werden z.B. in Dortmund zwar alle Baugeneh­migungen und alle Baufertigstellungen sehr detailliert erfasst, aber es wird nicht erhoben, zu wel­chem Zweck der Bauherr denn bauen lässt. Nur der Bauherrentyp wird abgefragt. Dies ist kein zu­fälliges Problem unzureichender Datenlage, sondern strukturelles Ergebnis der der Datenerhebung zugrunde liegenden Gesetze, in denen genau vorgeschrieben wird, welche Daten erhoben werden müssen. Entsprechend vorsichtig muss die im Text getroffene Behauptung geführt werden, die eben nicht mit Zahlen, sondern nur mit Indizien untermauert werden kann.

123Für privat finanzierte öffentliche Baumaßnahmen hat sich der Begriff "Public Private Partnership" (PPP) durchgesetzt: Investoren erstellen auf eigene Rechnung ein mit der öffentlichen Hand ver­traglich vereinbartes Bauwerk; die öffentliche Hand least, mietet oder pachtet dieses Bauwerk an­schließend für einen ebenso festgelegten Zeitraum und Zinssatz. Kostenersparnisse beim Bau flie­ßen so dem Investor zu. Im Siedlungsbau gibt die britische Tradition einen guten Eindruck von den weiteren Möglichkeiten: Unter dem Titel "Design and Build" bieten dort schon seit Jahrzehnten gro­ße Bauunternehmen von der Projektentwicklung bis zum Abriss alles aus einer Hand – auch Ar­chitekten- und Ingenieurleistungen sind dabei Teil des Gesamtprodukts Bau (Janssen 1999).

124Siehe dazu die Ergebnisse der im Sommer 2000 durchgeführten Befragung von Polieren im Dort­munder Raum, wo neben den zentralen Feldern "kostengünstiges Bauen" und "neue Bautechnolo­gien" eben auch fremde Arbeitskräfte bzw. Billiglöhner als Faktoren des Strukturwandels mit zu­sätzlichen Qualifikationsanforderungen assoziiert werden (Marwedel, Kölsch 2000).

125Als Lückenbüßer zu arbeiten, muss nicht in jedem Fall mit dequalifizierenden Tendenzen einherge­hen; jedoch ist die psychische Belastung enorm, wenn die eigene Arbeit nur noch als Restgröße empfunden wird. Daraus kann die Prognose abgeleitet werden, in kürzerer oder längerer Frist nicht mehr gebraucht zu werden. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass eine solche Einstellung zu nachlassender Qualifizierungsbereitschaft führt (Rürup 1995). Das Ausbessern ist auf ein reichlich enges Spektrum von Tätigkeiten beschränkt und häufig genug auf oberflächliche Aspekte reduziert. Der für den Bausektor so typische ganzheitliche Arbeitszugang geht so in erheblichem Maße ver­loren; qualifizierte Bauarbeiter empfinden diese Art von Arbeit als unbefriedigend (Bosch, Zühlke-Robinet 2000).

126Natürlich können Unternehmen Know-how auch einkaufen. Gerade unter den Vorzeichen eines sich internationalisierenden Marktes gewinnt diese Strategie an Durchsetzungskraft. Jedoch ist ihre Um­setzung an einen gewissen Marktüberblick gebunden und der wiederum braucht eine entwickelte Managementstruktur, die sich in den kleinen Betrieben der Branche kaum finden lässt. Daraus fol­gen Marginalisierung und Prekarisierung der Kleinbetriebe, die weder diese Strategie erfolgreich umsetzen können noch als ihr Objekt mittelbar von ihr profitieren.

127Das ruhmreiche Polder-Modell, das in den Niederlanden seit 1982 ("Vertrag von Wassenaar") als arbeitsmarktpolitisches Paradigma die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen über Lohnzurück­haltung verfolgt, gerät jüngst genau wegen seiner immanenten Produktivitätssteigerungsbremse über den Verlust des lohnkosteninduzierten Rationalisierungsdrucks in die Kritik. "Die niederländi­sche 'Politik der Lohnmäßigung', die die technologische Dynamik bremse und die Wirtschaftsfähig­keit untergrabe, habe in die Sackgasse geführt" (SZ-NRW, 7.2.2002).

128Dies gilt auch nach der Einführung des Entsendegesetzes – wenn auch eingeschränkt – weiter. Al­lerdings sind weniger die migrierenden Arbeitskräfte selbst die unmittelbaren Nutznießer des Preis­gefälles, sondern die sie einsetzenden Firmen, die einen erheblichen Teil der Lohndifferenz als Ex­traprofit einstreichen.

129Siehe dazu Nienhüser (1999), der mit der Transaktionskostentheorie zeigt, dass es bei Betonung des Preiswettbewerbs und Vernachlässigung qualitativer Aspekte des Wettbewerbs ökonomisch ra­tional sein kann, auf illegale Märkte auszuweichen.

130Vertikale Integration steht für die zwar juristische Unabhängigkeit der Betriebe voneinander, bei doch bestehender faktischer Abhängigkeit eines Teils der Betriebe von einem anderen. Dies kann über den zum Beispiel mit der Betriebsgröße korrelierenden Marktzugang geschehen oder mit der Fähigkeit, bestimmte Leistungen anbieten zu können. Tatsächlich deutet der massiv angestiegene Anteil von an Nachunternehmen vergebenen Leistungen darauf hin, dass sich für diese Unterneh­men der Marktzugang verändert hat in der Form, dass sie heute eher über die vergebenden Unter­nehmen an Aufträge kommen als direkt über den Bauherrn (Goldberg 1992). Ihre dispositive Mas­se – sowieso schon gering genug – hat sich weiter reduziert. Sie sind nicht mehr nur gegenüber dem Projekt selbst, sondern auch ge­genüber dem letztendlich verantwortlichen Unternehmen (häufig ein Generalunternehmer) weisungs- und entscheidungsgebunden. Beides – das Projekt und das übergeordnete Unternehmen – ist gegeben und von ihnen nicht zu verändern.

131Bosch und Zühlke-Robinet (2000, 281) sehen zwar den "Vorrat an gemeinsamen Sichtweisen" der Sozialpartner noch nicht aufgebraucht. Sie sehen aber auch die auseinander fallenden Interessen, denn "der Anbietermarkt differenziert sich zunehmend aus, weshalb die Unternehmen eine gerin­gere Schnittmenge gleicher Interessen aufweisen" (263). Die so schwindende Einheit gerate ins­besondere für das Fortsetzen der bauspezifischen Berufsbildung zum Problem (210ff).

132Insgesamt zählt Schütt (1998, 90) vier Gründe für die seit einigen Jahren veränderte Situation im deutschen Baugewerbe auf. Neben der deutschen Einheit nennt er den Abschluss von Werkverträ­gen mit Arbeitnehmern aus Mittel- und Osteuropa, die Abschaffung des Schlechtwettergeldes und die Einführung der Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union. In dieser argumentativen Aufzählung fallen zwei Aspekte auf. Erstens gibt es bei Schütt nur (teilweise internalisierte) externe Faktoren, die für die postulierten Veränderungen verantwortlich gemacht werden (eine Gegenposi­tion nehmen Hochstadt und Janssen 1998 ein). Er fragt auch nicht, warum die von ihm genannten Neuerungen überhaupt politisch gewollt eingeführt wurden. Dabei ist die Beantwortung dieser Fra­ge zentral für das Verständnis der zugrunde liegenden Dynamik. Zweitens behauptet er – wie eini­ge andere Autoren auch – fälschlicherweise die Einführung der Dienstleistungsfreiheit mit den sog. Maastrichter Verträgen. In Wirklichkeit gibt es sie aber schon sehr viel länger, auch wenn sie empi­risch erst in den neunziger Jahren einige Bedeutung erlangte (Sandbrink 1998).

133Der Ansatz, der allein fragt, welche Bedürfnisse in den Betrieben formuliert werden, und daraus Qualifizierungsnotwendigkeiten ableitet, ist daher unzureichend, weil so lediglich die aktuelle und schon konkret benennbare Bedarfslage bedient werden kann. Qualifikation entsteht aber nicht nur, weil Betriebe eine entsprechende Nachfrage entwickeln. Qualifikation ist vielmehr ebenso Voraus­setzung für die Entwicklung einer darauf bezogenen Nachfrage (siehe zur doppelten Dimensionali­tät von Ausbildung im Sinne eines sich wechselseitig bedingenden Verhältnisses von Angebot und Nachfrage bestimmter Qualifikationen: Pahl, Syben 1993; dies. 1995; Syben 1996).

134Bezüglich der hauptsächlichen Einsatzgebiete der neuen Arbeitsmigranten im Baugewerbe gibt es unterschiedliche Auffassungen. Syben (z.B. 1997b) geht davon aus, dass vor allem in den Kernbe­reichen des Rohbaus solche häufig irregulären Beschäftigungsverhältnisse zu finden sind. Die zur Kontrolle der Baustellen eingerichteten Außendienststellen des Zolls und der Arbeitsämter finden jedoch immer wieder Hinweise, dass vor allem im Bereich der Gebäudesanierung und hier in erster Linie in den Ausbaugewerken illegale Beschäftigte eingesetzt werden.

135 Soskice und Hancké (1996) beziehen Herstellung und gesellschaftliche Einbettung von Qualifikation auf unterscheidbare Formen des zeitgenössischen Kapitalismus: "Koordinierte Marktwirtschaft", "Unkoordinierte bzw. Liberale Marktwirtschaft" und "Eliten-Koordinierte Marktwirtschaft". Jede Form bringt ein je spezifisches Wirkungsgeflecht hervor. Die Nähe zu den Positionen von Clarke und Janssen bzw. Clarke und Wall bezüglich der tendenziellen Unfähigkeit Großbritanniens, in ge­nügendem Maße Qualifikation herzustellen, begründet sich in der Nähe der zugrunde liegenden Konzepte.

136Schon Marx sah das so und er beruft sich seinerseits zitierend auf Sismondi: "Das Arbeitsvermögen ... ist nichts, wenn es nicht verkauft wird" (Marx 1984, 187).

137Der Begriff des Lohnarbeitsverhältnisses wird hier in einem weiteren Verständnis gefasst, als dies im Alltagssprachgebrauch üblich ist. Gemeint sind nicht (nur) die das konkrete Arbeitsverhältnis (also die Vertragsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer) betreffenden (und im Ar­beitsvertrag und in allgemein geltenden Gesetzen festgelegten) Arbeitsbedingungen. Vielmehr findet eine enge Orientierung am früher entwickelten umfassenderen Begriff statt, wonach das "Lohnarbeitsverhältnis ... ein gesellschaftliches Sozialverhältnis (ist), das nur phänomenal auf der individuellen Ebene sichtbar wird" (Hochstadt, Janssen 1998, 19).

138Das Problem der unterschiedlichen Position von Lohnarbeitsverhältnis und Qualifikation ist mit die­ser Festlegung ebenfalls behoben. Denn beide sind zunächst und vor allen Dingen gesellschaftliche Begriffe. Aber beide finden genauso ihren Ausdruck nur in der konkreten Anwendung. Sie sind also gleichermaßen an ihren Träger gebunden.

139Dies gilt für Deutschland, in anderen Ländern ist schon die Existenz solcher Einrichtungen nicht durchgängig gegeben. So sind die Berufsschulen in Polen nach der Systemwende kaum noch ar­beitsfähig; Ausbildung (in den Bauberufen) findet dort nur noch in den Betrieben statt (Nowak 1997; Hochstadt, Nowak 1999). In Großbritannien ist die Ausstattung der überbetrieblichen Ausbil­dungsstätten so schlecht, dass sie ihrer Aufgabe kaum noch nachkommen können. Neuerdings bilden sich dort Initiativen, die diese Situation ändern wollen (Clarke, Wall 1996 und 1998a).

140Schon bei erstem Hinsehen wird offensichtlich, dass diese Geringschätzung von Bauarbeit nicht der Realität entspricht. Jedoch ist dies ein Problem aller traditionellen Berufen, als Jedermannsberufe diskriminiert zu werden. Entsprechend schwer fällt die tarifliche Abbildung einer objektiven Tätig­keitssituaion. Erst die relative Knappheit von Arbeitskräften führt zu tariflichen Erfolgen. Dies war wohl in der Baubranche bis in die achtziger Jahre hinein der Fall, in anderen Berufen oder Bran­chen aber nicht.

141Diese Aussage erstreckt sich nicht auf die Inhalte innerhalb einer Beschäftigtenkategorie. Die sta­tistische Bedeutung einzelner Beschäftigtengruppen impliziert noch keine tatsächlichen Tätigkeiten innerhalb dieser Gruppen (zu der Bedeutung sich verändernder Inhalte und dem Zusammenhang mit veränderten Vorgaben siehe vor allem Pahl, Syben 1993 und Syben, Stroink 1995).

142Zum Zusammenhang von Beschäftigten- bzw. Qualifikationsstruktur und den Entwicklungen des Bausektors siehe: Janssen 1981, 55ff. In der gleichen Publikation wird auch die sich in eben der sich verändernden Beschäftigten- und Qualifikationsstruktur ausdrückende Dynamik des Sektors untersucht und festgestellt, dass sie bei weitem ausgeprägter sei als dies allgemein vermutet wird.

143In den Tabellen 12 und 13 im Anhang werden von dieser Aussage abweichende Zahlen präsentiert. Dies liegt an der Nichtberücksichtigung der gewerblichen Auszubildenden und der Wertung der tä­tigen Inhaber als qualifizierte Baustellenbeschäftigte in dieser Tabelle. Damit soll erstens der Zweck der Ausbildung, nämlich die Heranziehung qualifizierten Baustellennachwuchses, nicht sozusagen gegen die qualifizierte Baustellenbeschäftigung gestellt werden. Zweitens soll der faktische Tätig­keitsschwerpunkt der tätigen Inhaber als Teil der qualifizierten Baustellenbelegschaft in die Wer­tung einfließen. Die hier im Text getroffene Aussage bezieht sich also auf eine Basis 100, während in der Tabelle eine Basis 100 minus Ausbildung genommen wird. Die Gesamttendenz wird davon aber nicht berührt.

144Bezogen auf Unternehmen mit wenigstens 20 Beschäftigten lassen sich mit der Unternehmenssta­tistik des Statistischen Bundesamtes folgende Werte ermitteln: Im Baugewerbe insgesamt arbeite­ten 1999 durchschnittlich knapp 55 Beschäftigte in einem Unternehmen, im alten Bauhauptgewer­be waren es sogar fast 63, in einem der wichtigen
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