Plenarprotokoll


Präsidentin Carina Gödecke



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Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Optendrenk. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lindner, es wundert nicht, dass Sie die Rede frei vortragen können, denn Sie halten immer die gleiche Rede.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Marcel Hafke [FDP])

Vermutlich können die Journalisten, die Sie dafür gelobt haben, die Rede mittlerweile selbst frei vortragen.

(Lachen von Christian Lindner [FDP])

In den letzten Plenartagen haben wir erlebt, dass die FDP offensichtlich die Order herausgegeben hat: Sucht euch mal die Punkte heraus, die bei der Großen Koalition mangelhaft sind – wir haben ja keine Fraktion mehr im Bundestag –, schreibt mal ein paar Anträge, und wir machen Bundespolitik hier im Landtag.

(Lachen von Christian Lindner [FDP])

Das konnten wir am Mittwoch und gestern erleben, und heute nimmt das seine Fortsetzung.

(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Oh!)

Herr Kollege Lindner, bei der Analyse sind wir uns an verschiedenen Stellen einig. Das war gestern schon so. Nur wir haben eine Bundestagsfraktion, die das viel besser und intensiver vortragen kann, Herr Kollege Laschet. Deswegen müssen wir im Landtag nicht den Quatsch kopieren, der im Bundestag schon abläuft.

Aber, Herr Kollege, so billig kommen Sie uns auch nicht davon. Ich werde jetzt wieder ein paar Punkte vortragen müssen, die ich wahrscheinlich schon 18 Mal oder 20 Mal im Landtag vorgetragen habe. Aber sie werden dadurch nicht falsch, dass Sie immer wieder das Gegenteil behaupten.

Sie werfen dem Finanzminister vor, er würde keine solide Haushaltspolitik machen. Der Kollege Zimkeit hat eben die Punkte schon angedeutet. Ich lese mal Ihren Wunschzettel vor:

kalte Progression abschaffen im Bund – Mehrkosten für Nordrhein-Westfalen: 400 Millionen € mindestens –,

Personalbesoldung aufstocken auf das Eins-zu-eins-Niveau – 760 Millionen € für Nordrhein-Westfa-len –,

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Stärkungspakt, Abschaffung des Solidarbeitrags – 90 Millionen € –,

Abschaffung der Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 3,5 auf 5 % – 450 Millionen € –,

Inklusion – mindestens 250 Millionen €.

Das ist das Ergebnis, wenn ich auch nur ansatzweise die Wünsche, die Sie dort vortragen, zusammenrechne.

(Ralf Witzel [FDP]: Wer hat das denn gefordert? Das ist doch alles falsch! Das ist unwahr!)

Das sind schon, liebe Kolleginnen und Kollegen, über 2 Milliarden €, für die die FDP keine Deckungsvorschläge für diesen Landeshaushalt vorweisen kann.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Unwahr!)

Ihre Argumentation wäre selbst dann falsch, wenn Sie in Ihre Logik zurückkehren wollten und sagen würden: Im Bund hatten wir 2008/2009 eine Finanzkrise und haben zum Teil damals als alte Große Koalition und dann auch als Schwarz-Gelb in den Konjunkturpaketen I und II Stützungsmaßnahmen vorgenommen.

Darin waren mehrere einkommensteuerliche und andere steuerliche Stützungsmaßnahmen in einer Größenordnung, die Nordrhein-Westfalen durchaus im Milliardenbereich betrifft. Die haben Sie auch nicht zurückgenommen. Sie machen also nicht einmal mehr eine antizyklische Politik, sondern Sie machen eine prozyklische Politik.

Es geht Ihnen eigentlich nicht darum, eine gradlinige Haushaltspolitik zu machen, sondern darum, Klientel zu bedienen. Darin haben Sie sich immer ausgezeichnet. Dafür haben Sie Ihre Beschlüsse getragen.

(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)

Das bemängeln Sie jetzt, weil Sie nicht mehr in der Regierung sind. Wunderbar!

(Beifall von den GRÜNEN – Ralf Witzel [FDP]: Ganz billiger Populismus! – Gegenruf von Horst Becker [GRÜNE]: Das ist die Wahrheit! Sie verwechseln das!)

Jetzt komme ich zu den Punkten, die Sie kritisieren.

In der Tat: Die Große Koalition im Bund hat einige Versprechungen gemacht, die das Rentenpaket betreffen. Da hat die Kanzlerin Wort gehalten. Laschet muss ja die Kanzlerin dann auch dort unterstützen. Sie hat Wort gehalten. Sie hat nur kein Finanzierungskonzept auf den Tisch gelegt. Sie finanzieren sich sozusagen auf Pump, auf Hoffnung.

Das muss der Wahrheit wegen dann aber auch gesagt werden: Das führt dazu, dass der Rentenbeitrag nicht abgesenkt wird. Das führt dazu, dass wenige von vielen profitieren, die wenig haben, und von denen mitfinanziert werden müssen. Das halte ich schlicht für ungerecht, was Sie da in Berlin machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zurück zu dem, was uns in Nordrhein-Westfalen betrifft: Der populistische Versuch von Herrn Lindner, den Landtag aufzuregen, ist erkennbar gescheitert. Eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema zuzulassen,

(Zuruf von der FDP: Jetzt kommt es!)

muss man akzeptieren, weil es schwierig wird.

(Allgemeine Heiterkeit)

Wir kritisieren ja nicht das Präsidium. Aber so ganz aktuell – das hat der Kollege Lindner in seiner Einleitung schon zugegeben – ist das Ganze nicht, was er vorgetragen hat.

Ein letztes Zitat aus Ihrem Antrag – ich brauche die Redezeit nicht auszuschöpfen – möchte ich mir dann schon noch erlauben. Sie beschreiben die Finanzlage der öffentlichen Hand und sagen, dass die Kommunen offensichtlich positive Finanzierungssalden haben. – Das ist richtig, was Bayern und Baden-Württemberg anbelangt.

(Armin Laschet [CDU]: Snowden!)

– Absolut. – Sie bemängeln aber gleichzeitig, dass in Nordrhein-Westfalen die Kommunen so schlecht dastehen, bieten aber keinerlei Finanzierungskonzept, wie es besser werden soll.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie malen sich die Welt dort schlecht, wo Sie keine Verantwortung tragen. Dort, wo Sie Verantwortung getragen haben, malen Sie ein rosarotes Bild, das absolut unzutreffend ist. Das, was Sie die letzten zwei oder drei Tage in diesem Landtag abgezogen haben, entspricht einem Wunschbild der FDP, aber nicht der Realität, weder in Nordrhein-Westfalen noch in Deutschland.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Mostofizadeh. – In der Tat kritisieren Sie nicht das Präsidium. Wäre Ihre Wortwahl eine andere gewesen, hätten Sie ein anderes Verb genommen, hätten Sie auch lediglich die Präsidentin kritisiert, wenn Sie das mit einem Blick in die Geschäftsordnung für sich bitte noch einmal klären würden.

Da ich aber bei jeder der drei Aktuellen Stunden in den letzten drei Tagen diesen Förderhinweis bekommen habe, dass die Aktualität überprüft werden soll, sehe ich mich schon in der Verantwortung, künftig diesen Maßstab sehr genau anzulegen.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Für die Piraten spricht der Kollege Schulz.

Dietmar Schulz (PIRATEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Aktualität ist gegeben, und zwar meines Erachtens allein schon deshalb, weil es um Geld geht. Geld ist immer aktuell.

(Heiterkeit)

Vor allen Dingen die Frage der Steuerpolitik ist in einem rollierenden System, das aus 365 Tagen im Jahr besteht, immer aktuell.

Der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich – auch deswegen können wir das jetzt hier nicht vorwerfen, über Bundespolitik zu reden – zur Steuereinnahmenentwicklung im Bund geäußert. Das hat er getan vor dem Hintergrund eines im Landtag wirklich ausreichend debattierten fiskalischen Instruments, nämlich des Kommunal-Soli.

Das finde ich schon einen sehr interessanten Vorstoß, zu sagen: Im Bund fehlt Geld. Das wirkt sich auf die Kommunen aus. Wir haben in Nordrhein-Westfalen das Ei des Kolumbus entdeckt und die Problematik durch die Abundanzumlage quasi in den Griff bekommen. Jetzt machen wir das, was es bisher nur als Länderfinanzausgleich gibt, mit dem Kommunal-Soli und entwickeln den Kommunal-Soli quasi als Exportschlager NRWs für die Bundesrepublik Deutschland. – Das ist ein starkes Stück, muss ich sagen.

Angesichts der Tatsache, dass der Kommunal-Soli bzw. die Abundanzumlage in NRW wohl die Gerichte in den nächsten Jahren noch etwas beschäftigen wird und man da vielleicht erst einmal die Rechtskraft der Urteile abwarten sollte, ist es vielleicht etwas verfrüht, zu sagen: Liebe Bundesrepublik Deutschland, guckt euch das Modell an! Wir machen das jetzt so. Die armen Kommunen kriegen etwas von den reichen Kommunen, also beispielsweise Düsseldorf zahlt an Berlin.

Berlin geht es nicht gut. Obwohl: Denen soll es ja besser gehen. So könnte man die Aufzählung fortsetzen. Das geht von Nord nach Süd, Ost nach West, West nach Ost usw.

(Jochen Ott [SPD]: Ist das eine ernsthafte Rede oder eine Büttenrede?)

Zu dem entscheidenden Punkt kommen wir aber, wenn wir das einmal auf NRW herunterbrechen. Vor etwas mehr als zwei Monaten haben wir mit den regierungstragenden Fraktionen darüber diskutiert, wie wir wiederum auf Bundesebene – denn das spielt eine Rolle; aus dem Bund kommt das Geld ins Land – die Steuerschlupflöcher schließen. Damals kündigten Sie an, alles zu unternehmen, damit die Gestaltungsmöglichkeiten eliminiert werden, die der Bundesrepublik Deutschland umgekehrt positiv 120 Milliarden € jährlich in die Kassen spülten.

Wir Piraten hatten das einmal konkretisiert und gesagt, solche Gestaltungsmöglichkeiten wie zum Beispiel für mittelständische Großunternehmen und große Konzerne wie die Lizenzboxen müssten abgeschafft werden; bei den Gestaltungsmöglichkeiten müsse man den Sumpf trockenlegen. SPD und Grüne haben diesen Antrag quasi plattgemacht und stattdessen Lippenbekenntnisse auf Metaebene formuliert, die zu der von mir gerade genannten Zahl von 120 Milliarden € jährlich führten.

So weit, so gut. Wunderbarerweise tauchte der materielle Gehalt unseres Antrags im Koalitionsvertrag wieder auf. Das haben wir wohl kurz vor Weihnachten schon thematisiert. Wenn das nicht wieder nur Lippenbekenntnisse sind, müsste das Geld ja bald nur so hereinsprudeln.

An dieser Stelle reden wir nicht von Steuererhöhungen, sondern erst einmal davon, dass die steuerlichen Einnahmemöglichkeiten vollumfänglich, sozial gerecht ausgeschöpft werden. Wenn die 120 Milliarden €, die Sie und Ihr Ministerium und auch die Koalitionsfraktionen in NRW errechnet haben, das Ei des Kolumbus sind, befinden wir uns auf einem guten Weg. Dann brauchen wir auch keinen Ausgleich per Kommunal-Soli zwischen den Kommunen in ganz Deutschland.

Wir erkennen, dass sowohl im Bund als auch im Land erhebliche Probleme bestehen, die öffentlichen Aufgaben zu finanzieren. Wir dürfen auch nicht verkennen, dass der Einfluss des Landes NRW auf die Regierungspolitik im Bund voraussichtlich gering sein wird – es sei denn, dass wirklich gute Vorschläge gemacht werden. Dann müsste der Vorschlag mit dem Kommunal-Soli – das ist der Punkt, um den es in dem Interview mit der „WirtschaftsWoche“ eigentlich ging – aber funktionieren. Das funktioniert aber nicht.

Jetzt habe ich noch ganz viel auf meinem Zettel stehen. Ich werde das aber nicht weiter vortragen;

(Beifall von den GRÜNEN)

denn ich würde gerne erst einmal hören, wie der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen erklären möchte, dass er in diesem Interview mit der „WirtschaftsWoche“ im Prinzip zu einem kommunalen Flächenbrand in Deutschland aufruft, und wissen, ob er die Föderalismusreform neu anstoßen möchte. Vor allen Dingen interessiert mich, wie denn der Verteilungskampf aussehen soll, wenn Hunderte von Städten und Gemeinden in Deutschland dann darum kämpfen, von dem einen oder anderen einen Ausgleich zu bekommen. Von einer Konsolidierung der NRW-Finanzen sind wir damit allerdings noch immer weit entfernt.

An dieser Stelle darf ich noch einmal darauf zurückkommen, dass wir vor zwei Tagen die Schul- und Studienfonds quasi kassiert haben. In der Folge plätschern 80 Millionen € mal eben in den allgemeinen Landeshaushalt. Damit werden sie dem eigentlichen Zweck, nämlich Bildung und Ausbildung, entzogen. Meine Güte; das ist doch wieder nur „rechte Tasche, linke Tasche“.

Man muss sowohl Einnahmen als auch Ausgaben betrachten. Steuererhöhungen sind ja wunderbar. Das Geld wird aber auf der anderen Seite möglicherweise so ausgegeben, dass es für die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr nachvollziehbar ist. Das sollten wir doch tunlichst vermeiden.

Dazu gehört selbstverständlich auch eine seriöse Finanzplanung. Über sie haben wir vor zwei Tagen hier ebenfalls gesprochen. Die Finanzplanung bis 2017 wird so, wie sie auf dem Papier steht, wahrscheinlich nicht aufgehen. Das sagen Sie selbst, Herr Finanzminister. Vor dem Hintergrund der weiteren Entwicklung erklären Sie in dem Interview, dass wir unter normalen Umständen – da nehme ich einmal das Basisszenario des Nachhaltigkeitsberichts auf – wohl nicht an Steuererhöhungen vorbeikommen werden.

Im Land Nordrhein-Westfalen wissen wir, dass wesentliche Steuermehreinnahmen außer durch eine bessere Konjunktur nur über die Grunderwerbsteuer möglich sein werden. Ich bin einmal gespannt, wie Sie das jetzt für Nordrhein-Westfalen erklären. Für den Bund sind wir hier ja nicht zuständig. Daher freue ich mich auf Ihre Ausführungen. – Danke.

(Beifall von den PIRATEN)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Der nächste Redebeitrag wird von dem fraktionslosen Abgeordneten Stein gehalten.

Robert Stein (fraktionslos): Wir debattieren heute in dieser Aktuellen Stunde, werte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, weil wir das alte Lied des Finanzministers vorgespielt bekommen, in dem er immer wieder Steuererhöhungen beschwört. Dabei sei ihm vielleicht ein Wort des englischen Philosophen Sir Francis Bacon ans Herz gelegt:

„Es gibt viele Wege, sich zu bereichern. Einer der besten ist die Sparsamkeit.“

Die Sparsamkeit, Herr Minister, nicht die Gier – und das in Zeiten ständig steigender Steuereinnahmen. Erst jetzt hat das Bundesfinanzministerium für die letzte Steuerperiode Rekordeinnahmen in Höhe von 570 Milliarden € bekannt gegeben – so ein Beitrag heute Morgen im Deutschlandfunk.

Doch hinterfragen wir einmal, warum denn diese Lust oder diese Gier nach Steuererhöhungen bei Ihnen besteht. Es liegt doch deutlich auf der Hand, dass da auch ein Stück weit pure Ideen- und Ratlosigkeit mitschwingt; denn Ihr Ineffizienzteam wurde im Sommer kurzerhand bis dato ergebnislos abgeschafft. Nichts von 1 Milliarde € Einsparungen, die Sie groß angekündigt hatten, Herr Finanzminister! Wo ist diese Milliarde? Wo soll sie herkommen?

Dazu kommen eine Ausweitung der globalen Minderausgabe um 72 Millionen € und eine annähernde Verdopplung der globalen Mehreinnahme auf 300 Millionen €. Das ist absolut intransparent, um das einmal deutlich zu betonen. Es ist auch angesichts der nahenden Schuldenbremse wirklich bedenklich. Wir brauchen eine verlässliche Finanzplanung für das Land über 2017 hinaus bis zum Jahre 2020.

Sollten Sie jetzt übrigens sagen: „Nein, wir von der Landesregierung können sparen; das ist alles Unsinn, was die Oppositionspolitiker hier von sich geben“, dann muss ich Ihnen leider vorwerfen, dass Ihr Ruf nach Steuererhöhungen immer mehr den Zug einer ideologisch geprägten Forderung erhält – koste es den durchschnittlich oder besser Verdienenden, was es wolle. Sie wollen sein, respektive Ihr Geld dann, denn Sie können es besser verteilen.

Wohlgemerkt: Es geht um das Geld der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Vor dem, was Sie sich damit anmaßen, wenn es so sein sollte, habe ich wirklich Respekt; denn in erster Linie geht es Ihnen doch darum, hier die Haushaltslöcher, die sich immer wieder auftun, zu stopfen, anstatt seriös zu konsolidieren.

Wenn Sie einmal sparen wollen, dann agieren Sie wie der Elefant im Porzellanladen. Das beste Beispiel ist die Beamtenbesoldung. Da schließen Sie einfach die Einkommensstufen ab A 11 zum Teil bzw. ab A 13 gänzlich von der Erhöhung der Bezüge aus, indem Sie diese in der Diskussion gewissermaßen zu Spitzenverdienern zu erklären, anstatt eine gleichberechtigte und gemeinschaftliche Lösung hinzubekommen.

Wir sehen, dass Ihre Problemlösungskompetenz bei solch dargebotenem handwerklichem Missgeschick letztlich in der Ratlosigkeit oder in ideologisch geprägten Forderungen endet. Weil Sie anscheinend nicht willens oder in der Lage sind, unseren Haushalt seriös zu konsolidieren, kaufen Sie von Menschen, die mit krimineller Energie im Ausland Daten geklaut haben, die sogenannten Steuer-CDs, um damit dann auch noch ganz öffentlichkeitswirksam Einnahmen zu generieren. Nur, das hat einen Preis, Herr Finanzminister. Nicht nur dass diese Quellen bald erschöpft sein werden, nein, Sie beschädigen damit nachhaltig den Glauben in das „redliche Tun“ des Staates. Steuerhinterziehung muss verfolgt werden.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Der Schutzherr der Steuerhinterzieher sind Sie!)

– Nein. Steuerhinterzieher müssen verfolgt werden, aber mit moralisch einwandfreien Mitteln des Rechtsstaates und nicht mit opportunistischen Mitteln. Da geriert sich der Finanzminister als ideologisch befangener Opportunismusminister.



Präsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.

Robert Stein (fraktionslos): Ich muss zum Ende kommen, die Zeit ist abgelaufen. – Ich bin gespannt, was Sie gleich ausführen werden. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Da müssten Sie von der CDU doch eigentlich klatschen!)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Stein. – Für die Landesregierung spricht der Finanzminister.

Dr. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass ein Interview, das ich der „WirtschaftsWoche“ gegeben habe, zum Anlass für eine Aktuelle Stunde wird, ist zwar kein Novum, aber es ist eine ganz interessante Geschichte, an der man sich jetzt ein bisschen entlanghangeln kann. Ich bedanke mich ganz ausdrücklich dafür, dass man mir noch einmal das Podium gibt, das eine oder andere herauszuarbeiten, was ich in dem Interview gesagt habe.

(Beifall von der SPD)

Dass dabei gerade die FDP erhebliche Zitierschwächen hat, ist kein Novum.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich will nur den ersten Absatz Ihres Antrags zu der Aktuellen Stunde zitieren:

„Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans hat sich in der aktuellen Ausgabe der Wirtschaftswoche dahingehend geäußert, dass Steuererhöhungen unumgänglich seien, um die im Koalitionsvertrag vereinbarten Wahlgeschenke finanzieren zu können.“

Das Wort „unumgänglich“ – Herr Zimkeit hat es schon gesagt – kommt nirgends vor, Wahlgeschenke, wie Sie sich vorstellen können, auch nicht.

(Christian Lindner [FDP]: Unvermeidlich!)

– “Unvermeidlich“ kommt auch nicht vor, sondern Sie zitieren aus einer Vorabmeldung, die dazu gemacht worden ist, und nicht aus dem Interview.

(Jochen Ott [SPD]: Aha!)

Ich will Ihnen dazu aus dem Original vorlesen. Ich habe mich dazu an zwei Stellen geäußert. Einmal habe ich auf die Frage: „Kommen Sie ohne Steuererhöhungen aus?“ – wir reden vom Bund – gesagt: Grundlage des Koalitionsvertrags in Berlin war die Aussage des Bundesfinanzministers, dass er die Dinge, die wir fest verabredet haben, für ausreichend finanziert hält.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Das ist die bekannte Zitierschwäche!)

Ich habe dann gesagt, dass ich das durchaus für schwierig halte und immer darauf hingewiesen habe.

Auf die Frage, ob denn jetzt Steuererhöhungen kommen oder nicht – ich habe auch erklärt, dass ich aus Gerechtigkeitsgründen nach wie vor der Auffassung bin, dass es sich da um eine Korrektur des Tarifs handeln muss, insbesondere wenn man über das Thema „Kalte Progression“ redet –, habe ich geantwortet: Wenn man an der einen Stelle etwas abflacht, muss man auch sagen, wer es tragen soll. Darüber kann man reden.

Ich habe dann hinzugefügt: Diese Frage stellt sich jetzt aber nicht, sondern die stellt sich dann, wenn klar wird, was man alles nicht vom Staat erwarten darf, weil es dafür keine Finanzierung gibt. – Das hängt eng mit dem zusammen, Herr Lindner, was Sie zu dem „Zappenduster“ gesagt haben. Ich habe erklärt: Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz. Die ist fest und einzuhalten. Am Ende geht es um die Frage: Was darf man dann vom Staat erwarten? Welche Anträge darf die Opposition stellen, die Hunderte von Millionen kosten?

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

Wie wollen Sie das in Übereinstimmung damit bringen, dass die Schuldenbremse dann einzuhalten ist?

(Ralf Witzel [FDP]: Mit Wirtschaftspolitik! – Lachen von der SPD – Gegenruf von Jochen Ott [SPD]: Entfesselungskünstler!)

Die versammelte Opposition hier

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

hat in dieser Woche ja mehrere …

(Jochen Ott [SPD]: Entfesseln Sie uns mal! – Unruhe)

– Ich würde gerne weiterreden. – Die versammelte Opposition hat in dieser Woche an drei Stellen interessante Beispiele dafür geliefert, dass sie nicht an Nordrhein-Westfalen und auch nicht an der Konsolidierung interessiert ist, sondern Ihnen geht es – Herr Zimkeit hat es gesagt – um blendende Rhetorik. Die Betonung liegt auf blendend.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Herr Lindner, Sie haben der FDP genauso wenig wie sich selbst einen Gefallen damit getan, dass Sie Ihre bundespolitische Profilierung jetzt hier suchen, weil es anderen Stellen an Gelegenheiten fehlt.

(Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn man sich ansieht, wie ernst es Ihnen sein muss, dann können wir feststellen, dass es in dieser Woche schon einen Antrag der CDU zu einer verbindlichen Finanzplanung gab. Man könnte auch sagen – Herr Optendrenk, Sie haben eben vom Sozialismus gesprochen –, Sie wollten den Fünfjahresplan wieder einführen. Wozu das führt, kann man sich an fünf Fingern abzählen.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU: Oh!)

Die immer wieder durchsichtigen Botschaften, auch die der FDP, haben am Ende ein Ergebnis: Es geht nicht um Entfesselung, sondern es geht um die Entzauberung eines Spitzenkandidaten.

Worauf beziehen Sie Ihre Vorschläge denn? In dem Antrag steht: Sechs von 13 Bundesländern haben einen ausgeglichenen Haushalt. – Das alles hatten wir vorgestern schon. Sie wissen ganz genau, dass die ausgeglichenen Haushalte unter anderem durch Mittel zustande kommen, die Nordrhein-Westfalen in den horizontalen Finanzausgleich einzahlt. Wenn man mir sagt: „Mach es doch auch wie die“, und man würde uns die Gelegenheit dazu geben, dann ständen wir an anderer Stelle.

Sie beziehen sich dann auf den Nachhaltigkeitsbericht und sagen: Der zeigt doch, dass es bis 2020 noch eine Lücke von 0,8 Milliarden € gibt. Ich habe schon erklärt: Das ist ein Bericht auf der Grundlage, dass nichts passiert. In den letzten Jahren ist aber viel geschehen. Das mögen Sie auch am Nachhaltigkeitsbericht erkennen, denn der Nachhaltigkeitsbericht des Jahres 2010 hat für 2020 noch eine Lücke von 7,4 Milliarden € ausgewiesen. Die ist auf 0,8 Milliarden € zusammengeschrumpft. Das geht zurück auf das, was in der Zwischenzeit passiert ist.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])

Sie können sicher sein: Diese Landesregierung wird weiter daran arbeiten, dass auch in den nächsten Jahren noch etwas geschieht, was aus den 0,8 Milliarden € die Null macht.

Dann kommt das Beispiel, wir würden immer mit Globalpositionen rechnen. – 300 Millionen € Mehreinnahmen sind, gemessen an einem 62-Milliarden-Euro-Haushalt, weniger als 0,5 %. Ich will Ihnen – das war auch ein Ergebnis von Oppositionsarbeit, das in dieser Woche zutage trat – noch sagen: Im vergangenen Jahr hatte ich für die Schul- und Studienfonds 80 Millionen € – titelscharf als Einnahme in einem Haushalt – sauber ausgewiesen. Manch einer – auch unter den Berichterstattern in den Medien – stellte dazu süffisant fest: Das haben die Piraten jetzt aber dem Finanzminister weggenommen.

Wir haben auch ohne die 80 Millionen € einen guten Abschluss hinbekommen. Sie aber, liebe Piratenfraktion, haben Folgendes getan: Sie haben 80 Millionen € globale Mehreinnahmen für 2014 zusätzlich vorgesehen. Von den 300 Millionen € kommen jetzt 80 Millionen € – ich kann Ihnen benennen, wo sie herkommen – aus den Schul- und Studienfonds.

Deswegen kann gesagt werden, dass es im Laufe eines Jahres immer wieder Positionen gibt, mit denen nicht zu rechnen ist, bei denen aber bei einem Volumen von 62 Milliarden € davon ausgegangen werden kann: Die werden kommen. Da gibt es Schwankungen, und das wird auch weiterhin so bleiben. Dazu gibt es noch weitere Erwartungen, die dann, wenn sie vorzutragen sind bzw. wenn man das zeigen kann, auch in das Ergebnis eines konkreten Haushaltes hineinkommen.

Ich will nur noch einen Punkt ansprechen, den Kommunal-Soli. Auch dazu sollten Sie die „WirtschaftsWoche“ richtig lesen. Ich habe gesagt: Wenn die Kommunen in Deutschland insgesamt – das ist die Gesamtkommunalebene – ausgeglichene Haushalte haben und es sehr große Unterschiede – die man gut bezeichnen und beschreiben kann – zwischen den Kommunen gibt, sollte – das ist doch klar – auch die Frage einer Solidarität, wie wir sie üben, insgesamt eine Rolle spielen.

Das ist aber schon Teil des bestehenden Länderfinanzausgleichs. Ich habe nichts anderes als Folgendes gesagt: Wenn wir jetzt über die Fortsetzung des Länderfinanzausgleichs ab 2020 reden – zurzeit gehen schon 64 % der kommunalen Einnahmen in die Berechnung des Länderfinanzausgleichs ein –, müssen wir auch über solche Fragen sprechen.

Dann wird deutlich werden, dass die Decke zu kurz ist. Wenn sie in Deutschland gerecht verteilt werden würde, wäre das zu kurze Ende nicht unbedingt bei uns. In dem Zusammenhang muss man sich nämlich darüber im Klaren sein, dass wir immer noch – im Jahr 2013 waren es 1,7 Milliarden € – in den horizontalen Finanzausgleich einzahlen und dass wir an Zinslasten zu tragen haben, die mit dem Umbau dieses Landes zu tun haben, für den es keinen Soli gab.

Des Weiteren habe ich noch gestern in der Finanzministerkonferenz mit anderen über Fluthilfe gesprochen. Dafür nehmen wir jedes Jahr 44 Mil-lionen € an Krediten auf, damit andere sie nicht aufnehmen müssen. Sie benennen die dann als Musterknaben, die keine Altschulden haben und keine Neuschulden machen. Darüber muss man reden, und das werden wir auch tun. Dann wird sich die ganze Angelegenheit deutlich anders darstellen.

Wir sind nicht nur mit diesen Überlegungen, sondern insgesamt auf einem guten Weg der Konsolidierung. Das ist aber eine Konsolidierung, die nicht nur Ausgaben im Blick hat, sondern bei der gesehen wird, dass das Land auch Aufgaben hat. Wer solide konsolidieren will, muss beides im Auge behalten. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)


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