Plenarprotokoll



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Landtag




Plenarprotokoll

Nordrhein-Westfalen
16/50

16. Wahlperiode


31.01.2014
50. Sitzung

Düsseldorf, Freitag, 31. Januar 2014







Entschuldigt waren:

Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren

Dr. Roland Adelmann (SPD)

Inge Howe (SPD)

Hans-Peter Müller (SPD)

Michael Scheffler (SPD)

Eva Steininger-Bludau (SPD)

Markus Töns (SPD)

Ilka von Boeselager (CDU)

Regina van Dinther (CDU)

Josef Hovenjürgen (CDU)

Klaus Kaiser (CDU)

Theo Kruse (CDU)

Ina Scharrenbach (CDU)


(bis 12 Uhr)

Christina Schulze Föcking (CDU)

Dr. Robert Orth (FDP)

Dr. Ingo Wolf (FDP)






Beginn: 10:04 Uhr

Präsidentin Carina Gödecke: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen Plenarsitzung; es ist übrigens die 50. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen, also das erste kleine Jubiläum, das wir in dieser Legislaturperiode zwar nicht feiern, aber bemerken können. Mein Gruß gilt den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 14 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben heute ein „Geburtstagskind“: Herr Marc Lürbke von der Fraktion der FDP feiert heute seinen 37. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege!

(Allgemeiner Beifall)

Viel Gesundheit, Glück und Erfolg im neuen Lebensjahr! Sie haben Glück: Der Plenartag wird aller Voraussicht nach heute nicht so lange dauern, sodass Sie noch Gelegenheit haben werden, Ihren Geburtstag außerhalb des Hauses zu feiern.

Wir treten damit in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

1 Solide Haushaltskonsolidierung statt Steuererhöhungen – Nordrhein-Westfalen braucht seriöse Finanzpolitik

Aktuelle Stunde


auf Antrag
der Fraktion der FDP
Drucksache 16/4882

Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 27. Januar 2014 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende Fraktion der FDP Herrn Kollegen Lindner das Wort.

Christian Lindner (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Finanzminister hat in einem Interview mit der „WirtschaftsWoche“ gesagt, dass in den kommenden Jahren Steuererhöhungen schon unter den günstigen Bedingungen einer Normalkonjunktur kaum vermeidbar seien.

Wir haben hier im Landtag Nordrhein-Westfalen inzwischen eine gewisse Routine, was diese Debatten angeht. Ich will den Finanzminister für seine Aussage auch heute nicht kritisieren.

(Uli Hahnen [SPD]: Wow!)

Denn Norbert Walter-Borjans spricht das aus, was alle ahnen: Der Großen Koalition im Bund wird das Geld ausgehen.

Er ist der Erste, der aus dem engeren Kreis der Finanzpolitiker von Union und SPD diese Tatsache ausspricht. Dagegen hat die Frau Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung am Mittwoch noch gesagt – ich zitiere –:

„Auch deshalb ist die Politik es den Menschen schuldig zu zeigen, dass wir mit dem auskommen, was wir einnehmen, und dass wir keine Steuern erhöhen oder neue einführen.“

Gratuliere, Herr Walter-Borjans! Sie sind der Union in der finanzpolitischen Ehrlichkeit einen Schritt voraus.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der CDU: Sehr witzig!)

In Ihrem Interview heißt es weiter – ich zitiere –:

„… dann ist die Finanzdecke für Bund, Länder und Gemeinden dafür nach meiner Überzeugung zu klein.“

Das ist bemerkenswert; denn bis 2017 wird ja der Gesamtstaat über 100 Milliarden € zusätzliche Einnahmen erzielen. Allein aufgrund der kalten Progression, also den automatischen Steuererhöhungen, die sich daraus ergeben, dass das Steuersystem nicht an die Preisentwicklung angepasst wird, wird der Staat nach den Zahlen von Wolfgang Schäuble 17,5 Milliarden € zusätzlich einnehmen, und zwar nicht Geld von den Millionären, sondern von Millionen Beschäftigten in Deutschland, die ihre Gehaltssteigerungen jetzt nicht selber bekommen, sondern die an die Finanzminister gehen.

Wir haben Rekordeinnahmen, wir haben künstlich niedrige Zinsen für Deutschland, wir haben ein robustes Wachstum, und wir haben einen Arbeitsmarkt in exzellenter Verfassung. Dennoch kommen der Bund und auch das Land Nordrhein-Westfalen mit dem Geld nicht aus. Das zeigt in meinen Augen eines, Herr Finanzminister: Die Finanzdecke ist nicht zu klein. Vielmehr sind die Wahlgeschenke der Großen Koalition zu groß für diese Finanzdecke. Das ist der Zusammenhang.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Volker Münchow [SPD])

Schauen wir uns das im Einzelnen an: im Bund 23 Milliarden € Mehrausgaben bis 2017, 6 Milliarden € per annum alleine durch die rentenpolitischen Beschlüsse. Bis 2030 summiert sich das bekanntlich auf 160 Milliarden € Mehrausgaben. Ich hätte nie gedacht, dass ich das einmal sagen muss: In den Händen von Norbert Blüm war die Rente sicherer als in den Händen von Andrea Nahles.

(Beifall von der FDP)

160 Milliarden € Mehrausgaben bis 2030! Und wie werden die finanziert? – Da sagt Herr Oppermann, der Fraktionsvorsitzende der SPD im Deutschen Bundestag – ich zitiere ihn aus der „FAS“ vom vergangenen Sonntag –:

„Wir finanzieren sie zunächst aus den Rücklagen der Rentenversicherung und erhöhen später den Steuerzuschuss …“

Erst wird die Rentenkasse geplündert, und in der nächsten Legislaturperiode gibt es dann höhere Schulden oder höhere Steuern. Das ist die finanzpolitische Ehrlichkeit, insbesondere von CDU und CSU.

(Beifall von der FDP)

Wir haben aus dem Zitat von Norbert Walter-Borjans eines gelernt: Wenn es eine Person in unserem Land gibt, auf die man sich in Sachen Steuererhöhungen verlassen kann, dann ist das Norbert Walter-Borjans.

(Beifall von der FDP)

Egal, wie die politische Lage ist: Er hält Kurs.

Verehrter Herr Finanzminister, was im Bund eine realistische Einschätzung der neuen Lage nach der Regierungsbildung ist,

(Armin Laschet [CDU]: Ampelredner!)

das ist mit Blick auf Nordrhein-Westfalen pures Eigeninteresse. Denn Ihnen kann der Steuerkuchen im Bund gar nicht groß genug sein, damit auch noch ein paar Krümel für Sie hier in Nordrhein-Westfalen vom Tisch abfallen, weil Sie nämlich Ihren eigenen Haushalt nicht im Griff haben. Deshalb fordern Sie Steuererhöhungen im Bund,

(Beifall von der FDP)

die ohne die Bildung der Großen Koalition nicht erforderlich gewesen wären. Und so wie Sie mit Blick auf den Bund ehrlich und realistisch sind, Herr Finanzminister, fordere ich Sie auf, das auch mit Blick auf den Landeshaushalt Nordrhein-Westfalen zu sein.

Sie haben bei der Einbringung des laufenden Haushalts 2014 gesagt – ich zitiere Sie aus dem September, unmittelbar nach der Bundestagswahl :

„Wenn der Haushaltsausgleich allerdings nur und allein über die Senkung von Ausgaben erfolgen müsste, weil im Bund jetzt nicht die richtigen Weichen gestellt werden, wird es für viele zappenduster.“

In Ihren Augen sind zumindest nicht in dieser Legislaturperiode die richtigen Weichenstellungen vorgenommen worden. Es ist also zappenduster. Jetzt müssen Sie sich ehrlich machen, Herr Finanzminister. So wie Sie über die Finanzdecke von Bund und Gemeinden sprechen, so müssen Sie auch über die hier in Nordrhein-Westfalen sprechen.

Ohne Steuererhöhungen im Bund bekommen Sie den Haushalt nicht in den Griff, weil Sie nämlich schon im Jahre 2010 mit der Verteilung von Wahlgeschenken begonnen haben. Deshalb gelingt es Ihnen nicht, Ihren Etat zusammenzubinden.

(Beifall von der FDP)

Und die Ehrlichkeit, die Sie gegenüber dem Bund fordern, die erwarten wir jetzt auch von Ihnen, Herr Finanzminister. In Ihrem Haushaltsplan 2014 findet sich eine Position „globale Mehreinnahme“ in einer Größenordnung von 300 Millionen €.

(Martin Börschel [SPD]: Sie wollten die erhöhen!)

Dabei handelt es sich nicht etwa um die regulären Steuereinnahmen – sie sind an anderer Stelle etatisiert –, sondern um eine globale Mehreinnahme. Jetzt erwarten wir von Ihnen, Herr Finanzminister, von den Damen und Herren der Regierungskoalition, die Antwort auf die Frage: Wo kommen diese 300 Millionen € her? Ich habe Sie das im Dezember gefragt, ich frage Sie das Ende Januar. Wir werden das regelmäßig wieder von Ihnen erfragen, weil das eine Frage der Transparenz und steuerpolitische Ehrlichkeit ist.

(Beifall von der FDP)

Wenn Sie über die Notwendigkeit von Steuererhöhungen sprechen und hier 300 Millionen € globale Mehreinnahme im Landeshaushalt haben,

(Martin Börschel [SPD]: Sie haben doch beantragt, sie zu erhöhen! Das ist doch lächerlich!)

dann drängt sich doch die Frage auf, ob Sie, wenn der Bund die Steuern jetzt nicht erhöht, dann nicht an Landessteuern drehen, ob Sie dann nicht dem Trend folgen werden, wie es Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen getan haben, nämlich die Grunderwerbsteuer zu erhöhen. Da müssen Sie vor der Kommunalwahl sagen, was Ihr Plan ist, Herr Finanzminister. Das sind Sie den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes schuldig.

(Beifall von der FDP – Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Der Bund jedenfalls – letzter Satz – wird für Sie die Kastanien nicht aus dem Feuer holen. Ihre Genossen verzehren die Kastanien in Berlin lieber selbst.

(Beifall von der FDP)

Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die SPD-Fraktion spricht der Kollege Zimkeit.

Stefan Zimkeit (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war ja mal wieder blendende Rhetorik. Aber alle blendende Rhetorik, alle rhetorischen Figuren können nicht wirklich über die inhaltliche Substanzlosigkeit dieses Vortrags hinwegtäuschen.

(Beifall von der SPD – Christian Lindner [FDP]: Das liest er ab!)

– Falsch! Kommen Sie gucken, können Sie lesen! Aber ich lese jetzt etwas anderes ab, nämlich einen Satz, den Sie gesagt haben, Herr Lindner, und der auch stimmt. Sie haben nämlich gesagt, dass unser Finanzminister finanzpolitisch der Union voraus ist. Da können wir Ihnen ausnahmsweise mal zustimmen.

Aber Ihnen, Herr Lindner, ist er auch weit voraus. Wie Sie damit umgehen, zeigen Sie mit der Art und Weise, wie Sie zitieren und wie Sie das Ganze vorbereitet haben. Ich nehme einmal „Die liberale Plenarwoche“, in der Sie diese Aktuelle Stunde ansprechen. Da schreiben Sie in Anführungsstrichen, also als Zitat, Norbert Walter-Borjans hätte jüngst gesagt, es sei unumgänglich, Steuern zu erhöhen.

(Heiterkeit von Armin Laschet [CDU])

Sie lesen scheinbar das, worauf Sie sich beziehen, gar nicht. Das Wort „unumgänglich“, das Sie zitieren, kommt in diesem Interview überhaupt nicht vor. Sie beziehen sich die ganze Zeit auf die Überschrift, in der „unvermeidlich“ steht.

(Christian Lindner [FDP]: Aha!)

Sie kommt im Interview auch nicht vor. Ich empfehle Ihnen, nicht nur Überschriften zu lesen, sondern komplette Interviews unseres Finanzministers. Das würde Sie nämlich voranbringen.

(Beifall von der SPD – Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Wie groß ist eigentlich die Angst der FDP, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden? Gerade haben wir weitestgehend eine Rede gehört, die eigentlich für den Bundestag geschrieben war. Wie weit ist es mit Ihrer Angst, in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, gekommen, dass Sie nur noch mit Überschriften und mit falschen Zitaten arbeiten?

Kommen wir zu den Fakten! Machen wir mal den Faktencheck! Sie haben sich dann doch sehr ausführlich zum Landeshaushalt geäußert. Lassen Sie uns auf ein paar Fakten eingehen. Da ist der Nachhaltigkeitsbericht der Landesregierung aus dem Jahre 2010 – Ihre politische Verantwortung und die der CDU. Dort wird für 2020 ein Defizit von 7,4 Milliarden € vorausgesagt. Die Antwort der damaligen Landesregierung war: Das ist kein Problem mit der Schuldenbremse; das schaffen wir schon irgendwie.

Jetzt liegt ein aktueller Nachhaltigkeitsbericht der neuen Landesregierung vor, der auf der gleichen Systematik beruht. Er kommt 2020 zu einem prognostizierten Defizit von 800 Millionen €. Sie schulden 7,4 Milliarden, und wir haben noch 800 Millionen zu bewältigen.

(Beifall von der SPD)

Das zeigt, wie sich die Finanzpolitik in diesem Lande entwickelt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Gucken Sie doch auf die einfachen Fakten! Beschäftigen Sie sich mal mit einfachen Zahlen! Ihr letzter Haushalt im Jahr 2010 – Verschuldung: 6,4 Milliarden €. Unser nächster Haushalt 2014 – Verschuldung: 2,5 Milliarden €. Das ist die Entwicklung, das ist der Weg zur Schuldenbremse. Sie wünschen sich ja politisch, dass wir die Schuldenbremse nicht einhalten. Aber ich sage Ihnen jetzt schon: Diesen Gefallen werden wir Ihnen nicht tun. Wir werden das schaffen.

Dann reden Sie gerne über zu geringe Einnahmen und behaupten, es gibt genug Einnahmen – auch in Nordrhein-Westfalen. Aber wenn es denn auch in Nordrhein-Westfalen genug Einnahmen gibt, warum wollen Sie dann ständig Gebühren erhöhen? FDP und CDU im Lande sind doch die Parteien der Gebührenerhöhung.

Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass Sie keine Belastung für junge Familien wollen. Gleichzeitig fordern Sie in jedem Haushalt, die Gebühren für Kindertageseinrichtungen zu erhöhen.

(Beifall von Dietmar Bell [SPD] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Das ist familienfeindlich, und das sind zusätzliche Einnahmen. Warum fordern Sie diese, wenn die Einnahmesituation reichen würde?

Es gibt einen klaren Unterschied zwischen Ihnen und uns: Sie wollen zusätzliche Einnahmen von Familien und Studenten. Wir sagen, das können die Besserverdienenden und die Vermögenden leisten. – Das ist der politische Unterschied zwischen Ihnen und uns und nicht die Frage, ob es Einnahmen geben soll oder nicht.

Beschäftigen wir uns noch mal kurz mit Ihrem ständigen Vorwurf des mangelnden Sparwillens! Fakt ist doch, dass die FDP vollkommen anders vorgeht. In den letzten beiden Tagen und in den Ausschusssitzungen der letzten Wochen haben Sie mehr Geld für Inklusion, mehr Geld für Kitas, mehr Geld für Beamte, mehr Geld für Hochschulen, mehr Geld für Kommunen gefordert, ohne jedoch einen einzigen konkreten Vorschlag zu machen, woher dieses Geld kommen soll.

Wenn Sie das Wort „Ehrlichkeit“ ansprechen, wenn Sie über globale Mehreinnahmen reden, dann sagen Sie doch dazu, dass Sie in Ihren Haushaltsanträgen diese globalen Mehreinnahmen sogar mit Ihrem Houdini-Effekt erhöht haben. Das ist ehrlich, und das ist die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

In dem Zusammenhang noch ein Wort, weil ich das immer wieder verwunderlich finde. Aber eigentlich ist es nicht verwunderlich, so, wie Sie Politik betreiben, Herr Lindner. Sie werfen uns auf Landes- und auf Bundesebene ständig vor, dass wir unsere Wahlversprechen einhalten. Ja, Sie haben recht, wir halten unsere Wahlversprechen ein. Für diese Koalition gilt: Versprochen – gehalten. Aber das scheint Ihnen fremd zu sein, weil Sie das ständig kritisieren. Wir halten unsere Versprechen. Ihnen scheinen Ihre politischen Versprechen egal zu sein.

Kommen wir kurz zum Interview und zu dem, was wirklich gesagt worden ist, zurück! Der Finanzminister hat einen wichtigen Punkt genannt, der für die SPD gilt: Wir halten die im Koalitionsvertrag zugesagten Maßnahmen für unumgänglich. Wir wollen mehr Geld für Bildung. Wir wollen mehr Geld für Forschung. Wir wollen zusätzlich in Infrastruktur investieren, und wir wollen vor allen Dingen eine Entlastung für Kommunen in Höhe von mindestens 5 Milliarden.

Wenn die Steuereinnahmen dafür nicht reichen – dafür steht Herr Schäuble in der Verantwortung –, sind wir wie 77 % der Bevölkerung der Meinung, dass für mehr soziale Gerechtigkeit, für mehr Bildung und für bessere Infrastruktur auch die Steuern für Besserverdienende erhöht werden müssen. Da hat der Finanzminister im Zweifel völlig recht. – Danke schön.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)



Präsidentin Carina Gödecke: Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Optendrenk.

Dr. Marcus Optendrenk (CDU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Mittwoch haben wir in diesem Hohen Hause über die Frage diskutiert, ob Nordrhein-Westfalen eine verbindliche Finanzplanung braucht. Wir als Opposition haben darauf hingewiesen, allein schon die Art und Weise der Haushaltsführung dieser Landesregierung macht es notwendig, dass das Parlament klarere Vorgaben gibt, als nur einen jährlichen Haushalt zu verabschieden. Denn nur so können wir verhindern, dass weiterhin – und das seit 2010 – Haushaltskonsolidierung nur alibimäßig betrieben wird.

Nach der Debatte am Mittwoch war klar: Sie, Herr Finanzminister, wollen bis 2017 so weitermachen. Ihnen fehlen nämlich der Mut und der Fleiß zu einer strukturellen Haushaltskonsolidierung.

(Beifall von der CDU)

Auch wenn es Sie, Herr Minister, nerven sollte: Wir werden Ihnen Ihre mangelhafte Leistung in der Haushaltspolitik so lange vorhalten – egal, ob 466 oder 467 Mal –, bis Sie Ihre Meinung ändern und dazu kommen, dass man Haushalte strukturell konsolidieren muss, und Sie anfangen, das tatsächlich zu tun.

(Beifall von Christian Möbius [CDU])

Wir werden das so lange sagen, bis Sie es verstanden haben.

(Beifall von der CDU – Dietmar Bell [SPD]: Das wird nicht besser im Vortrag – auch nicht beim 467. Mal!)

Die Menschen in Nordrhein-Westfalen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben es verdient, besser regiert zu werden,

(Stefan Zimkeit [SPD]: 7 Milliarden 2020!)

und sie wollen nicht so regiert werden, dass heute schon die Zukunft der kommenden Generationen durch immer neue Schulden verspielt wird.

(Beifall von der CDU und Ralf Witzel [FDP])

Eine Regierung, die ihre fehlenden Erfolge mit vielen Worten zu überdecken versucht, ist keine Regierung, die eine gute Zukunft für dieses Land schafft.

Wenn die Worte nicht ausreichen, dann verlagern Sie gerne das Spielfeld, Herr Minister. In anderen Sportarten nennt man das Mattenflucht.

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Daher war ich nicht überrascht, als ich den Artikel in der „Wirtschaftswoche“ gelesen habe, der der äußere Anlass der heutigen Debatte ist. Denn seit fast zwei Monaten hatte sich der Minister gar nicht mehr zu Steuererhöhungen geäußert. Da wurde es mal wieder Zeit.

Nachdem die Regierung Kraft beim Amtsantritt neue Schulden und Steuererhöhungen mit präventiven Ausgaben des Staates gerechtfertigt hat, ist sie inzwischen der Auffassung, dass die Steuern erhöht werden müssen, um überhaupt die bestehenden staatlichen Aufgaben zu erfüllen. Sie tun so, als hätten wir 2013 nicht weit über der Inflationsrate liegende Steuereinnahmesteigerungen gehabt. Und Sie tun so, als wenn die von Ihnen im letzten Jahr über eine Bundesratsblockade verhinderte Abmilderung der kalten Progression nicht schon das wesentliche Ergebnis hätte, dass die Lohnsteuereinnahmen zulasten der Beschäftigten in Deutschland deutlich gestiegen sind. Die kalte Progression ist Ihre kalte Steuererhöhung, die Sie über Ihre Bundesratsblockade von Rot und Grün verantworten.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Deshalb sind die Steuermehreinnahmen, die Bund, Länder und Gemeinden bei der Lohn- und Einkommensteuer erzielt haben, ein ganz wesentliches Ergebnis Ihrer Blockadepolitik. Sie sind schon verdeckte Steuererhöhungen. Sie brauchen gar keine weiteren. Sie haben sie schon geschaffen.

(Beifall von der CDU)

Aber, Herr Minister, Ihre Äußerungen zeigen auch, dass Sie ein etwas seltsames Staatsverständnis haben. Sie meinen nämlich offensichtlich ernsthaft, dass das Geld in einer Volkswirtschaft besser in den Taschen der öffentlichen Hand als bei den Menschen aufgehoben ist. Das ist das historische Missverständnis, das man Sozialismus nennt.

(Beifall von der CDU – Lachen von der SPD – Jochen Ott [SPD]: Was hatten Sie für einen schlechten Geschichtslehrer? Das ist ja lächerlich! – Stefan Zimkeit [SPD]: Fragen Sie Ihre Ostkollegen! – Weitere Zurufe)

– Herr Kollege Ott, dieses System ist überall dort gescheitert, wo es eingeführt worden ist. Wenn man sich anschaut, was Ihr lieber Parteifreund Hollande in Frankreich erlebt und welche Volten er gerade anstellt, ist Zeit, festzustellen, dass Ihr großes Vorbild gerade den Bach runtergegangen ist.

(Beifall von der CDU – Lachen von Jochen Ott [SPD])

Er steuert entsprechend um und sagt: Wir müssen die Staatsausgaben senken. Wir müssen Bürokratieabbau wagen.

(Zuruf von Dietmar Bell [SPD])

Ich frage Sie, Frau Ministerpräsidentin: Wann folgen Sie ihm?

Heute sieht es eher so aus, als wollten Sie in die linke Ecke laufen, wenn ich das heutige Papier von Herrn Stegner richtig gelesen habe. Ich stelle mir gerade vor – das richte ich ernsthaft an die sozialdemokratischen Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus –, dass sich die Partei von Helmut Schmidt demnächst dem Weltökonomen Gregor Gysi an den Hals werfen will.

(Beifall von der CDU – Dietmar Bell [SPD]: Meine Güte! – Stefan Zimkeit [SPD]: Wer hat denn in der DDR mit in der Regierung gesessen? – Weitere Zurufe)

Dabei könnten Sie eigentlich mit dem Haushalt 2015 …

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

– Melden Sie sich doch einfach zu Wort. Wenn Sie eine Zwischenfrage haben, können Sie sich gern melden.

(Dietmar Bell [SPD]: Die Frage ist, ob Ihnen das peinlich ist! – Weitere Zurufe von der SPD)

Dabei könnten Sie mit dem Haushalt 2015 anfangen, umzusteuern. Sie könnten auch bei Ihrem Hochschulfesselungsgesetz mal überprüfen, ob François Hollande das in Frankreich auch so machen würde.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])

Wenn man die Kreativität und den Fleiß der Menschen fördern will, sind Gängelungen und Knebelungen sicherlich nicht die richtigen Mittel. Ihre Haushaltspolitik zeigt, dass Sie ein etwas seltsames Bild vom Staat und seinen Bürgern haben. So werden Sie nie genug Geld haben, um die Wünsche zu erfüllen, die alle Menschen haben.

Wenn Sie ernsthaft meinen, dass Bürokraten besser wüssten, was für die Menschen gut ist, dann führt das zur Bevormundung.

(Lachen von Minister Dr. Norbert Walter-Borjans)

Das ist die klassische sozialistische Tradition.

(Dietmar Bell [SPD]: Dr. Optendrenk, wir sind nicht mehr in der Zeit des Kalten Krieges!)

Die Sozialisten sahen sich auch immer als Avantgarde. Tatsache ist, dass sie keine Avantgarde waren, sondern nur schlechter Walter des Gemeinwohls.

(Beifall von der CDU und Robert Stein [fraktionslos])

Sie vergessen, dass Sie nicht über Ihr eigenes Geld reden, sondern Sie reden über das Geld der Bürgerinnen und Bürger. Lassen Sie es in deren Taschen. Da ist es besser aufgehoben als bei Ihnen.

(Beifall von der CDU und Robert Stein [fraktionslos] – Zurufe von der SPD)

Der Staat hat in den letzten Jahren mehr Geld eingenommen denn je. Der Staat hat mehr Geld eingenommen, als Inflationsrate und Wirtschaftswachstum gestiegen sind. Nachhaltigkeit bedeutet, mit dem Geld auszukommen, das wir haben. Es ist zutiefst ungerecht, dass Sie das, was Sie nicht wollen, und das, was Sie nicht können, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land bezahlen lassen wollen. Das haben die Bürgerinnen und Bürger nicht verdient.

(Beifall von der CDU – Dietmar Bell [SPD]: Sie auch nicht! – Weitere Zurufe)

Wenn Sie, Herr Minister, Ihr eigenes Interview in der „Wirtschaftswoche“ lesen, kommen Sie bei genauerer Betrachtung zu dem Ergebnis: Es wäre gut, wenn sich Nordrhein-Westfalen auf den Weg anderer machen würde. – Ich bleibe bei dem Beispiel Schleswig-Holstein, das seit Jahren ernsthaft spart. Es lässt sich zwar auch helfen, aber Hilfe anzunehmen, ist ja per se auch nichts Unsolidarisches. Hilfe darf auch sein. Aber Hilfe bekommt nur derjenige, der sich selbst anstrengt. Fangen Sie einfach damit an!

(Beifall von der CDU und Robert Stein [fraktionslos])



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